Verwaltungsrecht

Sofortvollzug des Ausschlusses aus Münchener Großmarkthalle wegen strafgerichtlicher Verurteilung

Aktenzeichen  M 7 S 15.5129, M 7 K 15.5128

Datum:
7.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 2, Abs. 5, § 166
ZPO ZPO § 114
Markthallen-Satzung § 1 Abs. 2, § 16 Abs. 1

 

Leitsatz

Die strafrechtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung wegen erheblicher, auf dem Marktgelände begangener Straftaten (Insolvenzverschleppung, Verletzung von Buchführungspflichten, Bankrott, Beitragsvorenthaltung, Warenkreditbetrug) rechtfertigt den Ausschluss von der Münchner Großmarkthalle für sechs Monate unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, um die Marktsicherheit aufrecht zu erhalten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
IV.
Der Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz werden abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen für sofort vollziehbar erklärten vorübergehenden Ausschluss aus der Münchner Großmarkthalle sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren und das Klageverfahren M 7 K 15.5128.
Die Münchner Großmarkthalle bildet mit dem Schlachthof und vier verschiedenen Lebensmittelmärkten eine öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin, für die die Satzung über die Benutzung der Markthallen München der Landeshauptstadt München (Markthallen-Satzung) vom 19. Dezember 2008 (MüABl. S. 714) gilt.
Mit Verfügungen vom 15. Mai 2012 und 16. Februar 2015 schloss die Antragsgegnerin den Antragsteller für drei bzw. zuletzt sechs Monate von der Benutzung der Großmarkthalle wegen Verstößen gegen das Rauchverbot aus. Mit Bescheid vom 17. September 2014 verhängte sie aus demselben Grund ein Bußgeld.
Mit seit 28. März 2014 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts München vom 20. März 2014 (Az.: 1123 Ls 303 Js 47822/10) wurde der Antragsteller, der die ihm zur Last gelegten Taten gestanden hat, wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Buchführungspflichtverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott in Tatmehrheit mit 19 selbstständigen Fällen der Beitragsvorenthaltung in Tatmehrheit mit 24 selbstständigen Fällen des Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Dabei belief sich allein der Schaden der Warenkreditbetrugstaten im Zeitraum von Dezember 2009 bis März 2010 auf 25.455,54 EUR. Nach den Urteilsgründen war der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt in der Großmarkthalle tätig und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200,- EUR; seine Lebenspartnerin, die mehr Einkünfte als er erzielte, unterstützte ihn.
Nachdem der Antragsgegnerin am 25. September 2015 im Rahmen einer Beschwerde gegen das Geschäftsgebaren seines ehemaligen Geschäftspartners das Strafurteil bekannt geworden war, hörte sie den Antragsteller zu einem beabsichtigten Marktausschluss an. Dieser sprach am 14. Oktober 2015 persönlich vor und legte dar, dass er bei seinem Cousin am Stand in der Halle 3 beschäftigt sei und für diesen Ware verkaufe. Seit der Insolvenz seiner Firma habe er finanzielle und private Probleme.
