Verwaltungsrecht

Unbegründeter Eilantrag gegen Abschiebungsandrohung nach Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  AN 3 S 16.30626

Datum:
8.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36 Abs. 3, Abs. 4
AufenthG AufenthG § 11
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Ein Ausländer, dessen Asylantrag als “offensichtlich unbegründet” abgelehnt worden ist, kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe eine Personenverschiedenheit zwischen Anhörer und Entscheider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegeben, wenn sich die Entscheidung nicht auf subjektive Eindrücke stützt. (redaktioneller Leitsatz)
Auch die Zeitdauer zwischen Anhörung und Entscheidung ist ohne Einfluss auf die Ablehnung des Asylantrags als “offensichtlich unbegründet”. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
4. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR.

Gründe

I.
Die nach eigenen Angaben im Jahr 1984 geborene Antragstellerin ist äthiopische Staatsangehörige mit amharischer Volkszugehörigkeit. Sie reiste nach eigenen Angaben mit einem Schengen-Visum der äthiopischen Botschaft … mit Gültigkeit 28. Juli 2013 bis 10. September 2013 mit einem zuletzt am 10. Dezember 2010 von äthiopischen Behörden ausgestellten Reisepass am 10. August 2013 aus … gemeinsam mit ihrer Arbeitgeberfamilie auf dem Luftweg über einen unbekannten Flughafen in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. September 2013 einen Asylantrag.
Eine Visum-Abfrage unter den von ihr genannten Personalien verlief negativ.
Im persönlichen Gespräch zur Vorbereitung der Anhörung am 13. September 2013 erklärte die Antragstellerin, sie sei vor sieben Jahren (2006) aus Äthiopien zur Arbeitsaufnahme in den Libanon gereist, von dort im Jahr 2011 für kurze Zeit nach Äthiopien zurückgekehrt und dann zur Arbeitsaufnahme nach … gegangen.
In ihrer Anhörung am 16. Juli 2014 erklärte sie, sie habe einen unbeobachteten Moment während eines Einkaufs ihrer Arbeitgeberfamilie hier in Deutschland zur Flucht genutzt.
Ihr Reisepass sei bei ihrem Arbeitgeber geblieben.
Sie sei sowohl von ihrem Arbeitsvermittler/Schleuser als auch von ihrer Arbeitgeberin sexuell missbraucht worden.
Der Kontakt zu ihren Eltern sei während ihres Aufenthalts in … abgebrochen.
Sie habe aus Äthiopien ausreisen müssen, nachdem sie wegen ihrer Betätigung für Kinjiit Probleme mit den Sicherheitskräften bekommen habe und inhaftiert worden sei.
In Deutschland engagiere sie sich für die EPPF. Hierzu legte die Antragstellerin im behördlichen Verfahren eine Mitgliederbescheinigung vom 13. Dezember 2013 sowie eine Teilnahmebescheinigung an einer Veranstaltung vom selben Tag sowie zwei Fotografien vor.
Mit Schreiben vom 9. November 2015 wurde die Antragstellerin zu besonderen Umständen für die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes angehört.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2016, der ausweislich eines Aktenvermerks als Einschreiben am 25. Juni 2016 (gemeint wohl am 25. Mai 2016) an die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin zur Post gegeben wurde, lehnte die Antragsgegerin den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 2), lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und drohte ihr für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder zur Rückübernahme bereiten Staat an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, glaubhaft zu substantiieren, dass ihr im Herkunftsland Verfolgung drohe. Es sei offensichtlich, dass sie problemlos in ihr Heimatland zurückkehren könne.
Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin Klage erheben (AN 3 K 16.30627), die am 2. Juni 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging.
Mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat bislang keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die (gemäß § 75 VwGO ausgeschlossene) aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 19. Mai 2016 anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag hat keinen Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG (1.).
Auch die in Ziffer 6 ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes begegnet bei summarischer Prüfung keinen ernstlichen rechtlichen Bedenken (2.).
1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Aus den Gründen des Bescheides muss sich dabei klar ergeben, weshalb das Bundesamt zu dem Ergebnis kommt, dass die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Asylanerkennung nicht nur schlicht, sondern offensichtlich unbegründet sind. Ferner dürfen keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass kein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes besteht und nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (vgl. BVerfG, U.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris m. w. N.).
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG a.a.O). Von einem Standhalten ist demnach auszugehen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Gemessen an diesen Erwägungen bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel, auch nicht im Hinblick auf das ausgesprochene Offensichtlichkeitsurteil. Insoweit nimmt das Gericht vollumfänglich auf die Begründung des Bescheides mit den Hinweisen auf die zu den angesprochenen Themenkreisen ergangene Rechtsprechung Bezug, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird ausgeführt:
