Aktenzeichen Au 6 S 17.34810
Leitsatz
1. Rechtmäßige Ablehnung des asylrechtlichen Zweitantrags der Antragstellerin als unzulässig wegen fehlender Darlegung der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG abschließend genannten Gründe für ein Wiederaufgreifen. Die Geburt des Kindes der Ausländerin in Deutschland führt nicht zu einer maßgeblichen Änderung der Verhältnisse im Sinne einer Änderung der Sach- oder Rechtslage. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wegen bereits im Herkunftsstaat Armenien erfolgter Behandlung gesundheitliche Beeinträchtigungen (ua Kieferfehlbildung), einer dort weiterhin möglichen Behandlung und fehlender Erwartung einer akuten Verschlechterung oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung, besteht kein Anspruch auf Aufenthalt in Deutschland zwecks weiterer Operationen und ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nicht vor. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK findet nach deutscher Rechtslage nicht auf die besonderen Ausnahmefälle krankheitsbedingter Gefahren Anwendung, da der Bundesgesetzgeber solche Fälle in § 60 Abs. 7 S. 2 ff. AufenthG als lex specialis geregelt hat. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Antragstellerin und Klägerin wendet sich mit Ihrem Klageverfahren (Au 6 K 17.34809) gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig, die Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote hinsichtlich Armeniens vorliegen und die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung nach Armenien und begehrt mit dem vorliegenden Antragsverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
I.
Die Klägerin ist armenische Staatsangehörige. Sie reiste am 2. Juli 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 17. Juli 2014 einen Asylantrag. Bei ihrer Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 17. Juli 2014 trug die Klägerin vor, sie habe am 18. Juni 2011 in Belgien Asyl beantragt. Asyl sei ihr nicht zuerkannt worden. Am 6. März 2014 habe sie in … einen pakistanischen Staatsangehörigen geheiratet. Sie sei gemeinsam mit ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ihr Ehemann wolle in Deutschland bleiben, weil er in Pakistan Probleme habe. Sie wolle bei ihrem Ehemann bleiben. Außerdem wolle sie sich in Deutschland medizinisch behandeln lassen.
Das Bundesamt stellte am 9. September 2014 ein Übernahmeersuchen an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 16. September 2014 (BAMF-Akte Bl. 81) ihre Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. Nr. L 180 S. 31 – Dublin-III-VO).
Auf das Übernahmeersuchen hinsichtlich des Ehemannes der Klägerin hin erklärten die belgischen Behörden mit Schreiben vom 16. September 2014 ebenfalls die Bereitschaft zur Übernahme nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin-III-VO.
Mit Bescheid vom 5. November 2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig sei (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Belgien an (Ziffer 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei nach § 27a AsylVfG unzulässig, weil Belgien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag auch nicht materiell geprüft.
Dagegen ließ die Klägerin am 13. November 2014 Klage erheben und zugleich deren aufschiebende Wirkung beantragen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab (VG Augsburg, B.v. 21.11.2014 – Au 6 S. 14.50314) und wies die Klage teilweise ab, hob allerdings die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheids vom 5. November 2014 wegen akuter Reiseunfähigkeit in Folge Schwangerschaft etc. auf (VG Augsburg, U.v. 30.1.2015 – Au 6 K 14.50312). Das Urteil wurde rechtskräftig.
Die Klägerin wurde nicht nach Belgien rücküberstellt und am 11. Mai 2015 Mutter eines gemeinsamen Sohnes mit ihrem pakistanischen Lebensgefährten.
In ihrer Anhörung durch das Bundesamt am 28. Februar 2017 trug die Klägerin vor, sie sei in Belgien wegen ihres gesundheitlichen Problems gewesen; in Deutschland bitte sie um Schutz, weil ihr – nicht standesamtlich sondern nur religiös geheirateter – Ehemann Moslem sei und sie aus diesem Grund nicht in ihre Heimat zurück könne. Sie sei Christin und ihre Familie akzeptiere diese Ehe dort nicht. Sie könnten auch nicht nach Pakistan, weil sie Christin sei, ihr Ehemann Moslem sei und die Ehe deshalb auch dort nicht akzeptiert werde. Sie habe ihren Mann in Belgien kennengelernt und informell geheiratet; ein offizielles Dokument über diese Eheschließung gebe es nicht. Im Fall der Rückkehr mit Ihrem Mann nach Armenien fürchte sie, dort beschimpft und beleidigt zu werden, weil ihr Mann Moslem sei. Noch in Belgien habe ihr sie begleitender und nach Armenien zurückgekehrter Vater mit ihr gestritten und gesagt, es wäre besser, sie wäre gestorben; er würde dort allen erzählen, sie sei gestorben. Für ihr Kind sei es auch unmöglich, dort aufzuwachsen, weil eben der Vater Moslem sei. Egal wohin sie in Armenien gingen, sie würden dort ausgegrenzt und diskriminiert werden (BAMF-Akte Bl. 213).
