Verwaltungsrecht

Schülerbeförderung, Pädagogische Eigenheit einer Schule, Schulprofil „Inklusion“, sonderpädagogischer Förderbedarf

Aktenzeichen  7 BV 20.1967

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12107
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
BayEUG Art. 30b
SchKfrG Art. 1 Abs. 1 S. 1
SchBefV § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3
SchBefV § 2 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Besondere Schulprofile stellen keine Eigenheit der Schule im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV dar. Dies gilt grundsätzlich auch für das Schulprofil „Inklusion“.

Verfahrensgang

AN 2 K 19.1736 2020-05-25 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin auf Übernahme der Kosten der Schülerbeförderung ihres Sohnes zum L.-Gymnasium in A. für das Schuljahr 2019/2020 zu Recht abgewiesen. Das L.-Gymnasium ist für den Sohn der Klägerin weder die nächstgelegene Schule (1.), noch handelt es sich beim Schulprofil „Inklusion“ des L.-Gymnasiums um eine pädagogische Eigenheit, die zur Folge hätte, dass der Beklagte die Schülerbeförderung des Sohnes der Klägerin dorthin zu übernehmen hätte (2.). Die Ablehnung der Übernahme der Beförderungskosten zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ist ferner nicht ermessensfehlerhaft (3.). Da die Klägerin somit keinen Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme der Schülerbeförderung ihres Sohnes zum L.-Gymnasium in A. hat, ist die Berufung zurückzuweisen.
1. Der Beklagte ist nach Maßgabe des Schülerbeförderungsrechts grundsätzlich verpflichtet, die notwendige Beförderung von Schülerinnen und Schülern auf dem Schulweg sicherzustellen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs – Schulwegkostenfreiheitsgesetz – in der Fassung der Bekanntmachung v. 31.5.2000 [GVBl S. 452], zuletzt geändert durch Verordnung v. 26.3.2019 [GVBl S. 98] – SchKfrG). Dabei sind gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die näheren Voraussetzungen für die notwendige Beförderung regelt § 2 der Verordnung über die Schülerbeförderung – Schülerbeförderungsverordnung – (in der Fassung der Bekanntmachung v. 8.9.1994 [GVBl S. 953] für den hier maßgeblichen Geltungszeitraum 1.8.2018 bis 31.7.2020 zuletzt geändert durch Verordnung v. 8.5.2018 [GVBl S. 356] – SchBefV a.F., der in seinem Wortlaut der aktuellen Fassung, zuletzt geändert durch Verordnung v. 28.4.2021 (GVBl S. 203) – SchBefV – im Wesentlichen entspricht). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlunterricht der nächstgelegenen Schule. Nächstgelegene Schule ist diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV). In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass hierbei grundsätzlich nicht auf die Entfernung oder den Zeitaufwand, sondern mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten abzustellen ist (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441 – juris Rn. 19 m.w.N.). Ist, wie vorliegend seit dem 1. August 2020 (und damit nicht im streitgegenständlichen Beförderungszeitraum), ein verbundweit geltendes Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt, so sind zur Ermittlung des Beförderungsaufwands im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betreffenden Personenkreis heranzuziehen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV in der seit 1.8.2020 geltenden Fassung v. 12.2.2020 [GVBl S. 144]).
Nächstgelegene Schule der von ihm gewählten Ausbildungsrichtung ist danach für den Sohn der Klägerin, der ein sprachliches Gymnasium (Art. 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayEUG) mit Englisch als erster Fremdsprache besucht, das G.-S.-Gymnasium in R. Dabei ist beim sprachlichen Gymnasium allein auf die erste Fremdsprache abzustellen. Die weitere Sprachenfolge ist schülerbeförderungsrechtlich ohne Relevanz (§ 2 Abs. 1 Satz 4 SchBefV). Schulprofile wie das Schulprofil „Inklusion“ stellen keine Ausbildungs- oder Fachrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchbefV dar (vgl. für das Gymnasium Art. 9 Abs. 3 BayEUG). Nach Art. 2 Abs. 2 BayEUG ist inklusiver Unterricht Aufgabe aller Schulen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass – unter Berücksichtigung der Tarife für Monatskarten (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV) – der finanzielle Beförderungsaufwand zum G.-S.-Gymnasium in R. geringer ist als der zum L.-Gymnasium in A. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin für ihren Sohn keinen Anspruch auf Schulwegkostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 SchBefV geltend machen kann, ist daher nicht zu beanstanden.
2. Auch nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV kann die Klägerin die Übernahme der Schülerbeförderungskosten zum L.-Gymnasium in A. nicht verlangen. Der Umstand, dass das L.-Gymnasium eine Schule mit dem Schulprofil „Inklusion“ ist, stellt keine pädagogische Eigenheit der Schule im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV dar. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut über ihren Antrag entscheidet.
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV soll die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule (regelmäßig) übernommen werden, wenn die Schülerinnen und Schüler diese Schule wegen ihrer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheiten besuchen, insbesondere eine Tagesheimschule, eine Schule mit gebundenem oder offenem Ganztagsangebot, eine nicht-koedukative Schule oder eine Bekenntnisschule.
a) Schulprofile stellen regelmäßig keine solchen Eigenheiten der Schule im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV dar. Dies gilt grundsätzlich auch für das Schulprofil „Inklusion“.
aa) Da es sich bei § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV um eine Ausnahmeregelung vom Grundsatz der Beförderungspflicht zur nächstgelegenen Schule des § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV handelt, ist diese eng auszulegen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 17.3.2022 – 7 ZB 21.115 – juris Rn. 12 m.w.N.). Eine enge Auslegung dieser Norm ist auch Folge der in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 SchKfrG statuierten Begrenzung der Beförderungspflicht auf die notwendige Beförderung und die diesbezügliche Bindung an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit.
§ 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV will nur Schulen mit einem besonderen pädagogischen oder weltanschaulichen Konzept erfassen, das dem Unterricht in allen Klassen einen eigenständigen, an anderen Schulen auch nicht ansatzweise vorhandenen Charakter gibt und das die Schule damit – ohne eine eigenständige Ausbildungs- und Fachrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV zu begründen – deutlich von anderen vergleichbaren Schulen unterscheidet (stRspr, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 17.3.2022 – 7 ZB 21.115 – juris Rn. 12). Der Verordnungsgeber wollte mit § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV insbesondere (privaten) Schulträgern keine Möglichkeiten eröffnen, sich durch Unterscheidungsmerkmale oder schulische Besonderheiten jeder Art von anderen Schulen abzugrenzen mit der Folge, dass sich Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern hierdurch gegenüber dem Aufgabenträger auf die Sollvorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV berufen können. Für die Annahme einer Eigenheit im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV genügt nicht jeder pädagogisch oder weltanschaulich begründete Unterschied zu vergleichbaren Schulen; denn sachliche Unterschiede zwischen Schulen gleicher Ausbildungs- und Fachrichtung beruhen regelmäßig auf pädagogischen oder weltanschaulichen Gründen (stRspr, vgl. u.a. BayVGH, B.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441 – juris Rn. 33). Andernfalls verbliebe für § 2 Abs. 4 SchBefV, der als Kannvorschrift dem Aufgabenträger einen weiten Ermessensspielraum belässt, kein Anwendungsbereich. Die Annahme pädagogischer oder weltanschaulicher Eigenheiten im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV setzt daher Alleinstellungsmerkmale voraus, durch die sich der Unterricht an der Schule deutlich von ansonsten vergleichbaren Schulen abhebt. In Betracht kommen, wie auch die Regelbeispiele der Vorschrift – Tagesheimschulen, Schulen mit gebundenem oder offenem Ganztagsangebot, nicht-koedukative Schulen, Bekenntnisschulen – zeigen, insoweit vor allem besondere pädagogische, religiöse oder weltanschauliche Prägungen sowie besondere Lehr- und Erziehungsmethoden (vgl. BayVGH, U.v. 19.12.2013 – 7 B 12.2441 – juris Rn. 33).
bb) Der Senat verkennt nicht, dass das vom L.-Gymnasium entwickelte Schulprofil „Inklusion“ eine schulische Besonderheit darstellt, die sich auf den Schulalltag von Schülerinnen und Schülern auswirken kann. Gleichwohl liegt hierin kein Alleinstellungsmerkmal, das eine pädagogische Eigenheit begründet. Gemäß Art. 2 Abs. 2 BayEUG ist inklusiver Unterricht Aufgabe aller Schulen. Um von einer pädagogischen Eigenheit im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV ausgehen zu können, müssen damit weitere pädagogische Merkmale hinzukommen, die an anderen vergleichbaren Schulen nicht ansatzweise vorhanden sind. Hiervon ist vorliegend – auch unter Berücksichtigung der sich aus Art. 30b Abs. 3 BayEUG ergebenden Wertungen – nicht auszugehen.
