Verwaltungsrecht

Vermeintliche Konversion zum Christentum im Iran – Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  W 8 K 17.30313

Datum:
24.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
AsylG AsylG § 3, § 4

 

Leitsatz

1. Die (falsche) Bezichtigung als konvertierte Christin durch den Arbeitgeber begründet keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. (redaktioneller Leitsatz)
2. Iranischen Staatsangehörigen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, droht nur dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung, wenn sie im Iran ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Umgekehrt fehlt eine Verfolgungsgefahr, wenn es zu keiner religiösen Betätigung kommt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Gericht ist insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht. Die Klägerin hat im Verlauf des Behördenverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, ungereimte und widersprüchliche sowie teils gesteigerte Angaben gemacht. Demgegenüber ließ sie eine zweifelsfreie, in sich stimmige Verfolgungsgeschichte vermissen. Weiter stützt sie ihre Verfolgungsfurcht im Wesentlichen auf Vermutungen und Spekulationen. So bleiben letztlich nicht ausräumbare, durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens und einer darauf beruhenden tatsächlich drohenden ernsthaften Gefahr.
Widersprüchlich sind schon die Aussagen der Klägerin zu ihrem Aufenthalt vor ihrer Ausreise. So gab sie beim Bundesamt zunächst an, sie habe bis zu ihrer Ausreise in Teheran gewohnt. Es sei eine Eigentumswohnung ihrer Mutter gewesen. Sie habe dort zusammen mit ihrer Mutter gelebt. Kurz darauf erklärte sie bei der Bundesamtsanhörung, sie habe sich seit dem 14. August 2014 bis zu ihrer Ausreise nicht in Teheran, sondern in Rudsar aufgehalten. Auch in der mündlichen Verhandlung gab sie an, sich eine Zeit lang im Norden des Landes bei einem entfernten Verwandten aufgehalten zu haben. Außerdem brachte sie im Gegensatz zu ihren Bundesamtsangaben vor, ihre Mutter sei in dem Moment, als sie das Kündigungsschreiben erhalten habe, schon im Altersheim gewesen, da sie erkrankt gewesen sei.
Weiter gab die Klägerin beim Bundesamt an, sie habe für die Reise ungefähr 18.700,00 EUR gezahlt. Sie habe ein Haus gehabt, welches sie für die Reise verkauft habe. In der mündlichen Verhandlung brachte sie demgegenüber vor, sie habe nach dem Tod ihres Vaters ihre Eigentumswohnung verkauft, um zu ihrer Mutter zu ziehen. Deshalb habe sie über Bargeld verfügt. Sie sei gefragt worden, wie sie ihre Reise finanziert habe. Sie könne sich genau erinnern, dass sie gesagt habe, sie habe ihr Haus verkauft. Sie sei gefragt worden, woher sie 18.000,00 EUR habe. Daraufhin habe sie geantwortet, sie habe ein Haus gehabt, das sie verkauft habe.
Ihre Erklärung bzw. die Erklärung ihrer Bevollmächtigten, dass es sich um Missverständnisse gehandelt habe und auch an der Qualität des Dolmetschers gelegen haben könne, vermag nicht zu überzeugen. Denn die Klägerin bestätigte laut Protokoll gegenüber dem Bundesamt, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe und dass ihr die verfasste Niederschrift rückübersetzt worden sei. Vor diesem Hintergrund fallen die zahlreichen Ungereimtheiten und Widersprüche, wie im Folgenden noch aufgezeigt wird, zum Nachteil der Klägerin ins Gewicht.
Des Weiteren gab die Klägerin bei der Bundesamtsanhörung an, die Polizei habe ihr gesagt, dass sie Teheran nicht verlassen dürfe, bis der Prozess vorbei sei. Später erklärte sie bei der Bundesamtsanhörung jedoch, der Chef der Sicherheitsabteilung habe ihr dies gesagt. In der mündlichen Verhandlung wiederholte sie, dass es der Chef der Sicherheitsabteilung gewesen sei, der ihr gesagt habe, sie solle Teheran nicht verlassen, es würde ein Gerichtsurteil ausgestellt werden. Auf Vorhalt der gegenteiligen Aussage beim Bundesamt wandte die Klägerin ein: Wie könne sie etwas mit der Polizei zu tun gehabt haben? Dann hätten sie sie direkt verhaften können. Letzte Erklärung widerspricht aber ihrer ebenfalls getroffenen Aussage, dass die Polizei noch während ihrer Zeit im Iran zweimal bei der Wohnung ihrer Mutter gewesen sei.
Widersprüchlich ist in dem Zusammenhang auch ihre zunächst getätigte Aussage, sie solle im Teheran bleiben, bis ein Prozess vorbei wäre bzw. bis ein Gerichtsurteil gefallen sei. Demgegenüber verneinte sie bei der Bundesamtsanhörung die ausdrückliche Frage, ob es eine Strafanzeige gegen sie gegeben habe. In der mündlichen Verhandlung wiederum erklärte sie, der Sicherheitschef habe ihr mitgeteilt, dass gegen sie eine Strafanzeige eingeleitet worden sei. Den Widerspruch versuchte sich dadurch aufzulösen, sie sei nicht gefragt worden, ob eine Strafanzeige erstattet worden sei, sondern ob sie schon ein Urteil bekommen habe. Gleichwohl bestätigte sie, dass der Sicherheitschef ihr nur telefonisch gedroht habe. Dem widerspricht die Aussage, dass er darüber hinaus zusätzlich eine Anzeige bei der Polizei erstattet haben sollte. Die Klägerbevollmächtigte merkte in der mündlichen Verhandlung dazu an, dass die Polizei zumindest ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe, während sie in ihrem Schriftsatz vom 6. Juli 2017 noch erklärt hatte, es entziehe sich der Kenntnis der Klägerin, ob tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei.
Zweifelhaft sind auch die Aussagen der Klägerin zu den Hausbesuchen bzw. Durchsuchungen seitens der Polizei. Die Klägerin betonte, sie habe keinen Kontakt mit der Polizei gehabt. Ihre Schwester habe nur gesagt, dass die Polizei zweimal bei ihnen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie, die Polizei sei zweimal bei ihrer Mutter gewesen. Sie erläuterte auf gerichtliche Nachfrage, einmal sei ihre Schwester zufällig in der Wohnung der Mutter gewesen und habe die Polizei persönlich angetroffen, ein zweites Mal habe die Schwester von Nachbarn erfahren, dass die Polizei in der Wohnung der Mutter gewesen sei. Zu dem Zeitpunkt sei die Mutter nicht da gewesen.
Weiter gab die Klägerin – erstmals bei der mündlichen Verhandlung und damit gesteigert – an, dass die Polizei nach ihrer Ausreise aus dem Iran noch zweimal in der Wohnung der Mutter gewesen sei und nach ihr gefragt habe. Dies habe ihre Schwester von den Nachbarn erfahren. Was die Polizei konkret gewollt habe, wisse sie nicht.
Auffällig ist in dem Zusammenhang auch, dass die Polizei angeblich immer nur in der Wohnung der Mutter nach der Klägerin gesucht hat und dort nachgefragt haben soll, aber offenbar kein einziges Mal direkt bei der ebenfalls in der Nähe wohnenden Schwester der Klägerin. Wenn die Polizei bzw. der iranische Staat ein Verfolgungsinteresse an der Klägerin hätte, wäre es nahegelegen, dass sich die Polizei auch bei der nahen Verwandtschaft, wie etwa der einzigen Schwester der Klägerin, nach dem Aufenthalt der Klägerin erkundigt.
Gleichermaßen fällt auf, dass nach Aussage der Klägerin keine öffentlichen Vorladungen oder sonstigen Schreiben staatlicherseits vorliegen, die eine Verfolgungsgefahr bzw. ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staates belegen könnten. Die Klägerin wusste nur von ihrem Kündigungsschreiben zu berichten.
Soweit die Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung angemerkt hat, dass die Polizei zumindest ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe, ist umso unverständlicher, dass sie nicht etwa auch bei der Schwester der Klägerin persönlich vorstellig geworden ist und auch keine Vorladung oder sonstiges Schreiben staatlicher Stellen zugestellt wurden.
