Verwaltungsrecht

Unbegründeter Asylantrag eines sierraleonischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  M 30 K 17.44015

Datum:
26.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39134
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Eine grundsätzliche Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit staatlicher Stellen in Sierra Leone ist nicht ersichtlich. Es ist einem Asylbewerber daher möglich und zumutbar, sich bei etwaigen Übergriffen durch Mitglieder seiner Glaubensgemeinde zunächst an die Polizei zu wenden. (Rn. 17) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Es ist nicht erkennbar, wie es der Gemeinde eines Asylbewerbers bzw. einer Kuru-Gruppe ohne ordnungsgemäßes Zivilregister in Sierra Leone gelingen soll, den Betreffenden landesweit aufzufinden. Für den Asylbewerber besteht daher in anderen Landesteilen stets die Möglichkeit internen Schutzes. (Rn. 17) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Es ist davon auszugehen, dass männliche, gesunde und erwerbsfähige Asylbewerber bei einer Rückkehr nach Sierra Leone in der Lage sein werden, sich mittels eigener Arbeitskraft zumindest das Existenzminimum zu sichern. (Rn. 19 und 23) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 25. September 2018 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
In Bezug auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 6 des Bescheids ist die Klage mangels Verpflichtungsantrags bereits unzulässig (vgl. BayVGH, U.v. 12.7.2016 – 10 BV 14.1818 – juris). Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Dieser hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.), des subsidiären Schutzes (2.) oder auf die Feststellung von Abschiebungsverboten (3.) gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Gem. § 3c AsylG kann eine Verfolgung ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG.
Für die Prognose, die bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft anzustellen ist, ist (ebenso wie bei der des subsidiären Schutzes) der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32). Die Tatsache, dass ein Drittstaatsangehöriger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gem. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung bedroht wird.
Hinsichtlich einer individuellen Verfolgung oder Bedrohung muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich ein Ausländer insbesondere hinsichtlich individueller Gründe für einen asylrechtlichen Schutzstatus befindet, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dabei obliegt es dem Ausländer, gegenüber dem Tatsachengericht einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Schutzbegehren lückenlos zu tragen. Der Ausländer muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen; er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – NVwZ 1990, 171; BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – NVwZ 1985, 658; BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Asylsuchenden in der Regel nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – NVwZ 1990, 171; BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – NVwZ 1985, 658).
a) In Anwendung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beim Kläger nicht vor. Er hat weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, dass er in Sierra Leone persönlich in flüchtlingsschutzrelevanter Weise Verfolgung zu befürchten hätte. Das Gericht hält die Angaben des Klägers zu einer Bedrohung durch seine Glaubensgemeinde bzw. die Kuru-Gruppe aufgrund seiner Tätigkeit im Irak bereits für unglaubhaft. Seine Ausführungen zu der angeblichen Ausgrenzung durch seine Glaubensgemeinde sowie den angeblichen Bedrohungen durch eine bewaffnete Gruppe waren sowohl vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung derart vage sowie inhalts- und detailarm, dass nicht von einem wahrheitsgemäßen Vortrag über selbst erlebte Geschehnisse ausgegangen werden kann. Im Rahmen der informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung machte der Kläger überhaupt erst auch mehrfache Nachfragen des Gerichts nach und nach Angaben zu den angeblichen Vorfällen. Dennoch blieben seine Ausführungen knapp und farblos.