Mit Bescheid vom 2. November 2015 schloss die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges (Nummer 2) vom 12. November 2015 bis einschließlich 11. Mai 2016 vom Betriebsteil Großmarkthalle der Markthallen München (im Folgenden: Markthallen) aus und kündigte ihm bei weiterem Betreten des Geländes der Markthallen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch an (Nummer 1). Zur Begründung wird auf die strafgerichtliche Verurteilung Bezug genommen und ausgeführt, die dieser zugrunde liegenden Taten seien zum Teil auf dem Satzungsgebiet der Markthallen im Betriebsteil Großmarkthalle begangen worden und hätten den Markthallen und ansässigen Firmen einen finanziellen Schaden verursacht. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 der Markthallen-Satzung könne vom Satzungsgebiet ausgeschlossen werden, wer in diesem Gebiet eine strafbare Handlung begangen habe. Die Leitung der Markthallen habe als Hausherr und Betreiber die Verpflichtung, die Benutzer im Rahmen ihrer Möglichkeiten vor strafbaren Handlungen durch Dritte zu schützen. Werde Straftaten nicht rechtzeitig entschlossen begegnet, könne das Vertrauen in die Rechtssicherheit auf dem Marktgelände nicht glaubhaft aufrechterhalten werden. Einer solchen Entwicklung müsse im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung entschlossen entgegengetreten werden. Unter den gegebenen Umständen werde die Aufrechterhaltung der Ordnung und das Interesse an einem möglichst ungestörten Ablauf des Marktbetriebes höher bewertet als das Interesse des Antragstellers am Betreten des Satzungsgebietes. Die Dauer des Ausschlusses sei der Schwere der Straftat angemessen. Es sei begünstigend berücksichtigt worden, dass der Antragsteller beruflich in der Großmarkthalle tätig sei und diese Tätigkeit seine Existenzgrundlage bilde. Deshalb sei der übliche Ausschluss für zwölf Monate auf die Hälfte der Zeit reduziert worden. Die Anordnung des Sofortvollzuges liege im öffentlichen Interesse. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass bis zur Bestandskraft des Bescheides weitere Straftaten verwirklicht würden. Dies könne nicht hingenommen werden.
Gegen den am 4. November 2015 zugestellten Bescheid ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 16. November 2015 Anfechtungsklage (M 7 K 15.5128) erheben und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
sowie,
ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, der Bescheid sei evident rechtswidrig, insbesondere ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig, weil der …jährige Antragsteller, der seit 1988 ununterbrochen in der Großmarkthalle der Beklagten tätig sei, hierdurch seiner einzigen tatsächlich vorhandenen Erwerbsquelle beraubt und die Existenz seiner Familie zerstört werde. Er sei seit dem 28. Januar 2015 arbeitslos und wäre ohne den Marktausschluss bei der seit 1973 in der Markthalle tätigen … GmbH, die Verwandten gehöre, beschäftigt worden. Aufgrund seines Alters und seines Berufes sei es ihm nicht möglich, kurzfristig eine andere Beschäftigung zu finden. Die Antragsgegnerin habe sich bei der Frage eines Marktausschlusses nicht mit den Folgen für seine Familie auseinandergesetzt, sondern diese nur bei der Bemessung der Dauer berücksichtigt. Er habe einen siebenjährigen Sohn, der an einer seltenen genetischen Krankheit leide und auf die dauerhafte Pflege durch seine Mutter angewiesen sei. Der familiäre Bedarf für den laufenden Lebensunterhalt belaufe sich einschließlich der erhöhten Kosten für Medikamente auf 3.000,- EUR. Die Insolvenzstraftat, wegen der der Antragsteller zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei, resultiere aus dem Zusammenbruch einer Groß- und Einzelhandels GmbH, die er … mit einem Geschäftspartner gegründet und ab … mit dem ebenfalls verurteilten Herrn H. Ü. als Mitgeschäftsführer weitergeführt habe. Die GmbH sei am … 2010 von Amts wegen aufgelöst und am … 2011 von Amts wegen gelöscht worden. Seit der anschließenden strafgerichtlichen Verurteilung habe der Antragsteller bei der H. GmbH, der S. F. GmbH und der E. GmbH als Verkäufer gearbeitet und sei strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung durch die bloße Anwesenheit des Antragstellers im Angestelltenverhältnis und eine Schädigung der Markthallenbenutzer durch eine strafbare Handlung, insbesondere eine Insolvenzstraftat, seien daher nicht zu erwarten und eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin habe schon vor Jahren Kenntnis von der Insolvenz der Firma des Antragstellers gehabt. Es erscheine fraglich, dass sie erst 2015 von der Verurteilung Kenntnis erlangt habe. Der Mitgeschäftsführer, der bereits mehrmals in Insolvenzen im Umfeld der Markthallen verwickelt gewesen und zu einer höheren Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, sei nach wie vor dort tätig. Auch eine generalpräventive Wirkung des Marktausschlusses sei nicht ersichtlich. Es gebe mildere Mittel, wie eine Verwarnung oder eine Geldstrafe. Der Ausschluss beschränke die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers unverhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei formell und materiell rechtswidrig. Sie sei formularmäßig und völlig allgemein gehalten. Woraus sich die unterstellte Wiederholungsgefahr ergeben solle, werde nicht dargelegt. Die Anordnung schaffe unumkehrbare Tatsachen, die auch durch einen Amtshaftungsanspruch nicht ausgeglichen werden könnten. Der Klage beigefügt wurden ein kinderärztliches Attest vom 26. Oktober 2015 und Auszug aus dem Handelsregister.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 26. November 2015,
den Antrag abzulehnen,
und führte dazu aus, die Voraussetzungen für den Marktausschluss seien gegeben. Eine Ahndung durch geringere Mittel als Ordnungswidrigkeit nach § 31 Nr. 10 i. V. m. § 12 Abs. 4 Markthallen-Satzung scheide aus, weil ein Straftatbestand vorliege. Die existenzbedrohenden Gründe seien bei der Dauer des Ausschlusses berücksichtigt worden. Anders als in der Klage ausgeführt, wonach er seit Januar 2015 arbeitslos sei, habe der Antragssteller bei der mündlichen Anhörung am 14. Oktober 2015 angegeben, er sei aktuell in der … GmbH seines Cousins beschäftigt und erledige für diesen den Einkauf/Verkauf. Wenn dies der Fall sei, dann seien hier ggf. weitere Straftatbestände verwirklicht, da der Antragsteller offensichtlich arbeitslos gemeldet gewesen sei und Leistungen bezogen habe. Die Berufsfreiheit werde nicht eingeschränkt, da der Antragsteller gegenwärtig nicht auf dem Großmarkt beschäftigt und dort als einfacher Angestellter im Fruchthandel tätig gewesen sei. Im Großraum München bestehe auch außerhalb der Großmarkthalle die Möglichkeit als einfacher Angestellter im Einzel- und Großhandel eine Anstellung zu finden. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund der Pflichtverletzungen als Geschäftsführer einer GmbH und der Verurteilung wegen vorsätzlichen Betruges auch als Angestellter im Verkauf von Lebensmitteln nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Er sei zwar nach der Insolvenz nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten. Allerdings seien gegen ihn am 15. Mai 2012 und am 16. Februar 2015 befristete Ausschlüsse vom Satzungsgebiet wegen wiederholter Ordnungswidrigkeiten (Verstöße gegen das Rauchverbot) ausgesprochen worden. Er habe wiederholt gezeigt, dass er nicht gewillt sei, die gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorschriften einzuhalten. Der Marktausschluss sei zur Verhinderung von Straftaten und der Aufrechterhaltung eines ungestörten Marktbetriebes geeignet, erforderlich und geboten. Am Großmarkt würden Geschäfte oft noch per Handschlag und Ware auf Vertrauensbasis geliefert, da vorwiegend verderbliche Ware geliefert werde. Die Händler und die Markthallen selbst seien daher in besonderem Maße auf die Rechtschaffenheit der Marktteilnehmer angewiesen. Werde Straftaten auf dem Gelände nicht rechtzeitig entschlossen entgegengetreten, könne das Vertrauen in die Rechtssicherheit auf dem Gelände nicht glaubhaft aufrechterhalten werden. Das öffentliche Interesse sei zu Recht höher gewichtet worden als das des Antragstellers, der durch sein Gesamtverhalten zum Ausdruck gebracht habe, dass er auch künftig nicht bereit sei, die satzungsmäßigen Bestimmungen zu achten. Die Dauer des Ausschlusses sei den Straftaten angemessen und nehme Rücksicht auf die existenziellen Folgen für den Antragsteller. Der Sofortvollzug sei gerechtfertigt, weil ansonsten bis zur Bestandskraft des Bescheides der Betriebsablauf gestört würde und vom Antragsteller eine Signalwirkung ausgegangen wäre, dass die Verwirklichung von Straftatbeständen keine Konsequenzen habe. Es sei erforderlich gewesen, die erkannte Störung sofort abzustellen und nicht erst ein mögliches Rechtsmittelverfahren abzuwarten; dies auch, weil das Verhalten des Antragstellers den Schluss nahelege, dass er sich in der Zeit bis zur Rechtskraft des Ausschlusses nicht an die geltenden Regeln halten werde.