Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Abschiebungsandrohung nach Pakistan trotz ärztlichen Attests

Aktenzeichen  M 1 S 16.35678

Datum:
3.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 7, § 60a Abs. 1 S. 1
GG GG Art. 16a Abs. 4

 

Leitsatz

1 Die Armut eines Asylbewerbers und seiner Familie in Pakistan ebenso wie die allgemein prekäre Lage in Pakistan begründen offensichtlich keinen Asylanspruch. (Rn. 12) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen setzt das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung voraus, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Dies ist bei einer sog. Analfissur nicht der Fall. (Rn. 14 – 15) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach seinen Angaben pakistanischer Staatsangehöriger und auf der Balkanroute am 15.10.2015 nach Deutschland eingereist, nachdem er sich zuvor fünf Jahre in Griechenland aufgehalten habe. Am …10.2016 stellte er Asylantrag.
In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) trug der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass sein Cousin ihm den Arm gebrochen und ihm mit dem Leben gedroht habe. Er habe ihm mit dem Leben gedroht, weil er, der Antragsteller, arm sei. Der Cousin sei reich und wolle ihn, den Antragsteller, demütigen. Zur Polizei in Pakistan sei der Antragsteller nicht gegangen; eine Erklärung dafür gab er nicht. Der Antragsteller erklärte weiter, dass er und seine Familie sehr arm seien, sich nicht ausreichend ernähren könnten und er deshalb das Land verlassen habe. Andere Gründe habe er nicht.
Mit Bescheid vom 5.12.2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung und den Antrag auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Pakistan abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Auf die Begründung des Bescheides wird verwiesen.
Am …12.2016 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid Klage und beantragte außerdem, hinsichtlich der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung bezog sich der Antragsteller auf die Angaben vor dem Bundesamt.
Die zwischenzeitlich vom Antragsteller bevollmächtige Rechtsanwältin legte am …3.2017 ein ärztliches Attest vom 7.3.2017 über eine Analfissur beim Antragsteller vor.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 75 AsylG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 36 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, bleibt ohne Erfolg.
Nach dem Willen der Verfassung (Art. 16a Abs. 4 GG) und des einfachen Gesetzes (§ 36 Abs. 4 AsylG) darf das Gericht die Aussetzung der Abschiebung nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche ausgesprochene Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG und § 36 Abs. 1 i.V.m. § 30 AsylG. Das Gericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Abschiebungsandrohung zu prüfen, insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts, also dessen Einschätzung, dass der Asylantrag nach § 13 Abs. 2 AsylG offensichtlich unbegründet ist.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung.
Zu Recht lehnt das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet ab. Die vom Antragsteller geschilderten privaten Probleme mit seinem Cousin, so sie zutreffend sind, haben offensichtlich nichts mit politischer Verfolgung im Sinne des Asylgrundrechts nach Art. 16a GG oder mit einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG oder mit einem Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zu tun. Das hat das Bundesamt zutreffend im Bescheid herausgearbeitet, § 77 Abs. 2 AsylG. Auch die vorgetragene Armut des Antragstellers und seiner Familie in Pakistan oder die sonstige allgemeine prekäre Lage in Pakistan begründen offensichtlich keinen Asylanspruch.
Abschiebungsverbote nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bestehen ebenfalls nicht, wie das Bundesamt im Bescheid zutreffend ausführt.
Das im Lauf des gerichtlichen Eilverfahrens vorgelegte ärztliche Attest vom 7.3.2017 begründet kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1 der Vorschrift). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2 der Vorschrift). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3 der Vorschrift). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4 der Vorschrift). Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Satz 5 der Vorschrift).
Das Leiden des Antragstellers erfüllt bei Weitem nicht die hohen gesetzlichen Anforderungen an die Berücksichtigungsfähigkeit gesundheitlicher Einwendungen. Bei einer Analfissur handelt es sich um einen schmerzhaften Einriss der Analkanalhaut (siehe Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort Analfissur). Das Leiden wurde ausweislich des Attests zunächst konservativ mit Analgesie und Diltiazemhydrochloridcreme behandelt. Nachdem keine Besserung eingetreten ist, empfehlen die Ärzte die chirurgische Versorgung.
Da der Antragsteller schließlich auch über keinen Aufenthaltstitel verfügt (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG), besteht die Abschiebungsandrohung zu Recht.
Der Antrag war deshalb mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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