Aktenzeichen M 28 S 17.42829
AsylG § 75
AsylG § 71
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5
AsylG § 36
VwVfG § 51 Abs. 1
Leitsatz
1 Erlässt das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über einen Folgeantrag eine (erneute) Abschiebungsandrohung, wird vorläufiger Rechtsschutz durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung gewährt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz nur dann gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG iVm § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen oder dass das Bundesamt das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG im Ergebnis zu Recht verneint hat. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ist das Gericht im Erstverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass die vorgetragene Hinwendung des Antragstellers zum Christentum nicht auf einer identitätsprägenden inneren Überzeugung beruhe, sondern lediglich aus asyltaktischen Gründen erfolgt sei, müssen für eine Wiederaufnahme hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, der Antragsteller habe nunmehr anders als zuvor den christlichen Glauben nicht nur asyltaktisch, sondern aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung ernsthaft und dauerhaft angenommen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Bei einem Folgeantrag darf sich das Bundesamt nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, sondern es muss anlässlich der Entscheidung über den gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Asylantrag feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist iranische Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 25. März 2012 auf dem Landweg in Deutschland ein.
Am 2. April 2012 stellte der Antragsteller einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 19. April 2012 berief er sich auf eine staatliche Verfolgung aus politischen Gründen. Er sei bei einer Demonstration festgenommen worden. Nachdem er bei einer weiteren Demonstration fünf Demonstranten Zuflucht gewährt habe, sei er aus Angst vor einer erneuten Festnahme untergetaucht und habe später den Iran verlassen. Gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts vom 28. Juli 2014 ließ er Klage zum Verwaltungsgericht München erheben. In der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2015 brachte er neben der Verfolgung aus politischen Gründen als Asylgrund erstmals zusätzlich vor, er sei in Deutschland zum Christentum übergetreten. Er übergab u.a. eine von der evangelisch-freikirchlichen „…“ … am … Februar 2015 ausgestellte Taufurkunde, ferner eine von der gleichen Gemeinde am … März 2015 ausgestellte Mitgliederbescheinigung. Mit rechtskräftigem Urteil vom 22. Juli 2015 (M 2 K 14.30929 – juris) wies das Gericht die Klage ab: Seine Angaben zur Vorverfolgung aus politischen Gründen seien unglaubwürdig, weil ungereimt und widersprüchlich. Ferner habe der Antragsteller das Gericht auch nicht davon überzeugen können, dass er aus tiefer innerer Überzeugung und nicht nur aus asyltaktischen Gründen zum Christentum übergetreten sei.
Am 11. November 2015 stellte der Antragsteller einen Folgeantrag. Zur Begründung verwies er auf ein Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. September 2015. In diesem heißt es: Es werde ein Asylfolgeantrag für den Antragsteller gestellt, der Antragsteller habe sich bezüglich seiner Konvertierung zum Christentum zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch in einer Entwicklungsphase befunden. Diese identitätsprägende Überzeugung sei jedoch zweifelsfrei zwischenzeitlich zunehmend eingetreten. Weiterer Vortrag werde in Kürze erfolgen. Mit weiterem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 9. Dezember 2015 ließ der Antragsteller die bereits in der mündlichen Verhandlung dem Verwaltungsgericht übergebene Taufurkunde und Mitgliederbescheinigung der „…“ vorlegen.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens als unzulässig ab (Ziffer 1.), lehnte einen Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 28. Juli 2014 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Ziffer 2.), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls werde er abgeschoben (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Der Folgeantrag nach § 71 AsylG sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, da die Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Die Äußerungen des Bevollmächtigten in der Stellungnahme vom 23. September 2015 seien nicht geeignet, eine Änderung der Sachlage zu begründen. Soweit sich der Bevollmächtigte auf die Konversion des Antragstellers zum Christentum berufe, stelle dies keinen neuen Sachvortrag dar. Der angegebene Glaubenswechsel sei bereits im Erstverfahren vom Verwaltungsgericht geprüft und für unzureichend befunden worden. Der in der Stellungnahme vom 23. September 2015 genannte Prozess hin zu einer identitätsprägenden Überzeugung sei in keiner Weise näher substantiiert worden. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller bereits am … Februar 2015 getauft worden sei und sich nach eigenem Bekunden schon vor Erlass des Bescheides vom 28. Juli 2014 mit dem Christentum befasst haben will. Es stelle sich die Frage, wie eine solche Überzeugung nach dem Erlass des Urteils vom 22. Juli 2015 innerhalb von zwei Monaten entstanden sein solle, wenn dies in einem Zeitraum von mehr als einem Jahr zuvor gemäß den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht geschehen sei. Es wäre die Aufgabe des Antragstellers gewesen, im Rahmen der Folgeantragsbegründung plausibel darzulegen, aufgrund welcher Umstände nunmehr eine solche innere identitätsprägende Überzeugung vom Christentum entstanden sein soll. Auch die mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 vorgelegte Beweismittel erfüllten nicht die Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Die vom Antragsteller vorgetragene Konversion zum Christentum sei bereits im Erstverfahren als unzureichend eingestuft worden. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG erlassen worden. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus §§ 71 Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Bescheidsbegründung wird auf den Bescheid (Bl. 35 ff. BA) verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 7. Juni 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Diese Klage, über die noch nicht entschieden ist, wurde zunächst unter dem Aktenzeichen M 2 K 17.42827 und wird nun unter dem Aktenzeichen M 28 K 17.42827 geführt. Ferner ließ der Antragsteller ebenfalls am 7. Juni 2017 beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf das bisherige Vorbringen des Antragstellers Bezug genommen. Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 11. Juli 2017 wurde im Klageverfahren ergänzend vorgetragen, die Anhörung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung werde ergeben, dass die Hinwendung des Antragstellers zur christlichen Religion von einer ernsthaften und die religiöse Identität bindenden Form geprägt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG).
Erlässt das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über einen Folgeantrag gemäß §§ 71 Abs. 4, 34 Abs. 1 AsylG eine (erneute) Abschiebungsandrohung, wird vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung gewährt (Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand November 2016, § 71 Rn. 379 ff.; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 71 Rn. 118). Hieran hat sich auch durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtsschutz bei Folgeanträgen nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 (siehe dazu: BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris) nichts geändert: Die aus dieser hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes anlässlich der Ablehnung eines Folgeantrags abzuleitenden Neuerungen betreffen nur die Fallkonstellation, dass das Bundesamt keine (erneute) Abschiebungsandrohung erlassen hat (vgl. dazu etwa VG München, B. v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375; B. v. 23.3.2017 – M 2 S 17.34212 und M 2 E 17.34213). Hat das Bundesamt hingegen eine (erneute) Abschiebungsandrohung erlassen, dann kann und – wegen § 123 Abs. 5 VwGO – muss einstweiliger Rechtsschutz (wie schon vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes) in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, weil in dieser Fallkonstellation unverändert gemäß §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO „gegen die Abschiebungsandrohung“ vorgesehen ist.
2. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Die Androhung der Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung stützt sich vorliegend darauf, dass ein Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag nach § 71 AsylG) gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt wurde, weil das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen der § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verneint hat (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG). Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz nur dann gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris Rn. 22; Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand November 2016, § 36 Rdnr. 85). Darüber hinaus hat das Gericht gemessen am Maßstab der ernstlichen Zweifel auch zu prüfen, ob das Bundesamt im Ergebnis zu Recht das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG verneint hat (zum Ganzen: Marx, Kommentar zum AsylG, 9. Auflage 2017, § 36 Rn. 43, 56 f. jew. m.w.N., § 71 Rn. 124 m.w.N.).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids vom 31. Mai 2017. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (sogleich a)). Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt hat (sogleich b)).