Außer den im ersten Klageverfahren bereits berücksichtigten Attesten sind in den vorgelegten Behördenakten folgende aktuellen Atteste und Diagnosen enthalten:
– (PD Dr., Attest vom 24.5.2017, BAMF-Akte Bl. 249) Diagnose: Anomalien des Kiefer-Schädel-Basis-Verhältnisses und der Kiefergröße, Mundöffnung nach zwölfmaliger Kieferoperation stark eingeschränkt, Therapie: Vorschlag einer Vorstellung zur Prüfung, ob eine Kieferumstellung möglich sei.
– (Prof. Dr., Attest vom 7.7.2017, BAMF-Akte Bl. 255) Diagnose: Zustand nach Unterkiefer-Vorverlagerung mit Schmerzsymptomatik, Therapie: unveränderte Indikation zum Kiefergelenksersatz wie bereits im Jahr 2014 empfohlen, völlig unklar, wie weit durch diese Therapie die Schmerzsymptomatik auf Grund des langjährigen Verlaufs positiv beeinflusst werden könnte.
– (Prof. Dr., Attest vom 31.7.2017, BAMF-Akte Bl. 322) Diagnose: Atembeschwerden mit Schmerzsymptomatik, Verschlechterung der Atemfunktion im Liegen, erhöhter Leidensdruck, Therapie: Gelenksprothese, Prüfung der Kosten für Operation wird erbeten.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20. September 2017 wurde der in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2), die Klägerin aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, und ihr für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Armenien bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Ziffer 3), sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
In den Gründen des Bescheids ist ausgeführt, dass der Antrag unzulässig sei, da wegen der mit Schreiben der belgischen Behörden vom 16. September 2014 nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d VO 604/2013/EU mitgeteilten Rückübernahmebereitschaft das Asylverfahren der Klägerin in Belgien nach Antragsablehnung abgeschlossen sei und es sich daher um einen Zweitantrag nach § 71a AsylG handele. Allerdings lägen die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vor. Ein weiteres Asylverfahren sei gemäß § 71a Abs. 1 AsylG nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) erfüllt seien, folglich Wiederaufgreifensgründe vorlägen. Als Begründung ihres Asylantrages trage die Klägerin aber nur ihre gesundheitlichen Probleme und die informelle Eheschließung mit ihrem Lebensgefährten vor, was bereits während ihres Asylverfahrens in Belgien vorgelegen habe und dort hätte geltend gemacht werden müssen. Die Geburt ihres Kindes im Bundesgebiet wirke sich auf die asylrelevante fluchtauslösende oder rückkehrrelevante Sachlage nicht aus. Die eingereichten Atteste seien auch keine neuen Beweismittel, da sie sich auf die vorhandene und schon in Belgien bekannte Gesundheitsbeeinträchtigung bezögen. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Der Klägerin drohten in Armenien keine, durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung; etwaige Ausgrenzung durch ihre Familie wegen ihres muslimischen Lebensgefährten erfülle nicht den Tatbestand einer solchen Misshandlung. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Armenien führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot. Sie müsse von der Klägerin ebenso wie von vielen ihrer Landsleute bewältigt werden. Die Klägerin könne im Herkunftsstaat vielmehr wie zuvor trotz ihres Kieferproblems als Krankenschwester erwerbstätig sein. Es drohe der Klägerin auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die medizinische Grundversorgung sei flächendeckend gewährleitet, eine staatliche Krankenversicherung bestehe nicht, für bestimmte sozial bedürftige Gruppen wie u.a. Behinderte regele das Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung den Umfang der kostenlosen ambulanten und stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten. Vielfach seien auch die staatlichen Kliniken wegen unzureichender Finanzausstattung gezwungen, Zahlungen von Patienten entgegenzunehmen trotz an sich kostenloser Behandlung; insbesondere für Geringverdiener sei der Zugang zum modernen Gesundheitswesen in Armenien schwierig geworden. Hier allerdings sei die Klägerin bereits in Armenien mehrfach operativ behandelt worden; eine wesentliche Verschlimmerung ihrer Erkrankung sei auf Grund der jahrelangen Dauer nicht zu erwarten. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG zu erlassen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 36 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung, aufgrund schutzwürdiger Belange, seien weder vorgetragen, noch läge sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor, zumal auch ihr Lebensgefährte und ihr Kind durch Bescheide des Bundesamts ausreisepflichtig seien. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes wird ergänzend verwiesen.
Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin am 30. September 2017 Klage erheben mit dem Antrag:
I.
Der Bescheid des Bundesamts vom 20. September 2017 wird aufgehoben.
I.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen. Ferner wird die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots reduziert.
Weiter hat sie im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin und Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG zulässig, aber nicht begründet. Nach § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG in entsprechender Anwendung kann die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166).
Gemessen hieran bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
1. Das gilt zunächst, soweit die Antragsgegnerin den Asylantrag als unzulässig verbeschieden hat. Rechtsgrundlage hierfür ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Danach ist ein Asylantrag u.a. unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrages nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid unzutreffend davon ausgegangen ist, dass es sich beim Asylantrag der Antragstellerin um einen Zweitantrag im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG handelt. Ein Zweitantrag liegt vor, wenn der Ausländer seinen Asylantrag im Bundesgebiet nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26 AsylG) gestellt hat, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland hierüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedsstaat beschriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrages bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Vorliegend ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin nicht zweifelhaft, dass sie bereits erfolglos in Belgien um die Gewährung von Asyl nachgesucht hat. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 16. September 2014 (BAMF-Akte Bl. 81) ihre Zuständigkeit zur Bearbeitung des Asylantrags nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d VO 604/2013/EU, also nach Ablehnung eines Asylantrags. Zudem steht durch den durch Klageabweisung insoweit bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 5. November 2014 (Ziffer 1) rechtskräftig im Sinne von § 121 VwGO fest, dass der Asylantrag unzulässig ist (VG Augsburg, U.v. 30.1.2015 – Au 6 K 14.50312). Damit steht mit hinreichender Sicherheit fest, dass das Asylverfahren der Antragstellerin in Belgien erfolglos geblieben ist. Belgien ist darüber hinaus sicherer Drittstaat im Sinne des § 26a Abs. 2 AsylG. Danach sind sichere Drittstaaten außer den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die in Anlage 1 bezeichneten Staaten Norwegen und die Schweiz.
Damit ist die Ablehnung des Zweitantrages der Antragstellerin als unzulässig materiell-rechtlich in rechtmäßiger Weise erfolgt. Sie beruht auf §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a Abs. 2 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 VwVfG. Die Antragstellerin hat insbesondere keine der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG abschließend genannten Gründe für ein Wiederaufgreifen dargetan. Insbesondere liegt keine Änderung der Verhältnisse im Sinne einer Änderung der Sach- oder Rechtslage vor. Hierzu folgt das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Gründen im angefochtenen Bescheid und weist ergänzend darauf hin, dass ihre gesundheitlichen Probleme – ebenso wie die Lebenspartnerschaft mit einem muslimischen Mann – bereits in Belgien vorlagen und im dortigen Asylverfahren geltend zu machen waren sowie bereits dort (erfolglos) behandelt wurden. Die Geburt ihres Kindes in Deutschland hingegen ändert die Sachlage insoweit nicht maßgeblich.
2. Schließlich ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ebenfalls nicht zu beanstanden und bestehen daher auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung. Insoweit folgt das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG den Feststellungen und Gründen im angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus:
a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nicht vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der die Klägerin angehört, nicht.
Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.
Erforderlich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9).
