Verwaltungsrecht

…-Universität M., Humanmedizin, 1. Fachsemester Klinik, patientenbezogene Kapazität

Aktenzeichen  7 CE 22.10000

Datum:
21.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18967
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 49 Abs. 2 Nr. 4, § 52 Abs. 1, § 58 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Es obliegt zunächst dem Verordnungsgeber, unter Beachtung des Gebots der Kapazitätserschöpfung Schlüsse zu ziehen aus dem nunmehr vorliegenden Endbericht der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“ sowie dem Endbericht „Erhebung der Eignungswahrscheinlichkeit und Verfügbarkeit von Patientinnen und Patienten für den patientenbezogenen Unterricht in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“ des Bamberger Centrums für empirische Studien (BACES) für die Berechnungsmodalitäten der Parameter nach § 52 Abs. 1 Satz 2 HZV der Regelstudiengänge der Humanmedizin, 1. klinisches Fachsemester.
2. Im Hinblick auf den Abschlussbericht der AG Modellstudiengänge kommt eine rückwirkende Anpassung der patientenbezogenen Kapazität und damit eine Neuberechnung der Zulassungszahlen für das Studienjahr 2019/2021 schon deswegen nicht in Betracht, weil dieser zum nach § 40 HZV maßgeblichen Zeitpunkt der Kapazitätsberechnung noch nicht vorlag.

Verfahrensgang

M 3 E 21.18014 2021-12-07 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung an einer Universität in der Slowakei abgelegt hat, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der …-Universität M. (M.) im 1. klinischen Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2021. Er macht geltend, dass mit der in der Satzung der M. über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2020/21 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 4. August 2020 festgesetzten Zahl von 433 Bewerberinnen und Bewerbern für das erste Fachsemester des klinischen Studienabschnitts (WS 2020/21: 217; SS 2021: 216) die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 7. Dezember 2021 abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der M. über die kapazitätsdeckend vergebenen 434 Studienplätze hinaus noch weitere Studienplätze im 1. klinischen Fachsemester zur Verfügung stünden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der vorliegenden Beschwerde. Er trägt im Wesentlichen vor, die veralteten klinischen „Kapazitäts-Engpassberechnungsparameter“ und der Begriff der polyklinischen Neuzugänge (§ 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 HZV) seien anzupassen. Das Unterlassen des Antragsgegners, weitere außeruniversitäre Krankenanstalten in Bayern für die klinische Ausbildung anzuwerben, sei unverhältnismäßig. Die klinische Ausbildungskapazität von 926 Studienplätzen und die berechnete patientenbezogene Kapazität von nur 426 Studienplätzen klafften deutlich auseinander. Angesichts der Feststellungen des Endberichts der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“, der Endberichte des Bamberger Centrums für Empirische Studien (BACES) sowie der Stellungnahme des Ausschusses für das Zentrale Verfahren für Kapazitätsangelegenheiten der Stiftung Hochschulstart seien die dort errechneten neuen Parameter auch für die Regelstudiengänge zu übernehmen. Eine Differenzierung zwischen den Modellstudien- und den Regelstudiengängen sei kapazitäts- und verfassungsrechtlich unhaltbar. Voll- oder teilstationär in ein Krankenhaus aufgenommene Privatpatienten bezahlten bereits seit dem Jahr 2014 einen Zuschlag für Ausbildung. Es sei deshalb nicht einzusehen, dass die Patienten der privatliquidierenden Ärzte nicht für die Ausbildung der Studenten zur Verfügung stünden. Der kapazitätslimitierende Faktor der Mitternachtszählung sei veraltet; infolge der vorhandenen neuen technischen Methoden seien auch neue Ausbildungsmethoden für die praktische Ausbildung der Ärzte zu entwickeln. Die Verweildauern hätten sich durch die verschiedenen Gesundheitsreformen drastisch reduziert. Die immer noch geltenden Berechnungsmethoden, wie auch die sog. Mitternachtszählung, führten zu einer dramatischen Ausbildungshürde für den klinischen Studienabschnitt. Unter Beachtung des Grundrechts auf freie Studienplatzwahl und auf Fortsetzung des Studiums nach dem Bestehen der Ärztlichen Vorprüfung seien die fehlerhaften Kapazitätsparameter im Wege der richterlichen