Aktenzeichen 20 F 2/16
§ 99 VwGO
Verfahrensgang
vorgehend OVG Lüneburg, 6. Januar 2016, Az: 14 PS 5/15, Beschluss
Gründe
I
1
Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren Auskunft über die bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten.
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Nach Aufforderung durch das Verwaltungsgericht legte der Beklagte lediglich einen Teil der bei ihm zur Person des Klägers geführten Unterlagen, und diese wiederum mit Schwärzungen, vor. Die Vorlage der vollständigen Unterlagen lehnte der Beklagte mit Sperrerklärung vom 23. Oktober 2015 ab unter Verweis auf den Schutz der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes, insbesondere den Schutz der Informationsquellen und der Methoden der Informationsgewinnung, und den Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter. Auf Antrag des Klägers legte das Verwaltungsgericht das Verfahren dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung vor. In einem Aktenvermerk des Verwaltungsgerichts wurde dabei festgehalten, dass eine förmliche Verlautbarung zur rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits entbehrlich sei; denn es komme offensichtlich auf das tatsächliche Vorliegen der in § 13 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG genannten Gründe an, das nur anhand der zurückgehaltenen Aktenteile überprüft werden könne.
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Mit Beschluss vom 6. Januar 2016 hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage im einzelnen bezeichneter Unterlagen rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Weigerung des Beklagten rechtmäßig, weil insoweit die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vorlägen und die darauf bezogene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden sei. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
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Die Beschwerde ist nur zu einem geringen Teil begründet. Über die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf die im Entscheidungsausspruch bezeichneten Unterlagen bezieht. Die weitergehende Beschwerde ist unbegründet. Insoweit hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angeforderten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag demnach abzulehnen ist.
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1. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts den Antrag des Klägers auf Entscheidung gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zulässig erachtet. Ein solcher Antrag eines Verfahrensbeteiligten setzt grundsätzlich voraus, dass das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen ordnungsgemäß bejaht hat. An einem hiernach in aller Regel erforderlichen Beweisbeschluss oder einer vergleichbaren förmlichen Äußerung des Verwaltungsgerichts zur Klärung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits fehlt es. Denn das Verwaltungsgericht hat die Akten lediglich formularmäßig – ohne dokumentierte rechtliche Erwägungen – mit der Eingangsverfügung angefordert. Dieses Vorgehen ist indes unschädlich, denn die zurückgehaltenen Unterlagen sind, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, für den geltend gemachten Auskunftsanspruch zweifelsfrei rechtserheblich. Zwar ist die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten nicht bereits Streitgegenstand des Verfahrens der Hauptsache. Aber auch über die Rechtmäßigkeit der auf § 13 Abs. 2 NVerfSchG in der Fassung vom 6. Mai 2009 (a.F.) gestützten Verweigerung weitergehender Auskünfte kann, wie im Aktenvermerk des Verwaltungsgerichts festgehalten, nur nach Beiziehung der Akten entschieden werden (siehe auch BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 20 F 1.13 – juris Rn. 15).
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2. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom 23. Oktober 2015 differenzierend für die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft. Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Januar 2014 – 20 F 1.13 – juris Rn. 18 f. und vom 21. August 2012 – 20 F 5.12 – juris Rn. 4 m.w.N.). Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Im Falle des Informantenschutzes tritt neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sicherzustellen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 20 F 11.10 – BVerwGE 137, 318 Rn. 10 f. m.w.N.). Sind Behörden – wie dies namentlich auf die Verfassungsschutzämter zutrifft – bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 – 2 C 10.02 – BVerwGE 118, 10 ).
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3. Hiernach ist die Weigerung des Beklagten, die im Entscheidungsausspruch aufgeführten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig. Für diese Aktenteile ist nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ihre Vorlage vollständig ausschließen bzw. vorgenommene Schwärzungen rechtfertigen (a). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, rechtlich nicht zu beanstanden (b).
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a) Die Unterlage Blatt 10 der Beiakte 4 betrifft die Bearbeitung des Auskunftsantrags des Klägers. Der Beklagte hat die Vorlage dieser Aktenseite unter Verweis auf den Schutz der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes abgelehnt. Gründe, die Offenlegung dieser Unterlagen in Gänze zu verweigern, sind jedoch nicht ersichtlich, zumal die inhaltlich identische Unterlage Blatt 150 der Beiakte 3 teilweise offengelegt worden ist. Die Angabe, dass der Kläger ein Auskunftsersuchen gemäß § 13 NVerfSchG a.F. gestellt hat, ist nicht geheimhaltungsbedürftig; auch ist nicht erkennbar, warum der Umstand, dass eine andere Stelle im Hause des Beklagten um fachliche Stellungnahme gebeten worden ist, schon für sich genommen nicht offengelegt werden kann, ohne die Funktionsfähigkeit der Behörde zu beeinträchtigen. Der Beklagte hätte deshalb – wie bei Blatt 150 der Beiakte 3 geschehen – prüfen müssen, ob berechtigten nachrichtendienstlichen Belangen durch eine Teilschwärzung der Unterlage Rechnung getragen werden kann.
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Vergleichbares gilt für die Unterlagen Blatt 22 bis 24 der Beiakte 4. Hierbei handelt es sich um einen Aktenvermerk, mit dem die Beantwortung des Auskunftsersuchens des Klägers vorbereitet und Erwägungen zu der Ermessensentscheidung nach § 13 Abs. 2 NVerfSchG a.F. dargelegt werden. Der Beklagte beruft sich insoweit auf die Gefahr einer Ausforschung der Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden. Diese Besorgnis kann aber soweit ersichtlich die vollständige Zurückhaltung dieser Schriftstücke nicht rechtfertigen. Soweit in diesem Vermerk auf die Tatsache des Auskunftsersuchens hingewiesen und rechtliche Vorgaben des § 13 NVerfSchG a.F. referiert werden, ist für ein Geheimhaltungsbedürfnis nichts dargetan. Es erschließt sich nicht, weshalb diese Aktenseiten vollständig zurückgehalten werden müssten und berechtigten Geheimhaltungsinteressen, etwa des Quellenschutzes, nicht durch eine Teilschwärzung genügt werden könnte.
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Blatt 154 der Beiakte 3 und – damit inhaltlich identisch – Blatt 168 der Beiakte 3 sowie Blatt 8 und 21 der Beiakte 4 enthalten ausdrücklich als “offen” bezeichnete Erkenntnisse über den Kläger, die auch in der Verbescheidung seines Auskunftsantrags Niederschlag gefunden haben. Deswegen ist nicht ersichtlich, dass eine Schwärzung der auf diesen Aktenseiten darüber hinaus enthaltenen, insbesondere die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes betreffenden und damit schutzwürdigen Inhalte, nicht ausreichend gewesen wäre.
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Entsprechendes gilt für Blatt 82 und 83 der Beiakte 3, in denen über “offene Erkenntnisse” über eine Veranstaltung und geplante Gegendemonstrationen berichtet wird.
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Auf Blatt 111 und112 der Beiakte 3 werden allgemeine Erkenntnisse über den Kläger wiedergegeben. Es wird indessen nicht dargelegt, noch ist es im Übrigen ersichtlich, dass insoweit jegliche Offenlegung wegen entgegenstehender Geheimhaltungsbedürfnisse, insbesondere wegen des Schutzes der Methoden der Informationsgewinnung des Verfassungsschutzes, unterbleiben müsste.
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Schließlich sind die Schwärzungen auf Blatt 137 der Beiakte 3 zu beanstanden. Zwar können auch Randbemerkungen, Hervorhebungen und Unterstreichungen geheimhaltungsbedürftig sein, wenn und soweit sie Rückschlüsse auf ein spezifisches Erkenntnisinteresse, die Arbeitsweise und/oder den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörden erlauben (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2009 – 20 F 11.08 – juris Rn. 9). Ob hier Unterstreichungen in den Akten irgendwelche Erkenntnisinteressen indizieren, die aufgrund des gegebenen Zusammenhangs nicht ohnehin auf der Hand liegen, kann dahinstehen. Denn jedenfalls kann eine Schwärzung, die eine im Original vorhandene Unterstreichung nur noch umso deutlicher hervortreten lässt, die ihr zugedachte Funktion – im Unterschied zu dem dann angezeigten Vorgehen im Wege der “Weißung” bzw. der Vorlage von Austauschblättern – nicht erfüllen.
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b) aa) Im Übrigen bestätigt die Durchsicht der dem beschließenden Fachsenat im Original vorliegenden Unterlagen, dass der Beklagte das Vorliegen von Weigerungsgründen jeweils zu Recht angenommen hat.
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Dabei ist unschädlich, dass Blatt 183a der Beiakte 3 in der Sperrerklärung nicht ausdrücklich aufgeführt wird. Denn die insoweit einschlägigen Darlegungen zum Weigerungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO, wie sie sich in den allgemeinen Ausführungen unter Ziffer I. 3.b und c der Sperrerklärung finden (“Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter”; “Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Hervorhebungen und Querverweise”), drängen sich ohne weiteres auf.
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Soweit der Beklagte sich auf den Schutz von Informationsquellen beruft, gibt es keine konkreten Anhaltspunkte, die die Fortdauer eines rechtlich gebotenen Informantenschutzes infrage stellen könnten. Zwar sind die Behörden bei Unterlagen, die sich auf weit zurückliegende Vorgänge beziehen, gehalten, im Anschluss an eine dokumentierte Nachprüfung darzulegen, dass die einem Informanten ausdrücklich zugesagte oder als Grundlage der Zusammenarbeit vorausgesetzte lebenslange Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten die Verweigerung der Aktenvorlage trotz des Zeitablaufs noch trägt (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 20 F 10.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:201216B20F10.15.0] – juris Rn. 12 f.). Die zeitlichen Verhältnisse geben hier aber keinen Anlass zu einer solchen Vergewisserung.
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Zu Unrecht meint der Kläger, die personenbezogenen Daten Dritter, die ihm wegen eines gemeinsamen Auftretens oder Zusammentreffens bei Veranstaltungen und sonstigen Zusammenkünften ohnehin bekannt seien und die zusammen mit ihm von einer behördlichen Datenerhebung betroffen gewesen seien, ihm gegenüber nicht geheim gehalten werden müssten. Ungeachtet der Frage der Gewichtung der privaten Interessen der Beteiligten ist dies aber jedenfalls deswegen unzutreffend, weil die Offenlegung der Daten Dritter auch die Funktionsfähigkeit der Verfassungsschutzbehörden beeinträchtigen kann. Denn daraus können wiederum Rückschlüsse auf Erkenntnisinteressen und den Erkenntnisstand der Behörden gezogen werden.
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Schließlich geht der Beklagte zu Recht davon aus, dass die Identität aller Bediensteten der Verfassungsschutzbehörden, die nicht mit originären Verfassungsschutzaufgaben befasst sind, nicht zuletzt im Interesse der Aufgabenerfüllung der Behörde zu schützen ist; anderes gilt für die Beschäftigten, die die Behörden nach außen vertreten.
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bb) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen genügt. In diese Abwägung hat er auch das grundrechtlich durch Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Interesse Dritter an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten eingestellt; dieses Interesse hat er nicht als grundsätzlich unüberwindbar eingestuft.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.