Mit Art. 30b BayEUG, der mit Gesetz vom 20. Juli 2011 (GVBl. S. 313) eingeführt wurde und der die schulrechtlichen Grundlagen für die Entwicklung des Schulprofils „Inklusion“ enthält, soll nach dem Willen des Gesetzgebers (insbesondere zusammen mit Art. 30a und Art. 41 BayEUG) dem Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung getragen werden, die Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung auch im schulischen Bereich zu fördern und ihre Diskriminierung in der Gesellschaft zu unterbinden. Die Behindertenrechtskonvention verpflichtet zu einem schulischen Bildungswesen, das gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern ermöglicht (vgl. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand 3/2022, BayEUG, Art. 30b Rn. 1). Nach Art. 30b Abs. 3 BayEUG können Schulen mit Zustimmung der zuständigen Schulbehörde und der beteiligten Schulaufwandsträger das Schulprofil „Inklusion“ entwickeln. Dabei setzt eine Schule mit dem Schulprofil „Inklusion“ auf der Grundlage eines gemeinsamen Bildungs- und Erziehungskonzepts in Unterricht und Schulleben individuelle Förderung im Rahmen des Art. 41 Abs. 1 und 5 BayEUG für alle Schülerinnen und Schüler um (vgl. Art. 30b Abs. 3 Satz 2 BayEUG). Die Bezugnahme auf Art. 41 BayEUG sowie die in Art. 30b Abs. 4 und 5 BayEUG formulierten weiteren Anforderungen zeigen, dass das Schulprofil „Inklusion“ allgemeine Schulen nicht lediglich deshalb auszeichnet, weil sie besonders behindertengerecht, insbesondere barrierefrei sind. Vielmehr trägt die inklusive Schule den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in besonderem Maße Rechnung (Art. 30b Abs. 3 Satz 4 BayEUG). Nach Art. 30b Abs. 3 Satz 3 BayEUG sind Unterrichtsformen und Schulleben sowie Lernen und Erziehung auf die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf auszurichten.
Diese durch das Schulprofil „Inklusion“ bestehenden schulischen Besonderheiten führen gleichwohl nicht zum Vorliegen einer schülerbeförderungsrechtlich zu beachtenden pädagogischen Eigenheit im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV. Denn diese Besonderheiten wirken sich regelmäßig nicht in solchem Maße auf das pädagogische Unterrichtskonzept aus, dass der Unterricht in allen Klassen – auf diese beiden Aspekte ist schülerbeförderungsrechtlich abzustellen – einen derart eigenständigen Charakter erfährt, der an anderen vergleichbaren Schulen nicht ansatzweise vorhanden ist. Dies folgt bereits aus § 30b Abs. 2 Satz 1 BayEUG, wonach lediglich einzelne Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unter Beachtung ihres Förderbedarfs an einer allgemeinen Schule unterrichtet werden. Hieraus sowie aus den in § 30b Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BayEUG enthaltenen Bezugnahmen auf § 30a Abs. 4 bis 6 BayEUG folgt zwangsläufig, dass es an Schulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ nur wenige Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf geben kann. Da auch bei Schulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ gemäß Art. 30b Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. Art. 30a Abs. 5 Satz 2 BayEUG schulartspezifische Regelungen für die Aufnahme, das Vorrücken, den Schulwechsel und die Durchführung von Prüfungen an weiterführenden Schulen unberührt bleiben, wird es sich am Gymnasium wegen der in § 2 Gymnasialschulordnung enthaltenen Aufnahmevoraussetzungen in der Regel um Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten Sehen, Hören sowie körperliche und motorische Entwicklung handeln. Am L.-Gymnasium, einer Schule mit mehr als 850 Schülerinnen und Schülern, wird es daher zwangsläufig auch Klassen geben, die nicht auch von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf besucht werden. Etwaige – den besonderen Bedürfnissen von Schülerinnen oder Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf geschuldete – Anpassungen an die Unterrichtsgestaltung werden daher schon nicht in allen Klassen aller Jahrgangsstufen nötig sein. Die Besonderheiten einer Schule mit dem Schulprofil „Inklusion“ knüpfen vielmehr im Hinblick auf die schulischen Rahmenbedingungen zielgerichtet an die besonderen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an, um so zu gewährleisten, dass auch diese eine allgemeine Schule wie das L.-Gymnasium besuchen können.
b) Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber das Schulprofil „Inklusion“ in Art. 30b BayEUG ausdrücklich geregelt hat, ist anders als es die Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens vorbringt, ebenfalls nicht zu schließen, dass dieses Schulprofil schülerbeförderungsrechtlich zwingend als pädagogische Eigenheit einer Schule im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV zu werten ist. Denn hierzu trifft Art. 30b BayEUG keine Aussage. Auch der Verordnungsgeber der Schülerbeförderungsverordnung verhält sich hierzu nicht. Obwohl die Schülerbeförderungsverordnung seit Einführung des Schulprofils „Inklusion“ im Jahre 2011 bereits mehrmals geändert wurde, hat er die „inklusive Schule“ nicht in den Katalog der Schulen aufgenommen, zu denen die Schülerbeförderung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV stets übernommen werden soll.
c) Nicht durchdringen kann die Klägerin mit ihrem Einwand, der Senat habe im Urteil vom 14. Mai 2014 – 7 B 14.24 – (juris Rn. 25) festgestellt, das Schulprofil „Inklusion“ stelle eine pädagogische Eigenheit im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV dar und auch das damalige Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst habe in jenem Verfahren ausdrücklich bestätigt, dass Schulen, die das Schulprofil „Inklusion“ erfüllten, eine pädagogische Eigenheit im Sinne des Schülerbeförderungsrechts (§ 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV) aufwiesen. Der Senat hatte in diesem Verfahren den dortigen Beklagten gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV zur Übernahme der Schülerbeförderungskosten eines gehörlosen Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu einem Gymnasium verpflichtet, das nicht die nächstgelegene Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 SchBefV war. Die Feststellungen in dem zitierten Urteil sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Ihnen liegt eine Ausgangssituation zu Grunde, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist.
aa) Aus Anlass des vorliegenden Verfahrens stellt der Senat klar, dass aus dieser Entscheidung entgegen der klägerischen Auffassung nicht verallgemeinernd abgeleitet werden kann, bei Schulprofilen und speziell beim Schulprofil „Inklusion“ handele es sich um (pädagogische) Eigenheiten im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV. Dem Leitsatz der Entscheidung sowie den Feststellungen ist eindeutig zu entnehmen, dass die Verpflichtung zur Übernahme der Beförderungskosten nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV ausschließlich dem sonderpädagogischen Förderbedarf des dortigen Klägers im Förderschwerpunkt Hören geschuldet war. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Senat im Urteil zum Ausdruck gebracht hätte, auch Schülerinnen und Schüler ohne sonderpädagogischen Förderbedarf könnten – entgegen § 2 Abs. 1 SchBefV und der damals gefestigten eigenen Rechtsprechung – die Übernahme der Beförderungskosten nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV allein deshalb beanspruchen, weil sie eine Schule mit dem Schulprofil „Inklusion“ besuchen. In diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben kann, ob sich die seinerzeitige Stellungnahme des damaligen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst ausschließlich auf den der Entscheidung zu Grunde liegenden Einzelfall bezog. Jedenfalls kann sich die Klägerin nicht mehr auf die damalige Stellungnahme berufen, da das nunmehr zuständige Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in der im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme vom 24. September 2020 mitgeteilt hat, dass sich hinsichtlich des Schulprofils „Inklusion“ nur Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV berufen können.
bb) Der Senat hält auch weiterhin an seiner Rechtsprechung fest, dass Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf regelmäßig einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Schülerbeförderung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV für den Besuch einer Schule mit dem Schulprofil „Inklusion“ haben. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt hierin keine Ungleichbehandlung zulasten von Schülerinnen und Schülern ohne solchen Förderbedarf.
