Aktenzeichen B 6 S 18.695
VwZVG Art. 36
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
AufenthV § 56 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
AsylG § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
Leitsatz
1. § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und § 56 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthV ist zu entnehmen, dass ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, gemäß § 48 Abs. 3 S. 1 AufenthG verpflichtet ist, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken, es sei denn es liegen Ausnahmen von der Passpflicht vor (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 AufenthG oder § 3 Abs. 1 S. 2 iVm § 48 Abs. 2 AufenthG). (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die fehlende Bereitschaft, der bestehenden Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen und diese durch Abgabe einer entsprechenden „Freiwilligkeitserklärung“ gegenüber der Auslandsvertretung des Heimatstaates zu dokumentieren, begründet keine Unzumutbarkeit im Sinne des § 25 Abs. 5 S. 4 AufenthG. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 4 des Bescheides vom 04.06.2018 wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller drei Viertel und der Antragsgegner ein Viertel.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, iranischer Staatsangehöriger, reiste am 05.11.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 22.12.2016 vollumfänglich ablehnte, verbunden mit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen sowie einer Abschiebungsandrohung in die Islamische Republik Iran unter Bestimmung einer Frist von 30 Tagen für die freiwillige Ausreise. Die dagegen erhobene Klage (Az.: B 2 K 17.30014) und der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 04.09.2017 hatten keinen Erfolg (Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12.02.2018, Az.: 14 ZB 18.30026).
Mit Schreiben vom 10.04.2018 wies die Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde (im Folgenden: ZAB) den Antragsteller auf seine vollziehbare Ausreisepflicht sowie auf die Passpflicht (§ 3 Abs. 1 AufenthG) hin und forderte ihn auf, seinen Pass oder Passersatz unverzüglich vorzulegen bzw. an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken, sollte er keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzen, und hierzu die beiliegenden Anträge auf Ausstellung eines Passersatzpapiers wahrheitsgemäß und vollständig ausgefüllt zum Vorsprachetermin am 16.04.2018 mitzubringen.
Bei seiner Vorsprache am 16.04.2018 erklärte der Antragsteller, dass er bei seiner Botschaft einen Pass beantragen werde, füllte aber den Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapiers nur unvollständig aus und verweigerte die Abgabe der sog. Freiwilligkeitserklärung.
Am 25.04.2018 legte der Antragsteller der ZAB eine Bescheinigung des Generalkonsulats der Islamischen Republik Iran in München vor, dass er am 18.04.2018 von 8.30 Uhr bis 10.30 Uhr zwecks konsularischer Angelegenheit dort erschienen sei.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.05.2018 beantragte der Antragsteller bei der ZAB die Ausstellung einer qualifizierten, als Ausweisersatz bezeichneten Duldung, weil er alles ihm Zumutbare unternommen habe, um Identitätspapiere zu erlangen. Die Abgabe der vom Iran verlangten sog. Freiwilligkeitserklärung sei ihm nicht zumutbar, da er zu einer wahrheitswidrigen Aussage genötigt würde.
Mit Bescheid der ZAB vom 04.06.2018 wurde
1. der Antragsteller verpflichtet, bis zum 02.07.2018 bei der zuständigen Auslandsvertretung des Iran die Ausstellung eines zur Einreise in den Iran berechtigenden Dokuments (z. B. Reisepass) zu beantragen;
2. festgestellt, dass eine Bestätigung der Antragstellung für den Reisepass bis spätestens 09.07.2018 bei der ZAB vorzulegen ist;
3. festgestellt, dass, wenn der Reisepass oder ein Passersatzpapier ausgestellt wird, der Antragsteller es innerhalb von drei Werktagen bei der ZAB abzugeben hat;
4. für den Fall der nicht fristgemäßen Erfüllung der unter Ziffer 2 festgelegten Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 150,00 EUR angedroht;
5. die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 angeordnet.
Auf die Gründe des Bescheides wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 05.07.2018, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 04.06.2018 aufzuheben (Az.: B 6 K 18.696) sowie die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, der Bescheid sei rechtswidrig, weil der Antrag auf Ausstellung einer qualifizierten Duldung noch nicht verbeschieden worden sei.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz der ZAB vom 30.07.2018 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei unbegründet, weil das Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung überwiege. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG seien erfüllt. Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig. Ziel des Bescheides sei es, die Ausreise zu ermöglichen. Der Antragsteller habe bisher keinerlei Bemühungen unternommen, die selbstverschuldete Passlosigkeit zu beseitigen, obwohl er mehrmals (mit Schreiben vom 09.01.2017, bei einer Vorsprache am 30.01.2017, mit Schreiben vom 10.04.2018, bei einer Vorsprache am 16.04.2018) über diese Mitwirkungspflichten belehrt worden sei. Was die Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung angehe, werde auf die entsprechende Rechtsprechung (u.a. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.2009 – 1 C 19.08 und Verwaltungsgericht Bayreuth, Beschluss vom 26.10.2017 – 6 S 17.750) verwiesen. Mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen sei der Antrag auf Ausstellung einer Duldung gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG abgelehnt worden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Ausländerakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist, soweit er nicht Ziffern 2 und 3 des Bescheides vom 04.06.2018 betrifft, zulässig, aber nur in dem Umfang, der sich aus dem Tenor ergibt, begründet.
1.1 Soweit der Antrag Ziffern 2 und 3 des Bescheides vom 04.06.2018 betrifft, ist er unzulässig.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Da Ziffern 2 und 3 des Bescheides vom 04.06.2018 weder gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO kraft Gesetztes sofort vollziehbar sind, noch gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ihre sofortige Vollziehung besonders angeordnet wurde (Ziffer 5 des Bescheides vom 04.06.2018 bezieht sich ausdrücklich nur auf Ziffer 1), ist ein Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht statthaft, weil die Anfechtungsklage ohnehin schon gemäß § 80 Abs. 1 VwGO kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat.
1.2 Soweit der Antrag Ziffer 1 des Bescheides vom 04.06.2018 betrifft, ist er als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zulässig, insbesondere statthaft, nachdem der Antragsgegner in Ziffer 5 die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 04.06.2018 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besonders angeordnet hat, aber unbegründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell und materiell rechtmäßig ist.
1.2.1 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 04.06.2018 ist formell rechtmäßig, insbesondere genügt sie dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere (öffentliche, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist. An die Begründung der Anordnung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen, nicht ausreichend sind aber nicht auf den konkreten Einzelfall abstellende, formelhafte Begründungen. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses besondere öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden. Bei gleichartigen Tatbeständen können diesem Erfordernis auch gleiche oder „gruppentypisierte“ Begründungen genügen (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rn. 85).
Die diesbezüglichen Ausführungen in den Gründen des Bescheides vom 04.06.2018 (Ziffer 4) entsprechen diesen Anforderungen. Die Herleitung eines besonderen öffentlichen Interesses daran, dass der Antragsteller die Verpflichtung zur Passbeantragung sofort erfüllt, aus dem Umstand, dass die Erfüllung der vollziehbaren Ausreisepflicht des Antragstellers und deren Durchsetzung im Wege der Abschiebung die Erfüllung der Passpflicht voraussetzen und dass die dem Antragsteller gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise bereits abgelaufen ist, sodass er die Bundesrepublik Deutschland eigentlich schon verlassen haben müsste, ist nicht formelhaft und berücksichtigt die Umstände des konkreten Einzelfalles. Auch mit der Frage, ob demgegenüber ein überwiegendes Interesse des Antragstellers daran besteht, die auferlegte Verpflichtung zunächst – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – nicht erfüllen zu müssen, setzt sich die Begründung der Sofortvollzugsanordnung auseinander.
1.2.2 Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 04.06.2018 ist auch materiell rechtmäßig, weil die gebotene Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zu dem Ergebnis führt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesses daran besteht, dass der Antragsteller die Verpflichtung zur Passbeantragung sofort erfüllt.
1.2.2.1 Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist in der Regel anzunehmen, wenn die Klage Aussicht auf Erfolg hat. Ziffer 1 des Bescheides vom 04.06.2018 wird jedoch aller Voraussicht nach nicht aufgehoben werden, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Verpflichtung zur Passbeantragung allem Anschein nach rechtmäßig und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.2.2.1.1 Die Pflicht des Antragstellers, deren Erfüllung durch Verwaltungsakt angeordnet wurde – Beantragung der Ausstellung eines zur Einreise in den Iran berechtigenden Dokuments, z. B. eines Reisepasses -, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen. Den besonderen Stellenwert der Passpflicht unterstreicht § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach der Aufenthalt im Bundesgebiet entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 AufenthG einen Straftatbestand erfüllt. Dementsprechend ist ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken. § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV verpflichtet einen Ausländer, der sich im Bundesgebiet aufhält und keinen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzt, ganz konkret, unverzüglich die Neuausstellung eines Passes oder Passersatzes zu beantragen. Ist dem Ausländer der bisherige Pass oder Passersatz abhandengekommen, ergibt sich die Verpflichtung zur unverzüglichen Beantragung eines neuen Passes oder Passersatzes aus § 56 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV.
Die Ausnahmen von der Passpflicht – Befreiung durch Rechtsverordnung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) oder Erfüllung der Passpflicht durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 AufenthG) – liegen beim Antragsteller nicht vor. Insbesondere besitzt er weder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung, die gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG als Ausweisersatz bezeichnet ist, noch hat er einen Anspruch auf Ausstellung eines solchen Ausweisersatzes. Denn gemäß § 48 Abs. 2 AufenthG genügt ein Ausländer der Ausweispflicht mit einer Duldungsbescheinigung, die mit den Angaben zur Person und einem Lichtbild versehen und als Ausweisersatz bezeichnet ist, nur dann, wenn er einen Pass oder Passersatz weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann. Der Antragsteller kann aber in zumutbarer Weise einen Pass erlangen, weil die Ausstellung allein an der Verweigerung der Freiwilligkeitserklärung scheitert und es dem Antragsteller zuzumuten ist, diese Freiwilligkeitserklärung gegenüber der Auslandsvertretung der Islamischen Republik Iran abzugeben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in seinem Urteil vom 10.11.2009 (Az.: 1 C 19/08, juris Rn. 14 ff) Folgendes ausgeführt:
„Entgegen der Auffassung der Kläger war und ist es ihnen zuzumuten, der (wiederholten) Aufforderung der Beklagten nachzukommen und die „Freiwilligkeitserklärung“ auf dem von der iranischen Auslandsvertretung vorgesehenen Antragsformular zu unterschreiben. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass sie vollziehbar ausreisepflichtig sind. Die gesetzliche Pflicht zur Ausreise bedeutet, dass sie freiwillig ausreisen oder sich zwangsweise abschieben lassen müssen. Das Aufenthaltsrecht erlegt dem Ausländer primär auf, dass er seiner Ausreisepflicht freiwillig – und unverzüglich – nachkommt (§ 50 Abs. 2 AufenthG). Eine zwangsweise Abschiebung kommt erst in Betracht, wenn der Ausländer seine Ausreisepflicht nicht freiwillig erfüllt bzw. die Überwachung der Ausreise erforderlich ist (§ 58 Abs. 1 und 3 AufenthG). Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist daher aufenthaltsrechtlich gehalten, das Land freiwillig zu verlassen. Die Rechtsordnung mutet dem Ausländer zu, seiner Ausreisepflicht von sich aus nachzukommen. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Obliegenheit für den Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen, zur Ausreise bereit zu sein und einen dahingehenden Willen zu bilden. In diesem Rahmen ist es für einen ausreisepflichtigen Ausländer rechtlich grundsätzlich nicht unzumutbar, zur Ausreise nicht nur willens und bereit zu sein, sondern diese Bereitschaft auch zu bekunden und eine „Freiwilligkeitserklärung“ in der hier gegebenen Form abzugeben. Ein entgegenstehender innerer Wille des Ausländers, der die Erklärung mangels Bildung eines entsprechenden Willens als unwahr empfindet, ist aufenthaltsrechtlich regelmäßig unbeachtlich. Dies gilt im Übrigen auch für andere Ausländer, die, ohne eine derartige Erklärung abgeben zu müssen, ausreisepflichtig sind und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erstreben.
Nach den vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts beschränkt sich die hier fragliche „Freiwilligkeitserklärung“ inhaltlich darauf, der gesetzlichen Ausreisepflicht von sich aus nachkommen zu wollen (UA S. 14 f.). Eine weitergehende Bedeutung ist der Erklärung nicht zu entnehmen. So kann darin, anders als die Kläger meinen, kein Bekenntnis zum iranischen Regime bzw. keine Loyalitätsbekundung gegenüber dem iranischen Staat gesehen werden. Wie in einem solchen Fall die Abgabe einer derartigen Erklärung zu beurteilen ist, bedarf deshalb hier keiner Entscheidung.
Die Kläger sind nicht gezwungen, die „Freiwilligkeitserklärung“ als unwahre Bekundung bzw. als „Lüge“ abzugeben. Die Freiwilligkeit kann in dem Sinne erklärt werden, sie, die Kläger, seien vollziehbar ausreisepflichtig und wollten, um nicht zwangsweise abgeschoben zu werden, ihrer Ausreisepflicht von sich aus nachkommen. Eine derartige Erklärung ist nicht unwahr.
Die fehlende Bereitschaft der Kläger, der bestehenden Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen und diese durch Abgabe einer entsprechenden „Freiwilligkeitserklärung“ gegenüber der Auslandsvertretung ihres Heimatstaates zu dokumentieren, begründet keine Unzumutbarkeit im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG. Dem steht die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur mangelnden Strafbarkeit der Weigerung, eine „Freiwilligkeitserklärung“ abzugeben (OLG Nürnberg, Urteil vom 16. Januar 2007 – 2 St OLG Ss 242/06 – juris Rn. 39 ff. zur Unzumutbarkeit; vgl. aber auch OLG Celle, Urteil vom 14. Februar 2007 – 21 Ss 84/06 – InfAuslR 2007, 255, wonach bereits der objektive Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG den Verstoß gegen § 49 Abs. 2 Halbs. 2 AufenthG nicht erfasst; so auch Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: April 2009, A 1 § 95 Rn. 54), nicht entgegen. Denn die deutsche Rechtsordnung nimmt es hin, wenn sich ein Ausländer – wie die Kläger – zur Abgabe einer „Freiwilligkeitserklärung“ gegenüber einer ausländischen Stelle außerstande sieht. Die Abgabe kann weder rechtlich erzwungen noch gegen den Willen des Ausländers durchgesetzt werden; an die verweigerte Abgabe können deshalb auch keine strafrechtlichen Sanktionen geknüpft werden.
Auch wenn die Erklärung nicht erzwungen werden kann, so wird die Weigerung, sie abzugeben, vom Aufenthaltsrecht allerdings nicht honoriert. Kann ein Ausländer durch eigenes zumutbares Verhalten dazu beitragen, ein Ausreisehindernis zu beseitigen, dann führt seine Weigerung dazu, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ausscheidet. Dazu zählt auch die ihm obliegende Willensbildung zur freiwilligen Ausreise oder u.a. der Wiedererwerb einer aufgegebenen Staatsangehörigkeit. Dies hat der Senat bereits zu der Vorgängervorschrift im Ausländergesetz 1990 so entschieden (zu § 30 AuslG; vgl. Urteil vom 24. November 1998 – BVerwG 1 C 8.98 – BVerwGE 108, 21 ). Der Grundsatz, die Verweigerung einer zumutbaren freiwilligen Ausreise nicht zu honorieren, ist vom Bundesverwaltungsgericht im Übrigen auch im Asyl- und Flüchtlingsrecht wiederholt betont worden (vgl. etwa Urteil vom 3. November 1992 – BVerwG 9 C 21.92 – BVerwGE 91, 150 = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 158 sowie Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265 ; jeweils m.w.N.).
Die Abgabe der „Freiwilligkeitserklärung“ ist den Klägern daher zuzumuten. Damit haben sie die Unmöglichkeit ihrer Ausreise zu vertreten. Dies schließt einen Anspruch nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus.“
Es ist nicht ersichtlich, warum die Frage der Zumutbarkeit der Abgabe der Freiwilligkeitserklärung im Rahmen des § 48 Abs. 2 AufenthG anders zu beurteilen sein sollte als im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG.
