Verwaltungsrecht

Streit über Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings

Aktenzeichen  12 CE 16.1570

Datum:
18.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2013/32/EU Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 S.2
GG GG Art. 6 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
RL (EU) 2013/32 Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 S. 2
SGB VIII SGB VIII § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 S. 1, § 42f Abs. 1, Abs. 2 S. 1
VwGO VwGO § 123 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. “Zweifel” bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestehen im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (Bestätigung von BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18). (amtlicher Leitsatz)
2. Das Vorliegen eines “Zweifelsfalls” im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (Bestätigung von BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19). (amtlicher Leitsatz)
3 Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden. (redaktioneller Leitsatz)
4 Eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 S. 2 Var. 2 SGB VIII kann allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche) Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden. (redaktioneller Leitsatz)
5 Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren, ist bei der Altersfeststellung ein „Sicherheitszuschlag“ von zwei bis drei Jahren erforderlich, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 18 E 16.2783 2016-07-18 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 18. Juli 2016 – M 18 E 16.2783 – wird aufgehoben.
II.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Rahmen des anhängigen Hauptsacheverfahrens in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.
III.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Verfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme der Antragstellerin als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling (umF) nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).
1. Die Antragstellerin ist ihren eigenen Angaben zufolge somalische Staatsangehörige und reiste am 25. Mai 2016 in das Bundesgebiet ein. Am 30. Mai 2016 führten drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin unter Einschaltung eines Sprachmittlers ein Inobhutnahmegespräch mit der Antragstellerin durch. In einem stichpunktartig geführten Protokoll ist dabei hinsichtlich der äußeren Merkmale der Antragstellerin festgehalten, Stimmlage: hoch; Haare: bedeckt (gefärbt); Halsfalten: erkennbar tief; Gesichtszüge: nasolabiale Falten, Falten um die Augen (tiefe Augenfalte); Körperbau: kräftig, weibliche Rundungen; Hände: größere Hände, dicke Finger. Hinsichtlich des Verhaltens der Antragstellerin ist im Wesentlichen vermerkt, diese sitze ruhig mit verschlossener Haltung und habe einen traurigen Blick. Sie besitze genaue Vorstellungen, was sie erreichen möchte (Schule, Gesundheit, …), was auf ein reifes Verhalten hindeute. Einerseits habe sie angegeben, ihr Geburtsdatum sei niemanden bekannt, andererseits habe sie jedoch mitgeteilt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ihre Mutter habe ihr dies kurz vor ihrer Ausreise gesagt. Darüber hinaus wolle sie ihr Geburtsdatum aber auch von ihrem Verlobten gekannt haben. Aufgrund dieser Wahrnehmungen, Angaben und Verhaltensweisen gelangte die Antragsgegnerin zu dem Gesamteindruck, die Antragstellerin sei volljährig.
2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin eine Inobhutnahme der Antragstellerin ab und setzte ihr Geburtsdatum fiktiv auf den 31. Dezember 1997 fest.
3. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Juni 2016 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2016 erheben (Az. M 18 K 16.2782) und darüber hinaus beantragen, sie im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig in Obhut zu nehmen. Zwar stehe ihr Alter derzeit nicht fest, da Urkunden nicht vorlägen, die Alterseinschätzung unzutreffend und eine ärztliche Untersuchung nicht durchgeführt worden sei, obwohl ein Zweifelsfall im Sinne des § 42 f SGB VIII vorliege. Da die Antragstellerin jedoch die Richtigkeit der Einschätzung bestreite, seien Zweifel an ihrer Minder- bzw. Volljährigkeit gegeben.
4. Mit Beschluss vom 18. Juli 2016 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Im Rahmen des Inobhutnahmegesprächs und der Entscheidung vom 30. Mai 2016 seien alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zur Beurteilung der Minderjährigkeit herangezogen worden. Die Antragsgegnerin habe insbesondere auch berücksichtigen dürfen, dass die Antragstellerin hinsichtlich ihres Geburtsdatums widersprüchliche Angaben gemacht habe, nämlich zum einen, ihr genaues Geburtsdatum nicht zu kennen (da niemand in Somalia ein Geburtsdatum kenne), zum anderen aber, den 2. Juli 1999 als Geburtstag anzugeben und hinsichtlich ihres Geburtsdatums dann auch zunächst vorzubringen, dies hätte sie von ihrer Mutter erfahren, in der Folge aber, ihr künftiger Ehemann habe ihr das Geburtsdatum genannt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass weder Anhaltspunkte für eine fehlerhaft durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme noch Anhaltspunkte für die Annahme eines Zweifelsfalls vorlägen. Auch die von der Antragsgegnerin erstellte Dokumentation genüge den Anforderungen.
5. Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die durchgeführte qualifizierte Inaugenscheinnahme sei fehlerhaft. Eine hohe Stimmlage, gefärbtes Haar, eine eher kräftige Statur und eine deutlich weibliche Figur sagten über das Alter nichts aus. Auch Falten seien nicht zwangsläufig ein Altersmerkmal. Insbesondere die Nasubialfalte sei bereits von Geburt an angelegt und auch bei Säuglingen schon erkennbar. Die Schlussfolgerung des Jugendamts, die Antragstellerin sei „körperlich ausgereift“, erweise sich daher als nicht auf Fakten gestützt. Ebenso wenig lägen widersprüchliche Altersangaben der Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe durchgehend angegeben, ihr Alter nicht zu wissen. Sie schätze es auf 17 Jahre. (Nur) ihre Mutter habe ihr gesagt, sie sei am 2. Juli 1999 geboren. Ein Widerspruch sei in diesen Aussagen nicht zu erkennen. Dass sie das Geburtsdatum auch von ihrem künftigen Ehemann erfahren habe, habe die Antragstellerin niemals behauptet. Eine solche Erklärung sei von ihr auch nirgends protokolliert. Auch lasse das Verhalten der Antragstellerin anlässlich des Gesprächs mit dem Jugendamt nicht auf Volljährigkeit schließen. Ein ruhiges Sitzen mit verschlossener Haltung und das Geben ruhiger und ernster Antworten sei eine Charaktereigenschaft, die man auch mit 17 Jahren schon entwickelt haben könne. Gleiches gelte im Hinblick auf Vorstellungen bezüglich der eigenen Zukunft. Damit bestünden die Zweifel hinsichtlich des Alters der Antragstellerin fort und seien durch die begehrte ärztliche Untersuchung zu klären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht kann keinen Bestand haben. Nach den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfenden Gründen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 ZPO).
1. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind ausländische Kinder oder Jugendliche, die unbegleitet nach Deutschland einreisen, (vorläufig) in Obhut zu nehmen. Die Inobhutnahme erfolgt aus Gründen des Kindeswohls und ist unabhängig davon, ob der Betreffende die Eigenschaft eines Flüchtlings besitzt. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall die Minderjährigkeit. Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833 u. 12 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21).
a) Das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit ist seit dem 1. November 2015 in § 42 f Abs. 1 und 2 SGB VIII ausdrücklich gesetzlich normiert (BGBl I, S. 1802). Danach ist die Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in die Ausweispapiere festzustellen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB VIII). Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft des Betroffenen (vgl. OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 – 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]). Dieser kommt besondere Bedeutung zu (so mit Recht Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 6: „Primat der Selbstauskunft“). Begegnet diese Zweifeln, ist eine Alterseinschätzung und -feststellung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII). In Zweifelsfällen ist auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Dabei handelt es sich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut („hat“) um eine gebundene Entscheidung mit der Folge, dass dem Jugendamt ein Ermessen nicht zukommt (vgl. Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 42f Rn. 5).
Dieses abgeschichtete Verfahren entspricht im Wesentlichen den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“, die auf der 116. Arbeitstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom 14. bis 16. Mai 2014 in Mainz beschlossen wurden. Die Gesetzesbegründung zu § 42 f SGB VIII nimmt ausdrücklich auf diese Handlungsempfehlungen Bezug (vgl. BT-Drs. 18/6392, S. 20). Durch dieses Verfahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele der Jugendlichen ohne gültige Papiere nach Europa kommen und auch sonst kaum Möglichkeiten besitzen, ihr Alter zu dokumentieren. In vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre besitzt das Geburtsdatum keine besondere Bedeutung und wird deshalb auch nicht in Geburtsregistern erfasst (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f. Rn. 20). Gibt eine Person an, minderjährig zu sein, oder liegen anderweitige Hinweise vor, dass eine Person minderjährig sein kann, muss dies mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. Da es keine Methode gibt, mit der das genaue Alter einer Person bestimmt werden kann, ist es umso notwendiger, dass dieser Unsicherheit in der Einschätzung des Alters durch transparente Verfahrensstandards, die kindgerecht auszugestalten sind, begegnet wird (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.sgb-wiesner.de § 42f N 1).
