Verwaltungsrecht

Unverhältnismäßigkeit einer fortgesetzten Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  2 CS 20.1199

Datum:
27.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 776
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 34, Art. 37 Abs. 1 S. 2
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine fortgesetzte vierte Zwangsgeldandrohung kann auch im Licht des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG im Einzelfall unverhältnismäßig, weil nicht geeignet, sein. (Rn. 2)

Verfahrensgang

M 8 S 20.121 2020-04-20 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2020 wird die aufschiebende Wirkung der am 10. Oktober 2019 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. September 2019 hinsichtlich Ziffer II. dieses Bescheids angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Verfahrenskosten in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird auf 12.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) des Antragstellers hat Erfolg, weil die dargelegten Gründe eine Abänderung des angegriffenen Beschlusses gebieten (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
Gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestehen erhebliche Bedenken. Daher überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, das gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes bestehende und allein deshalb ein nicht unerhebliches Gewicht aufweisende Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer II 1. des Bescheids vom 25. September 2019. Die erneute Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von je 24.000 Euro für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 11. April 2018 (Nutzungsuntersagung) ist nach der gebotenen, aber im Rahmen des Eilverfahrens auch ausreichenden summarischen Prüfung materiell rechtswidrig. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar kann ein Zwangsmittel gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG so lange und so oft angewendet werden, bis die aufgegebene Verpflichtung erfüllt ist, was hier bislang nicht der Fall ist. Allerdings muss das gewählte Zwangsmittel und damit auch die seiner Anwendung vorausgehende Androhung des Zwangsmittels im Einzelfall verhältnismäßig sein (vgl. BayVGH, B.v. 13.02.1985 – 15 CS 85 A.50 – BayVBl 1985, 501: Unverhältnismäßigkeit der vierten Zwangsgeldandrohung; VGH BW, U.v. 4.12.2003 – 5 S 2781.02 – BauR 2004, 1605: Unverhältnismäßigkeit der dritten (!) Zwangsgeldandrohung). Das gewählte Zwangsmittel muss u.a. geeignet sein, um den Betroffenen zur Erfüllung der ihm aufgegebenen Verpflichtungen anzuhalten, d.h. einen rechtzeitigen und zweckentsprechenden Erfolg im Hinblick auf die Erfüllung der zu vollstreckenden Pflicht erwarten lassen (Art. 34 VwZVG entsprechend). An dieser Voraussetzung mangelt es einer erneuten Zwangsgeldandrohung dann, wenn mehrere vorangegangene Zwangsgeldandrohungen trotz entsprechender Erhöhungen der nachfolgenden Zwangsgelder erfolglos geblieben sind. Das gewählte Zwangsmittel ist entgegen seinem Zweck dann nicht geeignet, den Verpflichteten zur Erfüllung der durchzusetzenden Pflichten anzuhalten. Zwangsgelder sind nach ihrer Zweckbestimmung kein Mittel der Einnahmenerzielung der Verwaltung, sondern Beugemittel. Ihr Sinn und Zweck besteht nicht in einer steten Wiederholung der Androhung nach Fristablauf und Fälligstellung der angedrohten Zwangsgelder ohne Rücksicht auf die mit ihnen durchzusetzenden Pflichten und deren Erfüllung. Wenn die Anwendung des Zwangsmittels keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten lässt, scheidet die Androhung weiterer Zwangsgelder aus. Im vorliegenden Fall ist die weitere (vierte) Zwangsgeldandrohung wohl rechtswidrig. Die Androhung und Fälligstellung von drei Zwangsgeldern in Höhe von insgesamt 87.000 Euro (Bescheid vom 11.04.2018 2x 7.500 Euro, vom 11.09.2018 2x 12.000 Euro, vom 25.04.2019 2x 24.000 Euro) hat den Antragsteller nicht dazu bewegen können, der behördlichen Anordnung nachzukommen. Allein die bisher fällig gestellten Zwangsgelder betragen fast das Doppelte der erzielen Jahresmiete. Zwar zeugt es von einer besonderen Ignoranz und Uneinsichtigkeit des Antragstellers 87.000 Euro an Zwangsgeldern fällig werden zu lassen, es besteht aber kein Anhaltspunkt dafür, dass die Androhung weiterer Zwangsgelder den Antragsteller zu einer Sinnesänderung veranlassen wird. Demgegenüber verspricht der Übergang auf ein anderes gesetzliches Zwangsmittel, hier die Anwendung unmittelbaren Zwangs im Sinn von Art. 34 VwZVG durch Räumung und Versiegelung – auch wenn dies einen höheren Verwaltungsaufwand mit sich bringt – sofortigen Erfolg. Bei Räumung des Hauses müsste der Antragsteller auch auf Mieteinnahmen verzichten. Außerdem fallen ihm die Kosten des Zwangsmittels zur Last.
Es ist für den Senat nicht erkennbar, dass der vorliegende Fall ausnahmsweise anders zu beurteilen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben