Verwaltungsrecht

Polizeipflichtigkeit des Hauptmieters für Zweckentfremdung einer Wohnung durch Untermieter

Aktenzeichen  M 9 S 16.4695

Datum:
19.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayZwEWG BayZwEWG Art. 2 S. 1, 2, Art. 5
BayLStVG BayLStVG Art. 9 Abs. 1 S. 1, Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
BGB BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 31 Abs. 1, Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Die durch die Zweckentfremdung verursachte andauernde Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat der Hauptmieter ebenso zu vertreten wie der Untermieter. Er hat gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB die Möglichkeit, die zweckfremde Nutzung durch Kündigung des Untermietvertrags, der einen echten Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten darstellt, zu beenden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Fehlende Kenntnis von den Handlungen des Untermieters schützt den Hauptmieter nicht. (redaktioneller Leitsatz)
3 So wie in bestimmten Konstellationen in erster Linie der Eigentümer in der Lage sein wird, die Gefahr möglichst effektiv und dauerhaft zu beseitigen, so ist es vorliegend in erster Linie am Hauptmieter, unzulässige Nutzungen seines Untermieters zu unterbinden (Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf € 13.200,– festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen zweckentfremdungsrechtlichen Bescheid.
Der Antragsteller ist Mieter der Wohneinheit Nr. 72 im ersten Obergeschoss rechts des Anwesens …-straße 12a. Eigentümer der Wohnung ist Herr …, wohnhaft in Dubai, von dem der Antragsteller die Wohnung ab … September 2013 zu Wohnzwecken angemietet hat. Das Mietverhältnis ist laut Aktenlage auf drei Jahre, mithin bis zum … September 2016, befristet. Der Antragsteller hat die Wohnung seinerseits (unter-) vermietet an Herrn … Vorgelegt wurde hierzu ein Untermietvertrag (i.F.: UMV) vom … Dezember 2013, befristet bis zum … September 2016 (Bl. 8f. des Gerichtsakts). Ausweislich § 1 Nr. 4 Satz 2 UMV erfolgt die Vermietung zu Wohnzwecken. Mit § 4 Nr. 3 Satz 1 UMV wurde dem Untermieter ausdrücklich untersagt, eine Zweckentfremdung der Mietsache herbeizuführen bzw. die Mietsache anderen als Wohnzwecken zuzuführen. Für den Fall, dass der Untermieter die Mietsache nachweislich zweckentfremdet, berechtigt § 4 Nr. 3 Satz 2 UMV den Vermieter zur sofortigen fristlosen Kündigung. Das Untermietverhältnis wurde durch den Antragsteller mit Schreiben vom … März 2016 zum … Juni 2016 gekündigt (Bl. 376 des Behördenakts). Am … August 2016 vereinbarten die Vertragsparteien, dass das Untermietverhältnis über den … September 2016 hinaus fortgeführt werde, spätestens mit Ende des Hauptmietverhältnisses aber ende (Bl. 11 des Gerichtsakts).
Dem Antragsteller wurde mit Bescheid vom … Oktober 2015 aufgegeben, die Nutzung der genannten Wohneinheit zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden. In einem gegen diesen Bescheid geführten Eilverfahren, Aktenzeichen M 9 S 15.5264, lehnte die Kammer den Eilantrag des Antragstellers ab (Bl. 236ff. des Behördenakts). Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wurde das Verfahren mit Beschluss vom … Mai 2016, Aktenzeichen 12 CS 16.347, eingestellt, nachdem die Antragsgegnerin den Bescheid aufgehoben hatte. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben, da zwar die Antragsgegnerin den Bescheid aufgehoben hatte, dies aber nur dem Umstand geschuldet war, dass das oben angeführte Untermietverhältnis erst im Beschwerdeverfahren nachgewiesen wurde (Bl. 440ff. des Behördenakts).
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom … August 2016 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller (erneut) auf, die Überlassung der Wohneinheit zum Zwecke der Fremdenbeherbergung unverzüglich zu beenden (Ziffer 1.), sprach die Verpflichtung des Antragstellers aus, die Wohneinheit unverzüglich nach Überlassung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung [sic!] wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 2.), drohte je ein Zwangsgeld in Höhe von € 5.000,– für die Fälle an, dass der Antragsteller Ziffer 1. des Bescheides nicht binnen sechs Wochen ab Zustellung des Bescheides (Ziffer 3.) bzw. Ziffer 2. des Bescheides nicht binnen drei Monaten ab Zustellung des Bescheides nachkomme (Ziffer 4.) und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern 1. und 2. des Bescheides an (Ziffer 5.).
