Aktenzeichen W 1 K 17.33693
Leitsatz
Zeigt der Kläger während der Dauer seines Asylverfahrens dem angerufenen Gericht nicht jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich an, weckt dies berechtigte Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Klage W 1 K 17.30325 als zurückgenommen gilt.
2. Der Kläger hat die Kosten des fortgesetzten Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Verfahrens, über den in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Das Klageverfahren W 1 K 17.30325 ist beendet. Der Einstellungsbeschluss vom 17. Oktober 2017 ist zu Recht ergangen, weil die Klage vom 26. Januar 2017 gemäß § 81 S. 1 AsylG als zurückgenommen gilt.
Entsteht über das Vorliegen der Voraussetzung der gesetzlichen Rücknahmefiktion nach § 81 S. 1 AsylG Streit, hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung des Verfahrens durch Urteil zu entscheiden, wenn ein Beteiligter dies verlangt. Erweist sich, dass die Voraussetzungen der Rücknahmefiktion vorliegen, so ist dies im Urteil festzustellen (Marx, AsylVfG, 9. Aufl. 2017, § 81 Rn. 28). Die Vorschrift sieht mithin – in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl. nur BVerfG, U.v. 07.08.1984 – 2 BvR 187/84, juris 1. Orientierungssatz) – die Verfahrenserledigung kraft Gesetzes wegen unterstellten Wegfalls des Rechtschutzinteresses vor (Neundorf, in: Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 81 AsylG Rn. 4).
Die gerichtliche Aufforderung an den Kläger zur Mitteilung seiner Anschrift ist zu Recht ergangen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung waren erfüllt.
Der Kläger hat trotz der seinem Prozessbevollmächtigten am 14. September 2017 zugestellten Aufforderung des Gerichts vom 7. September 2017 das Verfahren länger als einen Monat nicht betrieben. Die Aufforderung war durch konkrete Umstände veranlasst. Nach Mitteilung sowohl der Ausländerbehörde als auch des Bundesamtes vom 5. September 2017 bzw. 18. September 2017 hatte sich der Kläger seit dem 2. August 2017 nicht mehr in seiner Unterkunft aufgehalten und sei daher zwangsabgemeldet worden. Damit hat der Kläger seine prozessuale Mitwirkungspflicht verletzt, während der Dauer des Asylverfahrens dem angerufenen Gericht jeden Wechsel seiner Anschrift unverzüglich anzuzeigen (§ 10 Abs. 1 AsylG), was berechtigte Zweifel am Fortbestehen seines Rechtsschutzinteresses weckt (vgl. SächsOVG, B.v. 7.6.2017 – 5 A 363/16.A; B.v. 8.8.2013 – A 1 A 219/13 -, jeweils juris). Diese Pflicht trifft gerade auch den Kläger selbst und nicht die Ausländerbehörde oder das Bundesamt, wie der Klägerbevollmächtigte meint; dies ergibt sich bereits eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 AsylG. Darüber wurde der Kläger am 7. März 2016 gem. § 10 Abs. 7 AsylG auch schriftlich belehrt. Deshalb wurde sein Prozessbevollmächtigter mit der gerichtlichen Verfügung vom 7. September 2017 unter gleichzeitiger Belehrung über die Folgen des Nichtbetreibens (§ 81 Satz 3 AsylG) förmlich aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und dazu innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Aufforderung dem Gericht eine aktuelle ladungsfähige Anschrift des Klägers mitzuteilen. Dies war dem Klägerbevollmächtigten nicht möglich, da offenbar in der Zwischenzeit kein Kontakt zwischen ihm und dem Kläger bestanden hat, wie der Schriftsatz vom 10. November 2017 sowie die diesem beigefügte E-Mail zeigen und der Klägerbevollmächtigte zudem in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt hat. Der Kläger hat somit durch sein Verhalten berechtigte Zweifel an seinem Rechtsschutzbedürfnis geweckt, diese Zweifel trotz Aufforderung nicht fristgerecht ausgeräumt und so zu erkennen gegeben, dass er an der Fortführung der Klage kein Interesse mehr hat.
Das vom Klägerbevollmächtigten vorgelegte Schreiben der Ausländerbehörde an den Kläger vom 6. November 2017 ist gerade nicht geeignet nachzuweisen, dass der Kläger zwischen dem 2. August 2017 bis jedenfalls 17. Oktober 2017 nicht unbekannten Aufenthalts war, da es hierzu keine Aussagen trifft. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen das Gericht und seinen Prozessbevollmächtigten über seinen Aufenthalt rechtzeitig zu unterrichten. Soweit der Kläger angibt, seinen Prozessbevollmächtigten per E-Mail über seinen Aufenthalt informiert zu haben, so hat der Prozessbevollmächtigte angegeben keine solche E-Mail erhalten zu haben. Im Übrigen wäre dem Kläger das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen. Grundsätzlich ist das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten dem vertretenen Prozessbeteiligten gem. § 85 Abs. 2 ZPO, welcher über den Verweis des § 173 S. 1 VwGO auch im Asylprozess gilt, zuzurechnen (VG Minden, Beschluss vom 07.11.2016 – 10 L 1597/16.A, juris Rn. 34). Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1982 entschieden, dass die Zurechnung des Verschuldens des Prozessbevollmächtigten im verwaltungsgerichtlichen Asylverfahren mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, vereinbar ist (BVerfG, Beschluss vom 20.04.1982 – 2 BvL 26/81, juris Rn. 48 ff.) und hat diese Rechtsprechung im Jahr 2000 bekräftigt (BVerfG, Beschluss vom 21.06.2000 – 2 BvR 1989/97, juris Rn. 7 ff.; vgl. kritisch zur Zurechnung des Anwaltsverschuldens Schütz, ZAR 2001, 125 ff.).
Der Hinweis des Klägers, dass er den Hausmeister der Unterkunft gefragt habe, ob er nach Köln gehen dürfe, ist unbehelflich. Bereits aus dem üblichen Aufgabenspektrum eines Hausmeisters ergibt sich, dass ein solcher zur Weitergabe verfahrensrelevanter Informationen nicht verpflichtet und daher ungeeignet ist. Zudem ist der Hausmeister auch nicht befugt als Vertreter der Ausländerbehörde aufzutreten und für diese Informationen entgegenzunehmen. Im Übrigen erscheint fraglich, ob der Kläger bei einer Mitteilung an die Ausländerbehörde bereits seinen prozessualen Mitwirkungspflichten ausreichend nachgekommen wäre.
Der Einwilligung der Beklagten bedarf es für die Annahme der Rücknahmefiktion nicht, weil § 81 AsylG insoweit eine abschließende Sonderregelung gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 92 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist (SächsOVG, B.v. 7.6.2017 – 5 A 363/16.A – juris).
Die Kostenentscheidung in dem gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren folgt aus § 81 Satz 2 AsylG.