Verwaltungsrecht

Voraussetzungen für die Schonzeitaufhebung, Übermäßiger Wildschaden

Aktenzeichen  M 7 S 22.1695

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 7185
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
UmwRG § 2
UmwRG § 3
BJagdG § 22 Abs. 1
BayJG Art. 33 Abs. 5
AVBayJG § 19

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (M 7 K 22.1670) vom 17. März 2022 gegen die in Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts Altötting vom 17. März 2022 genehmigte Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Böcke) vom 1. bis 30. April 2022 für das Staatsjagdrevier B. … Forst wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um die Aufhebung der Schonzeit für Rehböcke im Jagdrevier der Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2022 beantragte die Beigeladene beim Antragsgegner eine Vorverlegung der Jagdzeit für Schmalrehe und Böcke auf den 1. April 2022. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das streitgegenständliche Staatsjagdrevier liege in der roten Hegegemeinschaft „H. … und D. … Forst“. Auch in der neuen Revierweisen Aussage sei die Verbissbelastung als „zu hoch“ eingestuft worden. Diese problematische Verbisssituation bestehe bereits seit neun Jahren. Besonders die Hauptbaumart Tanne könne nicht aus dem Äser wachsen. Da bereits sämtliche Möglichkeiten des Abschöpfens in Form der Abschusshöhe und anderer begleitender Maßnahmen erörtert worden seien, werde die einzige Möglichkeit zum Erreichen einer Besserung in der Aufhebung der Schonzeit in der Zeit vom 1. April 2022 bis zum 30. April 2022 gesehen. Maßnahmen wie eine Drückjagd seien ebenso wie eine wesentliche Erhöhung des Abschussplans wenig erfolgversprechend. Mit einer Schwerpunktbejagung im April und Mai könne bereits ein Teil des Abschusses erfüllt werden, zudem habe man durch die bessere Sichtbarkeit wegen des noch nicht vollständigen Austriebs der Vegetation eine bessere Jagdsituation. Insgesamt ließe sich der Jagddruck auch im Winter verringern. Es werde zudem beabsichtigt, bei der Abschussplanung 2022 bis 2025 eine geringfügige Erhöhung auf 630 Stück Rehwild zu beantragen.
Der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens angehörte Kreisjagdberater lehnte mit Stellungnahme vom 5. März 2022 die beantragte Schonzeitverkürzung ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, im Vegetationsgutachten sei nur die Tanne mit 33 Prozent stark verbissen, während der Verbiss bei den anderen Baumarten auffallend gering sei. Ursache für solche Verbissbilder sei, dass sich das Wild bei zu großem Jagddruck in deckungsreiche Reviere zurückziehe, wo es nur Knospen von Jungbäumen als Nahrung finde. Bei einer Schonzeitverkürzung sei eine Erhöhung des Tannenverbisses zu befürchten. Auch abgebrochene Kirrungen könnten den Verbiss steigern, eine weitere mögliche Maßnahme zur Verhinderung von Wildverbiss sei die Anlage von Wildäckern. Die Ineffizienz der Drückjagden in den letzten Jahren in der Hegegemeinschaft VIII wiesen darauf hin, dass Rehwild nicht in Unmassen vorkomme. Die Angaben der Abschusssituation im Antrag seien ungenau. Ohne die beiden verpachteten Reviere habe das Abschussminus in den Jahren von 2010 bis 2012 bei 94 Stück Rehwild, von 2013 bis 2015 bei 43 Stück, von 2016 bis 2018 bei 55 Stück und von 2019 bis 2021 bei einem Stück gelegen. Bei einer Begehung im streitgegenständlichen Revier seien auch Stellen zu sehen, an denen Naturanflug der Tanne manchmal durch Verbissmittelaufbringung oder Plastikmanschetten terminaltriebgeschützt sei. Durch Holzerntemaschinen würden zahlreiche Bäumchen beschädigt, die durchaus gerettet werden könnten; auch durch mehr Pflege könne die wichtige Baumart Tanne vorangebracht werden. Gegen einen Jagdbeginn ab dem 1. April spreche zudem, dass die Unterscheidung zwischen Schmalrehen und Geißen, die zu diesem Zeitpunkt als werdende Muttertiere geschützt seien, viel schwieriger als im Mai sei. Durch das Zusammenspiel mehrerer verbissminimierender Maßnahmen könne eher ein klimastabiler Wirtschaftswald erreicht werden.
