Verwaltungsrecht

Stattgebender Kammerbeschluss: Beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit – Maßgeblichkeit des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilungen – “Ausschöpfung” der Einzelbeurteilungen nur bei wesentlich gleichen Beurteilungen der Kandidaten bzw bei Vorliegen zwingender Gründen – keine wesentlich gleichen Beurteilung bei unterschiedlichen Statusämtern der Kandidaten – hier: unzureichende Begründung des OVG für Abstellen auf Einzelbeurteilungen trotz Leistungsvorsprung des Beschwerdeführers

Aktenzeichen  2 BvR 1120/12

Datum:
4.10.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Stattgebender Kammerbeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2012:rk20121004.2bvr112012
Normen:
Art 33 Abs 2 GG
§ 93c Abs 1 S 1 BVerfGG
Spruchkörper:
2. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 9. Mai 2012, Az: 1 B 214/12, Beschluss

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2012 – 1 B 214/12 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes.
2. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2012 – 1 B 214/12 – wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
3. …

Gründe

A.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem Konkurrentenstreit um die Stelle
des Präsidenten des Sozialgerichts D.

I.
2
Der Beschwerdeführer ist Vorsitzender Richter am Landessozialgericht N. (Besoldungsgruppe R 3). Er bewarb sich auf die Stelle
des Präsidenten des Sozialgerichts D. In seiner daraufhin gefertigten dienstlichen Beurteilung erhielt er das Gesamturteil
“hervorragend”. Auch seine Eignung für das angestrebte Amt wurde mit “hervorragend” bewertet. Noch als Richter am Landessozialgericht
war der Beschwerdeführer als Leiter der Dezernate Personal und Gerichtsorganisation in der Gerichtsverwaltung tätig gewesen.
Seine dienstliche Beurteilung für diesen Zeitraum lautete ebenfalls auf das Gesamturteil “hervorragend”.

3
Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen wählte entsprechend dem Besetzungsvorschlag der Präsidentin des Landessozialgerichts
für die Stelle einen Mitbewerber (Besoldungsgruppe R 2) aus. Dieser war Vizepräsident des Sozialgerichts A. gewesen und fungierte
anschließend am Landessozialgericht als Dezernent für die Gerichtsorganisation und als Stellvertreter des Personaldezernenten.
Seine anlässlich der Bewerbung um das Amt des Präsidenten des Sozialgerichts gefertigte dienstliche Beurteilung lautete auf
das Gesamturteil “hervorragend”. Auch seine Eignung für das angestrebte Amt wurde mit “hervorragend” bewertet. Seine Tätigkeit
als Vizepräsident am Sozialgericht war zuletzt ebenfalls mit “hervorragend” bewertet worden.

4
Im Besetzungsvotum führte das Justizministerium Nordrhein-Westfalen aus, beim Mitbewerber sei ein Qualifikationsvorsprung
gegenüber dem Beschwerdeführer festzustellen. Wegen Gleichstands der Leistungsnoten seien die dienstlichen Beurteilungen auszuschöpfen.
Dem Beschwerdeführer komme danach aufgrund seines höheren Statusamts in der spruchrichterlichen Tätigkeit ein Leistungsvorsprung
zu. Im Bereich der Verwaltungstätigkeiten liege ein Leistungsgleichstand beider Bewerber vor. Hier komme der Grundsatz des
höheren Statusamts nicht zum Tragen, da das höhere Amt dem Beschwerdeführer allein mit Blick auf seine richterliche Vorsitzendentätigkeit
verliehen worden sei. Die Eignungsprognose ergebe indes einen Eignungsvorsprung für den Mitbewerber. Das Anforderungsprofil
verlange Erfahrungen in der Bearbeitung von Verwaltungsangelegenheiten in der Justiz. Hier weise der Mitbewerber eine höhere
Verwendungsbreite auf. Zudem sei der Mitbewerber in Bezug auf die im Anforderungsprofil hervorgehobene Führungs- und Leitungskompetenz
entscheidend geeigneter. Dies ergebe sich aus den Einzelfeststellungen in den Beurteilungen.

5
Auf Antrag des Beschwerdeführers untersagte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Wege der einstweiligen Anordnung vorerst
die Übertragung der Stelle an den Mitbewerber.

