Aktenzeichen Vf. 10-VIII-19, Vf. 12-VII-19
BV Art. 3 Abs. 1 S. 1
VfGHG 75 Abs. 3
BayPOG Art. 5
BayPAG Art. 29
Leitsatz
1. Eine Meinungsverschiedenheit iSv Art. 75 BV Abs. 3 muss bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erkennbar gewesen sei, wofür der Dissens über eine ablehnende Abstimmung hinaus konkretisiert zum Ausdruck gebracht worden sein muss. (Rn. 37 und 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Länder sind befugt, eine Grenzpolizei als Teil der Landespolizei errichten und ihr die Aufgabe des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes (“Schleierfahndung”) sowie weitere grenzpolizeiliche Aufgaben zuzuweisen, soweit für letztere aufgrund einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 1, 3 BPolG oder auf der Grundlage des § 64 BPolG eine Zuständigkeit eröffnet ist. (Rn. 57 – 70) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Länder haben keine Gesetzgebungsbefugnis für Regelungen des materiellen Grenzschutzrechts. (Rn. 71 – 81) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Gesetz offensichtlich die Kompetenzordnung des Grundgesetzes und somit das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung verletzt, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BayVerfGH abzustellen. (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Art. 29 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl S. 397, BayRS 2012-1-1-I), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 10. Dezember 2019 (GVBl S. 691) geändert worden ist, verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV (Rechtsstaatsprinzip) und Art. 101 BV (allgemeine Handlungsfreiheit) und ist nichtig.
2. Im Übrigen wird der Antrag im Verfahren Vf. 12-VII-19 abgewiesen. Der Antrag im Verfahren Vf. 10-VIII-19 wird insgesamt abgewiesen.
3. Der Antragstellerin im Verfahren Vf. 12-VII-19 ist die Hälfte der ihr durch das Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.
Gründe
I.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren betreffen die Frage, ob Art. 5 des Gesetzes über die Organisation der Bayerischen Polizei (Polizeiorganisationsgesetz – POG) in der Fassung des § 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei vom 24. Juli 2018 (GVBl S. 607) sowie Art. 29 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) in der Fassung des § 1 Nr. 19 des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (GVBl S. 301) gegen die Bayerische Verfassung verstoßen. Die angegriffenen Vorschriften enthalten Regelungen zur Wiedererrichtung einer Bayerischen Grenzpolizei.
1. Aufgaben des Grenzschutzes in Bayern werden derzeit nicht ausschließlich vom Bundesgrenzschutz, sondern zum Teil auch von der Bayerischen Landespolizei wahrgenommen.
a) Der Bund führte mit dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden vom 16. März 1951 (BGBl I S. 201) den Bundesgrenzschutz als Grenzschutzbehörde in bundeseigener Verwaltung ein. Das heute geltende Gesetz über die Bundespolizei (Bundespolizeigesetz – BPolG) vom 19. Oktober 1994 (BGBl I S. 2978, 2979), das zuletzt durch Art. 26 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) geändert worden ist, enthält folgende Bestimmung über die Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Aufgaben des Grenzschutzes:
§ 2 Grenzschutz
(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.
(2) (Fussnote:1Polizeivollzugsbeamte eines Landes können Amtshandlungen zur)Der Grenzschutz umfasst
1. die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2. die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a) der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b) der Grenzfahndung,
c) der Abwehr von Gefahren,
3. im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
(3) 1Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. (Fussnote:Wahrnehmung von Aufgaben der Bundespolizei vornehmen)In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.
(4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.
Über Amtshandlungen von Polizeivollzugsbeamten der Länder im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei enthält das Bundespolizeigesetz folgende Regelung:
„§ 64
Amtshandlungen von Polizeivollzugsbeamten der Länder sowie von Vollzugsbeamten anderer Bundesbehörden oder anderer Staaten im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei
1. auf Anforderung oder mit Zustimmung der zuständigen Bundespolizeibehörde,
2. zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 auf frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung von aus dem Gewahrsam der Bundespolizei Entwichenen, wenn die zuständige Bundespolizeibehörde die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig treffen kann.“
2In den Fällen der Nummer 2 ist die zuständige Bundespolizeibehörde unverzüglich zu unterrichten.
(2) Werden Polizeivollzugsbeamte eines Landes nach Absatz 1 tätig, so richten sich ihre Befugnisse nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.
b) Bereits seit 1946 bestand eine Bayerische Grenzpolizei. Im Februar 1953 schlossen die Bundesrepublik und der Freistaat Bayern ein Verwaltungsabkommen, wonach die Passnachschau im Freistaat Bayern durch die Bayerische Grenzpolizei wahrzunehmen sei. Durch das nachfolgende Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern vom 11./27. Juni 1975 (vgl. Bekanntmachung vom 16. Juli 1975, GVBl S. 257) wurden die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs an den Grenzübergangsstellen in Bayern, die Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes bei der polizeilichen Überwachung der Grenzen sowie bei der Beseitigung von Störungen und der Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenzen beeinträchtigen, der Bayerischen Grenzpolizei zugewiesen. Nach dem Wegfall der EU-Binnengrenzkontrollen im Schengenraum wurde die Bayerische Grenzpolizei mit dem Gesetz zur Eingliederung der Bayerischen Grenzpolizei in die Bayerische Landespolizei vom 26. Juli 1997 (GVBl S. 342) als eigenständiger Verband der Landespolizei mit Wirkung zum 1. April 1998 aufgelöst. Durch Vereinbarung vom 17. April 2008 wurde das Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern neu gefasst (vgl. Bekanntmachungen vom 21. April 2008, GVBl S. 149, sowie vom 17. April 2008, BAnz AT Nr. 61 S. 1448). Nach § 1 Abs. 1 dieses Abkommens nimmt der Freistaat Bayern die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs mit der Bayerischen Landespolizei nur noch in sehr eingeschränktem Umfang wahr, nämlich soweit dieser über Einrichtungen des Luftverkehrs abgewickelt wird, die ganz oder teilweise auf dem Gebiet des Freistaates Bayern liegen. Ausgenommen hiervon ist die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs auf dem Flughafen München – Franz Josef Strauß.
2. a) Mit dem angegriffenen Art. 5 POG, der am 1. August 2018 in Kraft getreten ist, hat der Freistaat Bayern die Bayerische Grenzpolizei wiedererrichtet. Die Vorschrift lautet wie folgt:
„Art. 5 Grenzpolizei; Verordnungsermächtigung
(1) 1Die Bayerische Grenzpolizei ist Teil der Landespolizei. 2Sie wird insbesondere für grenzpolizeiliche Aufgaben und die Aufgaben des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 des Polizeiaufgabengesetzes eingesetzt. (Fussnote:1Die Grenzpolizei gliedert sich in)Die Zuständigkeit der übrigen Dienststellen der Landespolizei zur Wahrnehmung der in Satz 2 genannten Aufgaben bleibt unberührt.“
(2) Die grenzpolizeilichen Aufgaben umfassen:
1. die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2. die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a) der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt sowie der beim Grenzübertritt mitgeführten Gegenstände und Transportmittel,
b) der Grenzfahndung,
c) der Beseitigung von Störungen und der Abwehr von Gefahren, die ihren Ursprung außerhalb des Bundesgebietes haben,
3.im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern die Beseitigung von Störungen und die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenzen beeinträchtigen.
1.die Direktion der Bayerischen Grenzpolizei, angegliedert an ein Präsidium, als Führungsstelle Grenze,
2.Grenzpolizeiinspektionen,
3.Grenzpolizeistationen.
2Zudem können bei Dienststellen der Landespolizei Grenzpolizeigruppen eingerichtet werden. (Fussnote:den für die polizeiliche Kontrolle ihres grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Dienststellen Fahr- und Flugpläne rechtzeitig mitzuteilen,)Für Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit können durch das Staatsministerium Koordinatoren bestellt und Gemeinsame Zentren eingerichtet werden.
(4) Art. 4 Abs. 3 gilt entsprechend.
b) Der ebenfalls angegriffene Art. 29 PAG, der in seiner gegenwärtigen Fassung am 25. Mai 2018 in Kraft getreten ist, enthält Regelungen über die Befugnisse der Landespolizei für Aufgaben der Grenzkontrolle und Sicherung von Anlagen. Die Vorschrift lautet wie folgt:
„Art. 29 Befugnisse für Aufgaben der Grenzkontrolle und Sicherung von Anlagen
(1) Zur Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben kann die Polizei
1.Grundstücke mit Ausnahme von Gebäuden betreten und befahren,
2.verlangen, dass Grundstückseigentümer und -besitzer einen Grenzpfad freilassen, an Einfriedungen Durchlässe oder Übergänge einrichten oder Wassergräben überbrücken,
3.auf eigene Kosten Grenzpfade, Durchlässe, Übergänge oder Brücken einrichten oder verbessern.“
(2) (Fussnote:den mit der polizeilichen Kontrolle ihres grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Beamten den Zutritt zu ihren Anlagen und Beförderungsmitteln unentgeltlich zu gestatten,) (Fussnote:sie bei dieser Tätigkeit unentgeltlich zu befördern,)Die im grenzüberschreitenden Reiseverkehr tätigen Verkehrsunternehmen einschließlich der Verkehrsverwaltungen sind verpflichtet,
4. den in Nummer 3 genannten Dienststellen und den mit der Sicherung von Verkehrsanlagen betrauten Beamten die erforderlichen Diensträume und Parkplätze für die Dienstkraftfahrzeuge der Polizei zur Verfügung zu stellen. 2Die Unternehmen und Verkehrsverwaltungen können verlangen, dass ihnen ihre Selbstkosten vergütet werden, soweit sie diese Einrichtungen nicht ohnehin benötigen. 3Soweit ein Aufwand über das Maß hinausgeht, das für polizeieigene Einrichtungen üblich ist, wird er nicht vergütet.