Den Angaben des mit dem Eigentümer geschlossenen Mietvertrags zufolge sei dem Antragsteller eine Untervermietung nur an „Freunde + Bekannte + Gäste“ gestattet (§ 8 Nr. 8.2 des Mietvertrages). Eine gewerbliche Untervermietung der Wohnung sei ausdrücklich nicht gestattet. Der betreffende Wohnraum sei dem widersprechend seit Beginn des Mietverhältnisses nie selbst durch den Antragsteller oder durch seinen Untermieter bewohnt worden, sondern werde an wechselnde Personen aus dem arabischsprachigen Raum zur jeweils kurzfristigen Nutzung untervermietet. Der Antragsteller sei auch der richtige Adressat der Anordnungen. Zwar erfolge die Störung in Form der zweckfremden Nutzung nicht durch ihn unmittelbar, er sei aber Zweckveranlasser der Störung und somit auch Handlungsstörer. Der Antragsteller als Hauptmieter und sein Untermieter bildeten eine natürliche Einheit und seien beide für die zweckfremde Nutzung verantwortlich. Der Antragsteller dulde die Zweckentfremdung wissentlich seit dem Jahr 2014 ohne hiergegen einzuschreiten, insbesondere, ohne die zur Verfügung stehenden mietvertraglichen Möglichkeiten, die rechtswidrige Nutzung abzustellen, zu ergreifen. Die am … März 2016 erfolgte Kündigung sei zu unbestimmt gewesen, zudem habe der Antragsteller – soweit ersichtlich – keine Maßnahmen zu ihrer rechtlichen Durchsetzung ergriffen. Nachfragen seitens der Antragsgegnerin seien unbeantwortet geblieben. Das Untermietverhältnis bestehe offensichtlich nach wie vor fort. Zur effektiven Gefahrenabwehr sei auch der Antragsteller zu verpflichten gewesen, seine Einbeziehung als mittelbarer Verursacher statthaft. Im Übrigen, insbesondere zu den Nachweisen über die umfangreichen Ermittlungen der Antragsgegnerin – auch im Rahmen von Ortsterminen – hinsichtlich der fortwährenden zweckentfremdenden Nutzung, wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
Der Antragsteller persönlich hat mit Schriftsatz vom … September 2016 Klage gegen den Bescheid erhoben. Sein im hiesigen Verfahren Bevollmächtigter beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom … September 2016, M 9 K 16.4276, gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom … August 2016, wiederherzustellen.
Gegenüber der Sachlage im Verfahren M 9 S 15.5263 [sic!] habe sich nichts geändert, es werde auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen. Der Antragsteller sei weiterhin Mieter der betreffenden Wohnung und habe diese erlaubt untervermietet. Nur der Untermieter sei richtiger Adressat einer etwaigen Untersagungsverfügung. Der Antragsteller nutze die Wohnung selbst nicht zweckfremd, habe keine entsprechenden Verträge mit Kurzzeitnutzern abgeschlossen und erhalte kein Entgelt für eine zweckfremde Nutzung. Die Zweckentfremdung erfolge ohne Wissen und Mitwirkung des Antragstellers. Er sei aufgrund des Untermietvertrages privatrechtlich gebunden und daran gehindert, die Nutzung durch den Untermieter unverzüglich einzustellen, es bestehe ein Vollstreckungshindernis. Eine Duldungsanordnung gegenüber dem Antragsteller bzw. eine weitere Nutzungsuntersagung gegen den Endmieter seien nicht erfolgt. Das angedrohte Zwangsgeld sei zu hoch, begründende Ausführungen dafür fehlten im Bescheid.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Bescheid sei richtigerweise an den Antragsteller als Handlungsstörer gerichtet worden. Die Behauptung, die zweckfremde Nutzung erfolge ohne Wissen und Mitwirkung des Antragstellers, sei unzutreffend und unglaubwürdig. Dem Antragsteller sei spätestens seit dem Jahr 2014 bekannt, dass der Untermieter die Wohnung zweckfremd nutze, wie der Bescheid ausführlich darlege. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller mehrfach angeschrieben und über die zweckfremde Nutzung informiert. Weiter sei aufgrund der zweckfremden Nutzung bereits ein zweckentfremdungsrechtlicher Bescheid gegen ihn erlassen worden. Die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken sei zudem Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren gewesen. Zwischen dem Antragsteller und seinem Untermieter habe im Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrags zudem bereits ein Wohnraummietverhältnis über ein Einfamilienhaus in der … Straße 223b bestanden, wie sich aus den Anlagen zur Klagebegründung im Verfahren M 9 K 16.4641 ergebe. Dem Antragsteller musste sich daher aufdrängen, dass der Untermieter die streitgegenständliche Wohneinheit nicht für Wohnzwecke nutze. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Unterbindung der zweckfremden Nutzung nicht einsetzen wolle. Er leiste damit einen eigenen Verursachungsbeitrag. Ein Vollstreckungshindernis bestehe nicht, gegenüber dem Untermieter sei eine eigene Nutzungsuntersagung erlassen worden. Die Zwangsgeldhöhe sei nicht zu beanstanden. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses sei regelmäßig nicht erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten, auch im Klageverfahren, Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Der Antrag ist nach Auslegung, § 122 Abs. 1, § 86 Abs. 1 Satz 2, § 88 VwGO darauf gerichtet, sowohl gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 5. des Bescheids vorzugehen als auch darauf, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf Ziffer 3. und 4. des Bescheids zu erreichen. Zwar hat der Antragsteller ausdrücklich nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage begehrt, er trägt aber in seiner Antragsbegründung auch ausführlich zur Unzulässigkeit der Zwangsgeldandrohung vor, weswegen davon auszugehen ist, dass er sich auch gegen die Wirkungen des Art. 21a VwZVG wenden wollte.
Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Anfechtungsklagen grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nur ausnahmsweise u. a. in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO, wenn der Entfall der aufschiebenden Wirkung durch Bundes- oder Landesrecht vorgeschrieben ist oder wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wird. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag im Fall des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 3 die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, im Fall des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn es im Wege einer eigenen Ermessensentscheidung zum Ergebnis kommt, dass das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Nichtvollzug das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung hat sich dabei an den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu orientieren, die das Gericht summarisch überprüft.
Hier überwiegt nach diesen Maßstäben das behördliche Vollzugsinteresse, da die Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, da sich der Verwaltungsakt bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig erweist.
Zur Begründung wird auf den Beschluss der Kammer vom … Februar 2016, M 9 S 15.5264 – im Rechtsstreit um den Bescheid vom … Oktober 2015 mit denselben Beteiligten und denselben Klägerbevollmächtigten – und auf den streitgegenständlichen Bescheid vom … August 2016 Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO.
Ergänzend wird ausgeführt:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 5. des Tenors) ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Das Amt für Wohnen und Migration hat als zuständige Ausgangsbehörde, ohne dass es zuvor einer Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG bedurft hätte, nicht nur formelhaft, sondern unter ausführlicher Begründung des öffentlichen Vollzugsinteresses die Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügt.
1. Ziffer 1. des Bescheids begegnet keinen Bedenken. Dies ergibt sich tatbestandlich aus den umfangreichen Ermittlungen der Antragsgegnerin; eine zweckfremde Nutzung im Sinne von Art. 2 Satz 1, Art. 5 ZwEWG, § 4 Abs. 1 ZeS ist demnach gegeben (siehe auch VG München, B. v. 4.2.2016 – M 9 S 15.5264 – BA).
Der Antragsteller ist auch richtiger Adressat des Bescheides. Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG sind die wegen des Verhaltens oder des Zustands einer Person erforderlichen Maßnahmen, um eine Gefahr zu beenden, gegen die Person zu richten, die die Gefahr oder die Störung verursacht hat. Vorliegend handelt es sich um eine bereits eingetretene Gefahr, also um eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Verwirklichung des Tatbestands der Art. 5 ZwEWG, § 14 Abs. 1 und 2 ZeS.