6
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen änderte den Beschluss des Verwaltungsgerichts und lehnte den Antrag
des Beschwerdeführers ab. Bei im Gesamturteil gleich bewerteten Bewerbern sei der Dienstherr berechtigt und verpflichtet,
der Frage nachzugehen, ob die jeweiligen Einzelfeststellungen eine unterschiedliche Prognose für die künftige Bewährung im
Beförderungsamt ermöglichten. Das Justizministerium habe die in ihrem Gesamturteil gleich lautenden dienstlichen Beurteilungen
vertretbar ausgeschöpft. Dass es einen Leistungsvorsprung des Beschwerdeführers nur im Bereich der Rechtsprechung angenommen
habe, sei nicht zu beanstanden. Zwar habe die Beurteilung im höheren Statusamt grundsätzlich größeres Gewicht. Hier sei jedoch
eine differenzierte Betrachtung von Rechtsprechung und Verwaltung geboten. Ein Eignungsvorsprung könne einen Leistungsvorsprung
durch höheres Statusamt überwiegen. Letzterer habe kein konkretes “Mindestmaß”. Die am Anforderungsprofil orientierte Gewichtung
der Einzelmerkmale durch das Justizministerium mit der Folge einer besseren Gesamteignung des Mitbewerbers sei nicht zu beanstanden.

II.
7
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG durch das Oberverwaltungsgericht. Das Oberverwaltungsgericht
verkenne, dass die Auswahlentscheidung auf Grundlage der erteilten Beurteilungen zu erfolgen habe. Vorliegend habe sich die
personalentscheidende Stelle durch eine “Ausschärfung” der Beurteilung über ausdrückliche Bewertungen durch den Beurteiler
hinweggesetzt. Der Dienstherr und das Oberverwaltungsgericht hätten überdies verkannt, dass sich die Eignungsprognose in einer
Beurteilung aus der Leistungsbeurteilung ergeben müsse. Eine Ausschärfung der Eignungsprognose könne allenfalls zu einem geringen
Vorsprung eines Bewerbers führen, der einen eindeutigen Vorsprung in der Leistungsbewertung des anderen Bewerbers nicht ausgleichen
könne.

III.
8
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Beigeladenen des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen trägt vor, die Ausschöpfung der Beurteilungen
im Rahmen der Auswahlentscheidung sei ein anerkanntes Instrument der Bestenauslese. Durch die Ausschöpfung ziehe der Dienstherr
die Aussagen des Beurteilers nicht in Zweifel, sondern führe sie einem an den Anforderungen des Beförderungsamtes orientierten
Vergleich zu. Dies entspreche der originären Funktion der Auswahlentscheidung. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.

B.
9
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt
ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde ist von der Kammer stattzugeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen
Fragen vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet
ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
verkennt bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung den Gehalt des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers.
Er verletzt den Beschwerdeführer daher in seinem Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG.

I.
10
1. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem
öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses
Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen
Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse
der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens-
und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen
können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der
Bewerber betreffen (vgl. BVerfGK 12, 184 ; 12, 284 ; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26.
November 2010 – 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 ; vom 11. Mai 2011 – 2 BvR 764/11 -, NVwZ 2011, S. 1191 ). Mit
den Begriffen “Eignung, Befähigung und fachliche Leistung” eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG bei Entscheidungen über Beförderungen
einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn. Dieser unterliegt schon von Verfassungs wegen einer nur begrenzten gerichtlichen
Kontrolle (vgl. BVerfGE 39, 334 ; 108, 282 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Mai 2011,
a.a.O.).

11
2. Die Ermittlung des gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung am besten geeigneten Bewerbers
hat stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen (vgl. BVerfGE 96, 205 ). Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich
des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung
vorzunehmen ist. Die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung können vom Dienstherrn in Bezug auf den Aufgabenbereich
eines konkreten Amtes durch die Festlegung eines Anforderungsprofils bereits im Vorfeld der Auswahlentscheidung konkretisiert
werden (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November 2010, a.a.O., S. 747).