(3) Nimmt die Polizei grenzpolizeiliche Aufgaben wahr, hat sie auch diejenigen Befugnisse, die hierzu durch Bundesrecht speziell einer mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörde eingeräumt werden.
3. Der Landespolizeipräsident der Bayerischen Polizei, die Abteilungsleiterin B im Bundesministerium des Innern und der Präsident des Bundespolizeipräsidiums trafen am 11. Juli 2018 eine Verfahrensabsprache. Diese sieht im Wesentlichen vor, dass die Zusammenarbeit der Bundespolizei und der Bayerischen Polizei im sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich des jeweils anderen nach § 64 Abs. 1 BPolG und Art. 11 Abs. 3 i.V. m. Abs. 5 POG erfolgt und auch die polizeiliche Kontrolle im Grenzraum und an der Grenze umfasst (vgl. BT-Drs. 19/3592 Nr. 23). Auf dieser Grundlage führt die Bayerische Grenzpolizei seither auf Anforderung oder mit Zustimmung der Bundespolizei eigenständige Grenzkontrollen an temporär wechselnden Örtlichkeiten entlang der deutschösterreichischen Grenze durch.
4. a) Der angegriffene Art. 29 PAG beruht in seiner gegenwärtigen, um einen Absatz 3 ergänzten Fassung auf dem Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 30. Januar 2018 (LT-Drs. 17/20425). Während des Gesetzgebungsverfahrens äußerte sich die Vertreterin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen am2 6. April 2018 (Protokoll S. 24 f.) dahingehend, dass der Polizei unsinnige Aufgaben wie die Sicherung der Grenze, wofür sie gar nicht zuständig sei, nicht übertragen werden sollten. Am 15. Mai 2018 wurde der Entwurf vom Landtagsplenum in Zweiter und Dritter Lesung beraten und anschließend mit der Mehrheit der CSU-Fraktion gegen die Stimmen u. a. der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN beschlossen (Plenarprotokoll 17/132 S. 11914 ff., 11939 ff.). Das PAG-Neuordnungsgesetz wurde am 18. Mai 2018 vom Bayerischen Ministerpräsidenten ausgefertigt und in der Nr. 9/2018 des Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatts vom 24. Mai 2018 auf S. 301 ff. bekannt gemacht.
b) Der angegriffene Art. 5 POG beruht auf dem Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei vom 24. April 2018 (LT-Drs. 17/21859). Bereits in der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 15. Mai 2018 rügte die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, falls es innerhalb Europas doch einmal zu Grenzkontrollen komme, so sei dafür die Bundespolizei zuständig (Plenarprotokoll 17/132 S. 11959). In der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen am 5. Juli 2018 (Protokoll S. 28) lehnte die Vertreterin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Gesetzentwurf u. a. mit der Begründung ab, der Freistaat Bayern verfüge hier über keine Kompetenzen und werde sie auch vom Bundesinnenminister nicht bekommen. In der Zweiten Lesung des Gesetzentwurfs am 11. Juli 2018 bekräftigte die Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihre Auffassung, für Grenzkontrollen sei die Bundespolizei zuständig (Plenarprotokoll 17/137 S. 12565). Anschließend wurde der Gesetzentwurf mit der Mehrheit der CSU-Fraktion gegen die Stimmen u. a. der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschossen (Plenarprotokoll 17/137 S. 12583). Das Gesetz zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei wurde am 24. Juli 2018 vom Bayerischen Ministerpräsidenten ausgefertigt und in der Nr. 14/2018 des Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatts vom 31. Juli 2018 auf S. 607 bekannt gemacht.
II.
Die Antragstellerinnen wenden sich im Verfahren der Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV und mit der Popularklage gegen Art. 5 POG und Art. 29 PAG. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag (Antragstellerin im Verfahren der Meinungsverschiedenheit) sei im Verfahren nach Art. 75 Abs. 3 BV beteiligtenfähig. Die Voraussetzungen für eine Meinungsverschiedenheit seien erfüllt, da Vertreterinnen der Fraktion im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens konkrete verfassungsrechtliche Bedenken sowohl gegen Art. 5 POG als auch gegen Art. 29 PAG geäußert hätten.
1. Beide Vorschriften verletzen nach Auffassung der Antragstellerinnen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Dies ergebe sich daraus, dass Art. 5 POG und Art. 29 PAG gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung verstießen. Im Verfahren der Meinungsverschiedenheit und im Popularklageverfahren könnten die Bestimmungen des Grundgesetzes über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern durch die Rüge einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips mittelbar zum Maßstab der Prüfung eines Verstoßes gegen die Bayerische Verfassung gemacht werden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sei das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung verletzt, wenn Landesrecht offensichtlich gegen Bundesrecht verstoße und dieser Eingriff inhaltlich schwerwiege. Ein offensichtlicher und schwerwiegender Verstoß sei hier anzunehmen, da durch die Nichteinhaltung der Kompetenzordnung das Fundament der demokratischen Rechtsstaatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland unterhöhlt werde.
a) Im Hinblick auf Art. 29 PAG ergebe sich die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips daraus, dass der Freistaat Bayern mit dem Erlass der angegriffenen Vorschrift gegen Art. 70 i.V. m. Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG verstoßen habe. Ihm stehe keine Kompetenz zur Regelung des materiellen Grenzschutzrechts zu. Nach allgemeiner Auffassung fielen die polizeiliche Überwachung der Grenzen einschließlich der Abwehr von Gefahren für die Grenzen sowie die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs unter den Begriff des Grenzschutzes im Sinn des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Der Bundesgesetzgeber habe von seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz insoweit durch § 2 BPolG Gebrauch gemacht. Dennoch habe der Freistaat Bayern mit Art. 29 PAG ebenfalls Regelungen erlassen, die als materielles Grenzschutzrecht zu qualifizieren seien. Art. 29 PAG könne insbesondere nicht auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht gestützt werden, da er nicht lediglich allgemein der Abwehr von Gefahren in Grenznähe diene, sondern spezifisch und unmittelbar dem Schutz der Grenze. Der Bundesgesetzgeber habe den Freistaat Bayern auch nicht gemäß Art. 71 GG ermächtigt, gesetzliche Regelungen im Bereich des materiellen Grenzschutzes zu erlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestehe eine derartige Ermächtigung nicht (BVerfG vom 18.12.2018 BVerfGE 150, 244 Rn. 57). Insbesondere sei eine Rückdelegation der Gesetzgebungskompetenz weder § 2 Abs. 1 noch § 2 Abs. 4 BPolG zu entnehmen.
b) Im Hinblick auf Art. 5 POG ergebe sich der Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip daraus, dass der Freistaat Bayern nicht über die erforderliche Verwaltungskompetenz im Bereich des Grenzschutzes verfüge. Der Bund habe durch die Einrichtung des Bundesgrenzschutzes im Jahr 1951 von der in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Grenzschutz als Teil der bundeseigenen Verwaltung wahrzunehmen. Da die Bundespolizei gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BPolG in bundeseigener Verwaltung geführt werde, sei auch der Grenzschutz Gegenstand der bundeseigenen Verwaltung (§ 2 Abs. 1 BPolG). Die Verwaltungskompetenz der Länder sei dadurch grundsätzlich ausgeschlossen.
Soweit § 2 Abs. 1, 3 und 4 BPolG eine Wahrnehmung des grenzpolizeilichen Einzeldienstes durch die Länder im Einvernehmen mit dem Bund zulasse, stelle dies keine verfassungsgemäße Rückausnahme vom Ausschluss der Länder von der Verwaltungskompetenz im Bereich des Grenzschutzes dar. Eine zulässige Rückausnahme liege schon deshalb nicht vor, weil die Länder – soweit sie gemäß § 2 Abs. 1 BPolG im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes wahrnähmen – nicht mit eigenen Behörden Bundesrecht, hier das Bundespolizeigesetz, vollzögen, sondern lediglich auf der Grundlage von Landesrecht handeln dürften. Eine Aufteilung der identischen staatlichen Aufgabe dergestalt, dass diese einmal als Vollzug von Bundesrecht durch Bundesbehörden, einmal als Vollzug von Landesrecht durch Landesbehörden wahrgenommen werde, solle durch Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG gerade nicht ermöglicht werden. Ein derartiger Verwaltungsvollzug widerspräche den Grundsätzen der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten.
