Verwaltungsrecht

Überprüfung der festgesetzten Zulassungszahl für Hochschulstudium

Aktenzeichen  M 3 E 16.4133

Datum:
27.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine detaillierte Überprüfung der festgesetzten Zulassungszahl von Amts wegen allein im Hinblick auf die pauschale Behauptung der Antragspartei, die Kapazität sei nicht erschöpft, hat das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht vorzunehmen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich der inhaltlichen Nachprüfung von Kapazitätsberechnungen ist es zwar verfassungsrechtlich grundsätzlich geboten, dass die Verwaltungsgerichte bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von ihrem Erkenntnis- und Erfahrungsstand ausgehend die gegebenen Begründungen nachvollziehen, Streitpunkten entsprechend dem Stand der Rechtsprechung und öffentlichen Diskussion nachgehen sowie die Einwände der Prozessbeteiligten würdigen; dies setzt aber konkrete Einwände gegen die der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde gelegte Kapazitätsberechnung und die Begründung voraus, weshalb trotz der stattgefundenen Überbuchung noch ein weiterer freier Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität vorhanden sein sollte. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragspartei bewarb sich erfolglos um einen Studienplatz an der Hochschule …  (im Folgenden: die Hochschule) im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft für das Wintersemester 2016/2017; die Hochschule lehnte ihre Bewerbung mit dem – mit Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen – Bescheid vom … August 2016 ab. Mit Schreiben vom … August 2016 beantragten die Bevollmächtigten der Antragspartei bei der Hochschule die Zulassung der Antragspartei zum Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft außerhalb der festgesetzten Kapazität wegen der Nichtauslastung der festgesetzten Kapazität.
Am … August 2016 beantragten die Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Antragspartei vorläufig zum Studium Betriebswirtschaft (Bachelor) im 1. Fachsemester, beginnend mit dem Wintersemester 2016/2017 an der Hochschule zuzulassen.
Die Antragspartei begehre ihre vorläufige Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität.
Die Hochschule habe die Kapazität nicht ausgeschöpft.
Die Hochschule hat am 24. November 2016 beantragt, den Antrag abzulehnen.
Mit der Satzung über die Zulassungszahlen im Wintersemester 2016/2017 und im Sommersemester 2017 an der Hochschule vom 6. Juni 2016 sei für das Wintersemester 2016/2017 im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft für das erste Fachsemester eine Zulassungszahl von 185 Studienanfängern festgesetzt worden; bis zum 15. November 2016 seien 212 Studierende im ersten Fachsemester immatrikuliert gewesen, die festgesetzte Kapazität sei damit überschritten worden. Weitere Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität stünden im Studiengang Betriebswirtschaft nicht zur Verfügung.
Die zugrunde liegende Kapazitätsberechnung wurde vorgelegt. Sie bezieht die nicht besetzten Stellen ein und geht aus von
– 49 Professorenstellen und einer Verminderung des Deputats um insgesamt 70 SWS
– 3 Stellen für LfbA mit einem Deputat von einmal 23 und zweimal 19 SWS
– 2 Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter mit einem Deputat von jeweils 10 SWS
– Dienstleistungsexport: 100,4814 SWS
– Bedarf für Fortschreibung aus dem Ausbauprogramm: 18,9213 SWS
– Sb: 773,5973 SWS
– CA: 4,1976
– zp des streitgegenständlichen Studiengangs: 0,7991
– Schwundfaktor: 0,7983, errechnet auf der Grundlage der Zahlen für 5 zurückliegende Semester (Wintersemester 2013/2014 bis Wintersemester 2015/2016).
Das Gericht hat der Antragspartei die Stellungnahme der Hochschule vom 24. November 2016 samt der von ihr vorgelegten Unterlagen übermittelt. Die Antragspartei erhielt Gelegenheit, Stellung zu nehmen und insbesondere darzulegen, weshalb noch ein freier Studienplatz vorhanden sein sollte, an dessen Verteilung die Antragspartei zu beteiligen wäre. Die Antragspartei äußerte sich hierzu innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist nicht.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die von der Hochschule vorgelegten Unterlagen zur Kapazitätsberechnung Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Antragspartei muss demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
Die Antragspartei hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zu dem von ihr gewünschten Studiengang zum Wintersemester 2016/2017 bzw. zum nächstmöglichen nachfolgenden Termin zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie hat sich nicht konkret dazu geäußert, weshalb an der Hochschule … im Wintersemester 2016/2017 im streitgegenständlichen Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft im 1. Fachsemester über die bereits zugelassenen 212 Studierenden hinaus, womit die festgesetzte Zulassungszahl von 185 Studienplätzen erschöpft wurde, ein weiterer Studienplatz zur Verfügung stehen sollte, den sie in Anspruch nehmen könnte.
Die Kammer sieht es – nach der im gebotenen Rahmen vorgenommenen Überprüfung der Kapazitätsberechnung von Amts wegen – nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass an der Hochschule im 1. Fachsemester des Bachelorstudiengangs Betriebswirtschaft im Wintersemester 2016/17 noch ein weiterer Studienplatz vorhanden ist, der von der Antragspartei in Anspruch genommen werden könnte.
Das Gericht hat im Rahmen der von ihm von Amts wegen vorgenommenen Überprüfung für das Studienjahr 2016/17 keine höhere als die festgesetzte Kapazität von insgesamt 369 Studienplätzen festgestellt. Diese jährliche Aufnahmekapazität ist nach der Praxis der Hochschule auf beide Termine des Studienbeginns gleichmäßig aufzuteilen. Die danach auf das Wintersemester 2016/17 entfallende Aufnahmekapazität von 185 Studienplätzen ist bereits vollständig erschöpft.
Einwände gegen die Annahme der kapazitätsdeckenden Vergabe der 212 Studienplätze im Wintersemester 2016/17 wurden nicht erhoben.
Eine detaillierte Überprüfung der festgesetzten Zulassungszahl von Amts wegen, allein im Hinblick auf die pauschale Behauptung der Antragspartei, die Kapazität sei nicht erschöpft, hat das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht vorzunehmen (ständige Rechtsprechung, z.B. VG München, B. v. 30.10.2014 – M 3 E 14.4246, rechtskräftig). Hinsichtlich der inhaltlichen Nachprüfung von Kapazitätsberechnungen ist es zwar verfassungsrechtlich grundsätzlich geboten, dass die Verwaltungsgerichte bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von ihrem Erkenntnis- und Erfahrungsstand ausgehend die gegebenen Begründungen nachvollziehen, Streitpunkten entsprechend dem Stand der Rechtsprechung und öffentlichen Diskussion nachgehen sowie die Einwände der Prozessbeteiligten würdigen (BVerfG vom 22.10.1991 – 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 – BVerfGE 85, 36, Rn 77, betreffend die Zulassung zum Studium der Zahnmedizin). Im vorliegenden Fall hat die Antragspartei keine konkreten Einwände gegen die vom Antragsgegner der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde gelegte Kapazitätsberechnung erhoben und auch sonst nichts vorgetragen, weshalb trotz der stattgefundenen Überbuchung noch ein weiterer freier Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität vorhanden sein sollte. Die mit Antragstellung abgegebene Begründung ist völlig pauschal und geht nicht ein auf die konkrete Kapazitätsberechnung.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1, 2 GKG.


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