Das Ergebnis der Alterseinschätzung ist dabei nicht Voraussetzung für eine vorläufige Inobhutnahme, vielmehr ist die Alterseinschätzung selbst erst Aufgabe im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme. Eine vorläufige Inobhutnahme ist deshalb bereits dann möglich und geboten, wenn das Alter des jungen Menschen noch nicht sicher festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833 u. 12 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; OVG Bremen, B.v. 18.11.2015 – 2 B 221/15, 2 PA 223/15 -, JAmt 2016, 42 [43]; ebenso Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s…de § 42f N 4). Mit Blick auf das Ziel, Minderjährige wirksam vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, kann eine Inobhutnahme deshalb nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, die Minderjährigkeit des Betroffenen erscheine zweifelhaft. Vielmehr hat die Alterseinschätzung in einem solchen Fall nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zu erfolgen (so zutreffend Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 14; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s…de § 42f N 4).
b) Kann der Betroffene kein aussagekräftiges Ausweispapier vorlegen und ist seine Selbstauskunft nicht zweifelsfrei, so ist eine qualifizierte Inaugenscheinnahme (§ 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII) durchzuführen. Diese erstreckt sich auf das äußere Erscheinungsbild, das nach nachvollziehbaren Kriterien zu würdigen ist. Darüber hinaus schließt sie – unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers – in jedem Fall eine Befragung des Betroffenen ein, in der dieser mit den Zweifeln an seiner Eigenangabe zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben ist, diese Zweifel auszuräumen (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 – 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13). Die im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand sind im Einzelnen zu bewerten. Maßgeblich ist der Gesamteindruck, der neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zum Entwicklungsstand umfasst (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s…de § 42f N 7). Gegebenenfalls sind weitere Unterlagen beizuziehen. Das Verfahren ist stets nach dem Vier-Augen-Prinzip von mindestens zwei beruflich erfahrenen Mitarbeitern des Jugendamts durchzuführen (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 – 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 13 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 18/6392, S. 20 und die dort erwähnten „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter vom Mai 2014). Das Ergebnis dieses Verfahrens ist in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zu dokumentieren, insbesondere muss die Gesamtwürdigung in ihren einzelnen Begründungsschritten transparent sein (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 22.2.2016 – 1 B 303/15 -, NVwZ-RR 2016, 592 f. Rn. 16).
c) Führt die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis, bleiben mit anderen Worten Zweifel, so ist eine medizinische Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Derartige Zweifel bestehen immer dann, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ein fachärztliches Gutachten zu dem Ergebnis kommen wird, der Betroffene sei noch minderjährig (vgl. bereits BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833 u. 12 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23; siehe auch Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 26), denn im Hinblick auf die im Jugendhilfeverfahren entsprechend anwendbare Regelung des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 12 CE 16.1186 – juris, Rn. 22 m. w. N.) ist bezüglich des Alters eines Antragstellers zwingend davon auszugehen, dass dieser noch minderjährig ist, solange entsprechende Zweifel nicht ausgeräumt werden können und deshalb weiter fortbestehen (vgl. Kirchhoff, in: jurisPK-SGB VIII, § 42f Rn. 27; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s…de § 42f N 9; Winkler, in: BeckOK Sozialrecht, § 42 f SGB VIII Rn. 9; siehe auch BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 18).
d) Ob ein solcher Zweifelsfall vorliegt, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum umfassender verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Dies schließt eine wie auch immer geartete Einschätzungsprärogative des Jugendamts von vornherein aus. Das Ergebnis einer qualifizierten Inaugenscheinnahme nach § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII ist daher von den Verwaltungsgerichten im Hinblick auf gleichwohl fortbestehende Zweifel an der Minder- bzw. Volljährigkeit des Betroffenen nicht lediglich daraufhin zu überprüfen, ob alle relevanten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, sämtliche zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft und von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und der Gehalt der anzuwendenden Begriffe und der gesetzliche Rahmen, in dem diese sich bewegen, erkannt wurde und keine sachfremden Erwägungen in die Beurteilung eingeflossen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 19).
Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn und soweit das Jugendamt durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch zur abschließenden Beurteilung ermächtigt würde (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2014, Art. 19 Abs. 4 Rn. 191 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 160 ff.). Gerade dies indes ist nicht der Fall, wie die in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vorgesehene Verpflichtung des Jugendamts zeigt, in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen. § 42 f Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB VIII begründet daher keine normative Ermächtigung zur administrativen Letztentscheidung, die allein eine Reduzierung der Kontrolldichte zur Folge haben könnte (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 185 ff.). Fragen sachlicher und fachlicher Richtigkeit sind stets von den (Verwaltungs-)Gerichten zu überprüfen (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 177 m. w. N.).
Ebenso wenig handelt es sich bei den die qualifizierte Inaugenscheinnahme durchführenden Mitarbeitern des Jugendamts um weisungsfreie, interessenpluralistisch zusammengesetzte, auf dem Gebiet der Altersfeststellung mit besonderer (medizinischer) Sachkunde ausgestattete Personen oder Gremien (vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 195; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 192, 204 ff.). Wenn bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet sind (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts ein weitergehender Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden. Bei der Feststellung von Tatsachenbegriffen – wie insbesondere dem der Minder- oder Volljährigkeit – ist die Annahme einer Beurteilungsermächtigung vielmehr im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen (so ausdrücklich Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 211). Eine Reduzierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolldichte kommt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 21).
Die Auffassung der Landesanwaltschaft Bayern im bereits entschiedenen Parallelverfahren 12 CS 16.1550, Zweifel bei der Feststellung des Alters im Sinne von § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestünden nur dann, wenn die Altersbeurteilungen der mit der Einschätzung befassten Fachkräfte des Jugendamts nicht übereinstimmten oder die Prüfpersonen erhebliche Zweifel hätten, dass das Altersbegutachtungsverfahren ohne medizinischen Sachverstand zu einem schlüssigen Ergebnis führen könne, greift daher notgedrungen ins Leere. Ungeachtet dessen wäre eine solche Interpretation auch mit dem in § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ausdrücklich normierten Antragsrecht der Betroffenen unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16.1550 -, Umdruck Rn. 22).
e) Ausgehend von der Tatsache, dass eine exakte Bestimmung des Lebensalters weder auf medizinischem, psychologischem, pädagogischem oder anderem Wege möglich ist, alle bekannten Verfahren – auch eine ärztliche Untersuchung – allenfalls Näherungswerte liefern können, manche medizinischen Untersuchungsmethoden zum Teil eine Schwankungsbreite von bis zu fünf Jahren aufweisen (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.) und allgemein von einem so genannten „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren) auszugehen ist (vgl. hierzu näher Ziff. 5.1.2 der in der Gesetzesbegründung zu § 42f SGB VIII [BT-Drs. 18/6392 S. 20] ausdrücklich in Bezug genommenen „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“ vom Mai 2014, S. 15), kann eine qualifizierte Inaugenscheinnahme durch Mitarbeiter eines Jugendamts gemäß § 42 f Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB VIII allenfalls dann als zur Altersfeststellung geeignet angesehen werden, wenn es darum geht, für jedermann ohne Weiteres erkennbare (offensichtliche), gleichsam auf der Hand liegende, über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Fälle eindeutiger Volljährigkeit auszuscheiden, in welchen ein Sich-Berufen des Betroffenen auf den Status der Minderjährigkeit selbst vor dem Hintergrund möglicher eigener Unkenntnis vom genauen Geburtsdatum als evident rechtsmissbräuchlich erscheinen muss (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 23).
In allen anderen Fällen ist hingegen vom Vorliegen eines Zweifelsfalls auszugehen, der entweder auf Antrag des Betroffenen bzw. seines gesetzlichen Vertreters oder aber von Amts wegen durch das Jugendamt zur Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zwingt. Letzteres gilt namentlich in dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ angesprochenen „Graubereich“ von rund ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren). Mindestens in diesem Grenzbereich ist mit Blick auf die auf das Jugendhilferecht entsprechend anwendbare, in Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU enthaltene Zweifelsregel („im Zweifel pro Minderjährigkeit“) vom Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auszugehen. Angesichts der erheblichen Schwankungsbreiten medizinischer Untersuchungsmethoden von bis zu fünf Jahren (vgl. näher Kirchhoff, in: jurisPR-SozR 2/2016 Anm. 1, S. 6 m. w. N.), wird es darüber hinaus eines „Sicherheitszuschlages“ von weiteren zwei bis drei Jahren bedürfen, um dem Kindeswohl angemessen Rechnung zu tragen und jeder vermeidbaren Fehlbeurteilung entgegenzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 24).
f) In sich widersprüchlicher Vortrag des Betroffenen über sein Alter kann vor dem Hintergrund, dass dem Geburtsdatum in vielen Herkunftsländern der südlichen Hemisphäre keine besondere Bedeutung beigemessen wird (vgl. hierzu näher Kirchhoff, in: juris PK-SGB VIII, § 42f Rn. 20; Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s…de § 42f N 6) und entsprechenden Angaben in Ausweispapieren deshalb ein Beweiswert nicht zukommt (vgl. OVG NRW, B.v. 29.9.2014 – 12 B 923/14 – juris, Rn. 11 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2013 – OVG 6 S 3.13, OVG 6 M 5.13 – juris, Rn. 6), nicht zum Nachteil des betroffenen Antragstellers gewertet werden. Denn auch derjenige, der über sein Alter, etwa infolge von nicht auszuschließender Unkenntnis, widersprüchliche Angaben macht, kann gleichwohl (noch) minderjährig sein (verkannt von OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.4.2016 – OVG 6 S 7.16, OVG 6 M 20.16 -, NVwZ-RR 16, 594 f. – Leitsatz). Widersprüchlicher Vortrag begründet vielmehr im Gegenteil das Vorliegen von Zweifeln an der Selbstauskunft des Betroffenen (so zutreffend Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Nachtrag unter www.s…de § 42f N 6), denen durch Anwendung des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII von Amts wegen durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung weiter nachzugehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 25).
Eine Alterseinschätzung allein aufgrund bestimmter äußerlicher körperlicher Merkmale stellt für sich genommen keine ausreichende Grundlage dar. Dies gilt auch dann, wenn sie durch Personal erfolgt, das in diesem Bereich erfahren ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21). Eine (einigermaßen) zuverlässige Altersdiagnostik setzt vielmehr voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand und der Schlüsselbeine, sowie einer zahnärztlichen Untersuchung zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 21; OLG München, B.v. 15.3.2012 – 26 UF 308/12 – juris, Rn. 9; s.a. Trenzcek, in: Münder/Meysen/Trenzcek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 42 Rn. 22 m. w. N.). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 42 f SGB VIII fest und sieht sich durch die in dieser Vorschrift getroffene Anordnung, dass in sämtlichen Zweifelsfällen auf Antrag des Betroffenen bzw. seines Vertreters oder von Amts wegen durch das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen ist, in seiner bisherigen Rechtsansicht ausdrücklich bestätigt. Sind bereits die Ergebnisse ärztlicher Untersuchungsmethoden mit erheblichen Unwägbarkeiten und Schwankungsbreiten behaftet, so kann der Einschätzung von Mitarbeitern eines Jugendamts – mit Ausnahme der Feststellung auch von einem Facharzt nicht anders bewertbarer Fälle offensichtlichen Rechtsmissbrauchs – ein weiterer Erkenntniswert erst recht nicht beigemessen werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 26).
g) Ungeachtet dessen führen nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge verbleibende Zweifel am Alter des eine Inobhutnahme begehrenden Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren zu einer reinen Folgenabwägungsentscheidung, bei der angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der Wertung des Gesetzgebers, die Unterbringung und Erstversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge der Primärzuständigkeit der Jugendämter zu überantworten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, § 42a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) und des von Verfassungs wegen gebotenen Schutzes Minderjähriger (Art. 6 Abs. 1 GG) regelmäßig dazu, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers möglicherweise entgegenstehende öffentliche Belange überwiegen (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23 ff.; B.v. 5.7.2016 – 12 CE 16.1186 – juris, Rn. 23). Lässt sich mithin eine verlässliche Klärung des Alters nicht kurzfristig herbeiführen, so hat das Jugendamt dann, wenn die Minderjährigkeit des Betroffenen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, eine Inobhutnahme gleichwohl anzuordnen, bis das tatsächliche Alter des Betroffenen festgestellt ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.9.2014 – 12 CE 14.1833, 12 C 14.1865 -, NVwZ-RR 2014, 959 [961] Rn. 23) oder aber die Zweifelsregel des entsprechend anwendbaren Art. 25 Abs. 5 UAbs. 1 Satz 2 RL 2013/32/EU gebietet, wegen nicht ausräumbarer Ungewissheit weiterhin vom Vorliegen von Minderjährigkeit auszugehen (vgl. bereits BayVGH, B.v. 5.7.2016 – 12 CE 16.1186 – juris, Rn. 24). Dabei ist zugunsten des Minderjährigen jeweils das geringstmögliche Lebensalter zu unterstellen (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2016 – 12 CS 16. 1550 -, Umdruck Rn. 27).
2. Entsprechend diesem Maßstab kann die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016 keinen Bestand haben. Die Mitarbeiter des Jugendamts stellen letztlich allein auf das äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin und dem aus ihrem Verhalten gewonnenen – persönlichen – Eindruck ab, ohne dass insoweit eine Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse stattfände und für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar würde. Es fehlt jede Transparenz der einzelnen Begründungsschritte und des Gesamtergebnisses. Eine hohe Stimmlage, bedeckte (gefärbte) Haare, tiefe Hals- und Augenfalten, ein kräftiger Körperbau und ausgeprägte weibliche Rundungen sowie große Hände und dicke Finger sind nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bereits bei minderjährigen Personen zu beobachten. Diesen Feststellungen des Jugendamts kommt deshalb keinerlei Erkenntniswert zu. Ebenso wenig vermögen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Herkunft der Antragstellerin aus Somalia, einem Land der südlichen Hemisphäre, in dem das Geburtsdatum nicht regelmäßig in Geburtenregistern erfasst und dem dort auch keine besondere Bedeutung beigemessen wird, widersprüchliche Angaben zum Geburtsdatum, die Annahme von Volljährigkeit zu rechtfertigen. Dieser Umstand begründet allenfalls Zweifel an der Selbstauskunft, welchen im Rahmen des § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung von Amts wegen weiter nachzugehen ist. Ungeachtet dessen hat die Antragstellerin vorliegend auch durchgehend angegeben, sie kenne ihr Alter nicht und schätze sich selbst auf 17 Jahre. (Lediglich) ihre Mutter habe ihr gesagt, dass sie am 2. Juli 1999 geboren sei. Inwieweit hieraus ein Widerspruch erwachsen soll, bleibt unerfindlich.
Darüber hinaus gehört die Antragstellerin aufgrund des von der Antragsgegnerin fiktiv auf den 31. Dezember 1997 festgesetzten Geburtsdatums zu dem in den „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vom Mai 2014“ beschriebenen „Graubereich“ von ca. ein bis zwei Jahren (über der gesetzlichen Altersgrenze von 18 Jahren), in dem nach dem oben entwickelten Maßstab des Senats auch in Ansehung der entsprechend anzuwendenden Zweifelsregel des Art. 25 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der RL 2013/32/EU stets eine ärztliche Untersuchung gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII stattzufinden hat, ohne dass es insoweit auf einen zusätzlich zu berücksichtigenden „Sicherheitszuschlag“ entscheidungserheblich ankäme.
Die Antragsgegnerin wird deshalb unverzüglich eine ärztliche Untersuchung der Antragstellerin gemäß § 42 f Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in die Wege leiten, um damit die Grundlage für eine einigermaßen verlässliche Entscheidung in der Hauptsache zu schaffen. Bis zur endgültigen Klärung ihres Alters im Hauptsacheverfahren ist die Antragstellerin deshalb in Obhut zu nehmen und in einer geeigneten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen.
Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtssache – die mutmaßlich minderjährige Antragstellerin befindet sich derzeit in einer Asylbewerberunterkunft für Erwachsene – muss die Entscheidung ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ergehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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