Eine zulässige Rückübertragung der Verwaltungskompetenz liege auch deshalb nicht vor, weil diese zwingend auf gesetzlicher Grundlage erfolgen müsse und nicht allein in das politische Ermessen des Bundesministeriums des Innern und der jeweiligen Landesregierung gestellt werden könne. Die Regelungen zur Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben durch die Länder in § 2 BPolG ließen sich nach Wortlaut und Systematik nur als gesetzliche Ausgestaltung der Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG verstehen. Selbst wenn man davon ausginge, dass § 2 BPolG eine Rückübertragung von Verwaltungskompetenzen des grenzpolizeilichen Einzeldienstes an die Länder durch Verwaltungsabkommen zulasse, sei der Freistaat Bayern zur Errichtung einer Grenzpolizei nicht berechtigt. Es existiere derzeit kein Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern, das diesem umfassende Verwaltungskompetenzen für den Bereich der Grenzpolizei übertrage. Das Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern vom 17. April 2008 sei insoweit das einzige Verwaltungsabkommen, das aktuell noch Gültigkeit habe. Es betreffe lediglich die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs über kleinere Einrichtungen des Luftverkehrs, die ganz oder teilweise auf dem Gebiet des Freistaates Bayern liegen. Die Errichtung einer Grenzpolizei, die – wie in Art. 5 POG vorgesehen – umfassend Aufgaben des Grenzschutzes wahrnehmen solle, werde hierdurch nicht gedeckt.
2. Die angegriffenen Vorschriften verstoßen nach Auffassung der Antragstellerinnen außerdem gegen Art. 101 BV. Grenzpolizeiliche Maßnahmen stellten Eingriffe in das von der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasste Recht auf Ein- und Ausreise dar. Die das Grundrecht einschränkenden Regelungen stünden nicht in Einklang mit der Verfassung des Freistaates Bayern, da sie die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes und damit das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung verletzten.
III.
1. Der Bayerische Landtag hält mehrheitlich die Anträge für unbegründet.
Die Bayerische Polizei werde im Bereich des Grenzschutzes zum einen an den bayerischen Flughäfen, mit Ausnahme des Flughafens München – Franz Josef Strauß, auf der Basis des Verwaltungsabkommens mit dem Bund tätig (§ 2 Abs. 1 und 3 BPolG), zum anderen an der deutschösterreichischen Grenze im Wege der Amtshilfe (§ 64 BPolG). Sie halte sich dabei an die Grenzen, die ihr das Bundesrecht vorgebe, und handle nicht parallel zur Bundespolizei, sondern subsidiär. Ein Verstoß gegen Gesetzgebungs- oder Verwaltungskompetenzen liege nicht vor. Die Antragstellerinnen ließen unbeachtet, dass Art. 5 POG eine Organisationsnorm sei und keine polizeilichen Befugnisse schaffe. Sie übersähen ferner, dass die Bayerische Polizei für die Ausübung des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes (Schleierfahndung) zuständig sei. Mit der Popularklage und der Meinungsverschiedenheit werde eine Staatspraxis angegriffen, die seit Jahrzehnten unbestritten Bestand habe.
2. Die Bayerische Staatsregierung hat Bedenken gegen die Zulässigkeit der Popularklage und der Meinungsverschiedenheit. Im Übrigen hält sie die Anträge für unbegründet.
a) Zweifel an der Zulässigkeit ergäben sich daraus, dass in beiden Verfahren keine eigenständige Rüge eines unmittelbaren Verstoßes gegen materielles Verfassungsrecht der Bayerischen Verfassung erhoben werde, die unabhängig von der Behauptung bundesrechtlicher Fehlerquellen Bestand hätte.
aa) Im Verfahren der Meinungsverschiedenheit könne sich die Antragstellerin, sofern der Streit bereits im Gesetzgebungsverfahren zutage getreten sei, zwar grundsätzlich unmittelbar auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV berufen. Allerdings bestünden Bedenken, ob dies auch dann gelte, wenn der Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip allein mit der Nichteinhaltung bundesrechtlicher Kompetenznormen begründet werde.
bb) Voraussetzung für die Zulässigkeit der Popularklage sei, dass die Antragstellerin die verfassungswidrige Einschränkung eines durch die Bayerische Verfassung gewährleisteten Grundrechts darlege. Im vorliegenden Verfahren werde nur eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 101 BV gerügt. Ob diese Rüge ausreiche, sei zweifelhaft, da die Verletzung des Art. 101 BV ausschließlich darauf gestützt werde, dass die das Grundrecht einschränkende Norm wegen eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) unwirksam sei, und zudem der objektive Verfassungsverstoß lediglich mit der Nichteinhaltung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes begründet werde. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob es möglich sein solle, mit einer im Kern ausschließlich das Bundesrecht betreffenden Rüge einen Rechtsbehelf der Bayerischen Verfassung überhaupt erst zulässig zu machen.
b) Die Anträge seien jedenfalls unbegründet. In beiden Verfahren gehe es letztlich um die Frage, ob den Ländern, soweit sie im Einklang mit den einschlägigen Regeln des Bundespolizeigesetzes und mit Zustimmung des Bundes grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnähmen, auch die Kompetenz zustehe, die hierzu nötigen organisatorischen Regelungen und Befugnisnormen zu schaffen.
aa) Etwaige Verstöße gegen die Kompetenzordnung des Bundes könnten für die vorliegenden Verfahren nur mittelbar über das Rechtsstaatsgebot der Bayerischen Verfassung relevant werden, sofern ein Widerspruch der angegriffenen Normen zum Bundesrecht nicht nur offensichtlich zutage trete, sondern auch inhaltlich als schwerwiegender, krasser Eingriff in die Rechtsordnung zu werten sei. Ausgehend von diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip hier von vornherein abzulehnen. Gegen einen offensichtlichen und schwerwiegenden Verfassungsverstoß spreche, dass die Länder in ständiger und jahrzehntelanger Staatspraxis unter Geltung des Grundgesetzes im Einklang mit dem Bundesrecht grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnähmen. Auch die Eigenstaatlichkeit der Länder lege es nahe, ihnen nicht jegliche Kompetenz für ein zumindest partielles und subsidiäres Tätigwerden im Bereich des Grenzschutzes abzusprechen. In der verfassungsrechtlichen Literatur sei keine eindeutige Haltung auszumachen, die den Ländern eine Regelungsbefugnis in grenzpolizeilichen Fragen abspreche. Wenn überhaupt, könne allenfalls die erst nach Erlass der angefochtenen Normen ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 (BVerfGE 150, 244) als Anhaltspunkt für einen offensichtlichen Verstoß in Betracht gezogen werden.
bb) Davon unabhängig habe der Freistaat Bayern die angegriffenen Bestimmungen auf ausreichender Kompetenzgrundlage erlassen. Es gehöre zu den Charakteristika des deutschen Bundesstaates, dass die Länder Träger der allgemeinen Polizeigewalt seien. Diese schließe die Kompetenz für das allgemeine Polizeirecht ein und ergebe sich ohne ausdrückliche Zuweisung aus der Residualkompetenz der Art. 30, 70 Abs. 1 GG. Die allgemeinpolizeiliche Aufgabe der Länder beziehe sich in Form einer subsidiären Allzuständigkeit auf das gesamte Feld des präventiven Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Zwangsläufig auftretende Überschneidungen des breiten und uneingeschränkten Sicherheitsauftrags der Länder mit speziellen Sicherheitsaufgaben von Bundes- und Landesbehörden seien in der Weise zu lösen, dass die allgemeine Polizeigewalt der Länder als subsidiäre Auffangfunktion verstanden werde. Vor diesem Hintergrund stehe den Ländern kraft ihrer allgemeinen Polizeihoheit die Kompetenz zu, gesetzliche Regelungen für grenzpolizeiliche Aufgabenbereiche zu erlassen, in denen das Bundespolizeigesetz ein subsidiäres Tätigwerden der Landespolizeibehörden zulasse.
cc) Zudem verletzten die angegriffenen Normen weder Art. 87 Abs. 1 Satz 2 noch Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG.
(1) Ein Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG liege schon deshalb nicht vor, weil Art. 5 POG und Art. 29 PAG keine Rechtsfolgen setzten, die die auf Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG fußende Verwaltungskompetenz des Bundes tangieren könnten. Art. 5 POG stelle lediglich eine binnenrechtlich wirkende Organisationsnorm dar, die intern festlege, welche von der Bayerischen Landespolizei zulässigerweise wahrgenommenen Aufgaben von welchen Einheiten zu erfüllen seien. Eine im Außenverhältnis relevante Zuweisung von grenzpolizeilichen Aufgaben an die Bayerische Landespolizei sei darin nicht enthalten. Ähnliches gelte für Art. 29 PAG. Dieser weise der Landespolizei keine grenzpolizeilichen Aufgaben zu, sondern sehe polizeiliche Befugnisse lediglich für den Fall vor, dass die Landespolizei zulässigerweise – etwa auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 oder § 64 BPolG – grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehme. Es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, dass § 2 Abs. 1 und § 64 BPolG nach den dort vorgesehenen Maßgaben ein legitimes Einsatzfeld der Länder im Bereich der Grenzpolizei zuließen. Der Bund könne von seiner fakultativen Verwaltungskompetenz auch in der Weise Gebrauch machen, dass er die Aufgabe nicht in vollem Umfang wahrnehme, sondern die Grenzkontrollen in einzelnen Ländern der Landespolizei überlasse. § 2 Abs. 1 und 3, § 64 Abs. 1 BPolG enthielten hierfür eine ausreichende gesetzliche Aufgabenverteilungsregel. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 28.1.1998 BVerfGE 97, 198/226 f.) müsse die Aufgabenzuweisung an ein Land nicht zwingend im Gesetz selbst vorgenommen werden, sondern könne durch ein schriftliches, zu veröffentlichendes Verwaltungsabkommen erfolgen.
(2) Auch ein Verstoß gegen die auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG fußende Gesetzgebungskompetenz des Bundes liege nicht vor. Art. 5 POG stelle eine rein binnenrechtlich wirkende Organisationsnorm dar. Sein Regelungsgehalt beschränke sich darauf, die Bayerische Grenzpolizei als Teil der Landespolizei zu errichten und organisatorisch zu gliedern sowie zu regeln, für welche von der Landespolizei wahrzunehmenden Aufgaben die Grenzpolizei zuständig sein solle. Die Kompetenz des Freistaates Bayern zur Regelung dieser Fragen ergebe sich aus der Organisationshoheit des Landes. Art. 5 POG enthalte damit eindeutig kein materielles Grenzschutzrecht, das dem Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG unterfallen könnte.
Demgegenüber sei es erheblich schwieriger zu beurteilen, ob Art. 29 PAG materielles Grenzschutzrecht darstelle. Insoweit ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 (BVerfGE 150, 244) das Erfordernis, anders als bisher trennscharf zwischen der allgemeinpolizeilichen Kompetenz der Länder auf der einen und der spezifisch grenzschutzrechtlichen Kompetenz des Bundes auf der anderen Seite zu differenzieren. Das Bundesverfassungsgericht habe diese Differenzierung in der genannten Entscheidung in der Weise vorgenommen, dass spezifisches Grenzschutzrecht, dessen Regelung nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG dem Bund vorbehalten sei, dann vorliege, wenn eine Norm unmittelbar und ausschließlich auf die Verhütung und Unterbindung des unerlaubten Grenzübertritts abziele und in diesem Sinn unmittelbar dem Schutz der Bundesgrenze diene. Es stelle damit auf ein die innere Motivation des Handelns betreffendes Unterscheidungskriterium ab. Der Bundesgesetzgeber sei demnach im Rahmen des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG darauf beschränkt, Befugnisse zum Zweck der Verhütung oder Unterbindung unerlaubter Grenzübertritte bzw. der Verhütung bestimmter grenzschutzspezifischer Straftaten zu regeln. Im Gegensatz hierzu sei es Sache des Landesgesetzgebers, von allgemeinpolizeilichen Zwecken geprägte Befugnisnormen zu erlassen.
Der Gesetzgebungskompetenz der Länder stehe es dabei nicht entgegen, wenn mit einer allgemeinpolizeilichen Befugnisnorm Zwecke verfolgt würden, die einen Bezug zur Grenze hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Regelungen, die zwar an die Offenheit der Grenzen und damit einhergehende Gefahren anknüpften, aber nicht unmittelbar dem Schutz der Bundesgrenze dienten, kein materielles Grenzschutzrecht im Sinn des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2018 die Möglichkeit, die Landespolizei nach §§ 2, 64 BPolG mit Aufgaben des Bundesgrenzschutzes zu betrauen und in diesem Zusammenhang eine Durchführung der Aufgaben nach Landespolizeirecht vorzusehen, nicht beanstandet habe. Dies erlaube den Rückschluss, dass es den Ländern möglich sein müsse, allgemeinpolizeiliche Befugnisnormen zu erlassen, die (auch) eine zufriedenstellende Erledigung der übertragenen Grenzschutzaufgaben ermöglichten.
Vor diesem Hintergrund erweise sich Art. 29 PAG, der in keinem seiner Absätze explizit und unmittelbar auf den Zweck der Verhinderung oder Unterbindung des unerlaubten Grenzübertritts zugeschnitten sei, als grundgesetzkonform. Die Befugnisnorm diene zwar den in Art. 5 Abs. 2 POG genannten grenzpolizeilichen Aufgaben, jedoch allein mit dem Zweck, die aus der Offenheit der Grenzen und aus illegalen Grenzübertritten resultierenden allgemeinen Gefahren zu verhüten. Art. 5 Abs. 2 POG beschreibe als Betätigungsfelder zwar die polizeiliche Überwachung der Grenzen (Nr. 1), die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs (Nr. 2) und in einem räumlichen Korridor die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen (Nr. 3), lasse jedoch offen, zu welchen genauen Zwecken der Einsatz jeweils erfolge. Es sei durchaus möglich, Art. 5 Abs. 2 POG so auszulegen, dass mit den genannten Aufgaben im Schwerpunkt allein allgemeinpolizeiliche Ziele verfolgt würden, insbesondere die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität. Die in Art. 29 Abs. 1 PAG geregelten Betretungsrechte und die in Art. 29 Abs. 2 PAG vorgesehenen Inpflichtnahmen von Verkehrsunternehmen eigneten sich nicht nur zum Schutz der Grenze, sondern auch zur Bekämpfung allgemeiner Gefahren, die aus unerlaubten Grenzübertritten herrühren könnten. Soweit Art. 29 Abs. 3 PAG der Landespolizei Befugnisse der Bundespolizei zuweise, würden diese Grenzschutzbefugnisse bei der Inkorporation ins Landesrecht den Zwecken allgemeinpolizeilicher Aufgaben des Landes unterworfen. Bei der Auslegung des Art. 29 PAG müsse bedacht werden, dass er zu einer Zeit entstanden sei, als die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 noch nicht vorgelegen habe. Die Vorschrift müsse daher verfassungskonform im Licht der neuen Entscheidung ausgelegt werden. Selbst wenn man – entgegen der Auffassung der Staatsregierung – davon ausgehen wollte, dass Art. 29 PAG mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG nicht vereinbar sei, liege jedenfalls kein offensichtlicher und schwerwiegender Verstoß vor. Die sehr kurzen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu der schwierigen und komplexen Problematik der Abgrenzung von Bundes- und Landeskompetenzen im Bereich des Grenzschutzes seien keineswegs so eindeutig, dass hieraus offensichtliche Vorgaben für den Gesetzgeber abzuleiten wären. Hilfsweise werde der Verfassungsgerichtshof gebeten, die Frage der Reichweite der Landeskompetenz im Grenzbereich dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 3 GG zur (erneuten) Entscheidung vorzulegen.
3. Die Fraktion der CSU im Bayerischen Landtag hält den Antrag zur Meinungsverschiedenheit für unbegründet.
Die Binnengrenzkontrollen an der deutschösterreichischen Grenze seien im Jahr 2015 auf bayerische Initiative hin vom Bund wieder aufgenommen worden, um grenzüberschreitender und -bezogener Kriminalität sowie illegaler Migration Einhalt zu gebieten. Es sei erforderlich, die grenzpolizeilichen Aufgaben in Kooperation von Bundes- und Landespolizei bestmöglich wahrzunehmen. Soweit die Bayerische Grenzpolizei grenzpolizeiliche Aufgaben erfülle, geschehe dies subsidiär und mit Zustimmung und Billigung des Bundes. Gesetzliche Grundlage hierfür seien § 2 Abs. 1 und 4 sowie § 64 BPolG. Mit Art. 5 POG und Art. 29 PAG habe der Freistaat Bayern die erforderlichen organisatorischen Regelungen und Befugnisnormen für die nach dem Bundespolizeigesetz zulässige Aufgabenwahrnehmung der Bayerischen Polizei geschaffen. Ein Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG liege nicht vor. Es stehe dem Bund grundsätzlich frei, Verwaltungsaufgaben teilweise von den Ländern wahrnehmen zu lassen. Im Übrigen schließt sich die Fraktion der CSU im Bayerischen Landtag der Stellungnahme der Staatsregierung an.
IV.
Die Anträge in beiden Verfahren sind jeweils nur zum Teil zulässig.
1. Verfahren Vf. 10-VIII-19
Nach Art. 75 Abs. 3 BV entscheidet der Verfassungsgerichtshof Meinungsverschiedenheiten darüber, ob durch ein Gesetz die Verfassung geändert wird oder ob ein Antrag auf unzulässige Verfassungsänderung vorliegt. Diese Voraussetzungen sind nach Art. 49 Abs. 1 VfGHG auch dann erfüllt, wenn die Meinungsverschiedenheit – wie hier – darüber besteht, ob durch ein Gesetz die Verfassung verletzt wird. Die Meinungsverschiedenheit muss zwischen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen oder Teilen derselben entstanden sein. Ihnen stehen Fraktionen gleich, die sich mit gegenteiligen Auffassungen gegenüberstehen. Die Meinungsverschiedenheit muss bereits im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens erkennbar geworden sein (vgl. VerfGH vom 12.8.1994 VerfGHE 47, 184/189; vom 19.10.1994 VerfGHE 47, 241/252; vom 9.5.2016 VerfGHE 69, 125 Rn. 107; vom 30.7.2018 BayVBl 2019, 158 Rn. 39; vom 3.12.2019 BayVBl 2020, 226 Rn. 84).
a) Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist demnach antragsberechtigt (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 VfGHG). Sie hat als Antragsgegnerinnen zulässigerweise die Landtagsfraktion der CSU und die Staatsregierung benannt. Mit den Stimmen der Antragsgegnerin zu 1 wurden die streitgegenständlichen gesetzlichen Regelungen gegen die Stimmen u. a. der Antragstellerin beschlossen (zu Art. 29 PAG vgl. Plenarprotokoll 17/132 vom 15. Mai 2018 S. 11952 und Anlage 5; zu Art. 5 POG vgl. Plenarprotokoll 17/137 vom 11. Juli 2018 S. 12583 und Anlage 5). Die Antragsgegnerin zu 2 hat die zugrunde liegenden Gesetzentwürfe nach Art. 71 BV im Landtag eingebracht.
b) Die Meinungsverschiedenheit zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnerinnen über die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Normen ist jedoch nur im Hinblick auf Art. 5 POG, nicht dagegen bezüglich Art. 29 PAG bereits während des Gesetzgebungsverfahrens hinreichend erkennbar geworden.
Um diese Zulässigkeitsvoraussetzung zu erfüllen, genügt eine ablehnende Abstimmung für sich allein nicht. Vielmehr muss die Meinungsverschiedenheit konkretisiert zum Ausdruck gebracht worden sein (Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 75 Rn. 13; Brechmann in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 75 Rn. 21, jeweils m. w. N.). Voraussetzung ist zudem, dass Identität zwischen der während der Landtagsberatung erhobenen Rüge und der den Gegenstand des Verfahrens nach Art. 75 Abs. 3 BV bildenden Meinungsverschiedenheit besteht, und zwar hinsichtlich der beanstandeten gesetzlichen Vorschriften und der als verletzt erachteten Verfassungsnorm (vgl. VerfGH vom 27.7.1972 VerfGHE 25, 97/109).
aa) Diese Anforderungen an die Zulässigkeit des Antrags nach Art. 75 Abs. 3 BV sind nicht erfüllt, soweit sich die Antragstellerin gegen die Vereinbarkeit des Art. 29 PAG mit der Bayerischen Verfassung wendet. Wie sie selbst einräumt, betrafen die Diskussionen im Gesetzgebungsfahren zum PAG-Neuordnungsgesetz im Schwerpunkt nicht die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz. Zur Darlegung einer bereits im Gesetzgebungsverfahren hervorgetretenen verfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit stützt sich die Antragstellerin lediglich auf die Wortmeldung ihrer Vorsitzenden in der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen am 26. April 2018 (Protokoll S. 24). Dort hat die Abgeordnete geäußert, der Polizei sollten unsinnige Aufgaben wie die Sicherung der Grenze, wofür sie gar nicht zuständig sei, nicht übertragen werden. Dieser Äußerung ist schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass rechtliche Bedenken gegen die angegriffene Regelung erhoben wurden. Sie betrifft im Schwerpunkt vielmehr die Fragestellung, ob es zweckmäßig ist, der Polizei bestimmte zusätzliche Aufgaben zu übertragen. Nicht ersichtlich ist, dass die Abgeordnete einen verfassungsrechtlichen Einwand gegen Art. 29 PAG erheben wollte. Ein Bezug zum Verfassungsrecht lässt sich der Äußerung nicht entnehmen; insbesondere ist von einer fehlenden Kompetenzgrundlage für die beabsichtigte Regelung keine Rede. Die erforderliche Identität zwischen der während der Landtagsberatungen erhobenen Rüge und der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Meinungsverschiedenheit ist somit nicht gegeben.
Da Art. 29 PAG durch das PAG-Neuordnungsgesetz im Wesentlichen nur um einen Absatz 3 ergänzt wurde, während die bereits bestehenden Absätze 1 und 2 weitgehend unverändert geblieben sind, könnte sich das vorliegende Verfahren nach Art. 75 Abs. 3 BV zudem nicht auf den gesamten Inhalt der beanstandeten Norm erstrecken. Auf diese Frage kommt es für die Entscheidung jedoch nicht mehr an.
bb) Demgegenüber ist die Zulässigkeitsvoraussetzung einer Erkennbarkeit der Meinungsverschiedenheit bereits im Gesetzgebungsverfahren erfüllt, soweit die Antragstellerin einen Verstoß des Art. 5 POG gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung geltend macht. Eine der Antragstellerin angehörende Abgeordnete hat in der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen am 5. Juli 2018 (Protokoll S. 28) sinngemäß gerügt, der Freistaat Bayern verfüge über keine Kompetenzen im Bereich des Grenzschutzes. Damit wurde der inhaltliche Kern der Meinungsverschiedenheit, nämlich der Verstoß der angegriffenen Regelung gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, im Gesetzgebungsverfahren hinreichend konkret bezeichnet. Dass das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) als möglicherweise verletzte Verfassungsnorm in der Ausschussberatung nicht ausdrücklich genannt wurde, ist unschädlich, da jedenfalls der verfassungsrechtliche Charakter der Streitfrage und deren Anknüpfung an die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zum Ausdruck kam.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen steht der Zulässigkeit des gegen Art. 5 POG gerichteten Antrags nicht im Weg, dass die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift auf eine Unvereinbarkeit mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes gestützt wird. Zwar sind die Kompetenznormen des Grundgesetzes kein Landesverfassungsrecht und somit nicht unmittelbar Prüfungsgegenstand im Verfahren nach Art. 75 Abs. 3 BV. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann ein Verstoß des bayerischen Gesetzgebers gegen Kompetenznormen des Grundgesetzes jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips der Bayerischen Verfassung darstellen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 30.6.1998 VerfGHE 51, 94/99 f.; VerfGHE 69, 125 Rn. 116 f.; VerfGH BayVBl 2020, 226 Rn. 95, jeweils m. w. N.). Auf diese Rechtsprechung beruft sich die Antragstellerin. Ob die Voraussetzungen für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV im vorliegenden Fall tatsächlich erfüllt sind, ist keine Frage der Zulässigkeit des Antrags, sondern im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu untersuchen.
Der Einwand der Antragsgegnerinnen, auf diese Weise könnten Rechtsbehelfe der Bayerischen Verfassung – unter Umgehung der strengeren Zulässigkeitsvoraussetzungen für Rechtsbehelfe zum Bundesverfassungsgericht – dazu benutzt werden, Streitfragen vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, die im Schwerpunkt das Verfassungsrecht des Bundes betreffen, greift nicht durch. Er lässt unberücksichtigt, dass der Verfassungsgerichtshof in den vorliegenden Verfahren nicht die Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit Kompetenznormen des Grundgesetzes prüft, sondern die Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip und Grundrechten der Bayerischen Verfassung. Soweit in diese Prüfung Fragen des Verfassungsrechts des Bundes mit einfließen, ändert dies nichts daran, dass die Bayerische Verfassung alleiniger Maßstab der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist.
c) Der (teilweisen) Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass die Meinungsverschiedenheit während der 17. Legislaturperiode (2013 bis 2018) aufgetreten ist, der Antrag beim Verfassungsgerichtshof aber erst während der 18. Legislaturperiode, nämlich mit Schriftsatz vom 6. Mai 2019, eingereicht worden ist. Dies folgt zum einen daraus, dass Art. 49 VfGHG keine Frist für den Antrag nach Art. 75 Abs. 3 BV vorsieht. Zum anderen besteht auch nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in der früheren Legislaturperiode ein öffentliches Interesse, eine verfassungsgerichtliche Sachentscheidung über die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des beanstandeten Art. 5 POG herbeizuführen (vgl. VerfGHE 47, 241/253 f. m. w. N.).
2. Verfahren Vf. 12-VII-19
Die Zulässigkeit einer Popularklage nach Art. 98 Satz 4 BV setzt gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG voraus, dass der Antragsteller mit einem Mindestmaß an Substanziierung nachvollziehbar darlegt, inwiefern die angegriffene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung in Widerspruch steht. Eine ausreichende Grundrechtsrüge liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, die angegriffene Rechtsvorschrift verstoße gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung. Der Antragsteller muss seinen Vortrag vielmehr so präzisieren, dass der Verfassungsgerichtshof beurteilen kann, ob der Schutzbereich der bezeichneten Grundrechtsnorm berührt ist und eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 31.5.2006 VerfGHE 59, 109/114; vom 29.3.2007 BayVBl 2007, 689 f.; vom 26.6.2012 VerfGHE 65, 118/122 f.; vom 2.4.2019 – Vf. 9-VII-18 – juris Rn. 19).
a) Die vorliegende Popularklage entspricht diesem Erfordernis in Bezug auf die angegriffene Vorschrift des Art. 5 POG nicht. Die Antragstellerin trägt zur Darlegung einer möglichen Grundrechtsverletzung insoweit vor, grenzpolizeiliche Maßnahmen griffen in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, insbesondere die Ein- und Ausreisefreiheit, ein. Die Popularklage lässt jedoch nicht erkennen, ob und inwieweit Art. 5 POG aus Sicht der Antragstellerin eine Grundlage für grenzpolizeiliche Maßnahmen darstellen kann. Dies ergibt sich aus der angegriffenen Vorschrift nicht von selbst und hätte zumindest einer ansatzweisen Darlegung bedurft. Art. 5 POG ist, wie seine Stellung im Polizeiorganisationsgesetz und sein Regelungsgehalt belegen, eine organisationsrechtliche Norm. Er regelt – wovon auch die Popularklage ausgeht – die organisatorische Errichtung der Grenzpolizei als eine der Untergliederungen (vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 1 POG) der Bayerischen Landespolizei und weitergehend die Untergliederung der Grenzpolizei in eine Direktion, Grenzpolizeiinspektionen und Grenzpolizeistationen. Art. 5 Abs. 1, 3 und 4 POG erschöpfen sich in diesem rein organisatorischen Regelungsgehalt. Dass auf eine dieser Bestimmungen grenzpolizeiliche Maßnahmen gestützt werden könnten, die Eingriffe in die Grundrechte ein- oder ausreisender Personen bewirken, ist nicht ersichtlich. Auch Art. 5 Abs. 2 POG bietet keine Grundlage für Grundrechtseingriffe. Er regelt insbesondere keine polizeilichen Eingriffsbefugnisse, sondern zählt lediglich die der Grenzpolizei zugeordneten grenzpolizeilichen Aufgaben im Rahmen einer Verteilung bestehender Zuständigkeiten auf. Inwiefern hierdurch aus Sicht der Antragstellerin Eingriffsmöglichkeiten gegenüber Grundrechtsträgern geschaffen werden sollen, ist der Popularklage nicht zu entnehmen.