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 wurde erwidert, die dem Schreiben der Antragsgegnerin beigefügten Unterlagen bezögen sich auf den ehemaligen Mitgeschäftsführer des Antragstellers. Allein dessen Verhalten sei vom Verband des Bayerischen Fruchtimport- und Großhandels e.V. beanstandet worden. Bei der gegen den Antragsteller geführten Maßnahme handele es sich offenbar um einen Kollateralschaden, der erkennbar von diesem Verband nicht beabsichtigt gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht lasse sich daraus ein Ermessensfehler ablesen, da dieser Umstand nicht berücksichtigt worden sei. Es treffe nicht zu, dass mildere Mittel zur Ahndung nicht zur Verfügung stünden. Der Antragsteller, der seit 1988 in der Großmarkthalle tätig sei, sei nur dort bekannt und faktisch auch vermittelbar. Fehlerhaft sei auch die Erwägung, dass dem Antragsteller aufgrund von Pflichtverstößen als GmbH-Geschäftsführer die erforderliche Zuverlässigkeit für den Verkauf von Lebensmitteln fehle. Dabei werde übersehen, dass ihn diese Verpflichtungen als Angestellten gar nicht träfen. Soweit die Antragsgegnerin ihren Bescheid nunmehr auch auf Verstöße gegen das Rauchverbot stütze, handele es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen. Da diese Verstöße weder tatsächlich noch rechtlich etwas mit der Begründung des Bescheides zu tun hätten, handele es sich um eine unzulässige Wesensänderung des Bescheides. Nachdem eine Wiederholungsgefahr rechtlich nicht möglich sei, seien auch die dahingehenden Erwägungen der Antragsgegnerin nicht tragfähig. Was den Sofortvollzug anbetreffe, fehle es an einer Störung, da der Antragsgegnerin bekannt sei, dass er seit den begangenen Insolvenzstraftaten strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei.
Auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem Verfahren sowie im Klageverfahren M 7 K 15.5128 wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO analog Bezug genommen.
II.
1. Nach zweckentsprechender Auslegung (§ 88, § 122 VwGO) seines Antrages gem. § 80 Abs. 5 VwGO begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die für sofort vollziehbar erklärte (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) Verfügung in Nummer 1 angefochtenen Bescheides.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier wegen einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzuges – keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für und gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
Danach ist der Antrag abzulehnen, weil die erhobene Klage keinen hinreichenden Erfolg verspricht. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. November 2015 ist nach Aktenlage rechtmäßig. Damit überwiegt das öffentliche Interesse, wegen der damit verbundenen Gefahren sofort vor einem unzuverlässigen Marktbenutzer geschützt zu werden, das private Interesse des Antragstellers, die öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin weiter nutzen zu dürfen.
Rechtsgrundlage für den teilweisen und vorübergehenden Marktausschluss ist § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Markthallen-Satzung. Danach kann vom Satzungsgebiet der Markthallen (§ 1 Abs. 2 der Satzung) ausgeschlossen, wer innerhalb der Markthallen eine strafbare Handlung begangen hat oder in den hinreichenden Verdacht gerät, dort eine strafbare Handlung begangen zu haben. Der Antragsteller ist am 20. März 2014 wegen einer Vielzahl von Straftaten rechtskräftig verurteilt worden, nämlich wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, Verletzung von Buchführungspflichten und Bankrotts sowie neunzehnfacher Beitragsvorenthaltung und 24 Fällen des Warenkreditbetruges. Die Handelsgesellschaft, im Rahmen deren Geschäftsbetriebs diese Straftaten begangen worden sind, hat ihre Geschäfte in der Großmarkthalle getätigt.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen dahin ausgeübt hat, den Antragsteller wegen der Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der Erforderlichkeit glaubhafter Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Marktsicherheit vorübergehend von der Nutzung der Großmarkthalle auszuschließen. Sie hat damit sowohl den Ermächtigungszweck als auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (Art. 40 BayVwVfG).