Der Antragstellerin kann sich in diesem Verfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, es habe eine Personenverschiedenheit zwischen „Anhörer“ und „Entscheider“ gegeben, da sich die Offensichtlichkeitsentscheidung nicht auf subjektive Eindrücke (Körpersprache, Stimmlage, Blickkontakt zur Bewertung der Glaubhaftigkeit) stützt, sondern auf den in der Anhörung protokollierten Inhalt der Einlassungen und Schilderungen der Antragstellerin, die objektiv nachvollziehbar und inhaltlich einer Wertung zugänglich sind (VG München, B. v. 31.3.2003 – M 21 S 03.60104 -, juris Rn. 21).
Auch die Zeitdauer zwischen Anhörung und Entscheidung bleibt ohne Einfluss auf das Offensichtlichkeitsurteil. Denn diese Zeitdauer, die ihren Grund nicht in der Arbeitsüberlastung des Bundesamtes hat, wirkt sich lediglich zugunsten der Antragstellerin aus, da weiteres Vorbringen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden kann. Das Offensichtlichkeitsurteil im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 3 AsylG weist in den gesetzlichen Voraussetzungen kein Zeitelement auf und kann deshalb ergehen, sofern seine Voraussetzungen vorliegen.
Nachdem die Antragstellerin keinerlei anhaltendes exilpolitisches Engagement nachgewiesen hat, sondern sich ihr „Engagement“ für die EPPF in der Teilnahme an einer Veranstaltung im Jahr 2013 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Asylantragstellung erschöpfte, hat sie das Bestehen von Nachfluchtgründen – unabhängig von der Frage der Exponiertheit dieser Betätigung – schon nicht im Ansatz glaubhaft gemacht.
In Zusammenschau mit ihren oberflächlichen Schilderungen zum Verfolgungsschicksal in Äthiopien, deren Bewertung durch die Antragsgegnerin aufgrund der detailreichen Niederschrift über die persönliche Anhörung nachvollziehbar ist, bestehen an der getroffenen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Die Antragstellerin verließ bereits 2006 ihr Heimatland, ließ sich ohne Schwierigkeiten einen Reisepass im Jahr 2010 ausstellen und reiste im Jahr 2011 nochmals nach Äthiopien ein- und von dort unbehelligt wieder aus. Überdies verlief die Visumsanfrage negativ, so dass die von der Antragstellerin geschilderten Einreisemodalitäten nicht stimmen können.
Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG bzw. des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Es fällt auf, dass nahezu alle weiblichen Asylsuchenden vortragen, zu ihrer Familie keinen Kontakt zu haben und nichts über deren Verbleib zu wissen. Die Antragstellerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt, warum zu dem von ihr angegebenen Zeitpunkt der Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen sein soll und warum es nicht möglich war, anderweitig Informationen über ihren Aufenthalt zu erhalten. In dem Gespräch zur Identitätsklärung am 18. September 2013 erklärte die Antragstellerin, zu ihrer Familie telefonisch keinen Kontakt aufnehmen zu wollen (Blatt 37 der Akte des Bundesamtes). Nachdem ihre Eltern und eine Schwester sich in Äthiopien aufhalten, geht das Gericht nicht davon aus, dass die Antragstellerin als alleinstehende junge Frau angesehen werden kann, die in Äthiopien keine Möglichkeit hätte, sich eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Sie kann mit der Unterstützung ihrer Angehörigen rechnen. Außerdem verfügt die gesunde Antragstellerin über Berufserfahrung als Frisörin und als Haushaltshilfe, so dass es ihr möglich sein dürfte, ihr Auskommen zu finden.
2. Auch der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheides, mit dem für die Antragstellerin eine Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von 30 Monaten ausgesprochen wurde, hat keinen Erfolg.
Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser Entscheidung unzutreffende Erwägungen zugrunde gelegt oder Belange der Antragstellerin nicht ausreichend berücksichtigt wurden, zumal diese sich hierzu nicht geäußert hat.
Außerdem berührt ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nach § 36 Abs. 3 Satz 11 AsylG nicht die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung. Den Betroffenen ist es nach dem Willen des Gesetzgebers also zumutbar, den Rechtsstreit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG vom Zielstaat der Abschiebung auszuführen.
Auch tritt das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG nur im Falle einer Abschiebung und nicht bei einer freiwilligen Ausreise in Kraft.
Der Antrag war demnach abzulehnen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskotenhilfe war abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO nicht erfüllt sind, nachdem keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen.
Zudem fehlt es an der Vorlage der für die Bewilligung notwendigen Erklärungen der Antragstellerin über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz RVG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben