Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Abschiebungsanordnung in die Ukraine

Aktenzeichen  B 4 E 16.66

Datum:
18.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 58 Abs. 1 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1
AsylG AsylG § 71 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Antragsteller sind vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem ihre Asylanträge unanfechtbar abgelehnt worden sind. Die Abschiebung der Antragsteller ist auch nicht mehr aus tatsächlichen Gründen unmöglich, weil Passersatzdokumente ausgestellt werden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller zu 1 bis 4 sind ukrainische Staatsangehörige. Sie reisten am 07.02.2012 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten Asylanträge, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 18.12.2012 vollumfänglich unter Bestimmung einer Frist von 30 Tagen für die freiwillige Ausreise und Abschiebungsandrohung in die Ukraine oder einen anderen aufnahmebereiten Staat ablehnte. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 23.10.2013 ab.
Die Antragstellerin zu 5, ebenfalls ukrainische Staatsangehörige, wurde in Deutschland geboren. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.11.2013, bestätigt vom Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 14.02.2014, wurden ihr Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und die Antragstellerin zu 5 unter Bestimmung einer Frist von einer Woche und Abschiebungsandrohung in die Ukraine oder einen anderen aufnahmebereiten Staat zur Ausreise aufgefordert.
Am 18.03.2014 stellten die Antragsteller zu 1 bis 4 beim Bundesamt Folgeanträge.
Da die Antragstellerin zu 5 keinen Pass oder Passersatz besaß, erhielten die Antragsteller am 01.07.2014 Duldungen, die zunächst bis 30.09.2014 gültig waren und mehrfach verlängert wurden, zuletzt bis 30.12.2015.
Mit Bescheid vom 04.01.2016 lehnte die Ausländerbehörde die Anträge der Antragsteller auf Erneuerung der Aussetzung der Abschiebung (Duldung) vom 29.12.2015 ab (Ziffer 1). Ferner forderte sie die Antragsteller unter Fristsetzung von einem Monat ab Zustellung des Bescheides zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf (Ziffer 2) und kündigte für den Fall, dass innerhalb dieser Frist keine Ausreise erfolgen werde, die Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland an (Ziffer 3). Den Gründen des Bescheides ist zu entnehmen, der Duldungsgrund der Passlosigkeit der Antragstellerin zu 5 sei entfallen, weil eine Zusicherung des ukrainischen Generalkonsulats vorliege, dass ein Passersatzdokument ausgestellt werde. Ein anderer Grund für eine Unmöglichkeit der Abschiebung liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 15.01.2016 teilte die Regierung von Oberbayern – Zentrale Passbeschaffung Bayern der Ausländerbehörde mit, dass der Migrationsdienst der Ukraine nach Maßgabe des Abkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union über die Rückübernahme den Antrag auf Rückübernahme der Antragstellerin zu 5 geprüft habe. Im Wege der Überprüfung habe die Zugehörigkeit der Antragstellerin zu 5 zur ukrainischen Staatsangehörigkeit festgestellt werden können, weshalb laut dem Migrationsdienst der Ukraine dem Rückübernahmeantrag entsprochen werden könne. Daher werde um Mitteilung des genauen Abschiebedatums bzw. des Datums der freiwilligen Ausreise (genaue Flugdaten, Abflughafen, Zeit, Flugnummer, etc.) gebeten.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 04.02.2016, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, haben die Antragsteller gegen den Bescheid vom 04.01.2016 Klage erhoben (B 4 K 16.67) und zusätzlich beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, die Abschiebung der Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage auszusetzen.
Ferner haben sie die Verpflichtung des Beklagten/Antragsgegners beantragt, im Falle eines negativen Ausgangs der Streitsache die gewährte Ausreisefrist von zwei Wochen um diesen Zeitraum ab negativem Ausgang der Rechtssache zu verlängern.
Zur Begründung wird geltend gemacht, die Abschiebung sei gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG, § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG rechtlich unmöglich, weil das Bundesamt über den Folgeantrag bisher nicht entschieden habe. Darüber hinaus liege das Passersatzpapier für die Antragstellerin zu 5 bisher nicht vor. Ferner werde verbindlich erklärt, dass die Kläger/Antragsteller freiwillig binnen einer Frist von 2 Wochen nach negativem Ausgang des Rechtsstreits ausreisen würden. Die Versagung der freiwilligen Ausreise durch den Antragsgegner für den Fall der Einlegung eines Rechtsmittels gegen den streitgegenständlichen Bescheid stelle einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar. Der Bescheid vom 04.01.2016 und die damit verbundene Versagung der Verlängerung der Duldung seien offensichtlich rechtswidrig. Die Ausreisepflicht sei nicht vollziehbar. Die freiwillige Erfüllung der möglicherweise später bestehenden Ausreisepflicht sei gesichert, § 58 AufenthG.
Mit Schreiben vom 12.02.2016 teilte das Bundesamt der Ausländerbehörde mit, dass ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt werde.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 15.02.2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Dem Vorbringen der Antragsteller wird entgegengehalten, das ukrainische Generalkonsulat habe zugesichert, für die Antragstellerin zu 5 ein Passersatzdokument auszustellen. Die Ausstellung erfolge erst, wenn der Abschiebungstermin feststehe. Bei allen ukrainischen Passbeschaffungen habe man sich auf diese Zusicherung verlassen können. Seit Zugang dieser Zusicherung liege der Duldungsgrund der Passlosigkeit nicht mehr vor. Ferner habe das Bundesamt zwischenzeitlich gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG mitgeteilt, dass ein weiteres Verfahren nicht durchgeführt werde. Eine Erklärung, freiwillig ausreisen zu wollen unter der Bedingung, zunächst noch den Rechtsweg ausschöpfen zu wollen, laufe dem Ziel, nach Wegfall des Duldungsgrundes zügig den Aufenthalt einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person zu beenden, zuwider. Es sei Sache des Gesetzgebers festzulegen, welche Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hätten und welche nicht. Die vollziehbare Ausreisepflicht der Antragsteller beruhe auf den ablehnenden Bescheiden des Bundesamtes. Diese Asylverfahren seien rechtskräftig abgeschlossen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Landratsamtes Bayreuth Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das Recht bzw. Rechtsverhältnis, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes, der Anordnungsgrund, sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Einen Anspruch auf Erneuerung der vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, weil ihre Abschiebung nicht mehr aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist.
Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist ein Ausländer abzuschieben, wenn seine Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint.
Die Antragsteller sind vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem ihre Asylanträge unanfechtbar abgelehnt worden sind. Die in den Bescheiden des Bundesamtes vom 18.12.2012 und 07.11.2013 bestimmten Ausreisefristen sind abgelaufen. Der Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens geführt hat, wurde gestellt, nachdem die mit Bescheiden vom 18.12.2012 und 07.11.2013 ergangenen Abschiebungsandrohungen vollziehbar geworden sind, so dass es gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG zum Vollzug der Abschiebung der Antragsteller keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung bedarf. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG, wonach die Abschiebung erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, vollzogen werden darf, steht einer Abschiebung nicht mehr entgegen, nachdem zwischenzeitlich die entsprechende Mitteilung des Bundesamtes vom 12.02.2016 vorliegt. Da die Antragsteller keinen Anspruch darauf haben, den Ausgang des Klageverfahrens in Deutschland abzuwarten, wäre die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nur dann als gesichert anzusehen, wenn sie Bereitschaft zeigen würden, unverzüglich auszureisen. Mit der Erklärung, binnen einer Frist von 2 Wochen nach negativem Ausgang des Rechtsstreits freiwillig auszureisen, haben sie aber im Gegenteil zu erkennen gegeben, dass sie ihrer aktuell bestehenden Ausreisepflicht nicht nachkommen werden.
Die Abschiebung der Antragsteller ist auch nicht mehr aus tatsächlichen Gründen unmöglich, weil das Passersatzdokument für die Antragstellerin zu 5 noch nicht vorliegt. Nachdem die Regierung von Oberbayern – Zentrale Passbeschaffung mit Schreiben vom 15.01.2016 mitgeteilt hat, dass laut dem Migrationsdienst der Ukraine dem Antrag auf Rückübernahme der Antragstellerin zu 5 entsprochen werden kann, und bereits um Mitteilung der genauen Flugdaten gebeten hat, ist davon auszugehen, dass die Abschiebung auch der Antragstellerin zu 5 in die Ukraine möglich ist.
Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, wonach die Antragsteller als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner tragen, abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (ein Viertel des Auffangstreitwerts je Antragsteller).


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