Verwaltungsrecht

Richtiger Adressat einer tierschutzrechtlichen Anordnung

Aktenzeichen  23 CS 19.849

Datum:
8.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15147
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2
TierSchHundeV § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Bei einer tierschutzrechtlichen Anordnung kommt auch die Inanspruchnahme einer Person als Zustandsstörer in Betracht, zum Beispiel als Besitzer oder Eigentümer der Räumlichkeiten, in denen der Vorgang stattfindet, oder das gefährdete Tier sich befindet. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hinzu kommt, dass es nicht auf die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse ankommt, sondern darauf, wer die tierschutzwidrig behandelten Tiere hält oder betreut. Eine tierschutzrechtliche Anordnung kann insoweit nicht nur gegenüber dem Halter des Tieres im engeren Sinn, sondern auch gegenüber dem Halter im weiteren Sinn und somit auch gegenüber dem Betreuer und/oder dem Betreuungspflichtigen ergehen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 S 19.437 2019-04-04 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- €
festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. April 2019, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg.
Der Antragsteller rügt, sein Antrag im einstweiligen Rechtschutzverfahren sei – sofern der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht für erledigt erklärt wurde – zu Unrecht vom Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 4. April 2019 abgelehnt worden. Die Angaben des Landratsamts D. in Bezug auf die Haltung des Hundes im Zwinger seien unzutreffend. Es liege keine Zwingerhaltung vor, da der Hund sich frei auf dem Hof bewegen könne. Zudem sei der Antragsteller weder Eigentümer noch Halter des Hundes.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2019 hatte das Landratsamt D. gegenüber dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges (Ziffer 5) und unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 100 € (Ziffer 3) in Ziffer 2.1. verfügt:
„Ein Hund darf in einem Zwinger nur gehalten werden, wenn dem Hund im Zwinger entsprechend seiner Widerristhöhe folgende uneingeschränkt benutzbare Bodenfläche zur Verfügung steht, wobei die Länge jeder Seite mindestens der doppelten Körperlänge des Hundes entsprechen muss und keine Seite kürzer als zwei Meter sein darf:
Widerristhöhe in cm Bodenfläche mind. in m²
bis 50 6
über 50 bis 65 8
über 65 10.“
Die in der Beschwerde dargelegten Gründe sind nicht geeignet, die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die in Ziffer 2.1 ausgesprochene Anordnung zur Hunde-Zwingerhaltung findet ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG). Nach dieser Vorschrift trifft die Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2012 – 9 B 11.1216 – juris Rn. 27).
Diese Voraussetzungen liegen nach den summarischen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren (B.v. 4.4.2019 – RN 4 S 19.437) vor.
a) Soweit der Antragsteller dagegen zunächst einwendet, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von seiner Haltereigenschaft ausgegangen, weil der Hund im Eigentum seiner Mutter stehe, rechtfertigt dies nicht die Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
Zum einen kann im Tierschutzrecht der richtige Adressat mithilfe der Regeln zur Feststellung von Störern im Polizei- und Ordnungsrecht ermittelt werden. Die Behörde soll dabei denjenigen in Anspruch nehmen, der die Gefahr bzw. Störung am schnellsten, wirksamsten und mit dem geringsten Aufwand, also am effektivsten beseitigen kann. Bei einer tierschutzrechtliche Anordnung kommt daher auch die Inanspruchnahme einer Person als Zustandsstörer in Betracht, zum Beispiel als Besitzer oder Eigentümer der Räumlichkeiten, in denen der Vorgang stattfindet, oder das gefährdete Tier sich befindet (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 3). Der Antragsteller ist unstreitig der Betreiber des landwirtschaftlichen Hofes, auf dem sich der streitgegenständliche Zwinger befindet. Als Hofbetreiber hat er darüber zu bestimmen, wie die Einrichtungen und Anlagen seines Hofes genutzt werden, das heißt er bestimmt auch darüber, ob bzw. wie lange der auf seinem Hof befindliche Zwinger für Hunde genutzt wird oder nicht. Insoweit ist er für die Zustände auf dem Hof verantwortlich.