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 31. Mai 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
a) Der Antragsteller hat sich zur Begründung seines Folgeantrags allein auf eine Konversion zum Christentum berufen. Diesbezüglich liegen keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG vor:
aa) Zwar können im Iran gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. etwa die Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10) zum Christentum konvertierte Muslime durch die aktive Glaubensausübung im konkreten Einzelfall landesweit einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgesetzt sein, jedenfalls dann, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich leben, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 ff. AsylG) oder zumindest des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) oder zumindest die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) in Betracht kommen kann (vgl. hierzu: OVG NW, U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 48 ff.; HessVGH, U. v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B. v. 30.7.2009 – 5 A 1999/07.A – juris; SächsOVG, U. v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris Rn. 34 ff.; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – juris Rn. 20 f.).
Die Annahme einer solchen Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat, selbst wenn dies öffentlich (z.B. im Internet) bekannt geworden ist. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 ff., 12, B. v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 ff. m.w.N., B. v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – juris Rn. 5 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris Rn. 11 f., B. v. 27.4.2015 – 13 A 440/15.A – juris Rn. 10 ff. m.w.N., B. v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A – juris Rn. 8 ff. m.w.N.; U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff. m.w.N; OVG Lüneburg, B. v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.; VGH BW, B. v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14 – juris Rn. 6 m.w.N.).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Fall des Antragstellers hinsichtlich einer Konversion zum Christentum unter Berücksichtigung der vom Antragsteller angegebenen Tatsachen und Beweismittel (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG) auch zum maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG vor.
Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG müssen sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel vorliegen, die eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2) oder Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO bestehen (Nr. 3). § 51 Abs. 1 VwVfG fordert einen schlüssigen Sachvortrag, der nicht von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet sein darf, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen. Es genügt schon die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (dazu BVerfG, B. v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rdnr. 32 m.w.N.).
Die vom Antragsteller im Folgeverfahren mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 9. Dezember 2015 vorgelegte Taufurkunde vom … Februar 2015 und Mitgliederbescheinigung vom … März 2015, die jeweils von der evangelisch-freikirchlichen „…“ … ausgestellt wurden, können schon deshalb keine „neuen Beweismittel“ im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sein und keine „nachträgliche“ Änderung der Sachlage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG darstellen, weil der Antragsteller diese bereits im Erstverfahren in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 14. Juli 2015 vorgelegt und das Verwaltungsgericht diese seinem klageabweisenden Urteil im Erstverfahren vom 22. Juli 2015 (M 2 K 14.30929 – juris) zugrunde gelegt hatte.
Darüber hinaus fehlt es vorliegend ganz generell an dem von § 51 Abs. 1 VwVfG geforderten schlüssigen Sachvortrag, der es möglich erscheinen lassen könnte, dass dem Antragsteller wegen der vorgebrachten Konversion zum Christentum die Asylberechtigung (Art. 16a GG), die Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG) oder zumindest der subsidiäre Schutz (§ 4 AsylG) zuzuerkennen ist. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere dem Ergebnis des Erstverfahrens sowie der klägerischen Einlassung beim Bundesamt im Folgeverfahren und gegenüber dem Gericht, sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die behauptete Hinwendung des Antragstellers zum Christentum nunmehr auf einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung beruhen könnte. Dabei ist im vorliegenden Fall des Antragstellers besonders zu berücksichtigen, dass das Gericht im Erstverfahren zu der Überzeugung gelangt war, die vorgetragene Hinwendung des Antragstellers zum Christentum beruhe nicht auf einer identitätsprägenden inneren Überzeugung, sondern sei lediglich aus asyltaktischen Gründen erfolgt (siehe dazu im Einzelnen das den Beteiligten bekannte Urteil vom 22. Juli 2015, M 2 K 14.30929 – juris). Mithin müssten für eine Wiederaufnahme hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, der Kläger habe nunmehr anders als zuvor den christlichen Glauben nicht nur asyltaktisch, sondern aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung ernsthaft und dauerhaft angenommen.