Notkompetenz zu korrigieren. Unverständlich sei, dass der Bayerische Gesetzgeber in die novellierte Hochschulzulassungsverordnung den veralteten 15,5% – Parameter wiederum aufgenommen habe. Die Überprüfung der „Engpassparameter“ zu unterlassen, stelle ein schwerwiegendes Abwägungsdefizit des Normgebers zwischen der Freiheit von Forschung und Lehre aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem Studienzulassungsteilhabe- bzw. fortsetzungsrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dar. Zumindest hätte sichergestellt werden müssen, dass auch Privatpatienten und Patienten der Tageskliniken mitgezählt werden und genügend außeruniversitäre Krankenanstalten vertraglich zur Ausbildung mit herangezogen werden können, des Weiteren, dass ein angemessener Abgleich zwischen klinischer Personalkapazität und den sog. patientenbezogenen Einflussfaktoren stattzufinden habe.
Die Praxis der M., die festgesetzte Kapazität für das Wintersemester auf Kosten der Studierendenzahl im Sommersemester gravierend zu überbuchen, zeige, dass im Sommersemester weit mehr klinische Plätze vergeben werden könnten.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde mit Schriftsätzen vom 28. Januar und 31. Mai 2022.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
Das Verwaltungsgericht geht nach eingehender Prüfung der vorgelegten kapazitätsbestimmenden Faktoren und Ergebnisse der hochschulinternen Berechnungen für die Ermittlung der Zulassungszahl hinsichtlich des Studienjahres 2020/2021 zu Recht davon aus, dass die M. ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (1. klinisches Fachsemester) ausgeschöpft hat. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwände des Antragstellers gegen die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität der M. greifen im Ergebnis nicht durch.
1. Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung des Antragstellers, die auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern – HZV – vom 10. Februar 2020 (GVBl S. 87) beruhende Berechnung der patientenbezogenen jährlichen Ausbildungskapazität für den klinischen Teil des Studiengangs Medizin unter Berücksichtigung von 15,5% der tagesbelegten Betten sei trotz des Ärztemangels seit 30 Jahren nicht angepasst worden und deshalb verfassungswidrig. Die Berechnung der Anzahl der Studienplätze im Studiengang Medizin, 2. Studienabschnitt, auf der Grundlage des in § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV festgesetzten Werts von 15,5% der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten und deren Ermittlung durch die sog. Mitternachtszählung wie auch die in § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HZV geregelte Erhöhung durch die poliklinischen Neuzugänge begegnet aus derzeitiger Sicht keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2022 – 7 CE 21.10064 – n.v. Rn. 11 ff.; B.v. 12.8.2021 – 7 CE 21.10051 – juris Rn. 14 f.; B.v. 12.8.2012 – 7 CE 21.10051 – juris Rn. 15; B.v. 21.8.2018 – 7 CE 18.10002 u.a. – juris Rn. 10 ff. jeweils m.w.N.). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens fest.
Die vom Antragsteller begehrte uneingeschränkte Übernahme der im Endbericht der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“, Stand 27. März 2021, empfohlenen Festsetzungen der Äquivalenzwerte von unter anderem 16,22% für den stationären und von 5,86% für den teilstationären Bereich (vgl. S. 14 des Berichts) kommt nicht in Betracht, weil sich die errechneten Parameter ausschließlich auf die Modellstudiengänge der Humanmedizin beziehen. Wie das Verwaltungsgericht zudem zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus der „Stellungnahme des Ausschusses für das Zentrale Verfahren für Kapazitätsangelegenheiten (AZVKapVO) zum Bericht der AG Modellstudiengänge“ (s. Beschlussvorlage für 38. Stiftungsrat vom 13.4.2021 unter Nr. II.3.), dass „die Ausführungen des Endberichts der AG in den Abschnitten 2.4.3 sowie 3.2 …als wertvolle Aspekte gesehen [werden], die jedoch vorliegend keine direkten Auswirkungen auf die Ermittlung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität haben, da sie strukturelle Fragestellungen über die Ermittlung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität sowie über die Modellstudiengänge hinaus aufwerfen. Diese Berichtsteile sind somit vom Rest des Berichts abzugrenzen…“.
