Verwaltungsrecht

(Teil-)Zulassung der Berufung, grundsätzliche Bedeutung, Berücksichtigung von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen im Rahmen der asylrechtlichen Abschiebungsandrohung, Rückkehrentscheidung

Aktenzeichen  10 ZB 22.30673

Datum:
11.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18956
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 15 K 19.33483 2022-05-17 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zugelassen, soweit sich die Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des angegriffenen Bescheids) und die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 6 des angegriffenen Bescheids) richtet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat nur teilweise Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist nur hinsichtlich des aus dem Tenor ersichtlichen Teils des Klagebegehrens dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Seeger in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.1.2021, § 78 AsylG Rn. 18 ff; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 78 AsylG Rn. 11 ff.).
Das Zulassungsvorbringen legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage dar, ob im Sinne des Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b der RL 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) beachtliche Gründe, insbesondere inlandsbezogene Abschiebungshindernisse aus familiären Gründen, bereits dem Erlass einer (asylrechtlichen) Abschiebungsandrohung entgegenstehen können.
Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Juni 2022 dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Entscheidung vorgelegt (Az. 1 C 24.21; siehe Pressemitteilung vom 8.6.2022 zum noch unveröffentlichten Beschluss https://www.bverwg.de/pm/2022/36).
Der Senat muss davon ausgehen, dass die vorgenannte Frage entscheidungserheblich ist. Zwar hat das Verwaltungsgericht (von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig) davon abgesehen, tatsächliche Feststellungen dazu zu treffen, ob zwischen dem Kläger und seinem Vater eine familiäre Bindung solcher Art besteht, die vor dem Hintergrund der Gewährleistungen aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK dem Erlass einer Abschiebungsandrohung entgegenstehen könnte. Die Entscheidungserheblichkeit einer klärungsbedürftigen Grundsatzfrage kann vom Verwaltungsgerichtshof aber nicht unter Hinweis auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte verneint werden, die im verwaltungsgerichtlichen Urteil entweder übergangen oder anders beurteilt worden sind (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 78 AsylG Rn. 16).
Im Hinblick auf die weiteren Streitgegenstände des erstinstanzlichen Verfahrens (Anerkennung als Flüchtling, Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und Abschiebungsverbote in der Person des Klägers) legt das Zulassungsvorbringen keine grundsätzliche Bedeutung der Sache und auch keine sonstigen Zulassungsgründe dar. Es enthält hierzu keine Ausführungen.
Bei der Teilzulassung der Berufung ist für eine Kostenentscheidung kein Raum; dieser Ausspruch ist vielmehr insgesamt der Schlussentscheidung vorzubehalten (BayVGH, B.v. 29.1.2004 – 4 ZB 03.366 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde, ist dieser Beschluss unanfechtbar (§ 80 AsylG). Mit der Ablehnung wird das angegriffene Urteil in diesem Umfang rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Soweit die Berufung zugelassen wurde, wird das Verfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt. Insoweit gilt die nachfolgende Belehrung.


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