12
3. Der Vergleich der Bewerber im Rahmen einer Auswahlentscheidung hat vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen
(vgl. BVerfGE 110, 304 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Mai 2011, a.a.O., S. 1192; siehe
ferner BVerfGK 12, 106 ). Die Beurteilungen sind dabei, soweit sie aussagekräftig sind, in ihrer Gesamtheit zugrunde
zu legen. Maßgeblich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, welches anhand einer Würdigung, Gewichtung und Abwägung
der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte gebildet wurde (siehe aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung BVerwG, Beschluss
vom 27. September 2011 – 2 VR 3/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 71 ; Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4/11 -, NVwZ-RR 2012,
S. 241 ).

13
In bestimmten Fällen lässt es das Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG zu, dass der Dienstherr die Kandidaten im Anschluss
an einen Vergleich der Gesamturteile anhand der für das Beförderungsamt wesentlichen Einzelaussagen der dienstlichen Beurteilungen
weiter vergleicht. Dies kommt insbesondere bei wesentlich gleichem Gesamtergebnis in Betracht (vgl. BVerfGK 12, 106 ;
siehe ferner BVerwG, Beschluss vom 27. September 2011, a.a.O.; Beschluss vom 25. Oktober 2011, a.a.O.). Gerade dann kommt
den Einzelaussagen nach dem Sinn und Zweck der dienstlichen Beurteilungen, über Leistung und Eignung der Beamten ein differenziertes
Bild zu geben, besondere Bedeutung zu (BVerfGK 12, 106 ). Ob nach ihrem Gesamtergebnis wesentlich gleiche Beurteilungen
vorliegen, die einen solchen weiteren Vergleich ermöglichen, richtet sich nicht allein nach dem formalen Gesamturteil. Vielmehr
gebietet es der Leistungsgrundsatz, bei einem Vergleich des Gesamtergebnisses auch etwaige Unterschiede im Maßstab der Beurteilung
der Bewerber zu berücksichtigen. Solche Unterschiede kommen etwa dann in Betracht, wenn sich bei konkurrierenden Bewerbern
die dienstlichen Beurteilungen auf unterschiedliche Statusämter beziehen. Hier wird in der Rechtsprechung der Fachgerichte
vielfach angenommen, dass bei formal gleicher Bewertung die Beurteilung des Beamten im höheren Statusamt regelmäßig besser
ist als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt befindlichen Konkurrenten (BVerfGK 10, 474 , m. N.). Dem liegt die
Überlegung zugrunde, dass an einen Inhaber eines höheren statusrechtlichen Amtes von vornherein höhere Erwartungen zu stellen
sind als an den Inhaber eines niedrigeren statusrechtlichen Amtes (BVerfGK 10, 474 ). Mit einem höheren Amt sind regelmäßig
gesteigerte Anforderungen und ein größeres Maß an Verantwortung verbunden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats
vom 11. Mai 2011, a.a.O., S. 1192). Wo sich der Statusunterschied dementsprechend auf den Beurteilungsmaßstab ausgewirkt hat,
ist er in den Beurteilungsvergleich einzustellen.

14
Ergibt der Gesamtvergleich, dass keine wesentlich gleichen Beurteilungen vorliegen, so darf die Gesamtaussage der dienstlichen
Beurteilungen nicht ohne Weiteres durch einen Rückgriff auf Einzelfeststellungen überspielt werden. Bei nicht wesentlich gleichen
Beurteilungen ist der unmittelbare Vergleich einzelner Feststellungen vielmehr nur bei Vorliegen zwingender Gründe zulässig.

II.
15
Diesen Anforderungen wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Prüfung
zwingender Gründe unbeanstandet gelassen, dass das Justizministerium unter Rückgriff auf Einzelmerkmale in den dienstlichen
Beurteilungen einen Qualifikationsvorsprung des Mitbewerbers hergeleitet hat. Dabei hat es verkannt, dass bei der Auswahlentscheidung
die dienstlichen Beurteilungen der Bewerber, soweit sie aussagekräftig sind, in ihrer Gesamtheit zugrunde gelegt werden müssen.