Es ist grundsätzlich Aufgabe des Verordnungsgebers, die Entwicklung der maßgeblichen Faktoren zu beobachten und die Normen gegebenenfalls anzupassen. Dabei kommt ihm eine Einschätzungsprärogative zu. Die Zeitabstände für eine Ermittlung der maßgeblichen Umstände, die ohnehin nicht naturwissenschaftlich beweisbar sind, und für eine Überprüfung der Richtigkeit der ursprünglichen Annahmen lassen sich nicht abstrakt festlegen. Solange sich nicht aufdrängt, dass die Regelungen und die ihnen zugrundeliegenden Annahmen fehlerhaft oder überholt sind, ist es nicht Aufgabe des Gerichts, im kapazitätsrechtlichen Eilverfahren die einschlägigen Bestimmungen durch andere Vorgaben zu ersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2014 – 7 CE 14.10038 u.a. – juris Rn. 16). Dem Vortrag des Antragstellers, der Normgeber unterlasse es seit Jahren, die Entwicklung der maßgeblichen Faktoren zu beobachten und die maßgeblichen Parameter für die patientenbezogene Kapazität den geänderten Gegebenheiten anzupassen, kann in Anbetracht des nunmehr vorliegenden Endberichts der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“, Stand 27. März 2021, sowie der „Stellungnahme des Ausschusses für das Zentrale Verfahren für Kapazitätsangelegenheiten (AZVKapVO) zum Bericht der AG Modellstudiengänge vom 31. März 2021“ nicht gefolgt werden.
Im Übrigen obliegt es zunächst dem Verordnungsgeber – ggf. bundesweit, vgl. Art. 12 Abs. 2 des Staatsvertrags über die Hochschulzulassung vom 16. August 2019 (GVBl S. 528) – Schlüsse aus dem nunmehr vorliegenden Endbericht der Arbeitsgruppe „Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“ sowie dem Endbericht „Erhebung der Eignungswahrscheinlichkeit und Verfügbarkeit von Patientinnen und Patienten für den patientenbezogenen Unterricht in den Modellstudiengängen der Humanmedizin“ des Bamberger Centrums für empirische Studien (BACES) für die Berechnungsmodalitäten der Parameter nach § 52 Abs. 1 Satz 2 HZV der Regelstudiengänge der Humanmedizin, 1. klinisches Fachsemester, zu ziehen. Die Arbeitsgruppe Modellstudiengang hat den Auftrag der Untersuchung dahingehend interpretiert, dass die Parameter zur Ermittlung der Kapazität des patientenbezogenen Ausbildungsteils (Patienteneignung, -verfügbarkeit, -bereitschaft) überprüft werden sollen (vgl. Endbericht S. 5). Ziel sei die Festlegung eines neuen Äquivalenzwerts für den Parameter der tagesbelegten Betten von derzeit 15,5%. Der Verordnungsgeber hat zeitnah zu evaluieren, inwieweit die nun vorliegenden Ergebnisse auf die Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität im Regelstudiengang Humanmedizin übertragen werden können. Im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Kapazitätserschöpfung erscheint es – zumindest ohne weitere Begründung – bedenklich, die Evaluation erst mit der für das Jahr 2025 geplanten Änderung der Ärztlichen Approbationsordnung zu verknüpfen, wie dies die Ausführungen des Ausschusses für Zentrale Verfahren für Kapazitätsangelegenheiten (AZV KapVO) in der Stellungnahme zum Bericht der AG Modellstudiengänge in Nr. II 3 nahelegen.
Im Verfahren des Antragstellers bedarf es jedenfalls keiner Vertiefung, ob die in den Endberichten enthaltenen Zahlen – trotz des auf Modellstudiengänge beschränkten Arbeitsauftrags – auch einen Erkenntnisgewinn für die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität der Regelstudiengänge der Humanmedizin enthalten und auf dieser Grundlage die bisher geltenden Parameter des § 52 Abs. 1 HZV evaluiert werden können. Eine rückwirkende Anpassung der patientenbezogenen Kapazität und damit eine Neuberechnung der Zulassungszahlen für das 1. klinische Fachsemester im Studienjahr 2020/2021 kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil zum nach § 40 HZV maßgeblichen Zeitpunkt der Kapazitätsberechnung für dieses Studienjahr noch nicht einmal der Abschlussbericht der AG Modellstudiengänge vorlag. Denn nach § 40 HZV wird die jährliche Aufnahmekapazität auf der Grundlage der Daten eines Stichtags ermittelt, der nicht mehr als neun Monate vor Beginn des Zeitraums liegt, für den die Ermittlung und die Festsetzung gelten.
2. Auch die weiteren Einwände des Antragstellers sind nicht geeignet, das Vorhandensein mindestens eines weiteren freien Studienplatzes für das 1. klinische Fachsemester aufzuzeigen.
a) Nicht zielführend ist die Berufung des Antragstellers auf das „drastische Auseinanderklaffen“ von personeller und patientenbezogener Kapazität. Aus der Größe des Personalkörpers, der für die Lehreinheit tätig ist, und damit aus der Größe der personalbezogenen Kapazität ergibt sich kein Anspruch auf Anpassung der Berechnung der patientenbezogenen Kapazität. Der Festsetzung der Zulassungszahl der im 1. klinischen Fachsemester aufzunehmenden Studienbewerber liegt nicht die aufgrund der personellen Ausstattung berechnete Aufnahmekapazität (§§ 40 ff. HZV) zugrunde, sondern – wegen des Fehlens einer ausreichenden Anzahl geeigneter Patienten für die Ausbildung im klinischen Teil des Studiengangs Medizin (§ 49 Abs. 2 Nr. 4 HZV) – das nach Maßgabe des § 52 HZV anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren überprüfte und zu einer niedrigeren Aufnahmekapazität führende Berechnungsergebnis (§ 52 Abs. 2 HZV). Die danach ermittelte Zahl ist nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HZV im Hinblick auf poliklinische Neuzugänge zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität ist für den Fall vorgesehen, dass in außeruniversitären Krankenanstalten Lehrveranstaltungen für diesen Studienabschnitt vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchgeführt werden (§ 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV). Maßgeblich ist infolgedessen die Anzahl der vorhandenen bzw. geeigneten Patienten, die nicht durch die vom Antragsteller gewünschten Berechnungsmethoden beliebig erhöht und insbesondere nicht durch personelle Kapazität ersetzt werden kann. Zudem ist fraglich, ob die Kritik des Antragstellers im Hinblick auf § 53 Abs. 1 Satz 1 HZV Auswirkungen auf die Zulassungszahlen des klinischen Studienabschnitts haben kann. Liegt – wie das in Bayern an allen Universitäten der Fall ist – das Berechnungsergebnis für den klinischen Teil des Studiengangs Medizin niedriger als das Berechnungsergebnis für den vorklinischen Teil des Studiengangs, kann die Zulassungszahl für den Studiengang Medizin gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 HZV nur dann höher als das Berechnungsergebnis für den klinischen Teil festgesetzt werden, wenn der Freistaat Bayern die Fortsetzung des Studiums nach dem vorklinischen Teil gewährleisten kann. Im Hinblick auf die bestehende Gewährleistung ist zweifelhaft, ob die Einwände des Antragstellers überhaupt faktisch zu freien Studienplätzen im 1. Fachsemester Klinik führen könnten.
