Verwaltungsrecht

Voraussetzungen eines erneuten Antrages zur Aufhebung der vorläufigen disziplinarrechtlichen Dienstenthebung; Abänderungsverfahren

Aktenzeichen  15 B 5/22 MD

Datum:
21.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 15. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0221.15B5.22MD.00
Normen:
§ 80 Abs 7 VwGO
§ 61 Abs 3 DG ST 2006
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen eines erneuten Antrages zur Aufhebung der vorläufigen disziplinarrechtlichen Dienstenthebung (§ 61 Abs. 3 DG LSA (juris: DG ST 2006 ) i.V.m. § 80 Abs. 7 VwGO).(Rn.57)
(Rn.60)

Tenor

Der Antrag nach § 61 Abs. 3 DG LSAi.V. § 80 Abs. 7 VwGO wird abgelehnt.
Der Antrag auf gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens wird nach § 93 VwGO abgetrennt und unter dem Az: 15 B 8/22 MD fortgeführt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Oberbürgermeister und Hauptverwaltungsbeamter der Stadt A-Stadt und wendet sich – erneut – gegen seine vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vom 07.06.2021 durch den Antragsgegner als obere Kommunalaufsichtsbehörde (§ 76a Abs. 1, § 34 Abs. 2 Satz 1 DG LSA). Er begehrt letztendlich die Abänderung des Beschlusses des Disziplinargerichts vom 16.12.2021 (15 B 20/21 MD; juris), mit welchem das Disziplinargericht den Antrag auf Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung nach § 61 DG LSA ablehnte. Das Disziplinargericht führte in dem Beschluss aus:
„Unter dem 19.02.2021 leitete der Antragsgegner gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts eines Dienstvergehens im Zusammenhang mit den vorzeitigen Impfungen nicht schutzberechtigter Personen ein.
Dem Antragsteller wird vorgeworfen, mit folgenden Handlungen schuldhaft Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, indem er:
a) das sogenannte Ad-hoc-Verfahren eingerichtet habe und habe anwenden lassen, sodass es abweichend von der durch die Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-Cov-2 (CoronaImpfV) festgelegten Impfreihenfolge zu einem rechtswidrigen Vorziehen zum Zeitpunkt der Impfung nicht anspruchsberechtigter Personen gekommen sei; dadurch seien in dem Zeitraum vom 05.01.2021 bis 06.02.2021 in mindestens 585 Fällen Personen ohne vorliegende Impfpriorität geimpft worden;
b) den Stadträten der Stadt A-Stadt trotz fehlender Impfpriorität nach der CoronaImpfV im Rahmen des von Ihm eingerichteten Ad-hoc-Verfahrens am 11.01.2021 ein „Impfangebot“ unterbreitet habe;
c) zugestimmt habe, selbst eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 nach Entscheidung des Zufallsgenerators im Ad-hoc-Verfahren trotz fehlender Impfpriorität nach der CoronaImpfV zu erhalten und sich dann am 17.01.2021 habe impfen lassen;
d) wahrheitswidrige Aussagen
1. gegenüber der Allgemeinheit, der Presse, dem Stadtrat und dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt gemacht habe, indem er vorgegeben habe, dass vor Anwendung des Ad-hoc-Verfahrens in mindestens 585 Fällen (letzter Anruf vor Entsorgung), stets alles getan worden sei, um nach § 2 CoronaImpfV berechtigte Personen oder Personen einer individuell von den Impfteams und den Krankenhäusern geführten Härtefallliste eine Impfung anzubieten und hier niemand habe gefunden werden können;
2. gegenüber der Allgemeinheit, der Presse, dem Stadtrat und dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt gemacht habe, indem er angegeben habe, dass die Impfungen im sog. Ad-hoc-Verfahren für Personen aus den Gruppen Rettungsdienst, Fachärzte mit Aerosolbelastung (Augen, HNO, Zahn, Anästhesie), Stadtrat, Katastrophenschutzstab, Dialyse, Onkologie, Impfteam unter Anwendung des Zufallsgenerators und im Sechs-Augen-Prinzip erfolgt seien, nachdem keine nach § 2 CoronaImpfV berechtigten Personen und keine Personen der Härtefallliste für die Impfungen zur Verfügung gestanden hätten;
3. gegenüber der Allgemeinheit, der Presse und dem Stadtrat getätigt habe, indem er erklärt habe, die Krankenhäuser seien für die Verteilung des ihnen zugeordneten Impfstoffs verantwortlich.
Unter dem 21.04.2021 wurde das Disziplinarverfahren bezüglich weiterer Handlungen ausgedehnt; nämlich:
e) mehrere Sitzungen des Stadtrates am 09.02/11.02./12.02./22.02./15.03./07.04.2021 nicht vorbereitet zu haben bzw. sich nicht enthalten und seinen allgemein Vertreter mit der Angelegenheit beauftragt zu haben.
f) mit dem amtlichen Briefkopf als Oberbürgermeister und der Funktionsbezeichnung sowie der Inanspruchnahme sachlicher/personeller Mittel der Stadt Anschreiben mit Gutachten des Prof. R… vom 19.03.2021 und 29.03.2021 mit persönlichen Ansichten in eigenen Angelegenheiten versandt habe.
g) mit E-Mail vom 29.03.2021 an den Beigeordneten B… zwei Gutachten habe versenden lassen, welches die Weisung enthalte, die Disziplinarverfahren gegen die Beigeordneten G…, M… und B… unverzüglich einzustellen und dadurch auf die Disziplinarverfahren unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung Einfluss genommen habe.