Die Maßnahme ist im Interesse der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in dieser öffentlichen Einrichtung geboten. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Satzungsgebiet der Markthallen ist immer dann verletzt, wenn ein Benutzer dort Straftaten begeht, da die Strafgesetze Teil der Rechtsordnung sind, deren Unversehrtheit zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gehört (vgl. VG München, B. v. 9. Januar 2001 – M 7 S 00.6168 – zum Widerruf der Zuweisung eines Standes auf dem Viktualienmarkt). Die erhebliche Anzahl und die Art der verschiedenen Straftaten, die der Antragsteller bei seiner wirtschaftlichen Betätigung über einen längeren Zeitraum hinweg begangen hat, begründen die Gefahr, dass er auch in Zukunft Straftaten im Erwerbs- und Wirtschaftsleben begehen wird. Mit einem Wechsel in das Angestelltenverhältnis ist weder die Wiederholungsgefahr ausgeräumt noch dem öffentlichen Interesse an einem ungestörten Marktbetrieb und einer sicheren Nutzung der Großmarkthalle durch die übrigen Benutzer genügt. Der Antragsteller hat gezeigt, dass es ihm grundlegend an der auch für einen angestellten Händler erforderlichen Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit im Geschäftsverkehr fehlt. Er hat sich nicht an ganz grundlegende geschäftliche Gepflogenheiten und Verpflichtungen gehalten und keine Bedenken gezeigt, seine Geschäftspartner wirtschaftlich erheblich zu schädigen. So hat er für das Jahr 2008 keine Bilanz erstellt, zumindest ab Oktober 2009 keine Handelsbücher geführt, hatte demzufolge keinen Überblick über die wirtschaftliche Lage der von ihm und seinem Geschäftspartner betriebenen Gesellschaft, hat ab März 2007 der AOK immer wieder Beiträge vorenthalten und zusammen mit seinem Geschäftspartner in dem Zeitraum von Dezember 2009 bis März 2010 Warenkreditbetrügereien begangen, die einen erheblichen Schaden in fünfstelliger Höhe verursacht haben. Damit hat er das ihm entgegengebrachte Vertrauen nachhaltig zerstört und dem Ruf der Einrichtung geschadet. Eine Verwarnung und ein Bußgeld sind nicht ebenso geeignet zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung auf dem Großmarkt wie der Marktausschluss und stellen keine angemessene Reaktion auf dieses Ausmaß an geschäftlichem Fehlverhalten dar, das im Strafverfahren zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten geführt hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass von einer Verwarnung oder einem Bußgeld nicht annähernd dieselbe Abschreckungswirkung ausgeht wie von einem Marktausschluss, der geeignet ist, andere Händler bzw. Zuweisungsnehmer oder Zulassungsinhaber im Sinne von § 3 Markthallen-Satzung von Straftaten bei Ausübung ihres Gewerbes abzuhalten.
Dem Antragsteller kann auch nicht darin gefolgt werden, dass er sich seit der Verurteilung im März 2014 ausreichend bewährt habe. Abgesehen davon, dass er unter dem Eindruck eines drohenden Bewährungswiderrufs steht, ist der seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum relativ kurz, viel kürzer als der Zeitraum, während dessen er erhebliche Straftaten begangen hat.
Der Antragsgegnerin ist auch keine Untätigkeit oder widersprüchliches Verhalten anzulasten. Sie hat das Verwaltungsverfahren zügig betrieben, sobald sie von der Verurteilung im September 2015 Kenntnis erlangt hatte. Dass dies im Rahmen einer Beschwerde über das Geschäftsgebaren seines ehemaligen Geschäftspartners der Fall war, ändert an der Rechtmäßigkeit des Marktausschlusses nichts. Zwischenzeitlich hat sie auch gegen den ehemaligen Geschäftspartner des Antragstellers einen Marktausschluss ausgesprochen.
