Verwaltungsrecht

Schulwegkosten, Schulweglänge

Aktenzeichen  M 3 K 21.2280

Datum:
5.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11090
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchKfrG Art. 2 Abs. 1
SchBefV § 2

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahren zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 6. April 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Schulwegbeförderungskosten im Schuljahr 2019/2020 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 452, BayRS 2230-5-1-K) ist die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Berufsfachschulen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 Aufgabe der kreisfreien Gemeinde bzw. des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerin oder des Schülers. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist eine Beförderung notwendig, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist. Hinsichtlich des Umfangs der Beförderungspflicht konkretisiert § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), dass die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule besteht.
Diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Nächstgelegene Schule in diesem Sinne ist unstrittig für den Wohnort der Klägerin die Staatliche Berufsfachschule für Kinderpflege Mühldorf am Inn.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat entschieden (Entscheidung vom 28.10.2004 – Vf. 8-VII-03 – VerfGH 57, 156 = BayVBl 2005, 140), dass Art. 2 Abs. 1 SchKfrG, wonach eine vom Aufgabenträger der Schule bezahlte Beförderung durch öffentliche oder private Verkehrsmittel in der Regel nur dann als notwendig erachtet wird, wenn der Schulweg mehr als drei km beträgt, nicht gegen die Bayerische Verfassung verstößt. Der Gesetzgeber sei befugt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, zumal im Fall eines besonders beschwerlichen oder gefährlichen Schulwegs auch bei kürzeren Wegstrecken die Notwendigkeit der Beförderung anerkannt werden könne.
Die Beförderungspflicht besteht, soweit der Weg zu dem Ort, an dem regelmäßig Unterricht stattfindet, für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 mit 4 länger als zwei Kilometer, für Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe 5, also für die Klägerin, länger als drei Kilometer ist und den Schülerinnen und Schülern die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SchBefV).
Bei der Ermittlung der Schulweglänge ist die kürzeste zumutbare Wegstrecke zwischen der Wohnung der Schülerin oder des Schülers und der Schule zugrunde zu legen. Entscheidend ist die zu Fuß zurückzulegende Strecke. In der Praxis wird in der Regel die Länge des Schulwegs von dem Punkt aus gemessen, an dem der Schüler aus dem Wohnhaus kommend auf die öffentliche Straße tritt, bis zu dem Punkt, an dem er das Schulgrundstück betritt. Die auf dem Wohngrundstück und auf dem Schulgelände zurückgelegten Wegstrecken bleiben für die Bestimmung der maßgeblichen Schulweglänge grundsätzlich außer Betracht und sind auf den dazwischen liegenden öffentlichen Verkehrsraum zu beschränken. Der Schulweg endet somit dort, wo dem Schüler das Betreten des eingefriedeten oder sonst erkennbar abgegrenzten Schulgrundstücks möglich und erlaubt ist (vgl. insgesamt BayVGH U.v. 9.8.2011 – 7 B 10.1565 – juris Rn. 17 m.w.N.; BayVGH U.v. 17.2.2009 – 7 B 08.1027 – juris Rn. 18).
Im vorliegenden Fall herrscht zwischen den Parteien Streit über die Länge des Schulwegs im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 1 SchBefV. Sämtliche von den Behörden vorgelegten Streckenmessungen aus elektronischen Rauminformationssystemen kommen auf Wegstrecken, die 3 km nicht erreichen. In den Akten des Landratsamtes Mühldorf befindet sich auf den Seiten 6/1 und 6/2 eine Route, gemessen in Google-Maps, mit 2,7 km. In den Gerichtsakten legte das Landratsamt mit Schriftsatz vom 10. Juni 2021 eine ausgemessene Wegstrecke (zu Fuß), die von 2,6 km ausgeht, und eine Wegstrecke (mit dem Auto), die von 2,8 km ausgeht, vor (Google-Maps). Eine ähnliche Route ist der Stellungnahme der Regierung von Oberbayern vom 3. März 2022 (2,84 km, gemessen mit dem elektronischen Routenplaner Bayern-Atlas) beigelegt. Die im Widerspruchsbescheid berücksichtigte Route, die aus Sicht des Gerichtes Umwege enthält, deren Notwendigkeit sich dem Gericht nicht erschließen, kommt auf eine Länge der Strecke zwischen Wohnort der Klägerin und Berufsschule von 2,9 km.
Das Gericht kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens diese vom Beklagten ermittelte Länge des Schulwegs als zutreffend zu Grunde legen, ohne dass es einer Beweisaufnahme bedurft hätte. Denn der Beklagte hat diese Entfernung mittels des elektronischen Rauminformationssystems Bayern (RIS) ermittelt. Diese Art der Entfernungsmessung ist zulässig. Die bei der Ermittlung der Schulweglänge anzuwendenden Regelungen sind – nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt – nur dann mit tragbarem Verwaltungsaufwand umsetzbar, wenn sich der Ermittlungsaufwand am Gebot der Wirtschaftlichkeit orientiert und den notwendigen Umfang nicht überschreitet (vgl. BayVGH, U.v. 17.2.2009 – 7 B 08.1027). So ist die Ermittlung der Schulweglänge mit dem elektronischen Rauminformationssystem (RIS) ausdrücklich für zulässig erachtet worden (VG München, U.v. 27.9.2012 – M 3 K 11.5877 – unter Bezugnahme auf VG München, U.v. 14.11.2011 – M 3 K 11.670).
Die Entfernung zwischen dem Wohngrundstück der Klägerin und dem Schulgrundstück ist damit geringer als drei Kilometer.
Der von der Klägerin geltend gemachte Einwand, es werde nicht auf den durch die Baustelle bedingten Haupteingang der Berufsschule in der Hohenauer straße abgestellt, führt nicht dazu, dass von einer Wegstrecke über 3 km auszugehen ist. Bei der von der Regierung von Oberbayern mit Schriftsatz vom 3. März 2022 vorgelegten, sehr detaillierten Streckenführung aus dem Bayern-Atlas (2,84 km) ist der Haupteingang in der Hohenauer straße als Endpunkt berücksichtigt. Damit wurde auf den von der Klägerin gewünschten Eingangspunkt der Schule abgestellt. Nicht entscheidungserheblich ist demnach, ob vor, während oder nach Beendigung der Bauarbeiten wieder ein Zugang auf das Schulgrundstück möglich ist, der dem Wohnort der Klägerin sogar näherliegt.
Die Klägerin wendet ein, die starken Höhendifferenzen in Mühldorf am Inn hätten mitberücksichtigt werden müssen. Eine Differenzierung der Entfernungsgrenzen je nach der Beschaffenheit des Schulweges ist nach dem Wortlaut der bayerischen Bestimmungen (Art. 2 SchKfrG; § 2 Abs. 2 SchBefV) jedoch nicht vorgesehen. Sie ist ihr auch nicht durch Auslegung zu entnehmen. Wenn der Gesetzgeber bei der Festlegung der Entfernungsgrenzen einen ebenen Weg zugrundegelegt hätte und davon ausgegangen wäre, dass diese Grenzen bei Schulwegen mit Steigungen automatisch gekürzt werden würden, so hätte er dies angesichts der in Bayern teilweise bergigen bzw. hügeligen Landschaft ausdrücklich erwähnen müssen (vgl. insgesamt OVG NW, U. v. 26.09.1996 – 19 A 5093/95 – juris Rn. 7). Auch wollte der Normgeber mit den Bestimmungen über die Schulwegkostenfreiheit eine möglichst praktikable Regelung treffen. Eine gewisse Generalisierung, Typisierung und Pauschalierung ist dabei unvermeidlich und verfassungsrechtlich unbedenklich (BayVerfGH vom 28.10.2004 – Vf. 8-VII-03 – VerfGH 57, 156 = BayVBl 2005, 140). Die kreisfreien Gemeinden und Landkreise, denen die notwendige Beförderung der Schüler als Aufgabenträger obliegt (Art. 1 SchKfrG), haben jährlich in einer Vielzahl von Fällen die jeweils zugrunde zu legende Schulweglänge zu ermitteln. Die hierbei anzuwendenden Regelungen sind in der Praxis nur dann mit einem tragbaren Verwaltungsaufwand umsetzbar, wenn sich der Ermittlungsaufwand am Gebot der Wirtschaftlichkeit orientiert (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG) und den notwendigen Umfang nicht überschreitet (vgl. zum Ganzen BayVGH, U. v. 17.2.2009 – 7 B 08.1027 – juris Rn. 18).