Es liegt eine Störermehrheit im sicherheitsrechtlichen Sinne vor, da neben dem Untermieter auch der Hauptmieter für die fortwährende Zweckentfremdung von Wohnraum verantwortlich ist (a). Die von der Antragsgegnerin am Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr ausgerichtete Störerauswahl, die sich auch vollumfänglich im Bescheid niedergeschlagen hat, ist nicht zu beanstanden (b).
a) Der Antragsteller hat die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG (mit-) verursacht. Der Hauptmieter eines Objekts hat die Möglichkeit, die zweckfremde Nutzung durch Kündigung des Untermietvertrags, der einen echten Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten darstellt (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 535 Rn. 4), zu beenden, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB (BayVGH, B. v. 9.5.2016 – 12 CS 16.899 – juris; VG München, B. v. 4.2.2016 – M 9 S 15.5264 – BA; U. v. 2.5.2011 – M 8 K 10.2456 – juris; Schmidt-Futterer/Blank BGB § 540 Rn. 49 und § 543 Rn. 71). Die andauernde Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat der Antragsteller ebenso zu vertreten wie der Untermieter, vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 2 ZeS (BayVGH, B. v. 25.2.2004 – 24 ZB 03.2994 – juris; VG München, B. v. 4.2.2016 – M 9 S 15.5264 – BA; U. v. 2.5.2011 – M 8 K 10.2456 – juris). Dies umso mehr, als der Antragsteller vorliegend kraft des Untermietvertrags im Fall der Zweckentfremdung des Wohnraums ein Recht zur sofortigen fristlosen Kündigung hat, wie sich aus § 4 Nr. 3 Satz 2 UMV ergibt. Unabhängig davon, ob das Schreiben vom … März 2016 (Bl. 376 des Behördenakts) eine taugliche Kündigungserklärung darstellte oder eventuell von vorn herein – mangels konkreter Umschreibung eines Kündigungsgrundes und mangels detaillierter Nennung der Wohneinheit – als reine Alibihandlung zu werten ist, unterließ es der Antragsteller jedenfalls im Folgenden trotz Erfolglosigkeit dieses Mittels, weitere Kündigungen auszusprechen, Räumungstitel zu erwirken und/oder Räumungsversuche zu unternehmen (vgl. BayVGH, B. v. 9.5.2016 – 12 CS 16.899 – juris; OVG SH, B. v. 17.11.2015 – 1 MB 25/15 – juris). Ein ernstliches Bemühen, die Zweckentfremdung durch den Untermieter zu beenden, war zu keinem Zeitpunkt erkennbar. Dies wird bestätigt durch die rechtlich nicht haltbare Argumentation des Bevollmächtigten, der die langandauernde Untätigkeit seines Mandanten nach wie vor aufgrund einer privatrechtlichen Bindung durch den Mietvertrag als gerechtfertigt ansieht.
Der Antragsteller kann sich auch nicht auf mangelnde Kenntnis des Verstoßes gegen Zweckentfremdungsrecht berufen. Die Antragsgegnerin hatte ihn mehrfach schriftlich über den Verdacht der zweckfremden Nutzung informiert. Weiter erging aufgrund des Sachverhalts bereits ein zweckentfremdungsrechtlicher Bescheid – vom … Oktober 2015 – gegen ihn, der die Umstände der Nutzung zu anderen als Wohnzwecken ausführlich und unter Auflistung umfangreicher Nachweise schilderte. Die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken war zudem Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren mit dem Antragsteller als Beteiligten. Weiter bestand zwischen dem Antragsteller und seinem Untermieter im Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrags bereits ein Wohnraummietverhältnis über ein Einfamilienhaus in der … Straße 223b (Untermietvertrag vom … Dezember 2012, Bl. 24 des Gerichtsakts). Die Antragsgegnerin geht deswegen zu Recht davon aus, dass es sich dem Antragsteller auch unabhängig von den Ermittlungen und Nachweisen der Antragsgegnerin aufdrängen musste, dass der Untermieter die streitgegenständliche Wohneinheit nicht für Wohnzwecke nutzt. Weiter würde fehlende Kenntnis von den Handlungen des Untermieters den Hauptmieter ohnehin nicht schützen (LG Berlin, U. v. 4.11.2015 – 65 S 318/15 – juris m. w. N.).
b) Aus der Perspektive des auf eine effektive Beendigung der Gefahrenlage ausgerichteten Sicherheitsrechts ist es nicht zu beanstanden, dass die Anordnung vorliegend an den Hauptmieter gerichtet wurde.
Er ist Verhaltensverantwortlicher i. S. d. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Seine Verhaltensverantwortlichkeit folgt daraus, dass er mit der Überlassung der Wohneinheit an den unmittelbar zweckfremd Nutzenden die Gefahrenschwelle zur Verwirklichung des Tatbestands der Zweckentfremdung fortwährend überschreitet. Unabhängig davon, dass der Kammer das Zusammenwirken des Antragstellers mit dem vorliegend als Untermieter fungierenden Hr. … in unterschiedlichsten Konstellationen ohnehin aufgrund vielfältiger Prozesse bekannt ist, bewirkt seine Stellung als Hauptmieter eine hinreichende Nähe zur Gefahr der fortwährenden Zweckentfremdung, die auch nicht aufgrund eines rein formell festgeschriebenen Verbots der zweckfremden Nutzung im Untermietvertrag entfällt. Dem Antragsteller kommt steuernder Einfluss insofern zu, als er die Zweckentfremdung, wie sich aus Ziffer 1, Buchst. a des hiesigen Beschlusses ergibt, jederzeit beenden kann (BayVGH, B. v. 29.10.2015 – 22 ZB 15.1770 – juris). Die Antragsgegnerin geht deswegen zu Recht von einer „Störereinheit“ i. S.e. Mitverursachung aus (vgl. BayVGH, U. v. 18.4.2013 – 10 B 11.1529 – juris). Die öffentlich-rechtliche Rechtspflicht zum Handeln ergibt sich aus Art. 2 Satz 2 ZwEWG, § 4 Satz 1 ZeS.
Unabhängig davon begründet § 4 Nr. 3 UMV auch eine zivilrechtliche Pflicht zur Kontrolle des Vertragspartners. Der Antragsteller muss auch dem Vermieter gegenüber dafür eintreten, dass der Untermieter die Grenzen des Hauptmietvertrages nicht verletzt und etwaige Vertragsverletzungen beenden (BGH, U. v. 10.5.2000 – XII ZR 149/98 – juris).
Dass die Anordnung an den Antragsteller gerichtet werden konnte, ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr. So wurde durch die Rechtsprechung in Fällen baurechtlicher Nutzungsuntersagungen bereits herausgearbeitet, dass dann, wenn häufig wechselnde oder unklare Nutzungsverhältnisse im Raum stehen, selbst eine alleinige Verpflichtung des Eigentümers vor dem (allein) nutzungsberechtigten Mieter rechtsfehlerfrei erfolgen kann (BayVGH, B. v. 26.2.2007 – 1 ZB 06.2296 – juris). So wie in bestimmten Konstellationen in erster Linie der Eigentümer in der Lage sein wird, die Gefahr möglichst effektiv und dauerhaft zu beseitigen, so ist es vorliegend in erster Linie am Antragsteller als Hauptmieter, unzulässige Nutzungen seines Untermieters zu unterbinden. Der Hauptmieter hat seinen Untermieter selbst bestimmt und damit naturgemäß den besten Überblick über die zugrundeliegenden Rechts- und Personenverhältnisse. Er kann am schnellsten für eine Beendigung des Untermietverhältnisses und für eine zukünftig ordnungsgemäße Wohnnutzung sorgen (vgl. VG Regensburg, U. v. 14.7.2011 – RO 7 K 10.2261 – juris).
Die Auswahlentscheidung schlägt sich auch vollumfänglich im Bescheid nieder, der eine ausführliche Begründung dazu enthält, wieso der Antragsteller mit der Anordnung herangezogen wird.
2. Ziffer 2. des Bescheides unterliegt offensichtlich und für den Antragsteller erkennbar einem Schreibversehen, wenn dort verlangt wird, dass der Antragsteller die Wohnung unverzüglich nach Überlassung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung wieder Wohnzwecken zuzuführen habe. Wie aus dem Zusammenhang mit Ziffer 1., Ziffer 3. und Ziffer 5. des Bescheidtenors und aus der Begründung des Bescheids hervorgeht, wird dem Antragsteller mit Ziffer 2. des Bescheides aufgegeben, die Wohneinheit nach Beendigung der Nutzung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung wieder Wohnzwecken zuzuführen. Dies folgt aus der Verpflichtung in Ziffer 1. des Tenors, die zweckfremde Nutzung zu beenden, an die Ziffer 2. des Tenors ersichtlich anknüpft. Weiter lässt sich dies auch aus den Zeiträumen ablesen, die Ziffer 3. und Ziffer 4. dem Antragsteller für die Erfüllung der Verpflichtungen gewähren und die ersichtlich aufeinander aufbauen: Ziffer 4. verlangt die Wiederzuführung zu Wohnzwecken – die Ziffer 2. im Übrigen ausdrücklich vorschreibt – binnen drei Monaten ab Zustellung des Bescheides, wohingegen die Beendigung der zweckfremden Nutzung bereits binnen sechs Wochen ab Zustellung des Bescheides zu erfolgen hat. Auch die Begründung des Bescheids, die zur Auslegung des Tenors herangezogen werden kann, stellt ausdrücklich klar, worauf Ziffer 2. des Tenors gerichtet ist: Die Antragsgegnerin mache von der Befugnis gemäß Art. 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 LStVG Gebrauch, indem die Beendigung der ordnungswidrigen Nutzung der betreffenden Wohnung sowie deren Wiederzuführung zu Wohnzwecken verlangt wird (S. 11 des Bescheides).