Das angehörte Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Töging a. Inn sprach sich in seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2022 für die beantragte Schonzeitverkürzung aus. Die Ausführungen der Beigeladenen hinsichtlich der zu hohen Verbissbelastung, der Bedeutung der Tanne, der Bedeutung der Sichtbarkeit des Wildes in einem reinen Waldrevier für eine effektive Bejagung und der mangelnden Effizienz von Drückjagden in dem siedlungsnahen Waldgebiet seien zutreffend. Die Beigeladene habe glaubhaft dargelegt, dass Maßnahmen zur Abschussintensivierung innerhalb der gesetzlichen Schusszeiten bereits umgesetzt worden seien, insbesondere eine Erhöhung des Planabschusses. Es sei festzustellen, dass alle unter den gegebenen Revierbedingungen umsetzbaren Strategien innerhalb der Jagdzeit bereits ausgeschöpft worden seien. Daher sei das Kriterium der Erforderlichkeit der Schonzeitaufhebung erfüllt. Eine anhaltend zu hohe Verbissbelastung gefährde die Bannwaldfunktion des Waldgebiets B. … Forst, was wegen deren außergewöhnlicher Bedeutung als ein das übliche Maß erheblich übersteigender und damit übermäßiger Wildschaden i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG zu bewerten sei. Es bestehe von staatlicher Seite ein erhebliches Interesse an der nachhaltigen Sicherung des Bannwaldgebiets.
Mit Bescheid vom 17. März 2022 genehmigte das Landratsamt Altötting den von der Beigeladenen gestellten Antrag auf Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Böcke) vom 1. bis 30. April 2022 für das StJR B. … Forst (Nr. 1). Der Antrag auf Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Schmalrehe) vom 1. bis 30. April 2022 werde abgelehnt (Nr. 2). Der Unteren Jagdbehörde sei im Nachgang ein Bericht über die Ergebnisse der Schonzeitaufhebung vorzulegen (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung des – kostenfreien – Bescheides wurde angeordnet (Nrn. 4 und 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, gemäß Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 BayJG könne die Jagdbehörde durch Einzelanordnung Regelungen treffen und gemäß Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG Ausnahmen von den festgelegten Jagdzeiten zulassen. Das StJR B. … Forst liege in der Hegegemeinschaft H. … und D. … Forst. Die dazugehörigen Forstlichen Gutachten der Jahre 2015, 2018 und 2021 und die Revierweisen Aussagen der Jahre 2018 und 2021 hätten jeweils eine zu hohe Verbissbelastung aufgewiesen. Somit würde die Hegegemeinschaft H. … und D. … Forst bei gleichbleibender Verbissbelastung 2023 zu einer dauerhaft roten Hegegemeinschaft werden. Das StJR B. … Forst habe, wie im Antrag erläutert, bereits diverse Möglichkeiten zur Verbesserung der Verbissbelastung innerhalb der Jagdzeiten durchgeführt (u.a. Drückjagden, Erhöhung des Abschusses). Da diese Maßnahmen jedoch keine Verbesserung der Verbisssituation zur Folge gehabt hätten, sehe die Untere Jagdbehörde eine Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Böcke) vom 1. bis 30. April 2022 zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden (Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 BayJG) als erforderlich an. Nach der Stellungnahme des Kreisjagdberaters vom 5. März 2022 sei bei einem Jagdbeginn ab 1. April auf Schmalrehe die Unterscheidung zwischen Schmalrehen und den Geißen, die zu dem Zeitpunkt als werdende Muttertiere geschützt seien, viel schwieriger als bei einem Jagdbeginn ab 1. Mai. Aufgrund dessen sehe die Untere Jagdbehörde, trotz aller Vorsicht bzw. Erfahrung der hiesigen Jäger, den gesetzlichen Mutterschutz in Gefahr. Der Antrag auf Aufhebung der Schonzeit für Schmalrehe werde daher abgelehnt. Bei der Jagdausübung seien die Grundsätze der Waldgerechtigkeit sorgfältig zu beachten. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe das waldbauliche Interesse an der verstärkten Bejagung in seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2022 bestätigt und unterstütze die Beigeladene. Der angeforderte Bericht solle der unteren Jagdbehörde Informationen für gegebenenfalls zukünftige Anträge und Genehmigungen darlegen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel würde eine mögliche Bejagung verzögern. Es bestehe aber die Gefahr, dass bereits erhebliche Wildschäden durch Verfegung oder Verbiss durch das Rehwild (Böcke) verursacht worden seien. Durch die Verkürzung der Schonzeit und die Zulassung von Jagdhandlungen seien sofortige Maßnahmen möglich. Die Kostenfreiheit des Bescheids stütze sich auf Art. 1, 2 und 6 KG i.V.m. Tarif-Nr. 6.I.1.51 KVz.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers, einer Naturschutzvereinigung, am 17. März 2022 Klage (M 7 K 22.1670) und stellte am 21. März 2022 einen Antrag nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der in der Hauptsache angefochtene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Der Antrag sei zulässig. Der Antragsteller sei als eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG antragsbefugt. Zweck des Antragstellers sei gemäß § 2 seiner Satzung der Umwelt-, Natur- und Artenschutz, insbesondere durch Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Wildtieren und deren Lebensräumen, sowie Tierschutz. Das Rechtsschutzbegehren richte sich gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (Einzelanordnung über die Schonzeitaufhebung). Ein Vorhaben i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG sei die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage, der Bau einer anderen Anlage oder die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme sowie deren Änderung bzw. Erweiterung. Ein Anlagenbezug sei nicht Voraussetzung. Maßgeblich sei alleine, ob bei der Zulassungsentscheidung umweltbezogene Vorschriften anzuwenden seien. Umweltbezogene Rechtsvorschriften seien nach § 1 Abs. 4 UmwRG alle Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 UmwRG) oder auf Faktoren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 UmwRG) bezögen. Im Zweifel sei der Umweltbezug weit auszulegen; es genüge, dass sich die betreffende Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auf die Umwelt beziehe, was näher ausgeführt wurde. Dies sei bei Schonzeitregelungen der Fall. Die Entnahme von Tieren aus der Umwelt habe unmittelbare Auswirkungen auf Umweltbestandteile, auch handele es sich bei Streckenlisten und Abschusszahlen um Umweltinformationen. Als eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung könne der Antragsteller Rechtsbehelfe auch im Rahmen des Eilrechtsschutzes gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ohne Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten einlegen, wenn er geltend mache, dass die Entscheidung Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein könnten, widerspreche und geltend mache, durch die Entscheidung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein. Dies sei vorliegend gegeben. Der Antrag sei auch begründet. Die Begründung des Sofortvollzugs genüge nicht dem formalen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, was näher ausgeführt wurde. Eine inhaltliche Abwägung sei nicht vorgenommen worden. Der Zweck der Schonzeit, insbesondere der abwägungsrelevante Belang der Wildpflege, sei nicht erwähnt worden. Die Würdigung der in § 21 BJagdG aufgeführten Belange sei lückenhaft, auch eine konkrete Würdigung des Einzelfalls (Verbisssituation in dem verfahrensgegenständlichen Revier) sei nicht erfolgt. Die Begründung des Landratsamts für den Sofortvollzug beschränke sich auf die Nennung der Vorverlagerung der Jagdzeit für Rehböcke auf April. Besondere Gründe, weshalb die nach der aktuellen Revierweisen Aussage bei den meisten Baumarten unauffällige Verbissbelastung zu einer Vorverlagerung der Jagdzeit bei gleichzeitigem Sofortvollzug zwingen sollte, würden nicht dargelegt. Die Verbisssituation sei lediglich bei der truppweise vorhandenen Tanne zu hoch. Es fehlten triftige Gründe, weshalb die Wildschadenssituation zu einem Erfordernis der sofortigen Umsetzung einer eng auszulegenden Ausnahmevorschrift über die Schonzeitaufhebung auch dann zwingen solle, wenn Rechtsbehelfe gegen die behördliche Entscheidung ergriffen würden. Die Anordnung des sofortigen Vollzugs sei schon aufgrund der nicht ausreichenden Begründung rechtswidrig. Ferner überwiege das Interesse des Antragstellers an der Vollzugsaussetzung das vom Landratsamt behauptete Vollzugsinteresse. Der Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Nach Art. 33 Abs. 1 Nr. 2 BayJG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AVBayJG beginne die gesetzliche Jagdzeit auf Rehböcke am 1. Mai 2022 und ende am 15. Oktober 2022. Aus dem Bescheid, der sich auf ein fast ausschließlich aus Waldanteilen bestehendes Staatsjagdrevier beziehe, und dem zugrundeliegenden Sachverhalt ergebe sich nicht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG gegeben seien. Schonzeiten verfolgten den Zweck der Hege des Wildes und sollten die Aufzucht der Jungtiere sichern. Diese könnten schon nach dem Wortlaut nur aus besonderen Gründen, die den Regelbeispielen in der genannten Norm entsprechen, aufgehoben werden. Als Ausnahmebestimmungen seien sowohl § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG als auch Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG eng auszulegen und ein strenger Maßstab anzulegen. Die Verkürzung der Schonzeit sei nicht erforderlich, um den Eintritt eines übermäßigen Wildschadens zu verhindern und erfolge auch nicht im Allgemeininteresse. Aus dem Bescheid und dem zugrundeliegenden Sachverhalt ergebe sich nicht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG gegeben seien. Schonzeiten verfolgten den Zweck der Hege des Wildes und sollten die Aufzucht der Jungtiere sichern. Diese könnten schon nach dem Wortlaut nur aus besonderen Gründen, die den Regelbeispielen in der genannten Norm entsprechen, aufgehoben werden. Als Ausnahmebestimmungen seien sowohl § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG als auch Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG eng auszulegen und ein strenger Maßstab anzulegen. Die Verkürzung der Schonzeit sei nicht erforderlich, um den Eintritt eines übermäßigen Wildschadens zu verhindern und erfolge auch nicht im Allgemeininteresse. Übermäßige Wildschäden lägen nicht vor. Der Bescheid verschweige, dass nach der Revierweisen Aussage des Forstgutachtens 2021 die Naturverjüngung bei Edellaubbäumen, Buche und Fichte unproblematisch sei. Probleme gebe es nur bei der Tanne, die jedoch nur truppweise vorkomme und keine im Revier vorkommende Hauptbaumart sei. Soweit festgestellt werde, dass die Tanne als Nebenbaumart das Sämlingsalter ohne Schutz zumeist nicht überlebe, werde eine Kausalität zu Schalenwildverbiss nicht festgestellt. Vielmehr könne das Ausfallen von Sämlingen ebenso gut auf Mäuse, Hasen, Pilze und Lichtmangel zurückzuführen sein. Da die Tanne in Form von „Trupps“ vorkomme, könne mit vertretbarem finanziellen Aufwand ein effektiver Schutz von Verjüngungsflächen gegen Schalenwildeinfluss vorgenommen werden. Der Bescheid setze sich nicht konkret mit den Revierverhältnissen im Einzelfall auseinander. Angesichts der Feststellungen im Gutachten sei erkennbar, dass die Beigeladene gerade keine besondere Mühe entfalte, die Tanne als (vermeintlich) klimastabile Baumart, die im Revier nur einen untergeordneten Anteil habe, durch waldbauliche Maßnahmen zu fördern. Angesichts der tragbaren Verbissbelastung bei allen vorkommenden Baumarten, die einen Anteil von über 90 Prozent ausmachten und eines Laubholzanteils von 50 Prozent, der dem Idealzustand eines Mischwaldes sehr nahekomme, bestehe kein Grund zur Sorge. Alleine die Tanne sei für die hohe Verbissbelastung verantwortlich. Dass eine Nebenbaumart wie die Tanne, die sich natürlich verjünge, in Bodennähe mit einem größeren Anteil vertreten sei als in der Höhe unter 80 cm, sei nicht zwingend auf Schalenwild zurückzuführen. Die Situation bei der Tanne stelle sich keineswegs als übermäßiger Wildschaden i.S.d. Art. 33 BayJG dar. Im Gutachten werde zudem ausgeführt, dass der dort konstantierte Verbissanteil von 30 Prozent im Höhenbereich bis 20 cm wegen der geringen Stichprobenanzahl statistisch nicht gesichert sei. Der Leittriebverbiss bei der Tanne sei seit Jahren gleichbleibend, auch hier scheide daher eine temporäre Sondersituation i.S.d. Art. 33 BayJG aus. Die Schonzeitverkürzung könne nicht tragfähig begründet werden, da weder der Schalenwildeinfluss in der Wuchshöhe bis 20 cm festgestellt noch Maßnahmen ergriffen worden seien, die zu einer Verminderung eines etwaigen Schalenwildverbisses beitragen könnten. Verbiss- oder Fegeschäden käme das Gewicht eines besonderen Grundes nur dann zu, wenn es um die Vermeidung von das übliche Maß in erheblichem Umfang übersteigende Wildschäden durch Schalenwild gehe, die nicht allein auf mangelnder Abschlusserfüllung beruhten, sondern auf andere jagdliche oder forstliche Faktoren zurückzuführen seien, denen durch zumutbare Schutzmaßnahmen nicht wirksam begegnet werden könne. Relevante übermäßige Wildschäden seien nicht belegt. Weder die Situation vor Ort noch die Besonderheiten im Forstgutachten seien vom Landratsamt hinsichtlich des Ausmaßes überprüft und in die Abwägung eingestellt worden. Es werde weder dargelegt noch näher begründet, warum nicht durch zumutbare Schutzmaßnahmen dieser Situation effektiv begegnet werden könne. Augenscheinlich sei das Landratsamt der Auffassung, die Schonzeitaufhebung sei vorrangig gegenüber zumutbaren Einzel-/Flächenschutzmaßnahmen auf begrenzten Flächen in Erwägung zu ziehen, was mit dem Jagdrecht nicht im Einklang stehe. Letztlich erweise sich die Schonzeitverkürzung als Mittel, den wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen in optimaler Weise gerecht zu werden. Dieses Ansinnen stehe mit § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG nicht in Einklang. Denn der Vorrang der wirtschaftlichen Interessen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor dem Gebot einer angemessenen Wildhege sei nicht schrankenlos. § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG stelle ausdrücklich auf den Schutz (nur) der berechtigten Ansprüche der genannten Wirtschaftsbereiche auf Schutz gegen Wildschäden ab. Das bedeute, dass durch die Abschussregelung nicht jeglicher Wildschaden vermieden werden solle und dass die Schutzwürdigkeit der genannten Wirtschaftsbereiche in gleicher Weise wie in § 1 Abs. 2 BJagdG durch das Attribut „ordnungsgemäß“ begrenzt sei. Dieser Begriff werde nicht nur von den am Ertrag ausgerichteten betriebswirtschaftlichen Erfordernissen bestimmt, sondern auch von den Anforderungen, die die Rechtsordnung an die land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Wirtschaftszweige stelle. Daher könne nur eine solche Nutzung ordnungsgemäß und somit vorrangig sein, die neben den ökonomischen Zielen auch die ökologischen Forderungen zur Erhaltung der Wildlebensräume verfolge. Schutzmaßnahmen bei der als besonders gefährdet angesehenen Tanne wären vorliegend ohne weiteres möglich. Der Schutz von Verjüngungsflächen, deren übermäßige Beeinträchtigung durch Schalenwild vorliegend gar nicht erwiesen sei, könne bei tragbarer Verbisssituation bei allen anderen vorkommenden Baumarten nicht ausreichend für die Anwendung der Ausnahmevorschrift sein. Art. 33 BayJG diene nicht dazu, Versäumnisse im Waldbau auszugleichen. Es liege weiter keine Situation vor, in der wegen einer relevanten Nichterreichung des Abschuss-Solls auf eine Ausdehnung der Jagdzeiten zurückgegriffen werden müsse. Vorrangig müssten andere Maßnahmen wie Schwerpunktbejagung innerhalb der regulären Jagdzeit, Flächenschutz und Erhöhung des Tannenanteils durch geschützte Pflanzungen in Betracht gezogen werden. Bei einem frühen Jagdbeginn sei zu befürchten, dass das auf der Gesamtfläche bejagte Rehwild (auch Schmalrehe und Geißen) beunruhigt werde und sich der Verbiss aufgrund eines höheren Stoffwechsels mehre. Schließlich überwiege auch bei einem offenen Ausgang der Hauptsache das Aussetzunginteresse das Vollzugsinteresse. Tiere, die aufgrund eines vorläufig vollziehbaren Bescheids erlegt würden, seien als Umweltbestandteile unwiederbringlich verloren. Hingegen sei das vom Landratsamt reklamierte „Allgemeininteresse“ ebenso wenig erkennbar wie schützenswerte Interessen der Grundeigentümer.
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller geführten Klage gegen Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts Altötting vom 17. März 2022 über die Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Böcke) vom 1. April 2022 bis 30. April 2022 für das Staatsjagdrevier B. … Forst wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wird mit Schreiben vom 23. März 2022 ausgeführt, aufgrund der seit Jahren schlechten Verbisssituation in dem streitgegenständlichen Staatsjagdrevier und der bereits diversen getätigten Maßnahmen zur Verbesserung des Forstlichen Gutachtens werde die Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Böcke) zum 1. April 2022 bis 30. April 2022 für erforderlich gehalten. Ansonsten werde auf den Inhalt der vorgelegten Jagdakte und insbesondere auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen. Der Sachverhalt werde unstreitig gestellt.
Mit Beschluss vom 21. März 2022 hat das Gericht die Bayerische Staatsforsten AöR beigeladen.
Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Hauptsacheverfahren (M 7 K 22.1670) und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (M 7 K 22.1670) gegen die der Beigeladenen in Nr. 1 des Bescheids vom 17. März 2022 genehmigte Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Böcke) vom 1. bis 30. April 2022 hat Erfolg.
Der Antrag ist zulässig.
Der Antragsteller ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG antragsbefugt.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1) oder geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2). Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG muss die Vereinigung bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.
Der Antragsteller ist eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 BNatSchG im Freistaat Bayern anerkannte landesweit tätige Naturschutzvereinigung (vgl. Bekanntmachung nach § 3 Abs. 1 Satz 5 UmwRG, https://www.lfu.bayern.de/wir/anerkennung/index.htm).
Bei der streitgegenständlichen Schonzeitverkürzung handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
Nach dem als weitem Auffangtatbestand (vgl. VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW – juris Rn. 20 m.w.N.) konzipierten § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist die im Streit stehende Genehmigung der Aufhebung der Schonzeit ein Verwaltungsakt, durch den unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union ein anderes als in den Nrn. 1 bis 2b genanntes Vorhaben zugelassen wird. Hierbei kann für die Bestimmung des Vorhabensbegriffs auf die weite Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 UVPG zurückgegriffen werden (vgl. Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 1 UmwRG Rn. 19). Vorhaben sind hiernach die Errichtung, der Betrieb und die Änderung von technischen und sonstigen Anlagen sowie die Durchführung und Änderung von sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahmen.
Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 UmwRG sind umweltbezogene Rechtsvorschriften Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 des UIG (Nr. 1) oder Faktoren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 des UIG (Nr. 2) beziehen. Der Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften ist weit zu verstehen. Es genügt, wenn die Bestimmungen wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278 u.a. – juris Rn. 32). Erfasst sind damit alle Normen, die zumindest auch dazu beitragen, dass gegenwärtige und künftige Generationen in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt leben können, weiter auch Normen, die – wie § 1 Abs. 7 BauGB – verlangen, dass die Belange des Umweltschutzes gerecht abgewogen werden (Abwägungsgebote) sodass jeder im Rahmen eines Abwägungsvorgangs auch der Umwelt zuzurechnende Belang dessen Umweltbezogenheit insgesamt begründet (vgl. Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 1 UmwRG Rn. 31).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich nach Auffassung des Gerichts bei Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG um eine unter § 1 Abs. 4 UmwRG fallende umweltbezogene Rechtsvorschrift. Das Jagdrecht weist in Art. 1 Abs. 2 BayJG zahlreiche Berührungspunkte mit dem Naturschutzrecht auf. So soll das Gesetz u.a. dazu dienen, einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes zu sichern und zu verbessern und die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (vgl. zu dem entsprechenden § 32 Abs. 1 Satz 3 LJG Rheinland-Pfalz VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW – juris Rn. 20 m.w.N.). Aufgrund des weiten Verständnisses ist ein Umweltbezug der Vorschrift bereits aufgrund der dargelegten (allgemeinen) Bezugnahmen auf das Naturschutzrecht gegeben. Darüber hinaus ergibt sich der Umweltbezug der streitgegenständlichen Vorschrift auch aus dem Sinn und Zweck der Schonzeiten, denn diese verfolgen den Zweck der Hege des Wildes und sollen die Aufzucht der Jungtiere sicherstellen (vgl. VG München, B.v. 24.1.2012 – M 7 SE 12.166 – juris Rn. 17). Dass eine Aufhebung der Schonzeit direkte Auswirkungen auf die Hege des Wildes und die Aufzucht der Jungtiere haben kann, liegt schon in der Natur der Sache begründet.
Indem der Antragsteller Bedenken gegen die Schonzeitaufhebung erhoben hat und einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG rügt, macht er geltend, dass die erteilte Genehmigung Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Dabei macht der Antragsteller auch die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Schließlich macht der Antragsteller ebenfalls geltend, durch die Schonzeitaufhebung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Zweck des Antragstellers ist nach § 2 seiner Satzung der Umwelt-, Natur- und Artenschutz, insbesondere durch Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Wildtieren und deren Lebensräumen, sowie Tierschutz. Damit ist der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich und der mit dem Rechtsbehelf angegriffenen Entscheidung gegeben.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eines Dritten die aufschiebende Wirkung seiner Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
Den Maßstab für die Erfolgsaussichten der Hauptsache bestimmt § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG als eine von § 113 VwGO abweichende Sonderregelung (vgl. Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 2 UmwRG Rn. 18). Der Erfolg eines (zulässig erhobenen) Rechtsbehelfs nach § 2 Abs. 1 UmwRG setzt hiernach voraus, dass die angegriffene Entscheidung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind und der Verstoß Belange berührt, die zu den satzungsgemäßen Zielen der Vereinigung gehören. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Zugunsten des beigeladenen Genehmigungsinhabers sind nachträgliche Änderungen zur Vermeidung erneuter Genehmigungsverfahren auch im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40/98 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage dürfte Nr. 1 des Bescheids vom 17. März 2022 voraussichtlich gegen maßgebliche Umweltvorschriften verstoßen und mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sein.
Gemäß Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG kann die Jagdbehörde durch Einzelanordnung für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdreviere aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, zur Beseitigung kranken und kümmernden Wildes, zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, zu wissenschaftlichen Zwecken, Lehr- und Forschungszwecken, bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder der Wildhege die Schonzeiten aufheben.
Die auf diese Rechtsgrundlage gestützte im Streit stehende Schonzeitaufhebung dürfte nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses jedoch voraussichtlich sowohl in formeller, als auch in materieller Hinsicht rechtswidrig sein.
So bestehen schon aufgrund der nach Aktenlage nicht erfolgten Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörde erhebliche Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids.
Nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG sind beim Vollzug des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes diejenigen Naturschutzbehörden zu beteiligen, die dem Zuständigkeitsbereich der Jagdbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe entsprechen, soweit wesentliche Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege berührt werden. Hiernach dürfte im vorliegenden Fall eine Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde erforderlich gewesen sein, da nach Auffassung des Gerichts die Erteilung einer Ausnahme von der bundesrechtlichen Jagd- und Schonzeitenregelung nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BJagdG im konkreten Fall wesentliche Belange des Naturschutzes berühren dürfte (vgl. hierzu Leonhardt, Jagdrecht, Stand: Oktober 2018, Art. 49 BayJG, 15.49 Erl. 4). Denn zum einen handelt es sich hier um die Verkürzung der Schonzeit um einen ganzen Monat und damit nicht um einen lediglich unerheblichen Zeitraum. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gestattung der Jagd auf Rehböcke auch Auswirkungen auf das übrige Rehwild hat, da der Zeitraum zwischen dem 15. Januar 2022 und dem 1. Mai 2022, in dem nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c AVBayJG die Jagd auf sämtliches Rehwild ruht und dieses in dieser Zeit grundsätzlich auch nicht durch jagdliche Handlungen beunruhigt wird, um fast ein Drittel verkürzt wird. So führt auch die Beigeladene in ihrer an das Landratsamt gerichteten E-Mail vom 8. März 2022 aus, dass aus wildbiologischer Sicht mit der Bejagungsmöglichkeit auf die Böcke die Unruhe im Revier bereits vorhanden sei und dass die Schmalrehe den Jagddruck verspürten und ihre Aktivitätsrhythmen in die Dämmerung/Nacht verlegten.
Darüber hinaus dürfte Nr. 1 des Bescheids voraussichtlich auch in materieller Hinsicht rechtswidrig sein, da schon die Voraussetzungen für die Aufhebung der Schonzeit vom 1. April 2022 bis zum 30. April 2022 gemäß Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG nicht gegeben sein dürften und ein besonderer Grund aufgrund der hier allein in Betracht kommenden übermäßigen Wildschäden i.S.d. vorgenannten Vorschriften nicht vorgelegen haben dürfte bzw. es hierfür jedenfalls an einer tragfähigen Tatsachengrundlage fehlt.
Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG ergibt, können die Schonzeiten nur aus besonderen Gründen aufgehoben werden. Es dürfte im Ergebnis dabei auch nicht entscheidungserheblich darauf ankommen, ob § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG bzw. Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG als Ausnahmebestimmung eng auszulegen ist mit der Folge, dass bei der Frage, ob ein besonderer Grund im Sinne der genannten Normen vorliegt, ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. OVG NW, U.v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris Rn. 65, 67; VG Ansbach, B.v. 1.2.2021 – An 16 E 21.00520 – juris Rn. 16; B.v. 30.4.1998 – AN 15 E 98.00625 – juris Rn. 15; VG München, B.v. 24.1.2012 – M 7 SE 12.166 – juris Rn. 17) oder es genügen soll, wenn die Ausweitung der Jagdzeiten unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände vernünftigerweise geboten ist und die besonderen Gründe höheres Gewicht haben als die Gründe für die allgemeine (regelmäßig dem Schutz von Brut- und Setzzeit dienene) Schonzeitregelung (vgl. VG Neustadt/Weinstraße, U. v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW – juris Rn. 41 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022 – juris Rn. 96 und U.v. 13.2.2019 – 19 N 15.420 – juris Rn. 108).
Denn nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist nicht hinreichend ersichtlich, dass die Aufhebung der Schonzeit in der Zeit vom 1. April 2022 bis zum 30. April 2022 zur Verhinderung des Eintritts eines übermäßigen Wildschadens erforderlich war.
Wildschäden kommt das Gewicht eines besonderen Grundes nach dem Wortlaut der Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 S. 3 BJagdG nur zu, wenn übermäßige Wildschäden zu befürchten sind und diese durch die Verkürzung der Schonzeit vermieden werden können. Von einem übermäßigen Wildschaden ist auszugehen, wenn er das übliche Maß von durch Wild verursachten Schäden erheblich und in einem Umfang übersteigt, dessen Hinnahme dem Geschädigten nicht mehr zuzumuten ist (vgl. OVG NW, U.v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris Rn. 62 m.w.N.). Die übliche Schadensverursachung durch Wild, für das Schonzeiten festgelegt sind, vermag daher die Verkürzung der Schonzeit noch nicht zu rechtfertigen, vielmehr ist erforderlich, dass die übermäßigen Wildschäden nicht allein auf mangelnder Abschusserfüllung beruhen, sondern auf andere jagd- und forstliche Faktoren, die im Einzelfall zu prüfen und zu bewerten sind und denen durch zumutbare Schutzmaßnahmen nicht wirksam begegnet werden kann, zurückzuführen sind (vgl. Leonhardt, Jagdrecht, Stand: Oktober 2818, Art. 33 BayJG, 15.33 Erl. 2.2; VG Neustadt/Weinstraße, B.v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW – juris Rn. 46; VG München, B.v. 24.1.2012 – M 7 SE 12.166 – juris Rn. 19; VG Ansbach, B.v. 30.4.1998 – AN 15 E 98.00629 – juris Rn. 17).
Nach diesen Maßstäben dürfte ein übermäßiger Wildschaden nicht vorgelegen haben.
Aus Sicht des Gerichts ist bereits fraglich, ob der Antragsgegner den seiner Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt überhaupt in einer den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BayVwVfG genügenden Weise von Amts wegen aufgeklärt hat, sodass er den möglichen Eintritt eines übermäßigen Wildschadens ordnungsgemäß prüfen konnte.
Der Antragsgegner hat die Aufhebung der Schonzeit im Wesentlichen mit der nach den Forstlichen Gutachten 2015, 2018 und 2021 für die Hegegemeinschaft H. … und D. … Forst und den Revierweisen Aussagen für das StJR B. … Forst bestehenden zu hohen Verbissbelastung mit der Folge, dass diese Hegegemeinschaft bei gleichbleibender Verbissbelastung 2023 als eine dauerhaft rote Hegegemeinschaft eingestuft werden würde, begründet, ohne jedoch die in den aktuellen Gutachten getroffenen Feststellungen im Einzelnen zu würdigen. Auch die eingeholte Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 24. Februar 2022 verhält sich zu der konkreten Schadenssituation in dem streitgegenständlichen Revier nicht, sondern es wird im Wesentlich das Vorbringen der Beigeladenen bestätigt und allgemein auf die Bedeutung der Tanne abgestellt. Darüber hinaus hat der Antragsgegner die Erforderlichkeit der Schonzeitaufhebung auf die Ausführungen der Beigeladenen in dem Antrag gestützt, wonach bereits sämtliche Möglichkeiten des Abschöpfens in Form der Abschusshöhe und andere begleitende Maßnahmen erörtert worden seien. Um welche Maßnahmen es sich hierbei im Einzelnen gehandelt haben soll, hat jedoch weder die Beigeladene in ihrem Antrag (mit Ausnahme der Drückjagd und der beabsichtigten Abschussplanerhöhung) ausgeführt noch können diese der Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entnommen werden. Gleiches gilt hinsichtlich des Umfangs der konkret betroffenen Flächen sowie der Schadenshöhe überhaupt. Es ist weder aus der Behördenakte ersichtlich, dass der Antragsgegner in dieser Hinsicht eigene Ermittlungen angestellt hat noch geht aus ihr hervor, dass diese Umstände anderweitig amtsbekannt waren. Auch die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids verhält sich dazu nicht.
