Aktenzeichen M 9 K 15.3873
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
Eine Klage gegen einen Bescheidentwurf ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger den Versuch unternimmt, sich durch die Bitte um Vorlage einer (erneuten) Begründung eine Anfechtungsmöglichkeit zu erschleichen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2017 über die Klage entscheiden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. Er war über seinen damals unstreitig noch Bevollmächtigten – Empfangsbekenntnis vom 12. Dezember 2016 – ordnungsgemäß geladen und auf den Umstand, dass auch bei seinem Ausbleiben verhandelt und entschieden werden könne, hingewiesen worden, § 102 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Die vom Kläger am 10. Januar 2017 behauptete Mandatsbeendigung durch diesen Bevollmächtigten – angeblich vom 2. Januar 2017 und angeblich dem Gericht sogleich mitgeteilt – wurde dem Gericht gegenüber nicht erklärt. Weiter hätte der Kläger auch dann noch ausreichend Zeit gehabt, einen neuen Bevollmächtigten zu bestellen; die Streitsachen weisen keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf, die eine Vorbereitungszeit von mehr als einer Woche erfordern. Der Kläger, der selbst Anwalt ist, hat auch im Übrigen keinen erheblichen Grund für eine Verlegung bzw. Absetzung glaubhaft gemacht, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 und 2 ZPO. Angebliche Ladungen zu zeitgleichen Terminen beim Oberlandesgericht München bzw. beim Landgericht Ingolstadt wurden trotz Aufforderung zur Glaubhaftmachung der Verhinderung nicht vorgelegt. Der Kläger beantragte nur die Ruhendstellung der Verfahren. Es wird darauf hingewiesen, dass der Kläger im April 2016 ebenfalls einen Tag vor der mündlichen Verhandlung bereits die Absetzung eines Termins vor der Kammer mit ähnlichen Argumenten erbeten hatte. Damals war die Kammer seinem Anliegen noch gefolgt. Nunmehr bestand schon mangels Glaubhaftmachung kein Grund für eine weitere Vertagung.
Die gegen die mündliche Baueinstellung vom … Januar 2014 und gegen den Bescheidentwurf vom … Januar 2014 gerichtete Anfechtungsklage ist unzulässig.
Dem Angriff auf die mündliche Baueinstellung steht bereits die mit der Klage im Verfahren M 9 K 15.2226 begründete anderweitige Rechtshängigkeit, § 90 VwGO, entgegen (1.). Hinsichtlich des ausgehändigten Bescheidentwurfs ist die Klage nicht statthaft bzw. als rechtsmissbräuchlich anzusehen (2.).
1. Bei dem Angriff auf die mündliche Baueinstellung vom … Januar 2014 handelt es sich um denselben Streitgegenstand, der bereits mit dem Klageantrag zu II. im Verfahren M 9 K 15.2226 vor Gericht gebracht wurde. Der Streitgegenstand kann während der Rechtshängigkeit aber von keinem Beteiligten erneut anhängig gemacht werden, § 173 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG und/oder § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Die hieraus resultierende Unzulässigkeit ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Deswegen kommt es nicht tragend darauf an, dass auch im Verfahren M 9 K 15.3873 die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO – maßgeblich wäre mangels Rechtsbehelfsbelehrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO – versäumt wurde (vgl. dazu die Parallelentscheidung der Kammer vom heutigen Tag, M 9 K 15.2226).
2. Der in Kopie übergebene Bescheidentwurf ist kein angreifbarer Rechtsakt; die hiergegen gerichtete Klage stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar.
Es handelt sich nicht um einen sog. Nicht-Verwaltungsakt bzw. einen Schein-Verwaltungsakt – mithin um eine Maßnahme, die zwar in der Rechtsform eines Verwaltungsakt erlassen wurde, materiell aber nicht die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts erfüllt -, für den in der Rechtsprechung teilweise eine Überprüfungsmöglichkeit, sei es im Rahmen einer Anfechtungs- oder im Rahmen einer Feststellungsklage, eröffnet wird. Es fehlt bereits am Erlass eines Verwaltungsakts in diesem Sinne. Dem Kläger wurde vonseiten des Landratsamtes auf seine Bitte hin lediglich ein als solcher kenntlich gemachter Bescheidentwurf in Kopie ausgehändigt, der zu diesem Zeitpunkt vor eineinhalb Jahren gefertigt, aber nicht ausgelaufen war. Damit wurde dem Kläger für diesen erkennbar nur eine nochmalige Begründung für eine bereits ergangene und auch bereits begründete Maßnahme ausgehändigt. Neue Regelungen enthielt das Schreiben nicht, es setzte auch keinen entsprechenden Rechtsschein.