b) Ebenfalls nicht durchdringen kann der Antragsteller mit seiner Kritik an der Feststellung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität.
aa) Allein die Tatsache, dass sich die Verweildauer der Patienten in den letzten Jahrzehnten verkürzt und sich damit die Zahl der tagesbelegten Betten bei Anwendung der sog. Mitternachtszählung verringert hat, zwingt nicht dazu – wie der Antragsteller meint -, die Art der Kapazitätsermittlung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV zu ändern. Abgesehen davon wurden bei der Kapazitätsberechnung entgegen dem Vorbringen des Antragstellers auch die teilstationären Patienten, die nicht über Nacht in der Klinik bleiben, berücksichtigt, sowie die Privatpatienten. Ausschlaggebend für die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden ist die Zahl der eine gewisse Zeit anwesenden (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV – „tagesbelegte Betten“), für die Ausbildung bereitstehenden Patienten, die Voraussetzung dafür ist, dass die Ausbildung am Krankenbett durchgeführt werden kann. Das Abstellen auf andere Parameter würde zu einer Änderung der Anforderungen an die Ausbildung der Studierenden, letztlich der Ausbildungsinhalte, führen. Der Teilhabeanspruch nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet jedenfalls keinen Anspruch auf bestimmte Lehrinhalte oder die Veränderung gegenwärtiger Ausbildungsinhalte, auch wenn das zu höheren Ausbildungskapazitäten führen würde. Es besteht lediglich Anspruch auf entsprechende Teilhabe an den vorhandenen Kapazitäten unter Zugrundelegung der vom Gesetzgeber und der Universität als Inhaberin der Lehrfreiheit bestimmten Ausbildungsinhalte. Die Wahl der Ausbildungsmethoden und ihre Gewichtung innerhalb des Studiengangs unterliegen allein dem weiten Gestaltungsspielraum der Hochschule im Rahmen ihrer Lehrfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG, vgl. schon BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 7 CE 18.10011 – Beck RS 2018, 25037 Rn. 9).
bb) Entsprechendes gilt auch für die Rüge des Antragstellers, der Parameter von 15,5% sei auch unter dem Gesichtspunkt veraltet, dass die „antiquierte Ausbildungsmethode ausschließlich am Krankenbett“ durch neue Medien wie z.B. dem „virtuellen Krankenbett“ ersetzt werden könne. Dahingestellt bleiben kann, ob die Kritik des Antragstellers an „antiquierten Ausbildungsmethoden“ berechtigt ist. Jedenfalls ist sie nicht geeignet, das Vorhandensein freier Studienplätze darzulegen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 9 ÄApprO ist als Unterricht am Krankenbett eine unmittelbare Unterweisung am Patienten bzw. eine Untersuchung des Patienten vorgesehen. Die Entscheidung, ob diese Unterrichtsinhalte auch durch eine „Online-Untersuchung“ erfüllt werden können, obliegt einzig dem Gestaltungsspielraum der Hochschule im Rahmen ihrer Lehrfreiheit.
cc) Der vom Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Kapazitätsrechnung Klinik (Betriebsstatistik Januar 2019) sind unter anderem die Zahlen der tagesbelegten Betten und der Poliklinischen Neuzugänge, aufgegliedert nach den einzelnen Fachgebieten, zu entnehmen mit dem Vermerk „inkl. Privatbetten“. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht ohne weitere Ermittlungen die dort angegebenen Zahlen übernommen hat, denn ein Gericht darf den tatsächlichen Angaben eines Trägers öffentlicher Verwaltung im Hinblick auf dessen Pflicht zu wahrheitsgemäßem und vollständigem Vortrag grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen (vgl. BayVGH, B.v. 12.08.2021 – 7 CE 21.10051 – Beck RS 2021,25079 Rn. 13).