Zum Kündigungsschreiben ist noch anzumerken, dass dieses für sich allein kein hinreichender Beleg für eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr ist. Dort ist zwar als Entlassungsgrund genannt, die Nichteinhaltung islamischer Vorschriften bzw. Rituale oder Regeln bzw. Missachtung islamischer Werte und wegen Unruhestiftung am Arbeitsplatz, jedoch würden solche Formulierungen etwa auch passen, wenn sie nur gegen die islamische Kleiderordnung verstoßen hätte. Der Entlassungsgrund besagt nicht zwingend, dass ihr eine Konversion zum Christentum vorgehalten worden ist, geschweige denn ein todeswürdiges Verbrechen gegen Gott oder sonst Verfehlungen, welche auch staatlicherseits verfolgt würden.
Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass ihre Kernaussage insoweit stimmt, dass ihr religiöse Gegenstände seitens des Sicherheitschefs untergeschoben worden seien, um sie als vermeintliche Christin hinzustellen, ist anzumerken, dass ihr gleichwohl keine gravierende Folgen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen müssten, weil sie tatsächlich nach eigenen Vernehmen keine Christin ist und nach dem Koran (vgl. etwa Sure 88, Vers 23/24) nur der von Allah schwer bestraft wird, der sich vom Glauben abkehrt und im Unglauben verharrt. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der oder die Betreffende nicht am Christentum festhält, sondern sich wieder glaubhaft zum Islam bekennt. Im Übrigen droht nach der bestehenden Erkenntnislage iranischen Staatsangehörigen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, nur dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung, wenn sie im Iran ihren Glauben ausüben und an öffentlichen Riten teilnehmen. Umgekehrt fehlt eine Verfolgungsgefahr, wenn es zu keiner religiösen Betätigung kommt (vgl. im Einzelnen nur VG Würzburg, U.v. 11.7.2012 – W 6 K 11.30392 sowie etwa BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris oder HessVGH, U.v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – ESVGH 60, 248; B.v. 11.2.2013 – 6 A 2279/12.Z.A – Entscheiderbrief 3/2013, 5).
Schließlich hat das Bundesamt im streitgegenständlichen Bescheid – gerade im Hinblick auf eine mögliche Bedrohung durch den ehemaligen Sicherheitschef – schon darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin auf internen Schutz verweisen lassen müsse. Der Klägerin sei zumutbar und möglich, sich im Nord-Iran niederzulassen. Auf entsprechenden richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung, wandte die Klägerin nicht etwa ein, dass für sie eine inländische Aufenthaltsalternative aus tatsächlichen Gründennicht bestehe, sondern sie brachte nur vor, dass ihr Leben ohnehin in Gefahr wäre und der Einzelrichter an ihrer Stelle auch nicht im Iran geblieben wäre und sich einer Lebensgefahr ausgesetzt hätte, ohne dies weiter zu plausibilisieren.
Schließlich ist das Gericht des Weiteren nicht davon überzeugt, dass für die Klägerin eine ernsthafte flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund ihrer vermeintlichen Konversion zum Christentum besteht. Denn wie schon ausgeführt, besteht im Iran für christliche Konvertiten nur dann eine beachtliche wahrscheinliche Verfolgungsgefahr, wenn sie ihren Glauben in Gemeinschaft mit anderen ausüben und sich religiös betätigen. Daran fehlt es jedoch bei der Klägerin. Sie hat selbst eingeräumt, sie sei keine Christin. Eine neue Religion sei keine Sache, die man einfach so annehme. Infolgedessen fehlt es an einer Grundlage, dass die Klägerin eine religiöse Praxis oder eine religiöse Betätigung, die im Iran verfolgt wird, zu Wahrung ihrer christlich religiösen Identität an den Tag legt. Es fehlt offenbar an jeglichen religiösen Aktivitäten oder einem christlich geprägten Lebenswandel der Klägerin.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass der Klägerin sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (OVG NRW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 293/17.A – juris; B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.


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