Der klägerische Vortrag ist darüber hinaus inhaltlich durch erhebliche Ungereimtheiten und Steigerungen im Hinblick auf das der Ausreise zugrunde liegende Kerngeschehen geprägt, die nicht überzeugend aufgelöst werden konnten. So gab der Kläger vor dem Bundesamt an, dass er nach Beendigung seiner Tätigkeit im Irak immer wieder verfolgt und beschimpft worden sei, dies nicht mehr ausgehalten habe und schließlich von zu Hause weggelaufen sei, um sich in der Wohnung seines Freundes zu verstecken. Die Gemeinde habe seinen Aufenthaltsort erfahren und am 15. Dezember 2013 ein paar bewaffnete Leute geschickt, um ihn zu töten. Sein Freund und er hätten eine Gruppe mit Messern und Stöcken gesehen, die auf das Haus zugekommen seien, und zuerst gedacht, dass es sich um eine Demonstration handeln würde. In der mündlichen Verhandlung brachte der Kläger demgegenüber vor, dass er am 1. Dezember 2013 in Ascension Town von der Kuru-Gruppe mit Waffen verfolgt worden sei. Er habe erst gedacht, dass es sich um eine Demonstration handele. Die Leute hätten aber gerufen, dass sie ihn töten würden, weil er im Irak gekämpft habe. Er sei dann durch die Hintertür weggelaufen zu seinem Freund. Auf Frage des Gerichts, was beim Freund des Klägers geschehen sei, führte er lediglich aus, dass er mit diesem über die Situation gesprochen habe. Sein Freund habe dann ein Visum für die Türkei besorgt. Als er das Visum gehabt habe, sei er ausgereist. Auf Vorhalt seiner Angaben beim Bundesamt, wonach sich die Bedrohung durch eine bewaffnete Gruppe vor dem Haus seines Freundes am 15. Dezember 2013 ereignet habe, gab der Kläger an, dass es einen zweiten Angriff gegeben habe. Auch bei diesem habe er erst gedacht, dass es sich um eine Demonstration handeln würde. Auf Frage des Gerichts, warum der Kläger den ersten Angriff auf sein Haus nicht vor dem Bundesamt erwähnt habe, erklärte der Kläger, dass er angegeben habe, dass man mit Waffen nach ihm gesucht habe. Soweit der Kläger auf Vorhalt seiner widersprüchlichen Angaben zwei Angriffe durch eine bewaffnete Gruppe vorbrachte, geht das Gericht davon aus, dass es sich um eine reine Schutzbehauptung zur Erklärung des widersprüchlichen Vortrags handelt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger den Angriff auf das Haus seines Freundes nicht bereits auf ausdrückliche Frage des Gerichts, was bei seinem Freund geschehen sei, erwähnte, sondern erst auf Vorhalt seiner Angaben beim Bundesamt. Ebenso wenig nachvollziehbar ist, dass der Kläger bei beiden geschilderten Bedrohungen durch eine bewaffnete Gruppe zunächst von einer Demonstration ausgegangen sein will. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung zwei Bedrohungen durch eine bewaffnete Gruppe angibt, ist sein Vortrag zudem auch erheblich gesteigert, ohne dass plausibel dargelegt worden wäre, warum der Kläger nicht bereits vor dem Bundesamt beide Vorfälle angegeben hat. In seiner Anhörung vor dem Bundesamt hatte er nur allgemein ausgeführt, dass er die Anfeindungen durch seine Gemeinde nicht mehr ausgehalten habe und von seinem Haus weggelaufen sei. Auch auf ausdrückliche Nachfrage, wie er von der Gemeinde verfolgt worden sei, brachte der Kläger vor dem Bundesamt lediglich vor, dass man blöde Bemerkungen über ihn gemacht, ihn beschimpft und ihm manchmal den Weg versperrt habe. Eine Bedrohung durch bewaffnete Leute schilderte er lediglich in Zusammenhang mit dem angeblichen Vorfall bei seinem Freund am 15. Dezember 2013. Sollte die Kuru-Gruppe den Kläger tatsächlich umbringen wollen, so ist zudem auch nicht nachvollziehbar, dass sie dies nicht bereits getan hätte, als der Kläger noch während seiner Tätigkeit für die Sicherheitsfirma im Urlaub in seinem Heimatort war, sondern ihn stattdessen seine von der Gruppierung abgelehnte Tätigkeit hat fortsetzen lassen, um ihn erst nach Beendigung derselben mit dem Tod zu bedrohen.
b) Selbst wenn für den Kläger aber an seinem Heimatort aufgrund seiner Tätigkeit für eine Sicherheitsfirma im Irak eine relevante Bedrohung durch Personen aus der örtlichen Gemeinde bestehen sollte, wäre dem Kläger die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes, jedenfalls aber das Ausweichen auf eine inländische Fluchtalternative möglich und zumutbar. Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass er in Sierra Leone keinen Schutz bei der Polizei finde. Weitere Angaben dazu, warum der Kläger sich nicht an die Polizei bzw. staatliche Stellen wenden können sollte, erfolgten jedoch nicht. Eine grundsätzliche Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit staatlicher Stellen in Sierra Leone ist allerdings nicht ersichtlich. Es ist dem Kläger daher möglich und zumutbar, sich bei etwaigen Übergriffen durch Mitglieder seiner Glaubensgemeinde zunächst an die Polizei zu wenden. Soweit die Gemeinde des Klägers sich tatsächlich in schutzrelevanter Weise gegen diesen gewendet haben sollte, wäre dem Kläger zudem jedenfalls das Ausweichen auf eine inländische Fluchtalternative möglich. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass der Kläger auch über vier Jahre nach seiner Ausreise landesweit von seiner örtlichen Gemeinde bzw. der Kuru-Gruppe bedroht sein sollte. Dagegen spricht bereits, dass der Kläger sich unmittelbar nach den angeblichen Bedrohungen durch eine bewaffnete Gruppe noch ungefähr drei Monate in Sierra Leone aufgehalten haben will, ohne dass ihn die von ihm genannte Gruppierung aufgesucht bzw. aufgefunden hätte. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger diesbezüglich an, dass ihm nach dem Angriff im Dezember 2013 bis zur Ausreise im März 2014 in Sierra Leone nichts Besonderes mehr passiert sei. Es ist auch nicht erkennbar, wie es der Gemeinde des Klägers bzw. der Kuru-Gruppe ohne ordnungsgemäßes Zivilregister in Sierra Leone (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.10.2017) gelingen soll, den Kläger in ganz Sierra Leone aufzufinden. Schließlich weiß die örtliche Glaubensgemeinde des Klägers bzw. die von ihm genannte Gruppierung bereits nicht, ob bzw. dass der Kläger wieder nach Sierra Leone zurückkehrt.
Daran ändert auch das Vorhandensein eines Videos, in welchem dem Kläger für den Fall einer Rückkehr gedroht wird, nichts. Bereits der Beweiswert des Videos, welches der Kläger nach seinen Angaben von einem sich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland befindenden Freund erhalten habe, ist zweifelhaft, da letztlich nicht klar ist, wer das Video tatsächlich veranlasst hat. Selbst bei Zutreffen der Angaben des Klägers, dass das Video von der Kuru-Gruppe ausgeht, ist aber keine landesweite Bedrohung für den Kläger ersichtlich. Zwar hat der Kläger pauschal behauptet, dass das Video auch an andere Gruppierungen geschickt worden sei. Weitere substantiierte Angaben hierzu erfolgten jedoch nicht. Im Rahmen der informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger vielmehr an, dass die Kuru-Gruppe in Ascension Town angesiedelt sei und er nicht sagen könne, wie viele Leute Mitglieder dieser Gruppierung seien. Es ist daher weder ersichtlich noch plausibel und nachvollziehbar vorgetragen, dass die vom Kläger genannte Kuru-Gruppe derart einflussreich sein sollte, dass es ihr überhaupt möglich wäre, jemanden in anderen Landesteilen Sierra Leones ausfindig zu machen. Darüber hinaus wäre der Aufwand hierfür enorm im Vergleich zur Chance tatsächlich jemanden zu finden. Ferner ist anhand der Angaben des Klägers auch nicht nachvollziehbar, dass die Gruppierung – selbst wenn es entsprechende Drohungen gegeben haben sollte – dem Kläger tatsächlich auch dann körperlich schaden wollen sollte, wenn er sich von ihrem Einflussbereich fernhält. Nach den Angaben des Klägers vor dem Bundesamt wurden auch andere Personen, die im Irak tätig gewesen sein sollen, lediglich aus seinem Wohnviertel verjagt. Von Leuten, die in Sierra Leone aus einem solchen Grund umgebracht wurden, weiß der Kläger nach seinen Angaben beim Bundesamt nichts. Es ist daher nicht erkennbar, dass der Kläger aufgrund eines Drohvideos, das an nicht näher bezeichnete andere Gruppierungen verschickt worden sein soll, in Sierra Leone landesweit Gefahr laufen sollte, von jemandem erkannt und tatsächlich in schutzrelevanter Weise bedroht zu werden. Vor diesem Hintergrund sah sich das Gericht auch nicht veranlasst über die Kenntnisnahme vom Inhalt des Videos in der informatorischen Anhörung hinaus von sich aus in eine diesbezügliche förmliche Beweisaufnahme einzutreten.
Dem Kläger als gesundem und erwerbsfähigem Mann ist es zudem auch möglich und zumutbar, sich am Standort einer inländischen Fluchtalternative ein neues Leben aufzubauen und sich, z.B. durch Gelegenheitsarbeiten, zumindest sein Existenzminimum zu sichern.
c) Dass der Kläger neben einer Bedrohung durch die Kuru-Gruppe aufgrund seiner Tätigkeit im Irak auch Strafverfolgung zu befürchten haben sollte, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Juli 2017 vortragen lassen, dass er nicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren, insbesondere eine Aufklärung, was er im Irak getan habe, hoffen könne. Nähere Ausführungen hierzu erfolgten jedoch nicht. Insbesondere wurde nicht vorgetragen, dass bzw. warum dem Kläger Strafverfolgung drohen sollte. Auch auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, warum der Kläger aus seiner Sicht auch heute nicht nach Sierra Leone zurückkehren könne, erwähnte der Kläger lediglich eine Bedrohung durch die Kuru-Gruppierung. Gegen eine dem Kläger drohende Strafverfolgung spricht auch, dass er sich während seines Urlaubs und nach Beendigung seiner Tätigkeit im Irak von staatlichen Stellen unbehelligt in Sierra Leone aufgehalten hat.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gem. § 4 AsylG. Nach dem Vortrag des Klägers kommt lediglich eine Gefährdung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG in Betracht. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dem Kläger in Sierra Leone Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen sollte. Der Kläger hat hierfür keine stichhaltigen Gründe vorbringen können. Das Gericht hält den Vortrag des Klägers zu einer schutzrelevanten Bedrohung durch seine Glaubensgemeinde bereits für nicht glaubhaft. Zudem wäre dem Kläger im Falle einer Bedrohung durch Mitglieder seiner Gemeinde bzw. der Kuru-Gruppe die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes, jedenfalls aber das Ausweichen auf eine inländische Fluchtalternative möglich und zumutbar.
3. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Sierra Leone liegen ebenfalls nicht vor. Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich einer Bedrohung durch Mitglieder seiner Glaubensgemeinde bzw. Mitglieder der Kuru-Gruppe ist bereits unglaubhaft. Zudem würden die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes auch bei Zutreffen der Angaben des Klägers zu einer derartigen Bedrohung nicht vorliegen, da ihm die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes, jedenfalls aber das Ausweichen auf einen anderen Landesteil Sierra Leones möglich und zumutbar ist. Von einer landesweiten, schutzrelevanten Bedrohung des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit im Irak ist gerade nicht auszugehen.
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger im Hinblick auf die allgemeine Situation in Sierra Leone oder aufgrund besonderer individueller Umstände eine Gefährdung im Sinne der § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG drohen sollte. Vielmehr ist – den zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes folgend – davon auszugehen, dass der Kläger als gesunder und erwerbsfähiger Mann bei einer Rückkehr nach Sierra Leone in der Lage sein wird, sich mittels eigener Arbeitskraft zumindest eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Diesbezüglich und im Übrigen wird auf die Gründe des angefochtenen Bescheids, denen das Gericht folgt, Bezug genommen und von der weiteren Darstellung abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der § 34, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.

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