Aktenzeichen 3 CE 22.1051
BayVwVfG Art. 28
Leitsatz
Verfahrensgang
B 5 S 22.234 2022-04-08 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Abänderung von Ziff. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. April 2022 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Gründe, die der Antragsteller innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), führen nicht zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Der 1969 geborene Antragsteller (Verwaltungsamtsrat; Besoldungsgruppe A 12) steht seit 1. Juni 2001 in der Funktion des Geschäftsleitenden Beamten einer bayerischen Verwaltungsgemeinschaft im Dienst der Antragsgegnerin. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 4. März 2022 (richtig: der Klage v. 4.3.2022 – B 5 K 22.235) gegen den Bescheid über die Entbindung als Geschäftsstellenleiter der Verwaltungsgemeinschaft vom 3. Februar 2022 anzuordnen und hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung „nach § 31 Absatz ein S. 2 VwGO“ (richtig: § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) zu verpflichten, den Antragsteller als Geschäftsstellenleiter der Verwaltungsgemeinschaft weiter zu beschäftigen.
Das Verwaltungsgericht hat den nach § 88 VwGO ausgelegten Antrag auf Rückumsetzung auf seinen alten Dienstposten im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu Recht abgelehnt und einen Anordnungsanspruch verneint. Daher kann offenbleiben, ob ein Anordnungsgrund besteht, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht einzugehen war.
Die Umsetzung des Antragstellers ist in formell-rechtlich Hinsicht nicht zu beanstanden.
Die zunächst versäumte Verfahrenshandlung der Anhörung des Antragstellers wurde im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren nachgeholt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG analog; vgl. BayVGH, B.v. 28.06.2011 – 3 CE 11.573 – juris Rn. 25 ff.). Die Antragsgegnerin hat die ausführlichen Stellungnahmen des Bevollmächtigten des Antragstellers zur Kenntnis genommen und sich mit ihnen jeweils auch erkennbar befasst (vgl. Schr. v. 18.3., 4.4., 13.5.2022). Für die bloße Behauptung, der Geschäftsablauf der Antragsgegnerin sei bei einem Krankenstand des Antragstellers von 46 Wochentagen im Jahr 2022 nicht massiv eingeschränkt, gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte; sie liegt bei vernünftiger Betrachtung weder nahe noch ist sie geeignet, die erstinstanzliche Feststellung einer nachgeholten Anhörung auch nur ansatzweise in Zweifel zu ziehen.
Die Umsetzung unterlag nicht der Mitbestimmung des Personalrats, da sie nicht mit dem Wechsel des Dienstorts verbunden war, vgl. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayPVG. Der Einwand der fehlenden Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geht – wie das Verwaltungsgericht zu Recht feststellte – schon deshalb ins Leere, weil bei der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Umsetzung keine Schwerbehindertenvertretung bestand (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2019 – 3 CE 19.715 – juris Rn. 21). Die haltlose Mutmaßung, die Antragsgegnerin habe mit der Umsetzung während der krankheitsbedingten Abwesenheit des Antragstellers absichtlich dessen Hinwirken auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung gemäß § 177 SGB IX ausschließen wollen, ist ohne Relevanz.
Auch die materiell-rechtlich erhobenen Einwendungen der Beschwerdebegründung führen nicht zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Ein sachlicher Grund für den Teilentzug von Aufgaben ist vorliegend aufgrund der belastbaren Anzeichen für eine gesundheitliche Einschränkung des Antragstellers (vgl. Protokoll der Gemeinschaftsversammlung vom 2.2.2022) gegeben und nicht etwa nur vorgeschoben. Die Antragsgegnerin gibt zur Begründung an (vgl. Antragserwiderung v. 18.3.2022), beim Antragsteller bestehe ein chronisches Leiden; in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2021 sei er an 36 Wochentagen dienstunfähig erkrankt gewesen. Dieser krankheitsbedingte Ausfall habe sich im Jahr 2022 derart fortgesetzt, dass er seine Tätigkeit bislang praktisch nicht mehr habe ausüben können. Die Antragsgegnerin befürchte daher einen längeren Ausfall und bezweifle die (uneingeschränkte) Dienstfähigkeit des Antragstellers. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der herausgehobenen Funktion des Geschäftsleitenden Beamten einer Verwaltungsgemeinschaft als einer Kernstelle der Verwaltung habe die Antragsgegnerin beschlossen, den Antragsteller von den Aufgaben als Geschäftsstellenleiter zu entbinden. Es werde eine Neuorganisation des Personaleinsatzes angestrebt. Die Geschäftsstellenleitung solle künftig mit einer Doppelspitze besetzt werden, um einen reibungslosen Geschäftsablauf sicherstellen.
Dem vermag der Antragsteller nicht erfolgreich entgegenzutreten. Die genannten Umsetzungsgründe sind nicht schon deshalb „offenkundig falsch“, weil den Mitgliedern der Gemeinschaftsversammlung zum Zeitpunkt ihres Beschlusses (2.2.2022) nicht bekannt sein konnte, wie sich der Gesundheitszustand des Antragstellers nach dem 7. Februar 2022, dem Ende des Zeitraums seiner damals vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (v. 1.2.2022), entwickelt. Denn für eine entsprechende Umsetzung genügen bereits belastbare Anzeichen für eine gesundheitliche Einschränkung. Dem Dienstherrn sind hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens eines dienstlichen Bedürfnisses sehr weite Grenzen gesetzt. Fällt ein Mitarbeiter in einer für das Funktionieren der Verwaltung zentralen Position, wie hier der Antragsteller als Geschäftsleitender Beamter, wiederholt und länger aus, ist für die Umsetzung ein sachlicher Grund gegeben. Denn durch die organisatorische Änderung wird ein reibungsloser Geschäftsablauf sichergestellt. Der Dienstherr kann aufgrund der in der Vergangenheit festgestellten Krankheitstage reagieren, ohne eine Zukunftsprognose anstellen zu müssen (BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 3 CE 22.44 – juris Rn. 6). Im Übrigen haben sich die Anzeichen für eine gesundheitliche Einschränkung nachträglich auch bestätigt (vgl. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen v. 7./21.2., 15./23.3.2022). Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seinen Dienst seither wiederaufgenommen hätte.
Der Antragsteller hält darüber hinaus die verwaltungsgerichtliche Feststellung (BA S. 12, dritter Absatz), dass er zum Zeitpunkt der Umsetzungsverfügung „wiederholt über längere Zeiträume hinweg dienstunfähig erkrankt“ war, für nicht nachvollziehbar, weil er 2019 an null Wochentagen und 2020 an zwei Wochentagen erkrankt gewesen sei. Dabei blendet er jedoch vollständig aus, dass das Erstgericht zur Untermauerung seiner Feststellung zutreffend und naheliegend zuvörderst auf die Fehltage des Antragstellers in der zweiten Jahreshälfte 2021 (36) und 2022 (10 bis 3.2.2022) abstellte und lediglich ergänzend auf die in den Vorjahren angehäuften Fehltage rekurrierte (2015: 193 Wochentage; 2016: 24; 2017: 62 und 2018: 60).
Das Verwaltungsgericht (BA S. 13, zweiter Absatz) hält dem Vortrag des Antragstellers, sein seelisches Leiden habe sich gebessert und er sei in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2021 (nur) wegen eines Rückenleidens dienstunfähig erkrankt gewesen, zu Recht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die im Jahr 2022 bestehenden Ausfallzeiten durch eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ausgestellt wurden. Der Antragsteller gibt selbst an, im Zeitraum vom 17. bis 26. Januar 2022 und 1. Februar bis 30. März 2022 „wegen seines seelischen Leidens“ arbeitsunfähig gewesen zu sein (Antragsbegründung v. 4.3.2022, S. 2).
Das Verwaltungsgericht argumentiert auch nicht widersprüchlich, wenn es auf der einen Seite ausführt, es sei unerheblich, dass der Antragsteller geltend mache, bei ihm bestehe keine Dienstunfähigkeit (BA S. 13, zweiter Absatz), weil es einer solchen zur Begründung eines sachlichen Grundes für die Umsetzung gerade nicht bedürfe, auf der anderen Seite die Antragsgegnerin aber die Umsetzung gerade mit der Dienstunfähigkeit des Antragstellers begründe (Schr. v. 18.3.2022, Seite 2, vierter Absatz). Denn die Ausführungen des Verwaltungsgerichts bezogen sich auf die Antragsbegründung (v. 4.3.2022, S. 3) zur dauernden Dienstunfähigkeit gemäß Art. 65 Abs. 1 BayBG i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, währenddessen die Umsetzungsbegründung (Schr. v. 18.3.2022) auf die vorübergehende Dienstunfähigkeit des Antragstellers abstellt.
Zur Auffassung des Verwaltungsgerichts (BA S. 14), wonach nicht ersichtlich sei, dass die Antragsgegnerin infolge der Schwerbehinderung des Antragstellers in ihrer Ermessensentscheidung eingeschränkt gewesen wäre, verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller die Antragsgegnerin über seine Schwerbehinderung unterrichtet hat (2.5.2018, 20.1. oder 25.3.2022), war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich (vgl. BA S. 15 „Selbst wenn“). Der Antragsteller habe weder geltend gemacht, dass konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen als Folge der Umsetzung zu befürchten seien, noch habe er derartige Befürchtungen durch Vorlage ärztlicher Bescheinigungen glaubhaft gemacht. Auch im Beschwerdeverfahren verhielt sich der Antragsteller hierzu nicht.
Mit der Rüge der Amtsangemessenheit seines neuen bzw. verbliebenen Aufgabenbereichs wiederholt er im Wesentlichen seine im Antragsverfahren vorgetragenen Argumente. Hierzu führte bereits das Verwaltungsgericht (BA S. 15 f.) zutreffend aus, dass mit der Verantwortlichkeit für das Haupt- und Ordnungsamt und seines weiten Aufgabenbereichs eine hohe Fachkompetenz erforderlich sei und daher nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Antragsteller damit qualitativ oder quantitativ unterfordert wäre. Für die Zulässigkeit einer Umsetzung kommt es allein darauf an, ob der neue Dienstposten dem statusrechtlichen Amt des Beamten entspricht, nicht dagegen auf den Umfang etwaiger Leitungsaufgaben (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.1991 – 2 C 41.89 – juris Rn. 20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 3 GKG. Eine Halbierung, wie vom Verwaltungsgericht vorgenommen, kommt nicht in Betracht, weil der Antragsteller in der Sache eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung begehrt (NdsOVG, B.v. 3.12.2021 – 5 ME 92/21 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 21.2.2022 – 3 CE 22.44 – juris Rn. 14; B.v. 29.6.2021 – 6 CE 21.896 – juris Rn. 16).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).