h) die Weisung zur Anfertigung eines wahrheitswidrigen Vermerks am 04.02.2021 (rückdatierter Vermerk vom 05.01.2021) gegenüber Herrn S… und die Weisung zur Unterzeichnung eines von ihm anschließend geänderten Vermerks gegenüber Herrn S…, Frau G… und Herrn zur N… erteilt habe.
i) den unter h) benannten wahrheitswidrigen Vermerk durch Einstellen auf den Internetseiten der Stadt A-Stadt am 07.02.2021 und durch Anschreiben an alle Stadträte vom 09.02.2021 und durch das Schreiben an Frau Ministerin Grimm-Benne vom 10.02.2021 veröffentlicht habe.
j) am 05.02.2021 eine Änderung vorgenommen oder eine Weisung an Frau E… zur nachträglichen wahrheitswidrigen Änderung des Protokolls der Sitzung des Katastrophenstabes vom 05.01.2021 erteilt habe.
Weitere Ausdehnungen des behördlichen Disziplinarverfahrens erfolgten nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verfügung am 20.08.2021 (Sachverhaltskomplex „EVG“) und am 08.10.2021 („Tarifwidrige Beschäftigung BE 239“).
Die Verfügung vom 07.06.2021 zur vorläufigen Dienstenthebung wird darauf gestützt, dass die Vielzahl und insbesondere die Schwere der vorgehaltenen disziplinarrechtlich relevanten Pflichtverletzungen die Prognose nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA begründeten, dass im späteren (gerichtlichen) Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Auf jeden Fall sei die vorläufige Dienstenthebung auf jede der alternativen Tatbestandsvoraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA zu stützen. Zielsetzung der vorläufigen Dienstenthebung sei es, eine weitere Beeinträchtigung der Ermittlungen durch den Antragsteller auszuschließen.
Es sei zu befürchten, dass der Antragsteller seine Vorgesetztenposition weiter ausnutze, um Einfluss auf die Mitglieder des Katastrophenschutzes und andere städtische Bedienstete zu nehmen und die Öffentlichkeit, Vorgesetzte oder übergeordnete Ministerien, die Staatsanwaltschaft oder den Präsidenten des Landesverwaltungsamtes als Disziplinarbehörde unrichtig in Kenntnis setze, ggfs. weitere Unterlagen erstelle oder erstellen lasse, die sein Handeln rechtfertigen sollten, ggfs. auch Unterlagen, die ein ungünstiges Licht werfen, unterdrücken könnte. So das jüngst verfasste Schreiben an den Beigeordneten R… und die Verwendung dienstlicher Ressourcen zur Versendung und Bekanntmachung der privaten Verteidigungsstrategien des Antragstellers. Damit nehme er starken Einfluss auf die Willensbildung der Bürger und erzeuge einen falschen Rechtsschein. Der Antragsteller versuche mit Gegenanschuldigungen die Aufmerksamkeit von seinen Verfehlungen umzulenken und sich als Opfer zu stilisieren. Eine Bereitschaft zur Aufklärung sei nicht zu erkennen. Das von dem Antragsteller beauftragte Gutachten zeige ausweislich der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein rein theoretisches, nicht aber das tatsächlich verwirklichte Szenario.
Weiter sei sicherzustellen, dass das Dienstgeschäft nicht beeinträchtigt werde. Die Beherrschbarkeit der Pandemie hänge nicht zuletzt davon ab, dass das Impfmanagement der Kommune funktioniere und auf Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung stoße. Die mangelnde Bereitschaft des Antragstellers, andere Zuständigkeiten, Kompetenzen und Ansichten zu akzeptieren, stütze die Prognose, dass mit seinem Verbleiben im Dienst der Betrieb wesentlich beeinträchtigt und notwendige Anpassungen nicht umgesetzt werden könnten. Dabei sei ganz wesentlich das endgültig zerrüttete Verhältnis zwischen Antragsteller und dem Stadtrat zu berücksichtigen. Denn die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat stelle die wesentlichen Dienstgeschäfte dar. Der Stadtrat habe als Dienstvorgesetzter des Antragstellers, Kontrollorgan und Hauptorgan der Kommune unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe deutlich gemacht, dass er sich von dem Antragsteller nicht zum Mitwisser und Profiteur machen lassen. Der Stadtrat habe den Ausführungen des Antragstellers ernsthaft widersprochen. Schließlich sei das durch das Verbot der Amtsgeschäfte postuliert worden. Der Antragsteller nehme durch die mediale Vermarktung bewusst Einfluss auf die Meinungsbildung, was als gravierende Störung des Dienstbetriebes zu werten sei.
Schließlich stehe die vorläufige Dienstenthebung nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme. Denn das Verhalten des Antragstellers stelle eine erhebliche negative Vorbildwirkung dar und bediene Auffassungen in der Bevölkerung, dass Mandatsträger zuerst an sich selbst und ihnen Gleichgestellte denken würden.
II.
Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet. Die vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige disziplinarrechtliche Dienstenthebung nicht aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.
1.) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einem Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Vorliegend stützt der Antragsgegner als zuständige Disziplinarbehörde die vorläufige Dienstenthebung ausdrücklich und selbständig auf beide Tatbestände.
Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 7. Auflage 2021, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregelung zu treffen.
2.) Das Disziplinargericht legt seiner Entscheidung allein die selbständig tragende Begründung zur vorläufigen Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA zugrunde. Die Suspendierungstatbestände nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 DG LSA stehen selbständig nebeneinander; liegt einer dieser Tatbestände vor, genügt dies zum Ausspruch der vorläufigen Dienstenthebung, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit des anderen Tatbestandes ankommt (VG Magdeburg, Beschluss v. 25.04.2017, 15 B 3/17; juris).
Ob die dem Antragsteller vorgehaltenen zahlreichen beamten-, kommunalverfassungs- und auch strafrechtlichen sowie statusrechtlichen Pflichtverletzungen tatsächlich vorliegen und bereits zum gegenwärtigen entscheidungserheblichen Zeitpunkt die Prognose rechtfertigen, dass bei Fortgang der Ermittlungen und Erhebung der Disziplinarklage tatsächlich zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen, muss vorliegend nicht geprüft werden und darf der sorgfältigen und umfassenden Prüfung im weiteren anhängigen behördlichen Disziplinarverfahren vorbehalten bleiben.
a.) Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen vorzunehmen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die – spätere – Disziplinarklageschrift müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige – evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende – Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (vgl. nur: VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; vgl. zusammenfassend zuletzt: VG Magdeburg, Beschluss v. 26.05.2016, 15 B 8/16 MD; alle juris).
b.) Verfahrensfehler im behördlichen Disziplinarverfahren, welche auch auf die streitbefangene disziplinarrechtliche Suspendierungsverfügung durchschlagen würden, sind nicht ersichtlich.
Als Oberbürgermeister ist der Antragsteller (hauptamtlicher) “Beamter auf Zeit” und unterliegt den beamten- und disziplinarrechtlichen Regelungen (§ 6 BeamtStG; § 7 LBG LSA; § 60 Abs. 1 KVG LSA, 1 Abs. 1 DG LSA; vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 24.11.2020, 15 A 12/19; Urteil vom 06.11.2013, 8 A 9/12 MD und Beschluss v. 26.05.2016, 15 B 8/16 MD mit weiteren Nachweisen auch zu ehrenamtlichen Bürgermeistern; alle juris). Gemäß § 76 a Abs. 1 DG LSA ist der Antragsgegner als obere Kommunalaufsichtsbehörde an Stelle der obersten Dienstbehörde bei Hauptverwaltungsbeamten zu den Maßnahmen nach § 38 DG LSA befugt (vgl. VG Magdeburg, Urteil v. 20.04.2021, 15 A 14/20; juris).
Soweit der Antragsteller das Disziplinargericht darüber informiert, dass er gegen den oder die Ermittlungsführer sowie Mitarbeiter des Antragsgegners und auch gegen den Präsidenten des Landesverwaltungsamtes aktuell behördliche Befangenheitsanträge gestellt hat, ist nicht ersichtlich, dass sich dies auf die gerichtliche Prüfung des hier zu entscheidenden Antrages nach § 61 DG LSA auswirkt. Denn zum Zeitpunkt der hier zu überprüfenden Verfügung zur vorläufigen Dienstenthebung lagen diese Anträge nicht vor. Zudem ergibt sich daraus kein automatisches Ausschlussrecht zur Bearbeitung durch die Behördenmitarbeiter. Denn die Entscheidung über behördliche Befangenheitsanträge richtet sich nach § 3 DG LSA, § 21 VwVfG LSA.
Gleiches gilt für die vom Antragsteller gerügte Verschleppung des Verfahrens. Ein entsprechender Antrag ist nicht gestellt und ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Mängel und Fehler des behördlichen Disziplinarverfahrens sind – soweit die Suspendierungsentscheidung nicht davon betroffen ist – erst bei der gerichtlichen Überprüfung einer ergangenen Disziplinarverfügung oder der Erhebung der Disziplinarklage zu prüfen. Denn das behördliche Disziplinarverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
c.) Das Disziplinargericht folgt nicht den Ausführungen des Antragstellers, wonach die gegen ihn erhobenen disziplinarrechtlichen Vorwürfe „unter keinen denkbaren Gesichtspunkten aufrechterhalten werden“ können, sich „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht eines Dienstvergehens“ ergeben und das „Disziplinarverfahren sofort einzustellen“ sei.
Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens von Amts wegen setzt am Legalitätsprinzip an (BVerwG, Urteil v. 29.07.2010, 2 A 4.09; juris). Danach muss der Verdacht eines Dienstvergehens hinreichend konkret sein und bloße Vermutungen sind nicht ausreichend. Dadurch soll die Sachaufklärung sichergestellt werden. Ermittlungen nach § 17 DG LSA dürfen nur eingeleitet werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Das schließt Ermittlungen aus, durch die erst festgestellt werden soll, ob solche Tatsachen vorliegen. Es genügen also nicht bloße Vermutungen, Gerüchte oder ähnliches (zweifelhaft: anonyme Anzeige). Hinreichende Tatsachen können sich ergeben aus Hinweisen von Verwaltungsangehörigen, Aktenvorgängen, aber auch aus schriftlichen oder mündlichen Mitteilungen von Verwaltungsfremden. Die dem Dienstvorgesetzten bekannt gewordenen Tatsachen müssen den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, d. h. dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen würde, wenn sich die verdächtigten Tatsachen als wahr erweisen würden. Der Verdacht bezieht sich zunächst also nur auf das Vorliegen einschlägiger Tatsachen. Über die Rechtsfrage, ob die verdächtigte Tat auch den Tatbestand eines Dienstvergehens erfüllt, muss Gewissheit bestehen (vgl. ausführlich nur: VG Magdeburg, Urteil v. 08.03.2021, 15 A 14/19 MD; Urteil v. 13.12.2012, 8 A 7/11 MD; Thüringer OVG, Urteil v. 06.11.2008, 8 DO 584/07; juris; zusammenfassend: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 7. Auflage 2021, § 17, Rz. 5).
Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt der Einleitungsverfügung erfüllt und liegen zudem auch weiter zum Zeitpunkt der gerichtlichen Überprüfungsentscheidung nach § 61 DG LSA vor. Der Einleitungsverfügung vom 19.02.2021 lagen zunächst Vorwürfe bezüglich der vorzeitigen Impfung nicht schutzberechtigter Personen zugrunde. Im Laufe der Ermittlungen wurde das Disziplinarverfahren unter dem 21.04.2021 diesbezüglich weiter ausgedehnt. Diese Vorwürfe gründen auf konkrete und benannte Sachverhalte und sind durch Medienberichte publik geworden, sodass der Antragsgegner zutreffend seinerseits seine Dienstpflicht zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens erkannte. Die Vorwürfe sind somit nicht “aus der Luft gegriffen” oder gar als politisch motiviert anzusehen, um dem Antragsteller persönlich zu schaden, ihn zu diskreditieren oder ihn aus politischen Gründen von der Amtsführung fernzuhalten, wie es der Antragsteller andeutet. Schließlich dauern die Ermittlungen noch an und sind unter dem 20.08.2021 – also nach Erlass der hier streitgegenständlichen Verfügung – erneut wegen eines anderen Sachverhaltes („EVG“) und unter dem 08.10.2021 wegen „Tarifwidriger Beschäftigung BE 239“ ausgedehnt worden, sodass die Voraussetzungen für die Durchführung des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht etwa entfallen sind.
Rechtlich zutreffend handelt der Antragsgegner weitere im Rahmen der Ermittlungen zu Tage tretende mögliche Dienstpflichtverletzungen aufgrund der Einheitlichkeit des Dienstvergehens in einem behördlichen Disziplinarverfahren ab. Von einer unfairen weiteren Beweissammlung kann – jedenfalls derzeit – nicht ausgegangen werden (vgl. zur Problematik der unfairen Beweisansammlung bis zur Erhebung der Disziplinarklage: VG Magdeburg, Urteil v. 24.11.2020, 15 A 12/19; juris Rz. 481).
Zudem hält der Antragsgegner die vorläufige Dienstenthebung auch nach § 38 Abs. 4 DG LSA dergestalt unter Kontrolle, dass er die Anträge des Antragstellers auf Aufhebung prüft und – jedenfalls augenblicklich – in nicht zu beanstandender Weise entscheidet. Im Übrigen haben die bisherigen Ermittlungen auch ergeben, dass der Antragsteller in einigen Punkten entlastet wurde.
Einem bundesweit öffentlichkeitswirksamen Disziplinarverfahren dieser Art gegen den Hauptverwaltungsbeamten und Oberbürgermeister einer Großstadt ist zwangsläufig inhärent, dass es auf eine Vielzahl konkreter organisatorischer und zeitlicher Probleme stößt. Gleichwohl darf auch das Disziplinargericht darauf hinweisen, dass eine Bündelung der Vielzahl der Vorhalte und deren Verfolgung unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Effektivität und letztendlich des Beschleunigungsgrundsatzes (§ 4 DG LSA) dringend angeraten scheint. Letztendlich müssen schwerpunktmäßige Ermittlungen erfolgen und keine zeitraubenden Abschweifungen in Nebensächlichkeiten. Derartige mögliche (rechtliche) Mängel mögen aber bei tatsächlicher Erhebung der Disziplinarklage relevant sein. Das Disziplinargericht darf zur Problematik der ausufernden Ermittlungen und unsubstantiierten Disziplinarklageschrift schon jetzt auf die ausführliche Darstellung in dem Urteil der Kammer vom 24.11.2020 (15 A 12/19; juris) verweisen.
d.) Zutreffend wurde die Suspendierung auch auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gestützt. Danach kann der Beamte suspendiert werden, “wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb“ (Alt. 1) „oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden (Alt. 2) und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahmen nicht außer Verhältnis” steht.
Die Suspendierung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA entspricht der früheren Rechtsprechung in den Fällen, in denen eine Dienstentfernung mangels möglicher Höchstmaßnahme erkennbar nicht in Betracht kam. Denn die Disziplinarordnungen der Länder und des Bundes (vgl. nur: § 78 DO LSA; § 91 BDO) kannten nur die vorläufige Dienstenthebung bei Einleitung des sog. “förmlichen Disziplinarverfahrens”, welches der Ahndung durch Degradierung und Entfernung vorbehalten war. Somit bedurfte und bedarf es bei einer Suspendierung ohne Prognose der späteren Maßnahmenverhängung des Verhältnismäßigkeitsgebots als Korrelat dafür, dass der Beamte seinen aus dem bestehenden Beamtenverhältnis resultierenden Anspruch auf Ausübung des Amts vorübergehend verliert (BVerwG, Beschluss v. 16.05.1994, 1 DB 7.94; juris). Damit fordert die vorläufige Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem anhängigen Disziplinarverfahren als lex specialis gegenüber dem allgemeinen beamtenrechtlichen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Satz 1 BeamtStG nicht nur die objektive Gefährdung des Dienstes, sondern auch ein diesbezügliches vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten (vgl. nur: BayVGH, Beschluss v. 20.03.2017, 3 ZB 16.921; juris m. w. Nachw.). Die diesbezüglichen Ermessenserwägungen sind in der Suspendierungsverfügung darzulegen. Die pauschale Berufung auf die Tatbestände genügt gerade nicht (BVerwG, Beschluss v. 04.01.1996, 1 DB 16.95; juris). Damit dient die Suspendierung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA aber auch insoweit dem dienstlichen Interesse, dass der Beamte aus der “Schusslinie” genommen wird und Ruhe in die Ermittlungen und den Dienstbetrieb gebracht werden (VG Magdeburg, Beschluss v. 25.04.2017, 15 B 3/17; juris). Diese Vorgehensweise erscheint dem Disziplinargericht vorliegend sogar zwingend geboten.
Zur Überzeugung des Disziplinargerichts führt ein Verbleiben des Antragstellers im Dienst zur wesentlichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebes und auch der weiterzuführenden disziplinar- und strafrechtlichen Ermittlungen. Damit sind beide Alternativen des § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gegeben. Dabei weist das Disziplinargericht darauf hin, dass aufgrund der Alternativbezeichnung “oder” im Tatbestand des § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA das Vorliegen eines der beiden Voraussetzungen bereits genügt. Schließlich hat der Antragsgegner dies auch zutreffend erkannt und begründet.
a. a) Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebs (§ 38 Abs. 1 Satz 2, Alt. 1 DG LSA) ist vor allem dann zu besorgen, wenn auf Grund von Umständen, die mit dem mutmaßlich begangenen Dienstvergehen in Zusammenhang stehen, eine gedeihliche, der Dienstverrichtung dienende Zusammenarbeit mit dem Beamten gefährdet ist und hierunter die Aufgabenerledigung ernsthaft leiden kann (OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; VG Regensburg, Beschluss v. 05.12.2016, RN 10A DS 16.1666; beide juris). Anhaltspunkte hierfür können sich aus den bereits eingetretenen Folgen des mutmaßlichen Dienstvergehens ergeben. Auswirkungen auf den Dienstbetrieb sind weiterhin zu befürchten, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen ist (BayVGH, Beschluss vom 11.12. 2013, 16a DS 13.706; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand November 2012, Art. 39 Rn. 21 BayDG; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand: Oktober 2012, § 38 Rdnr. 16), oder wenn durch die Anwesenheit des Beamten der Betriebsfrieden so stark gestört wird, dass sich dadurch die Aufgabenerledigung durch andere Bedienstete oder der Dienststelle insgesamt wesentlich erschwert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.09.2000, 1 DB 16.00; Beschl. v. 04.01.1996, 1 DB 16.95; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 7. Auflage 2021, § 38 Rz. 4). Denkbar ist auch, dass durch die Anwesenheit des Beamten Druck auf andere Bedienstete ausgeübt wird (Bay.VGH, Beschluss v. 03.11.2010, 16 a DS 10.1010; juris mit Verweis auf Findeisen, BayDG. 3. Aufl., 2006, Anm. 2.1.2. zu Art. 39; zusammenfassend: VG Magdeburg, Beschuss v. 25.04.2017, 15 B 3/17, juris).
Die allgemeine Stigmatisierung des öffentlichen Dienstes durch die Begehung einer Straftat im Dienst reicht für die Suspendierung nicht aus. So wäre für ein notwendiges Fernhalten des straffällig gewordenen Beamten vom Dienst von Belang, ob er mit dem dienstlichen Inventar oder aus den dienstlichen Räumen heraus die vorgehaltenen Straftaten begangen hat. Gleiches gilt, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte im Dienst aufgrund der ihm dienstlich zur Verfügung stehenden Mittel erneut auffällig wird (VG Magdeburg, Beschluss v. 11.02.2015, 8 B 19/14; juris).
Zur Überzeugung des Disziplinargerichts sind diese Voraussetzungen zutreffend von dem Antragsgegner gesehen und gewertet worden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller als (gewählter) Oberbürgermeister und Hauptverwaltungsbeamter der Stadt A-Stadt nicht (nur) um einen innerhalb der Behördenhierarchie eingebundenen und weisungsgebundenen Beamten handelt, sondern er vielmehr der unmittelbare Dienstvorgesetzte aller in der Verwaltung der Stadt A-Stadt beschäftigten Beamten und Angestellten ist. Zur festen Überzeugung der Disziplinarkammer besteht aufgrund dieser Vorgesetzteneigenschaft und der Autorität des Antragstellers als Oberbürgermeister und Behördenleiter die Besorgnis, dass der Dienstbetrieb und die Ermittlungsergebnisse wesentlich beeinträchtigt werden können, viel stärker als dies bei einem “normalen” Laufbahnbeamten der Fall wäre. Denn einem solchen Beamten könnte man beamtenrechtlich – vorübergehend – einen anderen Aufgabenbereich zuordnen und insoweit “unter Kontrolle” halten und aus der “Schusslinie” nehmen. Solches ist jedoch bei dem Antragsteller aufgrund seiner hierarchischen Spitzenfunktion und Stellung im kommunalen Dienstbetrieb als Behördenleiter nicht möglich (so zum Bürgermeister auch: VG Magdeburg, Beschuss v. 25.04.2017, 15 B 3/17, VG Meiningen, Beschluss vom 07.04.2004, 6 D 60017/03.Me; beide juris).
