Verwaltungsrecht

Streit über die Wirksamkeit der Klagerücknahme

Aktenzeichen  24 ZB 22.30347

Datum:
9.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13320
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92
VwGO § 60
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 11 K 20.30768 2021-05-10 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Verfahren mit dem Az. 21 ZB 21.30899 wird unter dem Az. 24 ZB 22.30347 fortgeführt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungszulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Juli 2021, mit dem das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt wurde.
Mit Urteil vom 10. Mai 2021, dem Kläger am 12. Mai 2021 zugestellt, wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage des Klägers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 30. März 2020, mit dem der Antrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Nr. 1) und festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), ab (Az. RN 11 K 20.30768).
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte per Telefax am 23. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht Regensburg die Zulassung der Berufung in der Verwaltungsstreitsache RN 11 K 26.30768, … … gegen die Bundesrepublik Deutschland. Nachdem ein solches Aktenzeichen offensichtlich (aus den ersten zwei Ziffern nach dem Buchstaben K ergibt sich das Jahr des Klageeingangs) nicht existierte, ordnete das Gericht, das offenbar von einem Schreib- bzw. Übertragungsfehler des Rechtsanwaltes ausgegangen ist, diesen Antrag, als auch die am 24. Juni 2021 per Telefax unter demselben Aktenzeichen eingegangene Erklärung der Antragsrücknahme, dem hiesigen Verfahren (Az. RN 11 K 20.30768) zu.
Dementsprechend stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. Juli 2021 das Verfahren des Klägers gem. § 92 Abs. 3 VwGO entsprechend ein (Az. 21 ZB 21.30899).
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2021 beantragte der bevollmächtigte Rechtsanwalt R. für den Kläger, das Verfahren fortzusetzen. Zur Begründung führte er aus, der Antrag auf Zulassung der Berufung sei nicht zurückgenommen worden. Die sich offensichtlich in den Akten befindende Berufungsrücknahme vom 24. Juni 2021 habe sich auf das Verfahren RN 11 K 26.30768, … … gegen die Bundesrepublik Deutschland, bezogen. Dieser Umstand sei ihm erst heute nach telefonischer Rücksprache mit der Geschäftsstelle bekannt geworden. Am 24. Juni 2021 um 18:41 Uhr habe er ausweislich des Sendeberichts dem Verwaltungsgericht ein fünfseitiges Telefax übermittelt, in welchem er in dem Verfahren des Klägers einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis beantragt habe; diesen Zulassungsantrag habe er bislang nicht zurückgenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
1. Das mit Beschluss vom 1. Juli 2021 eingestellte Verfahren mit dem Aktenzeichen 21 ZB 21.30899 wird auf entsprechenden Antrag des Klägers hin unter dem Aktenzeichen 24 ZB 22.30347 fortgesetzt, da die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung nachträglich in Frage gestellt worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75/98 – juris Rn. 3; B.v. 23.8.1984 – BVerwG 9 CB 48.84 – juris Rn. 4, NVwZ 1985, 280). Der in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO ergangene Einstellungsbeschluss vom 1. Juli 2021 steht einem solchem Vorgehen nicht im Wege, da ihm nur eine deklaratorische Wirkung beizumessen ist (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.1984 a.a.O.; B.v. 1.10.1990 – BVerwG 4 NB 17.90 – juris Rn. 5, NVwZ 1991, 60).
2. Eine wirksame Rücknahmeerklärung wurde vom Kläger in diesem Verfahren nicht abgegeben, so dass in der Sache über den Antrag auf Zulassung der Berufung durch Beschluss zu entscheiden ist (Schenke in Kopp /Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 92 Rn. 29).
Der Kläger hat glaubhaft gemacht, dass er am 24. Juni 2021 um 18:41 Uhr in dem hiesigen Verfahren per Telefax einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht Regensburg gestellt und in diesem Verfahren keine wirksame Rücknahmeerklärung abgegeben hat. Dem vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Sendebericht ist zu entnehmen, dass er am 24. Juni 2021 um 18:41 Uhr fünf Seiten an das Verwaltungsgericht per Telefax gesandt und dieses dort ausweislich des Empfangsjournals des Verwaltungsgerichts unter der dortigen Nr. 28 eingegangen ist. Diese fünf Seiten enthielten den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung (S. 2) mit der entsprechenden Begründung (S. 5) sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (S. 2 ff.), jedoch keine Rücknahmeerklärung. Das ebenfalls vom Klägerbevollmächtigten am 24. Juni 2021 per Telefax an das Verwaltungsgericht gesandte Schreiben, mit dem dieser in dem Verfahren „… … gegen BRD“ zwei Anträge vom 23. Juni 2021 zurückgenommen hat, war nach dem angegebenen Aktenzeichen RN 11 K 26.30768 dem Aktenzeichen des hiesigen Verfahrens RN 11 K 20.30768 zwar ähnlich („26“ statt „20“). Angesichts der ausdrücklich bezeichneten Namen der Beteiligten war es aber offensichtlich, dass die Antragsrücknahme sich nicht auf das Verfahren des hiesigen Klägers … …, sondern auf das Verfahren des Klägers … … bezieht.
2. Die Frage, ob der Klägerbevollmächtigte Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 Abs. 1 VwGO glaubhaft gemacht hat, kann vorliegend offenbleiben (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 82), da der Antrag jedenfalls unbegründet wäre. Der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG wurde nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt und liegt auch nicht vor.
Der Kläger beruft sich darauf, dass das angegriffene Urteil von den Feststellungen des OVG NW (U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A) abweiche. Die Formulierung in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO „des Oberverwaltungsgerichts“ macht indes deutlich, dass das Urteil von einer Entscheidung des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Oberverwaltungsgerichts abweichen muss. Abweichungen von Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte rechtfertigen die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 45). Im hier zu entscheidenden Fall müsste daher eine Abweichung des Erstgerichts von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO) und nicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen dargelegt werden, was der Kläger nicht getan hat.
Weitere Berufungszulassungsgründe, auf die sich gem. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 54), ergeben sich aus der Antragsbegründung nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben