Verwaltungsrecht

Unzulässiger Antrag auf Zulassung der Berufung: Fehlende ladungsfähige Anschrift

Aktenzeichen  10 ZB 18.1175

Datum:
15.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15918
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1, § 173 S. 1
AufenthG § 54 Abs. 2 Nr. 9
ZPO § 130 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Zur Bezeichnung eines Klägers iSd § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO gehört nach § 173 S. 1 VwGO iVm § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 17.1614 2018-04-24 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein chinesischer Staatsangehöriger, seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen seine durch die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 verfügte Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland weiter.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist bereits unzulässig (1.). Unabhängig hiervon würde auch das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 3 VwGO) keine Zulassung der Berufung rechtfertigen (2.). Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
1. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels sind in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Dem Kläger fehlt für einen Antrag auf Zulassung der Berufung das Rechtsschutzbedürfnis, denn er hat entgegen § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO jedenfalls nach seiner am 7. Juni 2019 erfolgten Ausreise nach China keine aktuelle ladungsfähige Anschrift angegeben. Selbst wenn also die geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen würden, erwiese sich das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, weil die gegen die Ausweisung gerichtete Klage unzulässig geworden ist (BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 10 ZB 15.677 – juris Rn. 3 ff.; BayVGH, B.v. 3.2.2016 – 10 ZB 15.1413 – juris Rn. 3 ff.).
Zur Bezeichnung eines Klägers im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO gehört nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes (Aulehner in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 82 Rn. 8 m.w.N.). Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll dadurch darüber hinaus auch gewährleistet werden, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden und sich im Fall des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. Dies gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten (BVerwG, B.v. 14.2.2012 – 9 B 79.11 – juris Rn. 11) oder wenn sich – wie hier – während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Solches wird nur dann angenommen, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2007 – 19 ZB 06.2329 – juris Rn. 6).
Entspricht die Klage oder das Rechtsmittel nicht (mehr) den Anforderungen des § 82 Abs. 1 VwGO, ist dem Kläger gemäß § 82 Abs. 2 VwGO eine Frist zur Ergänzung seiner Angaben zu setzen. Im vorliegenden Fall wurde der Bevollmächtigte des Klägers mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Juni 2019 aufgefordert, seine aktuelle ladungsfähige Anschrift mitzuteilen; dies ist bis zum heutigen Tage nicht geschehen, weshalb das Rechtsmittel unzulässig geworden ist.
Es kann damit auch offenbleiben, ob der Kläger bereits seit dem 3. Mai 2018 ohne eine ladungsfähige Anschrift im Bundesgebiet war, weil er sich – wie von der Beklagten dargelegt – unter den angegebenen Adressen tatsächlich nicht aufgehalten hat.
2. Selbst wenn man den Antrag auf Zulassung der Berufung als zulässig ansehen wollte, bliebe er in der Sache ohne Erfolg.
a) Aus dem allein maßgeblichen Vorbringen des Klägers im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestünden nur dann, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt worden wäre (BVerfG, B. v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11); dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bejaht, weil der Kläger wahrheitswidrige Angaben zur ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau gemacht habe, um damit unrechtmäßig eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu erlangen. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen den Eheleuten nach ihrer Eheschließung im Dezember 2014 in Wirklichkeit zu keinem Zeitpunkt bestanden habe. Diese tatsächliche Feststellung begründet das Verwaltungsgericht aufgrund seiner Auswertung der Akten, auch der beigezogenen Strafakten, der Befragung des Klägers und der Vernehmung der Ehefrau als Zeugin in der mündlichen Verhandlung eingehend und ausführlich (UA Rn. 22-32).
Der Kläger führt in der Begründung des Zulassungsantrags aus, diese Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgericht sei fehlerhaft, und rügt, die vorgebrachten Tatsachen seien einseitig zu seinen Lasten ausgelegt, für ihn sprechende Gesichtspunkte ignoriert worden. Der Kläger beschreibt sodann umfangreich, wie das Verwaltungsgericht die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau seiner Meinung nach hätten bewerten sollen, ohne aber die schlüssige und nachvollziehbare Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Zweifel ziehen zu können. Neue Gesichtspunkte oder Tatsachen werden nicht genannt, ebenso wenig weitere Beweismittel. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht zugunsten des Klägers sprechende Gesichtspunkte „ignoriert“, sondern aus diesen Gesichtspunkten nicht die vom Kläger gewünschten Schlüsse gezogen. Insgesamt hat der Kläger keinen anderen ernsthaft in Betracht zu ziehenden Sachverhalt dargelegt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 67), aus dem sich ergeben könnte, dass entgegen der Überzeugung des Verwaltungsgerichts doch eine eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers und seiner Ehefrau bestanden hätte.
b) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags nicht gerecht. Es heißt insoweit lediglich, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil das Verwaltungsgericht „hier maßgeblich in den Schutzbereich eines Grundrechts eingegriffen“ und „den Grundsatz der Wechselwirkung völlig missachtet“ habe; mit der vorliegenden einseitigen Begründung ausschließlich zu Lasten des Klägers sei „ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 13 GG nicht gerechtfertigt“. Eine konkrete verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage mit entscheidungserheblicher Bedeutung ist damit nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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