Hinzu kommt, dass es bereits nach dem Wortlaut des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG nicht auf die bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverhältnisse ankommt (vgl. Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetzte, 223. EL Januar 2019, § 16a TierSchG Rn. 1), sondern darauf, wer die tierschutzwidrig behandelten Tiere hält oder betreut (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2018 – 9 ZB 16.2434 – juris Rn. 11). Eine tierschutzrechtliche Anordnung kann insoweit nicht nur gegenüber dem Halter des Tieres im engeren Sinn, sondern auch gegenüber dem Halter im weiteren Sinn und somit auch gegenüber dem Betreuer und/oder dem Betreuungspflichtigen ergehen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 44). Richtiger Adressat der Anordnung ist daher derjenige, der durch sein Verhalten gegen Tierschutzvorschriften verstößt bzw. dessen Verhalten kausal für einen zu erwartenden Verstoß ist (vgl. Köpernik in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 1. Auflage 2016, TierSchG § 16a Rn. 7). Unstreitig ist nach dem Verhalten des Antragstellers und der Aktenlage, dass der Antragsteller den Hund zumindest auf seinem Hof betreut. Letzteres hat er auch zu keiner Zeit in Abrede gestellt. Nach den Ausführungen des Landratsamts zahlt er vielmehr auch die Hundesteuer für das Tier und hatte im Zeitpunkt der durchgeführten Ortskontrollen die Verfügungsgewalt über den Hund. Diese Umstände begründen zumindest ein tatsächliches Obhutsverhältnis zu dem Hund (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.1992 – 25 B 90.2906 – juris Rn. 33). Damit kann dahingestellt bleiben, in wessen Eigentum der Hund steht (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 23 ZB 17.1908).
Ferner ist die vorliegende Anordnung nicht auf den Hund des Antragstellers bzw. seiner Mutter beschränkt, sondern bezieht sich vielmehr, um tierschutzgerechte Haltungsbedingungen sicherzustellen, allgemein auf jeden Hund, der im streitgegenständlichen Zwinger auf dem Hof des Antragstellers gehalten werden soll. Die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die Tierhaltung gemäß § 2 TierSchG soll damit erreicht werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2012 – 9 C 12.1910 – juris Rn. 17). Auch vor diesem Hintergrund sind die Eigentumsverhältnisse am Hund für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung unbeachtlich.
Schließlich scheidet bei einer wie hier lediglich gesetzeswiederholenden (unselbständigen) Verfügung, die ausschließlich die im Gesetz ausdrücklich normierte Pflicht aus § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 1 Tierschutz-Hundeverordnung wiederholt, grundsätzlich der Einwand aus, dass den Adressaten diese Pflicht nicht treffe (vgl. Metzger in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 224. EL März 2019, § 16a TierSchG Rn. 6). Daher greift die Rüge des Antragstellers, dass er nicht Eigentümer des Hundes sei, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt.
b) Soweit der Antragsteller im Übrigen geltend macht, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht von einer Zwingerhaltung des Hundes aus, da sich der Hund frei auf dem Hof bewegen könne und der Hund nicht an mindestens zwei Tagen der Woche für mehr als die Hälfte des Tages im Zwinger gehalten werde, greifen diese Ausführungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ebenfalls nicht.
