Verwaltungsrecht

Urlaubsabgeltung, Mindestjahresurlaub

Aktenzeichen  3 ZB 22.759

Datum:
8.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16910
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UrlMV § 9
RL 2003/88/EG Art. 7

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 1 K 20.2597 2022-02-16 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 2.207,04 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie auf die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
In der Sache begehrt der mit Ablauf des 30. Juni 2020 in Ruhestand getretene Kläger (Technischer Inspektor, Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage) die finanzielle Abgeltung von 19 Urlaubstagen aus dem Jahr 2018. In diesem Jahr brachte er insgesamt 49 Tage Urlaub ein, davon 48 Tage aus der Übertragung von Urlaubstagen aus Vorjahren und einen Tag aus dem Jahr 2018. Vom 25. Januar bis 23. Februar und vom 5. Oktober bis 18. Dezember 2018 war er dienstunfähig erkrankt. Vor seiner Ruhestandsversetzung befand sich der Kläger vom 1. Januar 2019 bis 30. Juni 2020 in der Freistellungsphase seiner Altersteizeit im Blockmodell (Ansparphase: 1.10.2016 bis 31.12.2018).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für das Jahr 2018 kein abzugeltender Urlaubsanspruch nach § 9 UrlMV oder Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht, da der Kläger in diesem Jahr den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub (20 Urlaubstage) in Anspruch genommen hat; dies gilt unabhängig davon, ob es sich um neuen oder um aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2021 – 2 A 1.20 – juris Ls. und Rn. 20)
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
a. Soweit er meint, die Nichtabgeltung von Urlaubsansprüchen verstoße gegen Art. 33 Abs. 5 GG, das darin enthaltene Alimentationsprinzip und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, vermag er damit nicht durchzudringen. Neben § 9 UrlMV steht dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 2 C 10.12 – juris Rn. 8). Die Abgeltung von Urlaubsansprüchen berührt keinen zu beachtenden hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums und unterliegt daher nicht dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG. Der Abgeltungsanspruch ist kein Alimentationsanspruch, sondern besitzt einen eigenständigen Rechtsgrund außerhalb der Alimentationspflicht. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die den Beamten im Übrigen nicht vor jedem (unverschuldeten) Rechtsverlust bewahrt, ist auf dem Gebiet des Urlaubsrechts durch die jeweils geltenden Rechtsvorschriften konkretisiert. Darüberhinausgehende Ansprüche wie insbesondere auf Urlaubsabgeltung in Geld bestehen für den Beamten grundsätzlich nicht (BVerwG, B.v. 27.10.1982 – 2 B 95.81 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.7.2016 – 3 ZB 15.1469 – juris Rn. 14).
b. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der – wie der Kläger meint – „Ausnahmekonstellation“ des Zusammentreffens von Altersteilzeit, 105 Tagen Dienstunfähigkeit im Jahr 2018 (25.1. bis 23.2. und 5.10. bis 18.12.) und (Vor-)Ruhestand. Dass der Erholungsurlaub nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes seinen doppelten Zweck nicht mehr vollständig erreichen kann, nämlich, dem Beamten zu ermöglichen, sich von der Ausübung seiner Dienstpflichten zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen, ist im Rahmen der Geltendmachung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nach „Beendigung des Beamtenverhältnisses“ (§ 9 UrlMV bzw. Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG „Arbeitsverhältnisses“) die Regel und begründet keinen besonderen „Anlass, den Verfall von Urlaubsansprüchen zur Gewährung einer amtsangemessenen Besoldung finanziell zu kompensieren“.
c. Auch mit seinem Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 6.11.2018 – C-619/16, Kreuziger – C-684/16, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften – jeweils juris), wonach der Urlaubsanspruch dann nicht verfällt, wenn der Dienstherr den Beamten nicht konkret und in völliger Transparenz über seine Urlaubsansprüche informiert, zur rechtzeitigen Inanspruchnahme des Urlaubs auffordert und darauf hinweist, dass der Urlaub andernfalls ersatzlos entfällt, kann der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids darlegen. Denn diese Rechtsprechung schützt nur den durch Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindesturlaubsanspruch. Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, sind nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG erfasst (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 2 C 10.12 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 29.7.2016 – 3 ZB 15.1469 – juris Rn. 6). Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, NB.v. 15.5.2014 – 2 BvR 324/14 – juris Rn. 13). Der Kläger hat unstreitig 2018 an 49 Tagen Urlaub genommen, so dass der Mindesturlaubsanspruch für dieses Jahr vollständig erfüllt ist.
d. Aus der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann schließlich nicht abgeleitet werden, dass in der hier vorliegenden Konstellation für eine wirksame Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auf das Schriftformerfordernis verzichtet werden könnte. Dass eine „förmliche“ Aufforderung des Beamten durch den Dienstherrn, den Mindestjahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 UrlMV einzubringen, erforderlich ist, erlaubt nicht den Umkehrschluss, eine Zusicherung der Abgeltung über den Mindestjahresurlaub hinausgehender Urlaubstage sei mündlich möglich.
2. Die vom Kläger erhobene Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) verhilft dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Kläger beruft sich darauf, dass die angefochtene Entscheidung von der Linie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 6.11.2018 – C-619/16, Kreuziger – C-684/16, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften – jeweils juris) abweiche. Dieses Vorbringen führt neben den unter 1. c. genannten Gründen schon deswegen nicht zur Zulassung der Berufung, weil der Europäische Gerichtshof gemäß der abschließenden Aufzählung in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO kein divergenzrelevantes Gericht ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2002 – 10 ZB 02.1174 – juris Rn. 6; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl. 2021, § 124 VwGO Rn. 53).
3. Es wird keine konkrete Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2021, § 124a Rn. 102 ff.). Hieran fehlt es.
4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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