Verwaltungsrecht

Unzulässige Klage im Dublin-Verfahren

Aktenzeichen  M 8 K 16.50309

Datum:
7.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG aF § 27a
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 2, Abs. 3, § 34a Abs. 1 S. 1, S. 2, § 74 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat ist der inhaltlichen Prüfung des Asylantrags vorgelagert. Die Beseitigung des den Asylantrag als unzulässig ablehnenden Bescheids nebst Abschiebungsanordnung führt grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrags, weshalb auch nach neuem Recht hierfür die Anfechtungsklage allein statthaft ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Über die Klage kann vom zuständigen Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 Asylgestzt – AsylG; vgl. Beschluss vom 30.11.2016) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Das Verfahren weist keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf; zudem ist der Sachverhalt geklärt (§ 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 27. April 2016 gerichtete Klage ist bereits unzulässig.
Sie wahrt zum einen nicht die einwöchige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Hs. 2 i. V. m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG und § 117 Abs. 5 VwGO analog insoweit auf die Ausführungen in den Nummern I und II.1 der Gründe des Beschlusses des Gerichts vom 11. November 2016 im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, M 8 S 16.50308, Bezug genommen.
Zum anderen fehlt es der Klage an der Statthaftigkeit, soweit der Kläger eine materielle asylrechtliche Entscheidung der Beklagten in Gestalt der Feststellung seiner Asylberechtigung nach Art. 16a Grundgesetz (GG) und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, hilfsweise der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 AsylG sowie weiter hilfsweise der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) begehrt.
Lehnt das Bundesamt auf der Grundlage von § 27a AsylG a. F. (mit Wirkung vom 6.8.2016 ersetzt durch § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. d. F. des Integrationsgesetzes vom 31.7.2016 – BGBl. I, S. 1939) die Durchführung eines Asylverfahrens als unzulässig ab und/oder ordnet nach § 34a Abs. 1 Satz 1 oder 2 AsylG die Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier nach Italien – an, besteht die Besonderheit, dass das Bundesamt lediglich die Frage nach dem für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständigen Mitgliedstaat erwogen hat, sich aber mit der geltend gemachten politischen Verfolgung im Herkunftsstaat des Betroffenen und der Frage der Abschiebung dorthin inhaltlich noch nicht befasst hat. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO), einerseits und die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens andererseits erfolgt in zwei unterschiedlichen, voneinander getrennten Verfahren. Die Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat ist der inhaltlichen Prüfung des Asylantrags vorgelagert. Entscheidungen nach §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 34a Abs. 1 AsylG stellen belastende Verwaltungsakte dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt. Denn bei Stattgabe der isolierten Anfechtungsklage, d. h. im Falle einer gerichtlichen Aufhebung eines auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 AsylG ergangenen Bescheides und der hierauf gestützten Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG, ist das Asylverfahren wegen § 31 Abs. 2 und 3 AsylG kraft gesetzlicher Verpflichtung durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist deshalb gegen eine Feststellung nach § 29 Abs. 1 AsylG allein die Anfechtungsklage statthafte Klageart (vgl. zu § 27a AsylG a. F.: BVerwG, U.v. 27.10.2015 – 1 C 32.14 – juris Rn. 13 ff.).
2. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet.
Der streitbefangene Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG, § 84 Abs. 1 VwGO) nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG und § 117 Abs. 5 VwGO analog insoweit auf die Feststellungen und Begründung des streitbefangenen Bescheids sowie insbesondere auch auf die Ausführungen in den Nummern I, II.2 und II.3 der Gründe des Beschlusses des Gerichts vom 11. November 2016 im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, M 8 S 16.50308, Bezug genommen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vor-läufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozess-ordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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