Die Bedeutung, die die Tätigkeit auf dem Großmarkt für den Antragsteller hat, und die Folgen seines Ausschlusses hat die Antragsgegnerin ausreichend in ihr Ermessen eingestellt, indem sie die Dauer des Ausschlusses auf sechs Monate und auf den Betriebsteil Großmarkthalle (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Markthallen-Satzung) beschränkt hat, in dem der Antragsteller straffällig geworden ist. In anderen Ausschlussverfahren, denen weit geringfügigere Straftaten zugrunde lagen, hat die Antragsgegnerin einen Ausschluss von einem Jahr verhängt (vgl. VG München, B. v. 2. Juni 2008 – M 7 S 08.2090 – und U. v. 18. Februar 2009 – M 7 K 08.2091; VG München, B. v. 12. Juli 2001 – M 7 S 01.2139 – wegen bloßen Verdachts einer Straftat; vgl. auch VG München, B. v. 9. Januar 2001 – M 7 S 00.6168 – Widerruf der Zuweisung eines Standes auf dem Viktualienmarkt nach 30jähriger Tätigkeit infolge einer strafgerichtlichen Verurteilung zu 60 Tagessätzen). Im Hinblick auf die im Verhältnis zu anderen Branchen relativ hohe Fluktuation im Groß- oder Einzelhandel ist auch nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller, dem die übrigen Betriebsteile der Markthallen weiterhin offenstehen, dort oder auf dem freien Markt aufgrund seines Lebensalters keine Beschäftigung mehr finden kann. Schließlich führen aber auch existenzielle Schwierigkeiten, die der Marktausschluss mit sich bringen mag, entgegen seiner Meinung nicht dazu, dass von dieser Maßnahme abzusehen ist. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass Händler und sonstige auf dem Markt tätige Personen, die von einem Ausschluss existenziell zwangsläufig stärker betroffen sind als gelegentliche Benutzer wie Kunden, von dieser Maßnahme generell verschont bleiben müssten, obwohl Straftaten aus ihren Reihen ganz wesentlich dazu geeignet sind, den Marktbetrieb und das Vertrauen in die Marktsicherheit und -ordnung zu stören. Dass diese Maßnahme notwendig geworden ist, hat sich der Antragsteller aufgrund seines jahrelang gezeigten Verhaltens letztlich selbst zuzuschreiben. Abgesehen davon enthält sein Vortrag zu seinen persönlichen Verhältnissen auch einige Widersprüche, die Zweifel an dessen Glaubhaftigkeit aufwerfen. Während er im hiesigen Verfahren vortragen ließ, er sei dafür verantwortlich, den familiären Lebensbedarf von monatlich 3.000,- EUR zu erwirtschaften, war noch im März 2014 vor dem Strafgericht davon die Rede, dass er nur 1.200 EUR verdiene und die Mutter seines auch damals bereits erkrankten Kindes mehr zum Lebensunterhalt der Familie beitrage. Ferner hat der Antragsteller im Oktober 2015 gegenüber der Beklagten erklärt, er sei bei einem Verwandten beschäftigt, in der Klageschrift demgegenüber, er sei seit Anfang 2015 arbeitslos und wäre ohne die angegriffene Maßnahme beschäftigt worden.
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist rechtmäßig. Ihre Begründung, die wegen des Gewichts des öffentlichen Interesses auf die Dringlichkeit einer sofort wirksamen Maßnahme abstellt, ist zwar knapp, jedoch noch ausreichend. Im Übrigen sind an den Inhalt der Begründung keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, 3 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
2. Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO), hat auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe keinen Erfolg. Offen bleiben kann daher, ob der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann. Hierzu sind bisher bei Gericht weder eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers noch Belege vorgelegt worden.


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