Auch bilden die mündlich verfügte Baueinstellung und der Bescheidentwurf keine rechtliche Einheit (zweiteiliger Verwaltungsakt, vgl. Simon/Busse, BayBO, Stand 123. EL August 2016, Art. 75 Rn. 28), die als solche (noch) angreifbar wäre. Der Bescheidentwurf stellt keine Bestätigung der mündlichen Baueinstellung dar.
Eine Baueinstellungsverfügung muss unter den Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG unverzüglich, d. h. nach Maßgabe des § 121 BGB, schriftlich bestätigt werden (Simon/Busse, a. a. O.). Das ist nicht erfolgt; ein eineinhalb Jahre später übergebener Bescheidentwurf stellt keine „Bestätigung“ in diesem Sinne mehr dar. Wird die mündliche Baueinstellung nicht oder nicht unverzüglich schriftlich bestätigt, wird sie auch nicht unwirksam (Simon/Busse, a. a. O., m. w. N.). Sie erfüllt auch isoliert – d. h. ohne schriftliche Bestätigung und damit ohne Anordnung des Sofortvollzugs und ohne Rechtsmittelbelehrung – ihren Zweck, solange der Betroffene sie, wie vorliegend, nicht rechtzeitig, d. h. binnen Jahresfrist, § 58 Abs. 2 VwGO, anficht.
Die Klage gegen den Bescheidentwurf stellt sich zudem als rechtsmissbräuchlich dar (zur Rechtsmissbräuchlichkeit vgl. z. B. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 3 C 15/03 – juris). Dem Kläger wurde im Januar 2014, wie er dem Landratsamt damals auch bestätigte (Bl. 25 des Behördenakts), bereits mehrfach mündlich eine Begründung für die Baueinstellung gegeben. Mit Schreiben vom … Januar 2014 (Bl. 35 des Behördenakts) stellte er zudem ausdrücklich klar, die mündliche Begründung der Baueinstellung zu akzeptieren. Dies war der einzige Grund, weshalb der Bescheid vom … Januar 2014 nach Fertigung nicht auslief (vgl. die Anmerkung auf S. 5 des Entwurfs, Bl. 32 des Behördenakts). In der vorliegenden Konstellation ist damit selbst für einen juristischen Laien erkennbar, dass in der später erfolgten Aushändigung des Entwurfs kein neuer Verwaltungsakt zu sehen ist. Auch ist offensichtlich, dass überhaupt keine Regelung mehr notwendig war und deshalb auch keine weitere Regelung erfolgte. Der Versuch, sich durch die Bitte um Vorlage einer (erneuten) Begründung eine Anfechtungsmöglichkeit zu erschleichen, ist rechtsmissbräuchlich.
Ohne dass es darauf noch tragend ankommt, wird darauf hingewiesen, dass die Baueinstellung auch inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Die formelle Illegalität eines Vorhabens eröffnet bereits für sich genommen die Möglichkeit zur Einstellung der Arbeiten (statt aller VG München, U.v. 31.7.2014 – M 11 K 13.5572 – juris). Die Arbeiten wurden auch ohne Baugenehmigung und damit formell illegal durchgeführt. Dies würde selbst dann gelten, wenn – wie der Kläger für sich in Anspruch nimmt – das Vorhaben nicht der Baugenehmigungspflicht nach Art. 55 BayBO unterfallen würde: Auch ein Bau ohne die erforderliche isolierte Abweichung – vorliegend: von § 3 Abs. 4 Satz 1 ÖGS – ist formell illegal (z. B. BayVGH, U.v. 1.7.2005 – 25 B 01.2747 – juris).
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit nicht in ein Kostenrisiko begeben; sie trägt ihre außergerichtlichen Kosten damit billigerweise selbst, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.