Sie genügt somit auch hinsichtlich des Art. 5 Abs. 2 POG nicht den Substanziierungsanforderungen.
b) Demgegenüber ist die Popularklage zulässig, soweit sie sich gegen Art. 29 PAG richtet. Diese Vorschrift regelt in allen drei Absätzen polizeiliche Befugnisse bzw. Inpflichtnahmen und bildet somit eine Grundlage für polizeiliche Maßnahmen, die in Grundrechte, insbesondere auch in das Grundrecht aus Art. 101 BV, eingreifen können. Für die Darlegung eines möglichen Grundrechtseingriffs reicht es aus, dass die Antragstellerin ihre Rüge einer Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit darauf stützt, Art. 29 PAG sei als grundrechtseinschränkende Norm wegen eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) unwirksam. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, dass eine die Handlungsfreiheit beschränkende Norm, die aus Gründen des objektiven Rechts das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verletzt, damit zugleich gegen das Grundrecht der Handlungsfreiheit verstößt (VerfGH vom 30.9.1980 VerfGHE 33, 130/135; vom 29.4.1983 VerfGHE 36, 56/69; vom 23.10.1991 VerfGHE 44, 109/118; ebenso die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung objektiven Verfassungsrechts über eine Rüge des Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. BVerfG vom 22.6.1977 BVerfGE 45, 400/413 m. w. N.).
Entgegen der Auffassung der Staatsregierung ist es für die Zulässigkeit der Popularklage unschädlich, dass die Antragstellerin letztlich eine Unvereinbarkeit des Art. 29 PAG mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes rügt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann – wie bereits dargelegt (siehe oben unter 1. b) bb)) – ein Verstoß des bayerischen Normgebers gegen Kompetenznormen des Grundgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips der Bayerischen Verfassung darstellen. Hierauf beruft sich auch die Antragstellerin im Popularklageverfahren.
V.
Der Antrag im Verfahren der Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV ist – soweit seine Zulässigkeit im Hinblick auf Art. 5 POG bejaht wurde (vgl. oben IV. 1.) – unbegründet. Die Popularklage ist begründet, soweit sie sich zulässigerweise (vgl. oben IV. 2.) gegen Art. 29 PAG richtet.
1. Verfahren Vf. 10-VIII-19
a) Die im Rahmen der Meinungsverschiedenheit nach Art. 75 Abs. 3 BV von der Antragstellerin zur Prüfung gestellte Frage, ob Art. 5 POG mit der in Art. 83, 87 Abs. 1 Satz 2 GG normierten Kompetenzverteilung im Bereich der Exekutive unvereinbar ist und deshalb gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung verstößt, ist zu verneinen.
Die Kompetenznormen des Grundgesetzes sind kein Landesverfassungsrecht und deshalb nicht unmittelbar Prüfungsmaßstab im Verfahren nach Art. 75 Abs. 3 BV. Ein Verstoß gegen die grundgesetzliche Kompetenzordnung kann bei der Normprüfung durch den Verfassungsgerichtshof aber mittelbar als Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) Bedeutung erlangen. Allerdings stellt nicht jeder Verstoß gegen Bundesrecht eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips dar. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ist vielmehr erst dann betroffen, wenn der bayerische Normgeber offensichtlich die Rechtsordnung des Bundes verletzt und Landesrecht schafft, das eindeutig im Widerspruch zu Kompetenznormen des Grundgesetzes steht. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ist außerdem nur dann anzunehmen, wenn der Widerspruch zum Bundesrecht auch inhaltlich als schwerwiegender, krasser Eingriff in die Rechtsordnung zu werten ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 27.3.1992 VerfGHE 45, 33/40 f.; vom 22.11.1996 VerfGHE 49, 160/166 m. w. N.; vom 11.11.1997 VerfGHE 50, 226/266; VerfGHE 69, 125 Rn. 117).
Hiervon ausgehend ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV nicht festzustellen.
aa) Errichtung einer Bayerischen Grenzpolizei für die Wahrnehmung der Aufgaben des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 POG)
Eine Unvereinbarkeit des Art. 5 POG mit Art. 83, 87 Abs. 1 Satz 2 GG scheidet von vornherein aus, soweit durch die angegriffene Vorschrift eine Landesbehörde zur Wahrnehmung von Aufgaben des Landes errichtet und organisatorisch gegliedert wird. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 POG genannte Aufgabe des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG (sog. Schleierfahndung) ist unbestritten eine Aufgabe der Landespolizei. Es unterliegt daher keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln, dass der Freistaat Bayern eine Bayerische Grenzpolizei als Teil der Landespolizei errichten (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 POG), ihr die Aufgabe des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes zuweisen, sie in der in Art. 5 Abs. 3 POG vorgesehenen Weise organisatorisch gliedern und das zuständige Staatsministerium ermächtigen kann, durch Rechtsverordnung die einzelnen Dienststellen der Grenzpolizei, insbesondere deren Bezeichnung, Sitz und Nachordnung, zu bestimmen (Art. 5 Abs. 4 POG).
bb) Zuweisung der grenzpolizeilichen Aufgaben gemäß Art. 5 Abs. 2 POG an die Bayerische Grenzpolizei (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 POG)
Auch die Zuweisung der grenzpolizeilichen Aufgaben gemäß Art. 5 Abs. 2 POG an die Bayerische Grenzpolizei verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV i.V. m. Art. 83 und 87 Abs. 1 Satz 2 GG.
(1) Die Antragstellerin macht geltend, der Bundesgesetzgeber habe durch das Bundespolizeigesetz die Bundespolizei geschaffen und in § 2 Abs. 2 BPolG Aufgaben des Grenzschutzes geregelt, die von der Bundespolizei in bundeseigener Verwaltung wahrzunehmen seien. Im Widerspruch zu diesem auf der Grundlage der Kompetenznormen des Grundgesetzes eingerichteten Bereich bundeseigener Verwaltung habe der bayerische Normgeber der Bayerischen Grenzpolizei die in Art. 5 Abs. 2 POG genannten Aufgaben – ungeachtet der identischen Zuständigkeiten der Bundespolizei nach § 2 Abs. 2 BPolG – als originäre eigene Zuständigkeiten zugewiesen.
Um feststellen zu können, ob die angefochtene Regelung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 POG diesen als verfassungswidrig gerügten Inhalt hat, ist sie vom Verfassungsgerichtshof auszulegen. Erst nach Feststellung des Inhalts der angegriffenen Norm kann er beurteilen, ob sie mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist oder nicht (vgl. VerfGH vom 23.9.1985 VerfGHE 38, 118/124; vom 28.3.2003 VerfGHE 56, 28/52; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98 Rn. 28 m. w. N.). Maßgebend für die Auslegung einer Rechtsvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus ihrem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (vgl. VerfGH vom 23.4.1982 VerfGHE 35, 39/45; vom 14.7.1994 VerfGHE 47, 165/171).
Die danach vorzunehmende Auslegung ergibt, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 POG der Bayerischen Grenzpolizei die in Art. 5 Abs. 2 POG genannten grenzpolizeilichen Aufgaben nicht als eigene originäre Aufgaben zuweist und damit identische Zuständigkeiten der Bundespolizei nicht verletzt. Das Polizeiorganisationsgesetz regelt die Organisation der Bayerischen Landespolizei und bestimmt, welche Einheiten und Dienststellen der Landespolizei welche landespolizeilichen Aufgaben wahrzunehmen haben (vgl. insbesondere Art. 1, 3 und 4 POG). Das Gesetz wirkt somit rein binnenrechtlich im Sinn einer polizeiinternen Zuständigkeitsverteilung; es eröffnet der Bayerischen Landespolizei keine neuen Aufgaben (vgl. Gliwitzky/Schmid in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Art. 5 POG Rn. 2, 7). Schon vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme, durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 POG würden originäre eigene landespolizeiliche Aufgaben im Bereich des Grenzschutzes geschaffen, fernliegend. Gegen eine derartige Auslegung spricht außerdem, dass die Bayerische Staatsregierung und das Bundesministerium des Innern auf der Grundlage des § 2 Abs. 1, 3 BPolG Abkommen über die Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern (aktuell: Abkommen vom 17. April 2008; vgl. oben I. 1. b)) geschlossen haben. Hierfür hätte kein Anlass bestanden, wenn der Freistaat Bayern eine eigene originäre Verwaltungszuständigkeit im Bereich der Aufgaben des § 2 Abs. 2 BPolG für sich beanspruchen würde. Dementsprechend ist Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 POG bei zutreffender Auslegung in der Weise zu verstehen, dass er der Bayerischen Grenzpolizei die in Art. 5 Abs. 2 POG genannten Aufgaben nur insoweit zuweist, als ihr aufgrund einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 1, 3 BPolG oder auf der Grundlage des § 64 BPolG die Zuständigkeit für ein Tätigwerden in diesem Bereich eröffnet ist.
(2) Die Antragstellerin macht allerdings geltend, die Zuweisung grenzpolizeilicher Aufgaben an die Bayerische Grenzpolizei verstoße auch dann gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes und das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung, wenn man Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 POG in der oben genannten Weise auslege, weil § 2 BPolG keine verfassungsgemäße Rückübertragung der Verwaltungskompetenz des Bundes im Bereich des Grenzschutzes auf die Länder ermögliche. Auch insoweit ist jedoch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV nicht festzustellen.
(a) Selbst wenn man – wie die Antragstellerin – davon ausgehen will, dass § 2 Abs. 1, 3 BPolG aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Rückübertragung der Verwaltungskompetenz des Bundes auf die Länder ermöglicht, kann hieraus kein Verstoß des Art. 5 POG gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, insbesondere gegen Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG, hergeleitet werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 POG die – aus Sicht der Antragstellerin unzulässige – Rückübertragung von Verwaltungskompetenzen des Bundes auf die Länder nicht herbeiführt, sondern lediglich voraussetzt. Art. 5 POG selbst greift damit in die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht ein. Gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, Abs. 2 POG kann auch nicht eingewandt werden, er habe faktisch keinen Anwendungsbereich, weil – nach Auffassung der Antragstellerin – eine Rückübertragung von Verwaltungskompetenzen des Bundes auf der Grundlage des § 2 Abs. 1, 3 BPolG unzulässig sei. Zum einen verbliebe – selbst wenn man der Ansicht der Antragstellerin folgen wollte – als Anwendungsbereich die Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben auf der Grundlage des § 64 BPolG. Zum anderen würde ein fehlender Anwendungsbereich nicht zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift führen.
(b) Davon unabhängig entspricht es der ganz überwiegenden Meinung im verfassungsrechtlichen Schrifttum, dass § 2 Abs. 1, 3 BPolG die Übertragung grenzpolizeilicher Aufgaben auf Landespolizeibehörden ermöglicht, ohne gegen Bestimmungen des Grundgesetzes zu verstoßen (vgl. Ibler in Maunz/Dürig, GG, Bd. V, Art. 87 Rn. 84 m. w. N.). Die von der Antragstellerin hiergegen erhobenen Einwendungen erscheinen nicht zwingend.
Die Annahme der Antragstellerin, soweit der Bund im Bereich seiner Verwaltungskompetenz für den Grenzschutz eine Aufgabenwahrnehmung durch die Länder zulasse, könne dies nur in der Weise geschehen, dass die Länder die Bundesgesetze über den Grenzschutz, insbesondere das Bundespolizeigesetz, vollziehen, findet in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG keine Grundlage. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2018 (BVerfGE 150, 244 Rn. 57) keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen erhoben, dass § 2 Abs. 4 BPolG die Anwendung von Landesrecht vorsieht, soweit die Polizei eines Landes im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.
Auch die Auffassung der Antragstellerin, eine Rückübertragung der Verwaltungskompetenz müsse zwingend durch Gesetz erfolgen und könne dementsprechend nicht im Weg einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 3 BPolG bewirkt werden, überzeugt nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist für die Rückübertragung von Verwaltungskompetenzen im Bereich der Luftverkehrsverwaltung (Art. 87 d Abs. 2 GG) von den Ländern an den Bund keine gesetzliche Regelung erforderlich, soweit Inhalt, Zweck und Ausmaß der Übertragung im Gesetz vorgezeichnet sind und dem Publikationserfordernis für die im Verwaltungsweg getroffene Vereinbarung Rechnung getragen ist (BVerfG vom 28.1.1998 BVerfGE 97, 198/226 f.). Hiervon ausgehend erscheint die in § 2 Abs. 1, 3 BPolG vorgesehene Rückübertragung von Verwaltungskompetenzen vom Bund auf ein Land durch ein im Bundesanzeiger zu veröffentlichendes Verwaltungsabkommen als verfassungskonforme Vorgehensweise.
Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass eine auf § 2 Abs. 1, 3, 4, § 64 BPolG gestützte Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes durch die Bayerische Grenzpolizei offensichtlich in Widerspruch zu Kompetenznormen des Grundgesetzes steht. Vielmehr sprechen die überwiegenden Argumente gegen die von der Antragstellerin vertretene Auffassung. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung liegt somit nicht vor.
b) Art. 5 POG verstößt auch nicht gegen Art. 101 BV. Die Antragstellerin stützt die behauptete Grundrechtsverletzung lediglich auf einen im Ergebnis nicht festzustellenden Verstoß der angegriffenen Vorschrift gegen das Rechtsstaatsprinzip. Davon unabhängig stellt Art. 5 POG keine Eingriffsgrundlage für grenzpolizeiliche Maßnahmen dar.
2. Verfahren Vf. 12-VII-19
a) Art. 29 PAG verletzt wegen eines offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoßes gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes (Art. 70, 73 Abs. 1 Nr. 5 GG) das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV).
Die Antragstellerin hat mit ihrer Rüge einer Verletzung des Art. 101 BV in ausreichend substanziierter Weise eine Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung bezeichnet, aus der sich die Verfassungswidrigkeit des Art. 29 PAG ergeben soll (vgl. oben IV. 2. b)). In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob Art. 29 PAG das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung verletzt, indem er offensichtlich in Widerspruch zu Kompetenznormen des Grundgesetzes steht und dieser Widerspruch als schwerwiegender Eingriff in die Rechtsordnung zu werten ist.
aa) Art. 29 PAG regelt unter Verletzung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG materielles Grenzschutzrecht. Der bayerische Normgeber kann sich insoweit weder auf seine originäre Gesetzgebungskompetenz für das allgemeine Polizeirecht noch auf eine Gesetzgebungskompetenz aufgrund einer ausdrücklichen Regelung in einem Bundesgesetz nach Art. 71 GG berufen.
(1) Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung des Grenzschutzes umfasst nach – soweit ersichtlich – einhelliger Auffassung die polizeiliche Überwachung der Grenzen und die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere, der Berechtigung zum Grenzübertritt, der Grenzfahndung und der damit im Zusammenhang stehenden Gefahrenabwehr. Hierbei erstreckt sich das Gesetzgebungsrecht des Bundes auf alle Regelungen, die den Schutz der Bundesgrenzen gegen Grenzverletzungen zum Gegenstand haben (Uhle in Maunz/Dürig, GG, Bd. V, Art. 73 Rn. 123 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellen insbesondere Befugnisnormen, die unmittelbar den Schutz der Bundesgrenze bezwecken, Regelungen des Grenzschutzes dar, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfallen (BVerfGE 97, 198/214; 150, 244 Rn. 56).
Hiervon ausgehend ist Art. 29 PAG als Regelung des Grenzschutzes im Sinn des Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG zu qualifizieren. Besonders augenscheinlich wird dies bei Art. 29 Abs. 3 PAG, der bundesrechtlich geregelte Befugnisse hinsichtlich der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, also materielles Grenzschutzrecht des Bundes, in das Landesrecht übernimmt. Daneben enthalten aber auch die – mit den Befugnisnormen des § 62 Abs. 1 bis 3 BPolG im Wesentlichen inhaltsgleichen – Art. 29 Abs. 1 und 2 PAG Regelungen des Grenzschutzes. Die in Art. 29 Abs. 1 PAG genannten Betretungsrechte und Inpflichtnahmen betreffen zum Teil ausdrücklich Grenzpfade sowie Durchlässe und Übergänge an Grenzen, wodurch ein Bezug der Befugnisse zum Grenzschutz bereits nahegelegt wird. Ausschlaggebend für die Einordnung des Art. 29 Abs. 1 PAG als Befugnisnorm zum Schutz der Grenze ist jedoch die in der Norm selbst enthaltene Zweckbestimmung „zur Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben“. Hiermit wird ersichtlich auf die in Art. 5 Abs. 2 POG beschriebenen Aufgaben Bezug genommen, also die polizeiliche Überwachung und Sicherung der Grenze sowie die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs. Auch die Zielrichtung der in Art. 29 Abs. 2 PAG geregelten Inpflichtnahmen ist der Vorschrift unmittelbar zu entnehmen. Die dort genannten Pflichten betreffen die Unterstützung der Polizei bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs und somit bei einer Aufgabe des Grenzschutzes. Art. 29 PAG verfolgt damit im Ergebnis keine allgemeinpolizeilichen Ziele, sondern ist speziell auf ein Tätigwerden der Landespolizei im Bereich des Grenzschutzes ausgerichtet. Der Einwand, die in Art. 29 PAG geregelten Befugnisse eigneten sich nicht nur zum Schutz der Grenze, sondern auch zur Bekämpfung allgemeiner Gefahren, ändert nichts an dieser Beurteilung. Für die Unterscheidung von Grenzschutzrecht auf der einen und allgemeinem Polizeirecht auf der anderen Seite ist maßgeblich auf die im Vordergrund stehende Zielrichtung der Norm abzustellen. Liegt der Regelungszweck – wie hier – unmittelbar im Schutz der Grenze, ergibt sich aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (BVerfGE 150, 244 Rn. 56).