dd) Es ist in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt, dass sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV die patientenbezogene Aufnahmekapazität nur dann erhöht, wenn in außeruniversitären Krankenanstalten tatsächlich Lehrveranstaltungen für den genannten Studienabschnitt vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchgeführt werden. Eine Verpflichtung der Universität, zum Zweck der Erhöhung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität außeruniversitäre Krankenanstalten zur Durchführung von Lehrveranstaltungen zu gewinnen, gibt es entgegen der Annahme des Antragstellers nicht (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 7 CE 18.10011 – juris Rn. 12; B.v. 2.9.2014 – 7 CE 14.10172 u.a. – juris Rn. 14). Ein Studienplatzbewerber hat das Recht auf Teilhabe aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG innerhalb der vorhandenen bzw. der ggf. nicht ausgeschöpften Studienplatzkapazitäten (vgl. BVerfG, U.v. 19.12.2017 – 1 BvL 3.14 u.a. – juris Rn. 106 m.w.N.). Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Erhöhung der zur Verfügung stehenden Studienplätze besteht hingegen nicht.
c) Soweit sich der Antragsteller zur Bekräftigung seiner Ansicht darauf beruft, andere Bundesländer hätten den bisher geltenden Parameter für die patientenbezogene Aufnahmekapazität erhöht, betrifft dies ausschließlich Modellstudiengänge Humanmedizin und nicht – wie hier – den Regelstudiengang Humanmedizin.
d) Nicht durchdringen kann der Antragsteller mit dem Argument, die M. habe im Wintersemester 2020/2021 die in der Zulassungszahlsatzung 2020/21 festgesetzte Zahl von 217 Studienplätzen auf 362 Studienplätze überbucht. Entgegen der Ansicht des Antragstellers lassen die Überbuchungen im Wintersemester 2020/2021 nicht den Schluss zu, dass im Sommersemester 2021 wesentlich mehr als die vergebenen 77 Plätze vorhanden sind. Das Verwaltungsgericht hat hierzu zu Recht ausgeführt, dass das 1. klinische Fachsemester sowohl an der M. als auch an der TUM regelmäßig stark überbucht sei. Grund hierfür sei § 58 Abs. 2 Satz 1 HZV, wonach Studierende der gemeinsamen Vorklinik an M. und TUM nach erfolgreichem Abschluss des vorklinischen Teils des Studiengangs Humanmedizin ihr Studium am Studienort München unter den in § 58 Abs. 2 Satz 1 HZV genannten Voraussetzungen fortsetzen, auch wenn dies zu einer „Überlast“ der Universitäten führe, die dann im Verhältnis von 60% zu 40% zwischen M. und TUM aufzuteilen sei. Abgesehen davon liegt der Festsetzung der Zulassungszahl die jährliche Aufnahmekapazität zugrunde, vgl. § 37 Satz 1 HZV. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 der Zulassungszahlsatzung findet eine Zulassung zum ersten Fachsemester des Zweiten Studienabschnitts im Sommersemester nur statt, soweit die Summe der als jährliche Aufnahmekapazität festgesetzten Zulassungszahlen für das erste Fachsemester des Zweiten Studienabschnitts nicht überschritten wird. Gemessen daran hat die M. im Winter- und Sommersemester des Studienjahrs 2020/21 in der Summe die für das erste Fachsemester angesetzten 217 bzw. 216 Studienplätze vergeben. Der errechneten Kapazität von 433 Studienplätzen stehen 434 Studierende gegenüber. Damit ist die errechnete Kapazität ausgeschöpft. Weitere freie Studienplätze stehen nicht zur Verfügung.
e) Der Senat sieht keinen Anlass, eine weitere Aufklärung hinsichtlich der Tageskliniken vorzunehmen. Das Verwaltungsgericht hat sich ausführlich mit dem in den entsprechenden Unterlagen dokumentieren Umfang der im Bereich der außeruniversitären Krankenanstalten vorhandenen und in die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität einbezogenen Patienten befasst (vgl. UA S. 10-13). Hierzu verhält sich der Antragsteller nicht substantiiert.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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