Dies hat der Antragsgegner in seiner Begründung zu § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA auch zutreffend erkannt und ausgeführt. Das Potential der Dienstbeeinträchtigung ist bei einem Behördenleiter um ein Vielfaches höher als bei einem unterstufigen Beamten. Es ist nachvollziehbar und entspricht der Lebenswirklichkeit, dass sich bei dienstlicher Anwesenheit des Behördenleiters die Ermittlungen ungemein erschweren und Bedienstete nicht unbeschwert aussagen wollen oder können. Dies beeinträchtigt nicht nur die Ermittlungen, sondern stört auch den gedeihlichen Dienstbetrieb. Dabei darf das Disziplinargericht auch darauf hinweisen, dass sich aus den gerichtsbekannten Akten und Unterlagen, aber auch aus der öffentlichen Berichterstattung durchaus der Eindruck aufdrängt, dass der Antragsteller eine starke und selbstbewusste Persönlichkeit darstellt. Er ist in der Lage und auch gewöhnt, seine Belange zu vertreten und durchzusetzen. Ohne Frage ist aufgrund der gerichtsbekannten leider langjährigen mannigfaltigen kommunalpolitischen und kommunalrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller und dem Stadtrat, aber auch dem Antragsgegner als obere Kommunalaufsichtsbehörde auch der Betriebsfrieden bzw. der Dienstbetrieb innerhalb der Stadt A-Stadt als Kommunalverwaltung erheblich gestört. Dies zeigt sich auch durch die gerichtsbekannte starke Berichterstattung nicht nur in der örtlichen Presse, sondern auch in der überregionalen medialen Berichterstattung in Funk und Fernsehen.
Dabei kommt es auch nicht entscheidend darauf an, von welcher Seite diese – auch gerichtlichen – Auseinandersetzungen zu vertreten sind bzw. worin der Auslöser dafür bestand. Entscheidend für die Suspendierung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA muss vielmehr die objektive Sicherstellung des behördlichen Dienstapparates und/oder der weiteren disziplinarrechtlichen Ermittlungen sein. Ist dies bereits bei jedem Beamten innerhalb seiner Einbindung in die hierarchische Beamtenstruktur problematisch, muss dies bei dem Antragsteller als Oberbürgermeister der einwohnerstarken größten Großstadt in Sachsen-Anhalt und damit Behördenleiter der größten Kommune erst recht gelten. Dabei ist ebenso wenig entscheidend, dass der Antragsteller sein Oberbürgermeisteramt aufgrund einer demokratisch legitimierten Wahl und damit direkt vom Volke ableitet. Denn – und dies ist unstreitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen – der Antragsteller unterliegt auch als Wahlbeamter der Disziplinargewalt nach dem Disziplinargesetz, welche vom Antragsgegner legitim ausgeübt wird (vgl. zur Disziplinargewalt über Wahlbeamte: BVerfG, Beschluss v. 23.08.2017, 2 BvR 1745/17; juris).
Mögen insoweit auch unterschiedliche politische Auffassungen und Interessen zwischen dem gewählten Antragsteller und dem Antragsgegner zutage treten, ist entscheidend, dass es vorliegend jedenfalls bei der gerichtlichen Entscheidung nach § 61 Abs. 2 DG LSA nicht um diese politische Auseinandersetzung geht, sondern unabhängig davon um die Sicherstellung der kommunalrechtlichen Handlungsfähigkeit der Stadt A-Stadt als Kommune und der ordnungsgemäßen Durchführung der weiteren disziplinarrechtlichen Ermittlungen. Gerade wegen der bereits lang andauernden behördlichen disziplinarrechtlichen und jetzt auch strafrechtlichen Ermittlungen und des stetig weiter eskalierenden Streites nicht zur zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner, sondern auch dem Stadtrat der Stadt A-Stadt ist die Gefahr der schädlichen Auswirkungen auf den kommunalen Dienstbetrieb auch aufgrund von “Lagerbildung” nicht von der Hand zu weisen. Insoweit darf auch die nachweislich stark gestörte Zusammenarbeit mit dem Stadtrat als Kriterium herangezogen werden (vgl. VG Regensburg, Beschluss v. 05.12.2016, RN 10A DS 16.1666; juris).
Zutreffend weist der Antragsgegner auch darauf hin, dass die Beherrschbarkeit der augenblicklichen Pandemie weitgehend von der eindeutigen und transparenten Kommunikation und einer Vorbildwirkung der politischen Entscheidungsträger abhängt, um so das Vertrauen der Bevölkerung in die Notwendigkeit der nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland das öffentliche Leben so einschneidenden Maßnahmen zu gewinnen und zu stärken. Dieses Vertrauen in die staatlichen Pandemie-Maßnahmen, wie z. B die strikte Einhaltung der Impfreihenfolge ist wesentlich beeinträchtigt, wenn gegen den Oberbürgermeister – zumal einer Großstadt – diesbezüglich disziplinarrechtlich ermittelt wird, was sich auch auf den unmittelbaren Dienstbetrieb auswirkt.
Aufgrund dieses hohen Gutes der dienstlichen und damit auch öffentlichen Interessen der Kommunalverwaltung und dem Wohl der Stadt A-Stadt erscheinen auch dem Disziplinargericht die Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 2, Altern. 1 DG LSA als gegeben (vgl. zur Berücksichtigung dieser Umstände nur: BVerfG, Beschluss v. 23.08.2017, 2 BvR 1745/17; juris).
b. b.) Schließlich sieht das Disziplinargericht auch die Voraussetzungen dafür als erfüllt an, dass bei einem Verbleiben des Antragstellers im Dienst die weiteren (disziplinarrechtlichen) Ermittlungen wesentlich erschwert (§ 38 Abs. 1 Satz 2, Altern. 2 DG LSA) werden würden.
Eine wesentliche Beeinträchtigung der Ermittlungen ist zu befürchten, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass die während des Disziplinarverfahrens durchzuführenden Ermittlungen bei einem Verbleib des Beamten im Dienst nicht erfolgreich durchgeführt werden können. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu erwarten ist, der Beamte werde seinen Aufenthalt im Dienstgebäude zur Vernichtung von Beweismitteln ausnutzen, oder wenn zu befürchten ist, dass Mitarbeiter oder sonstige Angehörige der Dienstbehörde an der Aufklärung des Sachverhalts nicht konstruktiv mitwirken (Gansen, a. a. O., § 38 Rdnr. 16b). Die allgemeine Befürchtung, eine derartige Situation könne eintreten, reicht nicht aus (OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.03.2013, 19 ZD 4/13, juris). Allerdings darf sich die Beurteilung dieser Voraussetzungen nicht nur auf Fakten im Sinne bereits vorgefallener Geschehnisse, sondern auch auf Prognosen stützen (Bay.VGH, Beschluss vom 03.11.2010, 16 a DS 10.1010; juris).
Da auch das Verhalten des Antragstellers bei der Anfertigung von dienstlichen Vermerken und entsprechende Einflussnahme auf Bedienstete der Kommune und die Verwendung dienstlicher Briefköpfe Gegenstand der disziplinarrechtlichen Ermittlungen ist, ist den Ausführungen des Antragsgegners in der Verfügung zu folgen, wonach es aufgrund der Amtsstellung des Antragstellers als Oberbürgermeister und seiner Persönlichkeitsstruktur nicht auszuschließen ist, dass derartige Einwirkungen und Einflussnahmen oder auch nur deren Versuche auch und gerade während der Ermittlungen vorgenommen werden. Unstreitig wendet sich der Antragsteller aktiv mit den ihm rechtlich und gerichtlich zustehenden Mitteln gegen die disziplinarrechtlichen Vorwürfe. Darüber hinaus ist aber auch unstreitig, wie der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 18.11.2021 (S. 7) beleuchtet, dass der Antragsteller intensiv weitere kommunikative Quellen und Mittel sowie Funk und Fernsehen und das Internet nutzt um die Öffentlichkeit und darüber auch direkt und indirekt die Vorgesetzten und sonstige Entscheidungsträger über seine Sicht der Dinge zu informieren. Dies ergibt sich auch aus der Vielzahl der vom Antragsteller selbst vorgelegten Unterlagen.
Dem Disziplinargericht ist bewusst, dass dabei zwischen dem – dem Antragsteller unzweifelhaft zustehenden – rechtsstaatlichen Verteidigungsverhalten und der zu verhindernden Einflussnahme auf die Ermittlungen zu unterscheiden ist. Beides lässt sich im Einzelfall aber nicht immer scharf voneinander trennen, sodass im Zweifel mehr dafür spricht, dass der Amtsinhaber vom Dienst fernzuhalten ist, um jedenfalls dort und dadurch eine physische wie psychische, direkte und indirekte Einflussnahme aufgrund der bloßen tatsächlichen Anwesenheit des Oberbürgermeisters auszuschließen. Dabei gilt es zu verhindern, dass der Antragsteller als Chef der Verwaltung selbst Einfluss auf die Ermittlungen nehmen kann, etwa durch eigenständigen Zugriff auf dienstliche Unterlagen aufgrund des ihm zustehenden uneingeschränkten Zugriffs, aber auch durch bewusste oder unbewusste Konfrontation mit den ihm dienstlich unterstellten Bediensteten.
Schließlich führten diese Bedenken wegen einer möglichen Verdunkelungsgefahr auch zur Untersagung der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 BeamtStG.
c. c.) Ebenso sieht das Disziplinargericht die weiteren Voraussetzungen der auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gestützten vorläufigen Dienstenthebung, nämlich die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, als gegeben an. Die vorläufige Dienstenthebung kann nur angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Der disziplinarrechtliche Vorwurf muss deshalb von einigem Gewicht sein und muss mutmaßlich zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die eine vorläufige Dienstenthebung vertretbar erscheinen lässt. So liegt es hier. Auch hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich in einer herausgehobenen Position befindet und die disziplinarrechtlichen Vorwürfe von einigem Gewicht sind und durchaus zu einer erheblichen Disziplinarmaßnahme führen können (vgl. zur Verhältnismäßigkeit einer vorläufigen Dienstenthebung nur: BVerfG, Beschluss v. 23.08.2017, 2 BvR 1745/17; juris). Es stehen nicht nur beamtenrechtliche Pflichtverletzungen, sondern auch solche kommunalverfassungs- und statusrechtlicher Art im Raum, welche nicht nur oder überwiegend der politischen Auseinandersetzung geschuldet sind, sondern vielmehr den Kernbereich seines Pflichtenkreises berühren und nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind.“
II.
1.) An dieser Einschätzung hat sich zur Überzeugung des Disziplinargerichts nichts geändert. Der oben wiedergegebene Beschluss des Disziplinargerichts vom 16.12.2021 ist rechtskräftig. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 18.01.2022 (10 M 6/21) als unzulässig verworfen. Für die Änderung oder Aufhebung von Beschlüssen über Anträge nach § 61 Abs. 1 DG LSA gilt § 80 Abs. 7 VwGO entsprechend (§ 61 Abs. 3 DG LSA). Danach kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Aus den neu vorgetragenen Umständen muss sich zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Eilentscheidung ergeben. Dabei ist auf die Umstände abzustellen, die maßgeblich für die vorangegangene rechtskräftige Entscheidung waren. Andernfalls verbleibt es bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO rechtskräftig getroffenen Entscheidung und der Antragsteller muss den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten(vgl. zum Ganzen nur: VG Magdeburg, Beschluss v. 24.09.2018, 15 B 23/18; juris; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rz. 196).