16
1. Das Oberverwaltungsgericht hat den unmittelbaren Vergleich einzelner Feststellungen nicht ohne Weiteres schon wegen des
Vorliegens wesentlich gleicher Beurteilungen für zulässig halten dürfen. Allein aus dem formal gleichen Gesamturteil lässt
sich vorliegend nicht folgern, dass wesentlich gleiche Beurteilungen vorlägen. Sowohl das Justizministerium wie die Gerichte
haben einen Leistungsvorsprung des Beschwerdeführers angenommen. So basiert der Besetzungsbericht darauf, dass mit einem höheren
Statusamt im Grundsatz gesteigerte Anforderungen und ein höheres Maß an Verantwortung verbunden seien und daher die formal
gleiche Beurteilung im höheren Statusamt zu einem Leistungsvorsprung des Beschwerdeführers führe. Die Annahme eines solchen
Leistungsvorsprungs wird auch durch die Beurteilungsrichtlinien nahe gelegt. Nach Punkt V. 1. der Ausführungsvorschrift des
Justizministeriums für die dienstlichen Beurteilungen der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte
vom 2. Mai 2005 (JMBl. NRW S. 121) ist die Befähigung und Leistung auf der Grundlage des Anforderungsprofils des ausgeübten
Amts zu beurteilen. Im Anforderungsprofil für einen Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht heißt es: “Die Anforderungen
an die Richterin oder den Richter am Landessozialgericht müssen in besonderem Maße erfüllt werden”. Darin ist ein strengerer
Maßstab für die Beurteilung im höheren Statusamt angelegt. In einem solchen Fall entspricht es dem Leistungsgrundsatz, den
Statusvorsprung bei einem Vergleich der Beurteilungen zu berücksichtigen. Ob das Justizministerium den Statusvorsprung des
Beschwerdeführers allein auf die Leistung in der Rechtsprechungstätigkeit beschränken und hinsichtlich der Verwaltungstätigkeit
einen Leistungsgleichstand der beurteilten Bewerber annehmen durfte, kann dahinstehen. Denn auch bei Zugrundelegung dieser
Annahme ergibt sich insgesamt ein Leistungsvorsprung des Beschwerdeführers, infolge dessen es sich nicht ohne Weiteres um
wesentlich gleiche Beurteilungen handelt.

17
2. Ob zwingende Umstände vorliegen, die auch bei unterschiedlich zu gewichtenden Beurteilungen einen Rückgriff auf die Einzelfeststellungen
begründen könnten, untersucht der angegriffene Beschluss nicht. Das Oberverwaltungsgericht legt keine Umstände dar, nach denen
dem Gesamturteil vorliegend ein geringerer Aussagewert zukäme. So zeigt es etwa nicht auf, dass die Tätigkeit im angestrebten
Amt in einem solchen Ausmaß von einzelnen ganz spezifischen Anforderungen geprägt würde oder insgesamt von der bisherigen
Tätigkeit der Bewerber so weit entfernt wäre, dass das Gewicht des Gesamturteils im Bewerbervergleich zurücktreten müsste.
Angesichts der Tatsache, dass die Beurteilungen den Bewerbern aufgrund deren bisheriger Tätigkeit eine hervorragende Eignung
für das angestrebte Amt attestieren, erscheint dies jedenfalls nicht evident. Wäre es in einem Fall wie dem vorliegenden allgemein
zulässig, Teilelemente der Beurteilung höher oder niedriger zu gewichten oder einzelne Punkte aus dem Beurteilungstext herauszugreifen
und unmittelbar zur Grundlage eines Bewerbervergleichs zu machen, so würde die Grenze zur Beliebigkeit leicht überschritten.
Wenn der Charakter der Beurteilung als Gesamtbewertung auf diese Weise entscheidend geschwächt wird, verliert sie ihren Wert.
Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen auch bislang die “Ausschöpfung” von Beurteilungen von Bewerbern
nur in Fällen für zulässig und geboten gehalten, in denen sich im Vergleich der Gesamturteile kein Ansatzpunkt für einen Qualifikationsunterschied
ergab (vgl. nur Beschluss vom 27. Februar 2004 – 6 B 2451/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 626 ; Beschluss vom 15. November 2007
– 6 B 1254/07 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 25. Oktober 2010 – 1 B 901/10 -, juris Rn. 12 f.; Beschluss vom 1. August 2011
– 1 B 186/11 -, juris Rn. 11).


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