Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  AN 18 S 21.00375

Datum:
6.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4736
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
IfSG § 30 Abs. 1 S. 2
BayVwVfG Art. 35

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die wegen „Quarantäneanordnung“ mit Schriftsatz vom 4. März 2021 zuletzt gestellten Anträge, namentlich:
„Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügungen des Gesundheitsamtes … vom 28.02.2021 wird angeordnet.
Hilfsweise:
Es wird im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt, dass die Verfügungen des Gesundheitsamtes … vom 28.02.2021 rechtswidrig sind und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen.“
beziehen sich bei sachgerechter Auslegung des Vorbringens der Antragstellerin (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) auf einstweiligen Rechtsschutz sowohl gegen eine in der streitgegenständlichen E-Mail des Gesundheitsamtes des Landratsamts … vom 28. Februar 2021 nach Meinung der Antragstellerin enthaltene Anordnung der häuslichen Quarantäne ihrer Mitarbeiter/-innen als auch gegen eine vermeintlich darin angeordnete Herausgabe personenbezogener Mitarbeiterdaten und haben bereits mangels Zulässigkeit weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.
1.
Die Zulässigkeit des Hauptantrages setzt für die Statthaftigkeit des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO voraus, dass es sich bei den vermeintlich ausgesprochenen „Anordnungen“ um in der Hauptsache anfechtbare Verwaltungsakte i.S. des Art. 35 BayVwVfG handelt. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Entscheidend kommt es mithin darauf an, dass das konkrete Handeln der Behörde eine „Regelung“ bezweckt, d.h. es muss darauf gerichtet sein, gegenüber dem Betroffenen Rechte und Pflichten oder einen Rechtsstatus verbindlich und in einer der Bestandskraft fähigen Weise festzulegen. Bloßen Vorbereitungshandlungen einer Behörde kommt daher keine Regelungswirkung in diesem Sinne zu; sie schließen kein Verwaltungsverfahren ab, sondern bereiten einen Verwaltungsakt lediglich vor (vgl. zum Ganzen von Alemann/Scheffczyk in BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2021, § 35 Rn. 139 ff).
Ob eine Erklärung der Behörde eine so verstandene Regelung bezweckt, ist maßgeblich anhand einer Würdigung ihres objektiven Sinngehalts nach dem sogenannten Empfängerhorizont zu ermitteln, also danach, wie der Adressat sie unter Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände verstehen durfte und musste, wobei z.B. äußere Form, Abfassung, Begründung, Beifügen einer Rechtsmittelbelehrungund vergleichbare Gesichtspunkte mögliche – freilich nicht je für sich zwingende – Anhaltspunkte bieten können, ferner aber auch alle sonstigen bekannten oder erkennbaren Begleitumstände, die mit dem Vorgang in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang stehen. Nur wenn hiernach noch Unklarheiten bestehen, gehen diese zu Lasten der Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1998 – 6 C 6.98 – juris Rn. 29).
Dies zugrunde gelegt enthält die streitgegenständliche E-Mail nach der Gesamtheit aller konkreten Umstände vorliegend keine Regelung im oben verstandenen Sinn, mithin also keinen in der Hauptsache anfechtbaren Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Schon die formale Gestalt spricht gegen einen dem Inhalt der E-Mail beizumessenden Regelungscharakter. Anders als es der aus rechtsstaatlichen Gründen gebotenen Typik von Verwaltungsakten entspricht, existiert kein textlich sichtbar abgesetzter, die Regelungen beinhaltender Verfügungsteil und auch keine für eine Verbindlichkeit sprechende Rechtsbehelfsbelehrung:. Zwar können diese lediglich formalen Umstände allenfalls (erste) Indizien dafür sein, dass die behördliche Erklärung aus dem Empfängerhorizont betrachtet keine Regelungen enthält. Allerdings kommt man hier auch bei Bewertung des Inhaltes aus der gebotenen Sicht eines verständigen Empfängers unter Berücksichtigung aller Umstände klar zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner mit seinen Ausführungen keine Regelungswirkung gegenüber der Antragstellerin bezweckt hat.
Soweit die Antragstellerin in dem Schreiben eine vermeintlich gegen sich gerichtete Quarantäneanordnung erkennen mag, ist diese Sichtweise unter anderem einer isolierten Betrachtung und damit einhergehenden Überinterpretation des in diesem Zusammenhang verwendeten Begriffs „Anordnung“ geschuldet. Ein derartig isoliertes Verständnis des in der E-Mail enthaltenen Satzes widerspricht aber gerade der Notwendigkeit der Beurteilung des Inhaltes aus Sicht eines verständigen Empfängers, der sich dem Kontext, in dem diese Aussage steht, nicht verschlossen hätte. Berücksichtigt man nämlich den Gesamtzusammenhang, so wird deutlich, dass die Aussage zur Quarantäneanordnung lediglich als Begründung dafür verstanden werden kann, warum die Antragstellerin textlich unmittelbar anschließend um bestimmte Informationen gebeten wird. Dies ergibt sich nicht nur konkludent, sondern sogar eindeutig sprachlich durch die Verwendung des Wortes „daher“ (vgl. „Bitte teilen Sie uns daher … mit“). Insofern kann der zwischen den Beteiligten strittige Satz betreffend die Quarantäneanordnung bei objektiver Lesart nur als bloße (Hintergrund-)Information ohne regelnden Charakter verstanden werden.
Aber auch unabhängig von der gebotenen Beurteilung des Textes in seiner Gesamtheit musste sich der Antragstellerin selbst bei isolierter Betrachtung aufdrängen, dass hierin keine an sie gerichtete Regelung enthalten sein kann, da lediglich von der Anordnung der Quarantäne „für die Mitarbeiter“, also von einer gegen Dritte gerichteten Verfügung gesprochen wird, was insofern – jedenfalls ohne weitergehenden Hinweis auf eine eventuelle Duldungspflicht – schon aus sich heraus sinnvollerweise nur als bloße Information gedeutet werden konnte.
Auch soweit die Antragstellerin um Mitteilung bzw. Eingabe entsprechender Daten in eine Liste gebeten wird, welche Mitarbeiter sich wie lange im betroffenen Zeitraum in den jeweiligen Hallen aufgehalten haben, kann das Gericht hierin entgegen dem Vortrag der Antragstellerin bei verständiger Würdigung keine Regelung im oben verstandenen Sinne erkennen. Ausweislich des Wortlautes ist das Auskunftsbegehren in Form einer bloßen „Bitte“ formuliert. Zwar kann auch eine formal als Bitte gefasste Aufforderung im Einzelfall einen Regelungscharakter im Sinne der Auferlegung entsprechender Handlungspflichten aufweisen. Dies erfordert aber einen über die bloße Bitte hinausgehenden Regelungsgehalt, der das vom Adressaten begehrte Handeln nicht nur als Gefälligkeit, sondern als Verpflichtung qualifizieren lässt (so bspw. bei OVG NRW, U.v. 26.9.2017 – 14 A 1167/16 – juris). Dies ist vorliegend gerade nicht gegeben. Vielmehr muss – wie oben schon betont – auch hier der Gesamtkontext der E-Mail berücksichtigt werden, wonach die Bitte um Mitteilung während eines gegen die Mitarbeiter der Antragstellerin gerichteten Verwaltungsverfahrens erfolgt, zu dem sie – insbesondere mangels rechtstechnischer Hinzuziehung – auch keine Beteiligte i.S.d. Art. 13 BayVwVfG ist. Der Antragstellerin musste also anhand der Kenntnis der Gesamtumstände bewusst sein, dass sich der Antragsgegner innerhalb eines für die Antragstellerin fremden Verwaltungsverfahrens in der Phase der Sachverhaltsermittlung befindet. Vor diesem Hintergrund kann das in der E-Mail enthaltene Auskunftsverlangen aus Sicht eines verständigen Adressaten nur als ein solches im Sinne des Art. 26 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG verstanden werden, das per se nicht als Regelung und damit als Verwaltungsakt einzuordnen ist (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk, 9. Auflage 2018, § 26 Rn. 36). Unterstützt wird dieses Verständnis schließlich auch dadurch, dass der Antragsgegner sich abschließend vor der Grußformel für die „Unterstützung“ bedankt, was bei gebotener Betrachtung aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus nochmals unterstreicht, dass die in der E-Mail enthaltenen Bitten eben nicht auf die Auferlegung von Handlungspflichten, sondern auf die freiwillige Mitwirkung der Antragstellerin gerichtet sind. Gleiches gilt auch, obgleich dies nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens gemacht wurde, für die an die Antragstellerin gerichtete Bitte, alle betroffenen Mitarbeiter über die Notwendigkeit der häuslichen Qualität zu informieren.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen kann das Gericht schließlich auch dem Vortrag der Antragstellerin nicht folgen, es sei mit der E-Mail jedenfalls der Rechtsschein eines Verwaltungsaktes gesetzt worden. Zwar wäre ein derartiger Rechtsschein bereits ausreichend für die Statthaftigkeit eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO. Allerdings wurde oben eingehend ausgeführt, warum die Antragstellerin bei unbefangener Lesart den in der E-Mail getroffenen Aussagen keine Regelungswirkung beimessen konnte und durfte. Unabhängig davon wäre ein entsprechender Rechtsschein, wie der Antragsgegner zu Recht vorträgt, spätestens mit dessen E-Mail vom 2. März 2021 von 11.32 Uhr und damit noch vor Anhängigkeit des hiesigen Verfahrens (Eingangszeitpunkt bei Gericht: 2. März 2021 um 12.02 Uhr) beseitigt gewesen.
2.
Die Zulässigkeit des hiernach seitens des Gerichtes noch zu prüfenden Hilfsantrages scheitert schließlich an der fehlenden Möglichkeit des Vorliegens eines vorläufig festzustellenden Rechtsverhältnisses, da der Antrag auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit vermeintlich in der streitgegenständlichen E-Mail enthaltener Verfügungen gerichtet ist, solche aber nach den Ausführungen zum Hauptantrag gerade nicht vorliegen. Im Übrigen war der Hilfsantrag gemäß § 123 Abs. 5 VwGO auch schon aus Gründen der Subsidiarität gegenüber dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Nr. 1.5 beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen – dies ist hier der Fall -, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht. Da sich die Antragstellerin hier sowohl gegen eine vermeintliche Quarantäneanordnung wie auch gegen eine vermeintliche Anordnung zur Herausgabe von personenbezogenen Mitarbeiterdaten, also gegen unterschiedliche Streitgegenstände mit selbstständiger Bedeutung, wendet, wurden die Werte der einzelnen Anträge addiert (vgl. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 i.V.m. § 39 GKG). Die Hilfsanträge haben sich gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG hingegen nicht streitwerterhöhend ausgewirkt.


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