Dies bedeutet, dass der Antragsteller aufgrund neuer Umstände das Disziplinargericht überzeugen muss, von seiner nach § 61 i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA – rechtskräftig – getroffenen Entscheidung abzuweichen; ansonsten muss der Ausgang des weiteren behördlichen Disziplinarverfahrens abgewartet werden.
Diesen Abänderungsanforderungen wird der Vortrag des Antragstellers nicht gerecht.
Wegen dieser speziellen Regelung in § 61 Abs. 3 DG LSA ist es dem Antragsteller verwehrt, eine erneute gerichtliche Überprüfung der ursprünglichen disziplinarrechtlichen Suspendierungsentscheidung nach § 61 Abs. 1 DG LSA herbeizuführen. Denn die Rechtskraft der dazu ergangenen gerichtlichen Entscheidung im Beschluss vom 16.12.2021 soll nur unter den Voraussetzungen nach § 80 Abs. 7 VwGO durchbrochen werden können. Auf die von dem Antragsteller vorgetragenen fehlenden Voraussetzungen der Höchstmaßnahmeprognose nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kommt es demnach hier nicht an. Denn das Disziplinargericht hat seine damalige Entscheidung allein auf die Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gestützt.
Erkennbar versucht der Antragsteller, nachdem er beim Oberverwaltungsgericht mit seiner Beschwerde gescheitert ist, im Sinne einer Beschwerdeschrift die ursprüngliche Entscheidung des Disziplinargerichts vom 16.12.2021 anzugreifen. Er setzt sich umfassend mit der vom Disziplinargericht getroffenen Entscheidung auseinander, ohne aber im Sinne einer Antragsschrift nach § 80 Abs. 7 VwGO die „veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstände“ hinsichtlich der ausschließlich auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA beruhenden Gründe des Disziplinargerichts darzulegen. Der Hinweis auf das Aktualisierungsgebot, welches nach § 38 Abs. 4 DG LSA für die Disziplinarbehörde gilt, wird dem nicht gerecht. Der Antragsteller führt alleine und erneut ausschließlich die Gründe aus, die nach seiner Auffassung gegen eine disziplinarrechtlich relevante Pflichtenverletzung, insbesondere bei der Impfreihenfolge, sprechen. Das Disziplinargericht unterlag auch keinem „nicht unerheblichen Tatsachenirrtum“, wie der Antragsteller im Schriftsatz vom 17.02.2022 meint. In dem Schriftsatz vom 16.02.2022 an das Gericht spricht er davon, dass das „Disziplinarverfahren umgehend einzustellen“ sei und verweist auf ein bekanntes Gutachten vom März 2021. Soweit er mit dem weiteren Schriftsatz vom 04.02.2022 auf einen „Schlüsselzeugen“ und ein Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 06.10.2017 verweist, erschließt sich dem Disziplinargericht nicht die Bedeutung für die hier zu entscheidende Abänderungsentscheidung. Gerade dieser Umstand stellt exemplarisch einen dem Antragsteller bekannten Umstand dar, welchen er in dem früheren Verfahren hätte geltend machen können und müssen. Vielmehr bleibt es bei der Einschätzung des Disziplinargerichts, dass das Verbleiben des Antragstellers als „Behördenleiter“ zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebes (§ 38 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 DG LSA) und auch der weiterzuführenden disziplinar- und strafrechtlichen Ermittlungen führt (§ 38 Abs.1 Satz 2 Alt. 2 DG LSA). Denn nach wie vor ist das Verhältnis zwischen den Beteiligten derart angestrengt, dass die Voraussetzungen nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA vorliegen, ohne dass es bewertet werden muss, welche Partei dafür verantwortlich ist. Auf die oben wiedergegebenen Ausführungen in dem Beschluss vom 16.12.2021 darf daher zur weiteren Begründung verwiesen werden. Die einzig und allein entscheidenden Voraussetzungen nach § 61 Abs. 3 DG LSA i. V. m § 80 Abs. 7 VwGO liegen nicht vor.
2.) Der weitere ausdrücklich hilfsweise gestellte Antrag,
„b) die Anordnung der sofortigen Dienstenthebung wird ausgesetzt.
führt zu keinem anderen Ergebnis. Für die „Aussetzung der Anordnung der sofortigen Dienstenthebung“ gibt es im hiesigen Disziplinarrecht keine Rechtsgrundlage. Alleinige Rechtsgrundlage für die „Aufhebung“ der „vorläufigen Dienstenthebung“ nach § 38 DG LSA stellt der gerichtliche Antrag und die Prüfung nach § 61 DG LSA dar. Die vom Antragsteller verwandte Begrifflichkeit einer „Aussetzung“ wird zwar in der überwiegenden Anzahl der Disziplinargesetze der Länder und auch des Bundes verwandt; ist aber jedenfalls dem Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt fremd. Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes bestehen allerdings keine Unterschiede.
3.) Das Disziplinargericht versteht den unter 2. gestellten Antrag zur „gerichtlichen Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens“ als eigenständigen Hauptantrag und nicht als Hilfsantrag.
Dieser Antrag richtet sich nach § 60 DG LSA und erfordert ein vom Antrag nach § 61 Abs. 3 DG LSA i.V.m. § 80 Abs. 7 VwGO gesondertes gerichtliches Prüfungsverfahren. Daher hat sich das Gericht entschlossen, diesen Antrag vom bisherigen Verfahren abzutrennen und in einem gesonderten Verfahren zu bearbeiten.
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


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