3. Die Zwangsgeldandrohungen, Ziffer 3. und Ziffer 4. des Bescheids, begegnen im Hinblick auf Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 VwZVG und Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG keinen Bedenken. Die 6-Wochen-Frist zur Beendigung der zweckfremden Nutzung war angesichts der dem Antragsteller zur Verfügung stehenden sofortigen Kündigungsmöglichkeit angemessen. Die Höhe der Zwangsgelder ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Behörde steht innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15 Euro bis 50.000 Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Angesichts der im Untermietverhältnis vereinbarten Wohnungsmiete von monatlich € 2.200,– ist ein Ansatz von jeweils € 5.000,– nicht zu beanstanden.
Auch ein Vollstreckungshindernis wegen des Untermietvertrags besteht nicht.
Es wird darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage bereits unklar ist, ob überhaupt noch ein vertragliches Recht zur Nutzung der Wohnung durch den Untermieter und durch den Antragsteller besteht. Der Hauptmietvertrag zwischen dem Antragsteller und dem Eigentümer der Wohneinheit und damit der Untermietvertrag zwischen dem Antragsteller und seinem Untermieter sind danach ausgelaufen. Letzteres ergibt sich aus dem vorgelegten Nachtrag zum Untermietvertrag vom … August 2016 (Bl. 11 des Gerichtsakts), wonach das Untermietverhältnis spätestens mit dem Ende des Hauptmietverhältnisses endet. Das Hauptmietverhältnis war bis zum … September 2016 befristet und wurde zusätzlich durch den Eigentümer gekündigt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte auf Nachfrage der Antragsgegnerin lediglich mit, dass ihm nicht bekannt sei, ob der Untermieter die Kündigung des Antragstellers akzeptiert habe (Bl. 448 des Behördenakts). Zu einem Fortbestand des Hauptmietverhältnisses äußerten sich entgegen den im behördlichen Verfahren (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG, Art. 4 Satz 1 ZwEWG) bestehenden Mitwirkungspflichten weder der Antragsteller selbst noch sein Bevollmächtigter.
Unabhängig davon erging gegenüber dem Untermieter eine eigene Nutzungsuntersagung (Bl. 482ff. des Behördenakts, Verfahrensgegenstand in der Streitsache M 9 K 16.4248). Damit wurde das Vollstreckungshindernis, das ansonsten daraus resultieren könnte, dass der Antragsteller infolge privatrechtlicher Bindungen aus einem vermeintlich fortbestehenden Untermietvertrag rechtlich nicht in der Lage ist, die zweckfremde Nutzung unverzüglich (vgl. Ziffer 1. des Tenors) einzustellen, durch eine entsprechende öffentlich-rechtliche Anordnung beseitigt (vgl. BayVGH, B. v. 20.1.2016 – 9 CS 15.1973 – juris). Dass die Kammer im Eilverfahren M 9 S 16.4422 des Untermieters gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom … August 2016 mit Beschluss vom … Oktober 2016 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bezüglich Ziffer 3. des Tenors anordnete, steht dem nicht entgegen, da die sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung (Ziffer 1. und Ziffer 2. des Tenors) davon unberührt bleibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 GKG i. V. m. Nr. 56.6.3, 1.5 Streitwertkatalog. Das Gericht setzt die sich aus dem Untermietvertrag ergebenden € 2.200,– Monatsmiete als Mindestbetrag dessen an, was als „wirtschaftlich günstigere Nutzung“ i. S. d. Nr. 56.6.3. Streitwertkatalog zu erwarten ist.


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