Verwaltungsrecht

Unbegründeter Asylantrag staatenloser Palästinenser aus dem Gaza-Streifen

Aktenzeichen  B 3 K 17.32895

Datum:
28.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141769
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
AufenthG § 60 Abs. 5 u. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Beruft sich ein palästinensischer Asylbewerber auf den (allgemeinen) Kriegszustand im Gazastreifen als fluchtauslösendes Motiv, liegt darin keine konkret individuelle Verfolgungshandlung iSv § 3a AsylG gegenüber dem Betroffenen. (Rn. 31) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bei innerstaatlichen Krisen, die über innere Unruhen, Tumulte und vereinzelt auftretende Gewalttaten hinausgehen, scheidet die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts iSv Art. 15c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss jedoch ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie es typischerweise bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen auftritt; er kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das ganze Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG BeckRS 2008, 39031). (Rn. 37) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der die Zuerkennung subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, besteht gegenwärtig in den palästinensischen Autonomiegebieten nicht (mehr). Die für die Beurteilung relevanten Auseinandersetzungen zwischen der im Gazastreifen dominierenden Hamas sowie gemäßigteren palästinensischen Organisationen, insbesondere der Fatah, sind jedenfalls im Gazastreifen nach Abschluss des Versöhnungsabkommens weitgehend eingestellt (vgl. NdsOVG BeckRS 2012, 47012). (Rn. 38) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Ob die nach dem Ende der Militäroperation der israelischen Verteidigungsstreitkräfte am 26. August 2014 latent fortbestehenden, in ihrem Ausmaß schwankenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas als faktische Machthaber im Gazastreifen die Anforderungen eines internationalen bewaffneten Konflikts iSv § 4 Abs. 1 AsylG erfüllen, ist als offen anzusehen. Jedenfalls fehlt es aktuell an der zusätzlich erforderlichen Gefahrendichte für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG (wie VG München BeckRS 2017, 102465). (Rn. 38) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Die derzeitigen humanitären Bedingungen in den palästinensischen Autonomiegebieten führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung palästinensischer Asylbewerber dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliegt. (Rn. 40) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 20.11.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II. Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG sind ebenfalls nicht gegeben. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 – Au 5 K 16.30604 – juris).
Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris).
Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
a) Selbst nach Durchführung der mündlichen Verhandlung konnten die Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten im Sachvortrag der Kläger zu 1 und 2 nicht ausgeräumt werden. Das Gericht konnte nicht von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals überzeugt werden.
Bei der Anhörung beim … am 18.05.2015 gab der Kläger zu 1 an, das Haus des Hamas-Angehörigen, welchen er beobachtet habe, sei im Fastenmonat 2014, etwa zehn Tage vor Kriegsende, bombardiert worden. Diese Angaben sind bereits insoweit widersprüchlich, da der Fastenmonat Ramadan im Jahr 2014 am 28.06.2014 begann und am 27.07.2014 endete, während der „50-Tage-Krieg“ im Jahr 2014 am 26.08.2014 beendet wurde. Demnach schließen sich die genannten Zeitpunkte der Bombardierung, nämlich einerseits im „Fastenmonat“ und anderseits „etwa zehn Tage vor Kriegsende“, schon denknotwendigerweise aus. In der mündlichen Verhandlung am 20.11.2017 präzisierte der Kläger zu 1 sodann den vermeintlichen Zeitpunkt des Bombenangriffs auf den Zeitraum zwischen dem 20. und 25.08.2014. Dies steht zwar nunmehr im Einklang mit der Aussage beim …, der Angriff auf das Haus des Nachbarn sei ca. zehn Tage vor Kriegsende gewesen, jedoch konnte der Kläger zu 1 den Widerspruch zur seinerzeitigen Aussage, der Bombenangriff sei im Fastenmonat 2014 gewesen, nicht glaubhaft widerlegen.
Widersprüchlich sind auch die Angaben zum Zeitpunkt, wann der Kläger zu 1 vom Haftbefehl erfahren haben will. Beim … hat er angegeben, er habe zwei bis drei Monate nach der Bombardierung des Hauses von einem Cousin, der bei der Sicherheitsbehörde der Hamas arbeite, erfahren, dass die Hamas einen Haftbefehl gegen ihn erlassen habe. Andererseits hat der Kläger zu 1 seinerzeit angegeben, sie seien noch an dem Tag, an dem er vom Haftbefehl erfahren habe, ausgereist. Dabei wurde die Ausreise aus dem Gazastreifen auf den 20. oder 21.12.2014 datiert. In der mündlichen Verhandlung gibt der Kläger zu 1 nunmehr an, er habe ca. vier Monate nach dem Krieg vom Cousin erfahren, dass die Hamas gegen ihn einen Haftbefehl erwirkt habe. Trotz Vorhalt des Gerichts konnte der Kläger zu 1 die Widersprüchlichkeiten zu seiner Aussage beim … nicht aufklären. Er führte gegenüber dem Gericht lediglich aus, der Zeitraum von „zwei bis drei Monaten“, den er beim … genannt habe, sei nur „schätzungsweise“ gewesen. Aufgrund des Gesamteindrucks in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger zu 1 seine Angaben in der mündlichen Verhandlung den vom … im beklagten Bescheid aufgeführten Widersprüchlichkeiten angepasst hat.
Diese Einschätzung wird auch durch weitere Unstimmigkeiten bestätigt. Der Kläger zu 1 erklärte auf Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, sie seien am 19.12.2014 mit dem Auto aus vom Heimatort nach … gefahren. Die Klägerin zu 2 erklärte hingegen, sie seien mit dem Auto zu einer Busstation gebracht worden, dann mit dem Bus nach … gefahren. Konfrontiert mit den Widersprüchlichkeiten, erklärte die Klägerin zu 2 lediglich, „dann müsse es wohl so gewesen sein“, wie es der Kläger zu 1 gesagt habe.
Im Übrigen konnte auch die Klägerin zu 2 keinerlei Angaben zum Zeitpunkt der Zerstörung des Hauses in der Nachbarschaft machen und damit zur Aufklärung der widersprüchlichen Angaben ihres Ehemannes beitragen. Sie konnte den Bombenanschlag nicht einmal grob zeitlich einordnen, sondern erklärte dem Gericht nur, sie wisse nicht, wann der Bombenangriff gewesen sei. Seit sie in Deutschland sei, habe sie viel vergessen.
Weiterhin sind die Angaben des Klägers zu 1 einerseits und die seines volljährigen Sohnes Mohammad, der unter dem Az. 5988382 ein eigenes Asylverfahren führte, andererseits, in Bezug auf die Zerstörung des Gemüseladens durch die Hamas widersprüchlich. Der Kläger zu 1 gab beim … und in der mündlichen Verhandlung an, sein Gemüseladen sei bereits im Jahr 2012 in Folge eines Straßenbaus zerstört worden. Sein Sohn Mohammad erklärte hingegen bei seiner Anhörung beim … am 18.05.2015, der Gemüseladen sei im Jahr 2014, einige Monate vor der Ausreise, durch den Straßenbau zerstört worden.
Aufgrund der widersprüchlichen bzw. teils vagen und unsubstantiierten Ausführungen schenkt das Gericht dem Vortrag, der Kläger zu 1 sei wegen eines Haftbefehls seitens der Hamas vorverfolgt ausgereist, keinen Glauben.
b) Soweit die Kläger den (allgemeinen) Kriegszustand im Gazastreifen als fluchtauslösendes Motiv anführen, ist bereits anzumerken, dass insoweit keine konkret individuelle Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG gegenüber den Klägern ersichtlich war bzw. ersichtlich ist. Jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung der Kläger bei Rückkehr in den Gazastreifen.
c) Im Übrigen haben die Kläger zu 2 bis 6 haben keine eigenen Fluchtgründe vorgetragen, sondern sich lediglich auf das Schicksal des Klägers zu 1 berufen.
2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach § 16a Abs. 1 GG.
Zwar sind die Kläger auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, es fehlt aber an den inhaltlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigte i.S.d. § 16a Abs. 1 GG, da nicht einmal die weitergefassten Voraussetzungen des § 3 AsylG glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts dargelegt wurden. Auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz wird verwiesen.
3. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu. Sie können sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG berufen.
a) Es gibt – insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz – keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Gazastreifen ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt nur dann in Betracht, wenn glaubhaft und konkret individuell die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung droht.
b) Den Klägern steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 – C-465.7 – juris).
Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht in den palästinensischen Autonomiegebieten zumindest gegenwärtig nicht (mehr). Die insoweit vorrangig in Betracht kommenden Auseinandersetzungen zwischen der den Gazastreifen dominierenden Hamas sowie gemäßigteren palästinensischen Organisationen, insbesondere der Fatah sind jedenfalls im Gazastreifen nach Abschluss des Versöhnungsabkommens (vgl. dazu etwa, FR v. 14.5.2011, SZ v. 29.4.2011, ICG v. 20.7.2011 sowie „Die Zeit (online)“ v. 25.11.2011) weitgehend eingestellt (so bereits OVG Nds, U.v. 26.1.2012 – 11 LB 97/11 – juris). Im Juni 2014 einigten sich Fatah, Hamas und weitere palästinensische Fraktionen auf eine nationale Einheitsregierung aus parteiungebundenen Ministern (VG Düsseldorf, U.v. 12.4.2016 – 17 K 5235/15.A – juris). Angesichts der fortdauernden Annäherung zwischen Hamas und Fatah ist insoweit jedenfalls auch keine Verschlechterung der Lage absehbar. Ob die nach dem Ende der Militäroperation der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (Operation Protective Edge) am 26. August 2014 latent fortbestehenden, in ihrem Ausmaß nunmehr schwankenden Auseinandersetzungen zwischen Israel, und der Hamas als faktische Machthaber im Gazastreifen die Anforderungen eines internationalen Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (bzw. des Art. 15 c Qualifikationsrichtlinie/Art. 1 Nrn. 3 und 4 ZP I) erfüllen, kann offen bleiben. Jedenfalls fehlt es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts an der zusätzlich erforderlichen Gefahrendichte für eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (vgl. ausführlich VG München, U.v. 2.2.2017 – M 17 K 16.34829 – juris; VG Bayreuth, U.v. 14.8.2017 – B 3 K 17.32290; VG Bayreuth, U.v. 17.11.2017 – B 3 K 16.31777).
4. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).
Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Herkunftsland führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Kläger eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die Verhältnisse im Umfeld der Kläger gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Der Kläger zu 1 hat bereits vor der Ausreise unter gleichen Bedingungen für sich und seine Familie sorgen können und hat angeblich die letzten Jahre vor der Ausreise von Ersparnissen leben können. Beim … gab er zusätzlich an, von der gutsituierten Familie, insbesondere von den Eltern der Klägerin zu 2, unterstützt worden zu sein. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kläger an diese Verhältnisse nicht anknüpfen könnten. Im Übrigen ist der Kläger zu 1 jung, gesund und erwerbsfähig. Es ist ihm, wie bereits früher, zuzumuten durch eigene Erwerbstätigkeit für sich und seine Familie zu sorgen. Insoweit verfügt er auch über Erfahrungen als Gemüsehändler.
5. Anhaltspunkte für Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
6. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn die Kläger sind, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtlinge bzw. Asylberechtigte anzuerkennen noch stehen ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
7. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, sind nicht ersichtlich.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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