Diese Anforderungen sind auch mit Art. 3 EMRK vereinbar: Krankheitsbedingte Gefahren können ausnahmsweise die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllen. Solche Ausnahmefälle können vorliegen, wenn eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183). Solche Gesundheitsgefahren muss der Ausländer allerdings mit ernst zu nehmenden Gründen geltend machen und daraufhin der Konventionsstaat sie in einem angemessenen Verfahren sorgfältig prüfen, wobei die Behörden und Gerichte des Konventionsstaats die vorhersehbaren Folgen für den Betroffenen im Zielstaat, die dortige allgemeine Situation und seine besondere Lage berücksichtigen müssen, ggf. unter Heranziehung allgemeiner Quellen wie von Berichten der Weltgesundheitsorganisation oder angesehener Nichtregierungsorganisationen sowie ärztlicher Bescheinigungen über den Ausländer (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 186 f. m.w.N.). Dies mündet in eine Vergleichsbetrachtung der Folgen einer Abschiebung für den Betroffenen durch einen Vergleich seines Gesundheitszustands vor der Abschiebung mit dem, den er nach Abschiebung in das Bestimmungsland haben würde. Maßgeblich ist eine nur ausreichende Behandlung, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verhindern, nicht, ob die medizinische Versorgung im Zielstaat der medizinischen Versorgung im Konventionsstaat mindestens gleichwertig ist, denn Art. 3 EMRK garantiert kein Recht, im Zielstaat eine besondere Behandlung zu erhalten, welche der Bevölkerung nicht zur Verfügung steht (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 188 f. m.w.N.). Die erforderliche Prüfung umfasst auch, inwieweit der Ausländer tatsächlich Zugang zu der Behandlung und den Gesundheitseinrichtungen im Zielstaat hat, wobei die Kosten für Medikamente und Behandlung berücksichtigt werden müssen, ob ein soziales und familiäres Netz besteht und wie weit der Weg zur erforderlichen Behandlung ist (ebenda Rn. 190 m.w.N.). Wenn nach dieser Prüfung ernsthafte Zweifel bleiben, ist Voraussetzung für die Abschiebung, dass der abschiebende Staat individuelle und ausreichende Zusicherungen des Aufnahmestaats erhält, dass eine angemessene Behandlung verfügbar und für den Betroffenen zugänglich sein wird, so dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende Lage gerät (ebenda Rn. 191).
Solche besonderen Ausnahmefälle können in Fällen vorliegen, in denen eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183).
Dies ist bei der Antragstellerin aber nicht der Fall. Sie erhielt in Armenien mehrere Operationen, die leider nicht zu einer Heilung geführt haben. Aber auch die weiteren acht Operationen in Belgien haben die Symptomatik nicht bessern können. Ein Anspruch auf Aufenthalt in Deutschland zwecks weiterer Operationen besteht nicht, da bereits im Herkunftsstaat eine den dortigen Verhältnissen entsprechende Behandlung erfolgt und auch weiterhin möglich ist. Eine akute Verschlechterung mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung ist nach derzeitigem Verfahrensstand unter Berücksichtigung der vorgelegten (fach-)ärztlichen Atteste ebenfalls nicht zu befürchten. Die o.g. Indikation für eine Kiefergelenksprothese soll die vorhandene Symptomatik lindern, aber keine lebensbedrohliche Verschlechterung abwenden. Dass eine den heimischen Verhältnissen adäquate Behandlungsmöglichkeit besteht, ergibt sich bereits aus dem Behandlungsverlauf der Klägerin, die drei Mal in Armenien operiert worden ist.
b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor, da diese Norm im Fall krankheitsbedingter Gefahren durch § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG gesperrt ist.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
Die Vorschrift des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK findet jedoch nach deutscher Rechtslage nicht auf die o.g. besonderen Ausnahmefälle krankheitsbedingter Gefahren (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 175 f.) Anwendung, da der Bundesgesetzgeber solche Fälle in § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG als lex specialis geregelt hat. Dies ist konventions-, unions- und bundesrechtlich nicht zu beanstanden, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 ff. Rn. 16 f.), dessen Feststellung zu einer identischen Schutzberechtigung für den Betroffenen führt (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei liegt die Ausgestaltung eines nationalen Abschiebungsverbots allein in der Gestaltungshoheit des nationalen Gesetzgebers, solange er auf der Rechtsfolgenseite keinen mit dem subsidiären Schutz konkurrierenden Schutzstatus einführt (EuGH, U.v. 18.12.2014 – C-542/13 – juris Rn. 42 f.).
3. Da sich auch die Nebenentscheidungen als rechtmäßig erweisen, war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.