(2) In diesem Bereich haben die Länder keine Befugnis zur Gesetzgebung. Es besteht insoweit die Sperrwirkung des Art. 71 GG, die hinsichtlich des Grenzschutzrechts durch die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das allgemeine Polizeirecht weder überlagert noch außer Kraft gesetzt wird.
Aus der subsidiären Auffangzuständigkeit der Landespolizei für den präventiven Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kann keine Befugnis des Landesnormgebers hergeleitet werden, Regelungen des Grenzschutzes zu erlassen. Grundlage für das Handeln der Landespolizei in Wahrnehmung ihrer subsidiären Auffangzuständigkeit sind die polizeirechtlichen Generalklauseln, in Bayern etwaArt. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1 PAG (vgl. Möstl in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Systematische und begriffliche Vorbemerkungen zum Polizeirecht in Deutschland Rn. 57). Es wäre mit dem im Grundgesetz geregelten System der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen nicht in Einklang zu bringen, wenn man den Ländern im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 GG subsidiäre Gesetzgebungsbefugnisse einräumen wollte (vgl. Degenhart in Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 23; Kment in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 73 Rn. 20; Uhle in Maunz/Dürig, GG, Bd. V, Art. 73 Rn. 126 m. w. N.). Charakteristisches Wesensmerkmal der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 71, 73 Abs. 1 GG ist gerade die Ausschließlichkeit der Regelungsbefugnis des Bundes. Landesrechtlichen Normen, die – wie hier Art. 29 PAG – speziell Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes regeln, steht die Sperrwirkung des Art. 71 GG entgegen. Unberührt von der Sperrwirkung bleibt die Befugnis der Länder, polizeirechtliche Regelungen zu erlassen, die – wie z. B. Regelungen zur Schleierfahndung – allgemein der Gefahrenabwehr in grenznah gelegenen Gebieten und nicht speziell dem Schutz der Grenze dienen. Hierum geht es, wie oben bereits ausgeführt, bei Art. 29 PAG jedoch nicht.
(3) Der Bund hat den Freistaat Bayern nicht durch Bundesgesetz ermächtigt, Grenzschutzrecht zu erlassen. Gemäß Art. 71 GG haben die Länder im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes die Befugnis zur Gesetzgebung, soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden. Der Verfassungsgerichtshof ist in einer früheren Entscheidung vom 28. März 2003 (VerfGHE 56, 28/45) davon ausgegangen, § 2 Abs. 4 i.V. m. Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzgesetz – BGSG – vom 19. Oktober 1994, BGBl I S. 2978) enthalte eine Ermächtigung der Länder zur Gesetzgebung im Sinn des Art. 71 GG. An dieser Auffassung wird für die heute geltende Regelung des § 2 Abs. 4 i.V. m. Abs. 1 BPolG nicht festgehalten. Es besteht daher auch keine Veranlassung für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 3 GG.
Gemäß § 2 Abs. 1, 4 BPolG können die Länder im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnehmen. Die Durchführung der Aufgaben richtet sich dabei nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht. Eine ausdrückliche Ermächtigung der Länder zur Gesetzgebung im Bereich des Grenzschutzrechts ist dem Wortlaut der genannten Regelung nicht zu entnehmen. Auch Systematik und Zweck der Regelung sprechen nicht dafür, dass der Bundesgesetzgeber beabsichtigte, den Ländern ein eigenes Gesetzgebungsrecht einzuräumen. Der Regelungsgehalt des § 2 Abs. 4 BPolG erschöpft sich vielmehr in der Entscheidung darüber, ob im Fall der Aufgabenwahrnehmung durch die Landespolizei Bundesrecht oder geltendes allgemeines Landespolizeirecht zur Anwendung kommen soll. Hieraus kann nicht hergeleitet werden, dass die Länder befugt sein sollen, für den Fall der Aufgabenwahrnehmung eigenes, neben die Regelungen des Bundespolizeigesetzes tretendes Landesgrenzschutzrecht zu schaffen. Dass der Bundesgesetzgeber das allgemeine Polizeirecht der Länder für die Wahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben durch Einsatzkräfte der Landespolizei als ausreichend ansah, wird durch die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt (Deutscher Bundestag, Schriftlicher Bericht des Innenausschusses vom 20. Juni 1972 zu BT-Drs. VI/3569, S. 5). Das Bundesverfassungsgericht hat vor diesem Hintergrund entschieden, dass § 2 Abs. 1, 4 BPolG keine Delegation der Gesetzgebungsbefugnis an die Länder enthalte (BVerfGE 150, 244 Rn. 57). Dies entspricht auch der ganz herrschenden Auffassung im Schrifttum (vgl. Heintzen in v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73 Rn. 54; Uhle in Maunz/Dürig, GG, Bd. V, Art. 73 Rn. 126).
Die Argumentation der Antragsgegnerinnen, es könne nicht sein, dass durch § 2 BPolG einerseits eine Übertragung von Grenzschutzaufgaben auf die Bayerische Polizei ermöglicht, andererseits aber die Schaffung der erforderlichen landesrechtlichen Eingriffsnormen nicht zugelassen werde, ändert nichts an diesem Ergebnis. Wie bereits ausgeführt, konnte der Bundesgesetzgeber bei der Verabschiedung des Bundespolizeigesetzes davon ausgehen, dass das bestehende allgemeine Polizeirecht der Länder für die Wahrnehmung übertragener grenzpolizeilicher Aufgaben ausreichen, die Schaffung spezieller landesrechtlicher Befugnisnormen für den Grenzschutz also nicht erforderlich sein werde. Selbst wenn sich diese Annahme als unzutreffend erweisen würde, hätte dies nicht zur Folge, dass eine Delegation der Gesetzgebungsbefugnis (nachträglich) in § 2 Abs. 4 BPolG hineingelesen werden könnte.
bb) Die Unvereinbarkeit des Art. 29 PAG mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes liegt offensichtlich zutage und ist inhaltlich als schwerwiegender Eingriff in die Rechtordnung zu werten.
(1) Es unterliegt im Ergebnis keinen Zweifeln, dass Art. 29 PAG Befugnisnormen enthält, die speziell auf die Wahrnehmung von Grenzschutzaufgaben durch die Bayerische Landespolizei zugeschnitten sind. Art. 29 PAG regelt somit trotz der in diesem Bereich bestehenden ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes materielles Grenzschutzrecht. Eine Regelungsbefugnis des bayerischen Normgebers konnte somit von vornherein nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen Ermächtigung in einem Bundesgesetz in Betracht gezogen werden. Dass eine derartige Ermächtigung nicht besteht, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2018 (BVerfGE 150, 244 Rn. 57) entschieden.
Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass dem bayerischen Normgeber mit Blick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 28. März 2003 (VerfGHE 56, 28/45) nicht vorgeworfen werden kann, er habe bei Verabschiedung des PAG-Neuordnungsgesetzes im Mai 2018 sehenden Auges in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingegriffen. Hierauf kommt es für die Beurteilung der Offensichtlichkeit des Verstoßes gegen die Kompetenzordnung jedoch nicht an. Ausschlaggebend ist vielmehr der Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über die Popularklage. Vorliegend ist das Fehlen der Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Bayern für die Regelung des Art. 29 PAG mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 (BVerfGE 150, 244 Rn. 55 ff.) offensichtlich zutage getreten.
(2) Der im Erlass des Art. 29 PAG liegende Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist als gravierend anzusehen. Für die Annahme eines schwerwiegenden Verstoßes spricht bereits, dass der Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes betroffen ist, für den die strenge Sperrwirkung des Art. 71 GG gilt. Das erhebliche Gewicht des Eingriffs ergibt sich in erster Linie jedoch daraus, dass Art. 29 PAG polizeiliche Eingriffsbefugnisse regelt und damit unmittelbare Grundrechtsrelevanz aufweist. Im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes der von polizeilichen Maßnahmen potenziell betroffenen Grundrechtsträger sind an die formelle und materielle Rechtmäßigkeit von Eingriffsnormen besonders hohe rechtsstaatliche Anforderungen zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist zu verlangen, dass Normen, die – wie Art. 29 PAG – als Grundlage für Grundrechtseingriffe dienen, nur unter strikter Einhaltung der kompetenzrechtlichen Grundlagen erlassen werden.
b) Art. 29 PAG verletzt das Grundrecht aus Art. 101 BV. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verstößt eine die Handlungsfreiheit beschränkende Norm, die aus Gründen des objektiven Rechts das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verletzt, damit zugleich gegen das Grundrecht der Handlungsfreiheit (VerfGHE 33, 130/135; 36, 56/69; 44, 109/118). Art. 29 PAG stellt als polizeiliche Befugnisnorm eine die Handlungsfreiheit beschränkende Rechtsvorschrift dar und verletzt nach dem oben Gesagten das Rechtsstaatsprinzip der Bayerischen Verfassung. Dementsprechend ist auch ein Verstoß gegen Art. 101 BV gegeben.
VI.
Die Verfahren sind kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Der Antragstellerin des Popularklageverfahrens sind die durch das Verfahren Vf. 12-VII-19 entstandenen notwendigen Auslagen zur Hälfte aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 3 VfGHG). Einer vollständigen Auslagenerstattung im Verfahren Vf. 12-VII-19 steht entgegen, dass die Popularklage im Hinblick auf Art. 5 POG erfolglos geblieben ist.