Die von der Klägerin vorgelegten Routen der Schulwegstrecke, die zu einer Länge von über 3 km kommen, führen zu keiner anderen Bewertung. Zwar legt die Klägerin dar, dass die von ihr im Klageverfahren vorgelegte Streckenführung aus Google-Maps dieselbe Strecke beinhalte, die die Regierung von Oberbayern im Widerspruchsbescheid annehme. Dem ist jedoch nicht so. Die von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Streckenführung nimmt als Endpunkt der Strecke schon eine Adresse der Berufsschule in der Berliner Straße an, was durch die Klägerin nicht näher erklärt wird. Im Übrigen enthält die Streckenführung der Klägerin Umwege und andere Streckenabschnitte, die zu einer Verlängerung der Strecke führen. Warum teilweise eine längere Streckenführung gewählt wird, wird durch die Klägerin nicht näher dargelegt. Allein die Vorlage einer möglichen längeren Streckenführung zwischen dem Wohnort und der Berufsschule führt nicht zu einer Genehmigungsfähigkeit der Fahrtkosten, denn es ist die kürzeste Streckenführung entscheidend, deren korrekte Ermittlung durch den Beklagten von der Klägerseite nicht substantiiert in Frage gestellt wurde.
Der Schulweg der Klägerin ist auch nicht als „besonders gefährlich“ i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchBefV anzusehen. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Schulwegkosten eine Berufsschülerin in der 10. Klasse, bei der ein höherer Grad an Vernunft und Selbstständigkeit im Straßenverkehr angenommen werden kann, als beispielsweise bei einer Grundschülerin.
Eine besondere Gefährlichkeit des Schulweges wegen des zu überwindenden Höhenunterschiedes wird durch die Klägerin weder geltend gemacht, noch ist diese ersichtlich. Zu der von der Klägerin im Widerspruchsverfahren erwähnten schwierigen Überquerung der Innstraße (Unterführung an der Berlinerstrasse) führt der Widerspruchsbescheid folgendes aus: „Die Berliner Straße (St 2550) könne mittels einer Unterführung auf Höhe des Buswendeplatzes vor der Berufsschule sicher gequert werden. Diese Unterführung werde von vielen Schüler/innen genutzt, sei ausreichend beleuchtet und zu den Schulanfangs- und – endzeiten stark besucht. Bei der Bemessung des Schulwegs sei diese berücksichtigt worden.“ Auch in der Streckenführung der Regierung von Oberbayern vom 3. März 2022 ist diese Unterführung berücksichtigt. Die Klägerin führt weder im verwaltungsgerichtlichen noch im gerichtlichen Verfahren genauer aus, wo denn die Querungshilfe über die Berliner Straße sei, von der sie ausgeht. Die Klägerin bestreitet lediglich pauschal, dass es eine Unterführung, so wie von den Behörden angenommen, gäbe. Diese Darlegungen der Klägerin können nicht nachvollzogen werden, insbesondere, da sich die Lage der Unterführung Inn straße/Berliner straße zwischen Grundschule und Berufsschulzentrum, wie von den Behörden in den Streckenführungen angenommen, aus Karten des im Internet frei zugänglichen „Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts“ der Gemeinde Mühldorf am Inn ergibt („Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzepts“ Kreisstadt Mühldorf am Inn, 28. März 2019, Heft 49 zur Innenstadtentwicklung: z.B. Seite 103/113/146). Weitere Gefahrpunkte in der Streckenführung werden durch die Klägerin ebenfalls nicht substantiiert geltend gemacht. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die durch den Beklagten bzw. die Regierung von Oberbayern angenommenen Strecken eine besondere Gefährlichkeit beinhalten.
Mithin bestand für die von der Klägerin besuchte Berufsschule im Schuljahr 2019/2020 keine Beförderungspflicht des Beklagten, da die Schule nicht weiter als 3 km vom Wohnort der Klägerin entfernt ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 SchBefV).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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