Zum einen kann Anordnungszweck nicht nur die Beseitigung eines Verstoßes gegen Tierschutzvorschriften, sondern auch die Verhütung künftiger Verstöße sein (vgl. Köpernik a.a.O. § 16a TierSchG Rn. 3). Ein Verstoß muss folglich noch nicht vorliegen, die Behörde muss auf den Schadenseintritt nicht warten. Anders als im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht, das an das Verschulden der Betroffenen anknüpft, ist im Bereich der Gefahrenabwehr bereits ein konkretes Verhalten ausreichend, das geeignet ist, einen Schaden an einem geschützten Rechtsgut herbeizuführen (vgl. VGH BW, B.v. 25.4.2002 – 1 S 1900/00 – juris Rn. 11 m.w.N.). Entscheidend ist somit, dass ein Verstoß gegen Tierschutzvorschriften in absehbarer Zeit mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. Hirt/Moritz/Maisack a.a.O. § 16 a Rn. 2). Zur „Verhütung künftiger Verstöße“ im Sinne des § 16a Satz 1 TierSchG handelt die zuständige Behörde in Anlehnung an das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht dann, wenn die konkrete Gefahr eines tierschutzwidrigen Verhaltens oder Sachverhalts besteht. Dies setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der behördlichen Prognose – ex ante – bereits hinreichend konkret absehbar ist, dass eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit zu einem tierschutzrechtlichen Verstoß führen wird (vgl. VGH BW, B.v. 9.8.2012 – 1 S 1281/12 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Im Rahmen der anzustellenden Gefahrenprognose sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und schwerer der möglicherweise eintretende Schaden bzw. die Verletzung tierschutzrechtlicher Normen wiegt. Haben sich im Verantwortungsbereich einer Person bereits gleichartige oder ähnliche Verstöße ereignet, so kann grundsätzlich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, 3. Aufl. 2016, TierSchG, § 16a Rn. 2). Nach dem Dargelegten befand sich der Hund im Zeitpunkt der durchgeführten Ortskontrollen durch das Landratsamt jeweils im Zwinger, der augenscheinlich – wegen der dort befindlichen Wasser- und Futternäpfe sowie wegen des frisch eingestreuten Heus und der erneuerten Plexiglas-Schutzscheibe – auch sonst in Benutzung ist. Hinzu kommt, dass der Antragsteller selbst mit Schriftsatz seines Klägerbevollmächtigten einräumt, dass der Zwinger als Schlafplatz genutzt werde (vgl. Schriftsatz vom 28.2.2019, S. 2, BA S. 69). Zudem hat der Antragsteller durch sein Verhalten sowie durch die auf seinem Hof vorgefundenen unzureichenden Tierhaltungsbedingungen im Rahmen der Rinderhaltung zum Ausdruck gebracht, dass Tiere auf seinem Hof nicht immer tierschutzgerecht gehalten werden. Diese Umstände sprechen dafür, dass die vom Beklagten vorgenommene Gefahrenprognose im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden ist. Die insoweit unsubstantiierten Ausführungen des Antragstellers, die sich in allgemeinen Behauptungen erschöpfen, sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geeignet, die vorliegende Gefahrenprognose zu erschüttern, und rechtfertigen es nicht, den Hund sehenden Auges künftig vermeidbaren Leiden auszusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 9 C 18.322 – juris Rn. 15). Sofern die Zwingertür nach Bescheiderlass zumindest vorübergehend ausgehängt worden sein sollte, ist im Hauptsacheverfahren zu klären, ob diese dauerhaft entfernt wurde. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung überwiegt im vorliegenden Fall jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren das private Interesse des Antragstellers, von dieser einstweilen verschont zu bleiben. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass bei einem Untätigbleiben des Antragsgegners die Gefahr einer tierschutzwidrigen Zwingerhaltung besteht, die zu erheblichen Leiden der davon betroffenen Tiere führen kann. Dem steht die lediglich das Gesetz wiederholende (unselbständige) Verfügung des Antragsgegners gegenüber, die dem Antragsteller aufgibt, die bereits kraft Gesetzes geltende Verpflichtung aus § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 1 Tierschutz-Hundeverordnung zu beachten. Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Antragsteller durch diese Verfügung nicht belastet, wenn er die gesetzlichen Vorschriften einhält (vgl. UA S. 8 f.). Im vorliegenden Fall fällt daher entsprechend den Ausführungen des Erstgerichts die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des verfassungsrechtlich in Art. 20 a GG verankerten Tierschutzes aus (UA S. 9 Absatz 2).
Im Übrigen tritt die Beschwerde dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht entgegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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