Derartige Anhaltspunkte sind im behördlichen Folgeverfahren nicht ansatzweise erkennbar geworden: Der Antragsteller selbst hat zur Begründung seines am 11. November 2015 gestellten Folgeantrags lediglich auf ein früheres Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. September 2015 verwiesen. In letzterem wird zur Begründung des Folgeantrags nur vorgetragen, der Antragsteller habe sich bezüglich seiner Konvertierung zum Christentum zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch in einer Entwicklungsphase befunden, diese identitätsprägende Überzeugung sei jedoch zweifelsfrei zwischenzeitlich zunehmend eingetreten. Hierbei handelt es sich um eine bloße Behauptung ohne jegliche Substanz. Es wird nicht einmal im Ansatz deutlich, welche konkreten Umstände möglicherweise zu einem Wandel weg von einer asyltaktischen und hin zu einer von einer inneren Glaubensüberzeugung geprägten Hinwendung zum Christentum geführt haben könnten. In diesem Zusammenhang weist das Bundesamt im Bescheid zu Recht darauf hin, dass das Vorbringen im Schreiben vom 23. September 2015 bereits zwei Monate nach dem Urteil im Erstverfahren vom 22. Juli 2015 erfolgte, was eine plausible Darlegung des Antragstellers erfordert hätte, weshalb in so kurzer Zeit eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung entstanden sein sollte (siehe im Einzelnen den Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG). Aus den mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 vorgelegten Bestätigungen der „…“ allein ergeben sich – unbeschadet dessen, dass es sich schon nicht um „neue“ Beweismittel und auch nicht um eine „nachträgliche“ Änderung der Sachlage handelt (siehe dazu schon oben) – keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, eine zuvor lediglich asyltaktisch behauptete Hinwendung zum Christentum habe sich zu einer ernsthaften und dauerhaften Konversion zum Christentum aufgrund einer identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung gewandelt: Derartige Bestätigungen Dritter ersetzen nicht das für einen schlüssigen Sachvortrag im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG erforderliche eigene Vorbringen eines Folgeantragstellers, dass und warum der Hinwendung zum Christentum nicht mehr nur asyltaktische Überlegungen, sondern nunmehr eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung zugrunde liegen soll. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich der vorgelegten Taufurkunde auch zu berücksichtigten, dass allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe nach ständige Rechtsprechung für die Gewinnung der richterlichen Überzeugung bezüglich einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung nicht ausreicht (statt vieler: BayVGH, B. v. 9.4.2015 – 14 ZB 14.30444 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Auch aus dem Vorbringen des Antragstellers gegenüber dem Gericht lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Entwicklung hin zu einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung gewinnen: Der Antragsteller hat lediglich auf sein bisheriges Vorbringen im behördlichen Verfahren und auf sein zukünftiges Vorbringen in einer mündlichen Verhandlung verwiesen. Aus dem bloßen Vortrag, die Anhörung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung werde eine ernsthafte und die religiöse Identität bindende Hinwendung zur christlichen Religion ergeben, lässt sich zum dem für vorliegenden Antrag gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung ganz offensichtlich nichts ableiten.
b) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine nationalen Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG festgestellt hat. Zwar hätte sich das Bundesamt nicht mit der Prüfung begnügen dürfen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Vielmehr hätte es sich anlässlich der Entscheidung über den gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Asylantrag in Bezug auf § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen gehabt, es hätte – so ausdrücklich § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – festzustellen gehabt, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (dazu BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 18 und 20). Gleichwohl bestehen im Ergebnis auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, weil es das bisherige Vorbringen des Antragstellers nicht rechtfertigt, ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG anzunehmen:
Nachdem gemäß Vorstehendem hinsichtlich der vorgetragenen Konversion zum Christentum mangels schlüssigem Sachvortrag nicht einmal die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG gegeben sind, kann diesbezüglich erst recht nicht festgestellt werden, die Voraussetzungen für materiellen Schutz gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen vor. Die Annahme einer asylerheblichen und asylrelevanten Gefährdung oder Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wegen einer Konversion zum Christentum scheidet jedenfalls derzeit aus, weil gemessen am bisherigen Vorbringen des Antragstellers keine identitätsprägende inneren Glaubensüberzeugung festgestellt werden kann, vielmehr unverändert von einer asyltaktischen Hinwendung des Antragstellers zum Christentum auszugehen ist (siehe dazu im Einzelnen oben unter a)).
Nach alldem war der gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.