Aktenzeichen M 3 S 16.50839
AsylG § 34a
Dublin-III-VO
Leitsatz
Der Rückführung eines Asylantragstellers nach Kroatien nach dem Dublin-Verfahren stehen grundsätzlich keine systemischen Mängel des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der am … 1990 in Deirazzor geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am 15. Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 29. Februar 2016 Asylantrag stellte.
Bei seiner ersten Befragung durch das Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens gab der Antragsteller an, dass er sein Heimatland Anfang Oktober 2015 verlassen habe und dann über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich nach Deutschland gereist sei. Er sei am 15. Dezember 2015 nach Deutschland eingereist.
Die eingeleitete Eurodac-Recherche des Bundesamts hatte am 3. März 2016 einen Treffer der Kategorie II (HR* …*) für Kroatien ergeben.
Aufgrund des Eurodac-Treffers der Kategorie II richtete das Bundesamt am 24. März 2016 ein Wiederaufnahmeersuchen an Kroatien. Mit Schreiben vom 23.Mai 2016 erklärten die dortigen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gem. Dublin III-VO.
Bei seiner zweiten Befragung durch das Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 21. März 2016 gab der Antragsteller an, sein Ziel sei immer Deutschland gewesen. Er wolle sich ein neues Leben aufbauen, sein Studium beenden und die Ehefrau nachholen.
Mit Bescheid vom 22. September 2016, zugestellt laut PZU am 24. September 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen und ordnete die Abschiebung nach Kroatien an. Weiter wurde eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ausgesprochen. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. Oktober 2016, eingegangen am 13. Oktober 2016, Klage gegen den Bescheid (M 3 K 16.50846) und beantragte weiter,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 22. September 2016 anzuordnen.
Gleichzeitig beantragt der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Antrags- und Klagefrist.
Zur Begründung wurde ausgeführt, in der Sammelunterkunft in der Traglufthalle werde die Postverteilung durch eine private Security-Firma 110 vorgenommen. Dabei sei es immer wieder zu erheblichen Schwierigkeiten gekommen, da die Mitarbeiter der Firma die Post regelmäßig zu spät verteilten. Dazu wurde eine entsprechende Bestätigung der Asylsozialberatung des AWO Kreisverbandes München Land e.V. vom 10. Oktober 2016 vorgelegt sowie eine Postliste der Firma 110, nach der dem Antragsteller am 7. Oktober 2010 ein Schriftstück ausgehändigt worden ist.
Darüber hinaus wurde seitens des Klägers die Zuständigkeit Kroatiens bestritten. Laut seinem Bekunden sei es richtig, dass er über die Balkanroute nach Deutschland gekommen sei. Er sei in Kroatien zusammen mit einer Gruppe von ca. 300 weiteren Flüchtlingen kurz registriert worden. Er sei nicht länger als einige Stunden in kroatischem Staatsgebiet gewesen.
Das Bundesamt legte mit Schriftsatz vom 29. September 2016 die Behördenakten vor und äußerte sich nicht weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zwar gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wegen Nichteinhaltung der Wochenfrist unzulässig; nachdem der Bescheid dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 24. September 2016 zugestellt worden war, endete die Klage und Antragsfrist am 1. Oktober 2016. Die Antragstellung erst am 13. Oktober 2016 war vor diesem Hintergrund zu spät. Jedoch wird dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Auf Grund der geltend gemachten glaubhaften Probleme mit der Postzustellung in der Gemeinschaftsunterkunft und der Bestätigung, dass dem Antragsteller erst am 7. Oktober 2016 wohl der Bescheid übergeben worden war, war der Antragsteller im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden gehindert, die gesetzliche Frist einzuhalten. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde auch fristgemäß gemäß § 60 Abs. 2 VwGO gestellt.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. September 2016 ist voraussichtlich rechtmäßig.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, zuletzt geändert durch Art. 6 G v. 31.7.2016 (BGBl I S. 1939) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31). Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben. Danach ist Kroatien aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Kroatien hat das Übernahmeersuchen vom 24 März 2016 mit Schreiben vom 23. Mai 2016 akzeptiert. Da für den Antragsteller ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 ermittelt wurde, ist Kropatien nach Art. 18 Abs. 1 lit.b Dublin-III-VO zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers. Somit steht grundsätzlich fest, dass die Abschiebung nach Kroatien durchgeführt werden darf.
Die Überstellung an Kroatien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend hiervon stehen der Rückführung des Antragstellers nach Kroatien systemische Mängel des kroatischen Asylverfahrens und des dortigen Flüchtlingsaufnahmesystems i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nicht entgegen. Hierzu wird weder konkret vorgetragen noch sind der erkennenden Kammer Erkenntnismittel ersichtlich, aus denen sich systemische Mängel ableiten ließen.
Nach alledem erweist sich die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids daher als rechtmäßig.
Die in Nummer 2 des Bescheids getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – nicht vorliegen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Begründung wird insoweit auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, denen die erkennende Kammer folgt.
Auch die in Nummer 3 des verfahrensgegenständlichen Bescheids auf Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnete Abschiebung nach Kroatien ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Ein der Abschiebung nach Kroatien entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, S. 244 ff. – juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B.v. 30.8.2011 – 18 B 1060/11 – juris Rn. 4), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die im streitgegenständlichen Bescheid unter Nummer 4 gemäß § 11 AufenthG ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 6 Monate ist nach Maßgabe des § 114 VwGO ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.