1.2.2.1.2 § 46 Abs. 1 AufenthG ermächtigt die Ausländerbehörde ausdrücklich, im Wege einer Ermessensentscheidung („kann“) gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise zu treffen. Die Anordnung der Passbeantragung ist zweifelsfrei eine Maßnahme zur Förderung der Ausreise. Nachdem der vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller wiederholt auf seine Pass(beschaffungs)pflicht hingewiesen wurde und sich ausdrücklich weigert, in zumutbarer Weise an der Passbeschaffung mitzuwirken, entspricht der Erlass eines diesbezüglichen Verwaltungsakts nach Ablauf der Ausreisefrist einer pflichtgemäßen Ermessensausübung.
1.2.2.2 Andere Interessen des Antragstellers an einer vorläufigen Nichterfüllung der auferlegten Passbeantragungspflicht sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Demgegenüber besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Passbeantragung. Insoweit folgt das Gericht der zutreffenden Sofortvollzugsbegründung des Bescheides vom 04.06.2018 (Ziffer 4 der Gründe) und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Der Antragsteller ist gemäß § 50 Abs. 1 und 2 AufenthG, § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG verpflichtet, das Bundesgebiet nunmehr – nach Ablauf der gesetzten Ausreisefrist – unverzüglich zu verlassen. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist er abzuschieben, weil seine Ausreisepflicht vollziehbar, die gewährte Ausreisefrist abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist. Vor diesem Hintergrund besteht ein besonderes öffentliches Interesse daran, die Schaffung der Ausreise- bzw. Abschiebungsvoraussetzungen, zu denen der Besitz eines Passes gehört, sofort einzuleiten.
1.3 Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheides vom 04.06.2018, die sich ausdrücklich nur auf Ziffer 2 des Bescheides vom 04.06.2018 bezieht, ist zulässig und begründet.
1.3.1 Der Antrag ist statthaft, weil gemäß Art. 21a Satz 1 VwZVG Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden. Damit entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Zwangsgeldandrohung kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO mit der Folge, dass gemäß Art. 21a Satz 2 VwZVG in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen kann.
1.3.2 Anders als im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes der Regelfall, d.h. grundsätzlich besteht ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug. Vorliegend überwiegt aber das Interesse des Antragstellers daran, ausnahmsweise bis zur Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug der Zwangsgeldandrohung verschont zu bleiben, das Vollzugsinteresse, weil die Zwangsgeldandrohung nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage allem Anschein nach rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 19 Abs. 1 VwZVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn sie nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden können (Nr. 1) oder wenn der förmliche Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat (Nr. 2) oder wenn die sofortige Vollziehung angeordnet ist (Nr. 3). Gemäß Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten, wenn die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird. Gemäß Art. 36 Abs. 1 VwZVG müssen die Zwangsmittel schriftlich angedroht werden (Satz 1), wobei für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen ist, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann (Satz 2). Gemäß Art. 31 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwZVG ist die Androhung des Zwangsgeldes ein Leistungsbescheid, der gemäß Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckt werden kann, wenn er dem Leistungspflichtigen zugestellt ist (Nr. 1), die Forderung fällig ist (Nr. 2) und der Leistungspflichtige ergebnislos gemahnt worden ist (Nr. 3). Gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird die Zwangsgeldforderung fällig, wenn die auferlegte Pflicht bis zum Ablauf der Frist des Art. 36 Abs. 1 VwZVG nicht erfüllt ist.
Gemessen daran ist die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 des Bescheides vom 04.06.2018 rechtswidrig. Zwar entspricht sie in Verbindung mit Ziffer 2 des Bescheides vom 04.06.2018 insoweit dem Erfordernis des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, als die Fristsetzung in Ziffer 2 „bis spätestens 09.07.2018“ rechtssystematisch der Zwangsgeldandrohung zuzuordnen ist. Nachdem aber, wie dargelegt, die gegen Ziffer 2 erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat (vgl. II. 1.1 der Gründe), fehlt es an der Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, dass innerhalb der bestimmten Frist dem Antragsteller der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Ferner bewirkt diese Fristbestimmung, dass gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG die Zwangsgeldforderung mit Ablauf des 09.07.2018 fällig geworden ist, obwohl Ziffer 2 gemäß Art. 19 Abs. 1 VwZVG noch gar nicht vollstreckt werden kann.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO (Kostenteilung im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).