Anhaltspunkte, die der Annahme eines übermäßigen Wildschadens in dem streitgegenständlichen Revier entgegenstehen, ergeben sich jedoch nicht nur aus den in dem Forstlichen Gutachten 2021 und der entsprechenden Revierweisen Aussage getroffenen konkreten Feststellungen, sondern auch aus der Stellungnahme des vom Antragsgegner angehörten Kreisjagdberaters vom 5. März 2022. Diese Feststellungen hat der Antragsgegner jedoch weder gewürdigt noch hat er sich mit ihnen überhaupt erkennbar auseinandergesetzt, obwohl sie nach Auffassung des Gerichts dafür sprechen dürften, dass der Eintritt übermäßiger Wildschäden ohne die beantragte Schonzeitaufhebung im vorliegenden Fall nicht zu besorgen wäre. Dass sich der Kreisjagdberater in seiner Stellungnahme nicht nur zu der Aufhebung der Jagdzeit in Bezug auf die ebenfalls vom Antrag umfassten Schmalrehe, sondern auch zu der Frage des Vorliegens eines übermäßigen Wildschadens geäußert hat, wird in dem Bescheid noch nicht einmal erwähnt.
Dem Forstlichen Gutachten 2021 kann entnommen werden, dass die als „zu hoch“ eingestufte Verbissbelastung im Wesentlichen auf den überdurchschnittlichen Verbiss der Tanne mit einem geringen Baumartenanteil in Höhe von ca. 3-6 Prozent zurückzuführen ist, während der Verbiss bei anderen Baumarten sehr gering ist. Auch nach der Revierweisen Aussage können sich alle Baumarten außer der truppweise beigemischten Tanne ohne wesentlichen Verbiss verjüngen. Aus welchem Grund der Verbiss einer nur gering vorkommenden Baumart zu einem übermäßigen Wildschaden i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG in dem gesamten Jagdrevier führen soll, erschließt sich dem Gericht jedoch nicht. Zwar wird in der Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten allgemein auf die wichtige Bedeutung des zum Bannwald erklärten Waldgebiets B. … Forst hingewiesen, dass aber konkret durch den Tannenverbiss die gesamte Bannwaldfunktion gefährdet wäre, lässt sich der Stellungnahme nicht entnehmen. Auch in dem Bescheid oder der Behördenakte finden sich hierzu keine Anhaltspunkte.
Der Antragsgegner hat auch nicht weiter geprüft, ob die Schonzeitaufhebung in dem jeweiligen Einzelfall erforderlich ist und dort keine anderen geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stehen, obwohl sich dies im vorliegenden Fall aufgrund der dargestellten besonderen Verbisssituation und der Stellungnahme des Kreisjagdberaters geradezu aufgedrängt hätte. Denn der Kreisjagdberater hat umfangreich dargelegt, dass durch andere Maßnahmen wie beispielsweise keine abrupte Beendigung der Kirrung, Anlage von Wildäckern, Anbringen von Verbissschutz, umsichtiges Bewegen der Holzerntemaschinen sowie Pflegemaßnahmen der Baumbestand der Tanne vorangebracht werden könnte. Ausführungen hierzu oder zu der Frage der Verhältnismäßigkeit, insbesondere Angemessenheit solcher Maßnahmen (z.B. hinsichtlich des Aufwands) sind in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht im Ansatz vorhanden.
Hieraus folgt, dass die Genehmigung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids schon aufgrund der fehlerhaften Annahme des Vorliegens eines besonderen Grundes i.S.d. Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 S. 3 BJagdG für die Schonzeitaufhebung rechtswidrig sein dürfte.
Jedenfalls dürfte der Antragsgegner aber auch bei unterstelltem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG das ihm nach dieser Vorschrift zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt haben. Voraussetzung für eine sachgerechte Ermessensausübung ist unter anderem, dass die Behörde den Sachverhalt in wesentlicher Hinsicht vollständig und zutreffend ermittelt hat und alle wesentlichen Gesichtspunkte in ihre Ermessenserwägungen einstellt (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 114 Rdnr. 24 f.). Dies hat der Antragsgegner durch die Nichtberücksichtigung der Stellungnahme des Kreisjagdberaters in Bezug auf die Wildschadenssituation jedoch nicht getan, sodass der Bescheid auch wegen dieses Ermessensdefizits rechtswidrig sein dürfte.
Aufgrund der durchgreifenden Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids, die damit voraussichtlich auch die Verletzung einer umweltbezogen Rechtsvorschrift indizieren und die vom Satzungszweck des Antragstellers umfasst sind, überwiegt das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Interesse des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen an einem sofortigen Vollzug.
Die aufschiebende Wirkung der Klage ist deshalb entsprechend wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt hat und somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt war.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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