(1) Zwar bestimmt Art. 30a Abs. 3 Satz 1 BayEUG, dass Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam in Schulen aller Schularten unterrichtet werden können. Die allgemeinen Schulen werden bei ihrer Aufgabe, Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu unterrichten, von den Förderschulen unterstützt (vgl. Art. 30a Abs. 3 Satz 2 BayEUG). Auch ist die inklusive Schule nach Art. 30b Abs. 1 BayEUG das Ziel der Schulentwicklung aller Schulen.
Allerdings ist in Schulen, die über kein inklusives Schulprofil verfügen, die Zusammenarbeit zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen auf die in Art. 30a Abs. 7 BayEUG aufgezeigten Formen kooperativen Lernens beschränkt. Hingegen gewährleisten allgemeine Schulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ für solche Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die nicht zwingend auf den Besuch einer Förderschule angewiesen sind (vgl. hierzu Art. 41 Abs. 5 BayEUG), den Aspekt des „gemeinsamen Lernens“ in besonderem Maße. Unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, der es verbietet, jemanden wegen einer Behinderung zu benachteiligen, ist es daher geboten, für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf den Begriff der pädagogischen Eigenheit in § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV erweiternd auszulegen, damit ihnen die gesicherte Möglichkeit gegeben wird, Schulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ auch dann zu besuchen, wenn es sich nicht um die nächstgelegene Schule handelt. Solange in Bayern nicht flächendeckend Schulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ zur Verfügung stehen, würden diese Schülerinnen und Schüler andernfalls regelmäßig aus dem System der Schulwegkostenfreiheit herausfallen. Zudem realisiert sich bei diesen Schülerinnen und Schülern in besonderem Maße der Normzweck von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV, der gerade verhindern will, dass Eltern aus finanziellen Gründen davon Abstand nehmen (müssen), ihre Kinder auf Schulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ zu schicken. Schulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ weisen damit (nur) für diese Personengruppe eine pädagogische Eigenheit im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV auf (BayVGH, U.v. 14.5.2014 – 7 B 14.24 – juris Rn. 25).
(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin führt dies nicht zu einer Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG; denn die der differenzierten Betrachtungsweise zu Grunde liegenden Ausgangssituationen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf sind schon nicht vergleichbar. Zudem bestehen für die unterschiedliche Behandlung – wie ausgeführt – sachliche Differenzierungsgründe.
cc) Die Ablehnung der Übernahme der Schülerbeförderungskosten stellt keinen Eingriff in Grundrechte der Klägerin oder ihres Sohnes dar. Ein finaler staatlicher Eingriff liegt nicht vor, denn Ziel des Beklagten ist ausschließlich die Minimierung der Kosten der Schülerbeförderung und die Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit. Es bleibt der Klägerin unbenommen, ihren Sohn gleichwohl das L.-Gymnasium in A. besuchen zu lassen. Machen die Schülerin oder der Schüler oder seine Eltern von ihrem Recht der freien Schulwahl in der Weise Gebrauch, dass die Schülerin oder der Schüler nicht die nächstgelegene Schule besucht, so darf ihm und seinen Eltern auch ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 BV, Art. 3 Abs. 1 GG) zugemutet werden, die finanziellen Folgen dieser Entscheidung selbst zu tragen (vgl. BayVerfGH, E.v. 20.4.1990 – Vf. 28-VI-89 – VerfGH 43, 81/85). Zudem entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, dass Schülerbeförderung eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Leistung der öffentlichen Hand ist und es keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch von Schülerinnen und Schülern auf Schulwegkostenfreiheit gibt (vgl. VerfGH, E.v. 7.7.2009 – Vf. 15-VII-08 – BayVBl 2010, 76; BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441 – juris Rn. 26 m.w.N.).
3. Den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, im Ermessenswege über die Kostenübernahme zu entscheiden, weil bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 4 SchBefV nicht erfüllt sind, ist die Klägerin im Berufungsverfahren weder entgegengetreten noch sind diese inhaltlich zu beanstanden.
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ff. ZPO.
III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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