Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 17.10241, 7 CE 17.10242, 7 CE 17.10244, 7 CE 17.10245, 7 CE 17.102467 CE 17.10243,

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 524
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayHZV § 54

 

Leitsatz

1 Zur Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten ist die sog. „Mitternachtszählung“ mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung vereinbar.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität nach § 54 HZV sieht eine Berücksichtigung des Schwundes nicht vor. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E HK 17.10046 u.a 2017-11-06 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen und die Antragsteller tragen jeweils die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Semester an der Universität Regensburg (UR) gemäß der Sach- und Rechtslage des Sommersemesters 2017. Sie machen geltend, die UR habe ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat ihre Anträge mit Beschluss vom 6. November 2017 abgelehnt.
Mit den Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie machen geltend, das erstinstanzliche Gericht habe sich noch nie mit der Berücksichtigung bzw. Einbeziehung von Lehrpraxen in die Berechnung der klinischen Ausbildungskapazität beschäftigt. Im Übrigen sei die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. „Mitternachtszählung“ überholt und es fehle an einer ordnungsgemäßen Schwundberechnung für den klinischen Ausbildungsabschnitt.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren ausführlich geäußert und den angefochtenen Beschluss verteidigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
1. Die begehrte Überprüfung der – angeblichen – Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Wege der Prozesskostenhilfe kommt nicht in Betracht. Das erstinstanzliche Gericht hat – da es bereits an einem entsprechenden Antrag fehlt – zu Recht nicht vorab geprüft, ob der in erster Instanz gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz Aussicht auf Erfolg hat. Die diesbezüglichen Ausführungen auf S. 2 des Beschwerdeschriftsatzes vom 8. Dezember 2017 stammen ersichtlich aus dem Beschwerdeschriftsatz eines anderen Verfahrens, aus dem sie unbesehen übernommen wurden und sind im vorliegenden Verfahren unbehelflich.
2. Im Übrigen begründet das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragsteller nicht. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die UR im Sommersemester 2017 ihre Ausbildungskapazität im ersten klinischen Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin (2. Studienabschnitt) ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
a) Die Rüge der Antragsteller, es sei „nicht ersichtlich, dass sich das erstinstanzliche Gericht auch nur ansatzweise mit der Ausbildung von Medizinstudenten während des 2. Ausbildungsabschnitts in Hausarztpraxen beschäftigt bzw. das dort befindliche „(Lehr) Potential“ gewürdigt“ habe; … auf jeden Fall werde „der Begriff „Lehrpraxis“ (bezogen auf das 5. bis 10. Fachsemester) überhaupt nicht erwähnt“, geht fehl. Dass sich das „erstinstanzliche Gericht – soweit ersichtlich – noch nie mit der Berücksichtigung bzw. Einbeziehung von Lehrpraxen in die Berechnung der klinischen Ausbildungskapazität beschäftigt hat“, ist dem Umstand geschuldet, dass derartige Bedenken insbesondere von Seiten der Antragsteller, die ihre Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen sämtlich ohne Begründung erhoben haben, noch niemals geltend gemacht worden sind. Auch für eine entsprechende Überprüfung von Amts wegen bestand bislang mangels Anhaltspunkten für eine diesbezüglich falsche Berechnung kein Anlass. Im Übrigen hat der Beklagte nun im Beschwerdeverfahren nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass an der UR lediglich ein Blockpraktikum, dasjenige für Allgemeinmedizin, in einer Lehrpraxis von zwei Wochen im Rahmen eines Pflichtpraktikums im 5. Semester (vgl. §§ 2, Abs. 3, 27 Abs. 4 Nr. 5 ÄAppO) und damit außerhalb des Praktischen Jahres abgehalten wird und dass dieses bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität schon deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil für die wegen außeruniversitär geleisteter Blockpraktika zugelassenen weiteren Studierenden keine ausreichende Zahl geeigneter Patienten im Rahmen des Unterrichts am Krankenbett zur Verfügung stünde (so im Ergebnis auch: OVG Hamburg B.v. 13.10.2016 – 3 NC 18/16 – juris).
b) Auch die Anzahl der tagesbelegten Betten ist seitens der UR fehlerfrei ermittelt worden. Soweit die Antragsteller die dabei angewandte sog. „Mitternachtszählung“ für überholt halten, weil „die Belegung für jede Tageszeit unschwer per Computer ermittelt werden kann“ und somit „überhaupt keine Notwendigkeit mehr besteht, dass irgendwann zu mitternächtlicher Zeit eine Krankenschwester durch die Gänge und Flure des Universitätsklinikums „streift“, um zu ermitteln, wie viele Patienten in den einzelnen Zimmern vorhanden sind“, widerspricht dies – wie die Antragsteller selbst einräumen – der Rechtsprechung des erkennenden Senats. In dessen Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass zur Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten die sog. „Mitternachtszählung“ mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung vereinbar ist (BayVGH B.v. 26.7.2016 – 7 CE 16.10126 – juris Rn. 9 m.w.N.). Abgesehen davon, dass die UR bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität grundsätzlich auch teilstationäre Leistungen in Tageskliniken berücksichtigt (vgl. auch Schriftsatz des Beklagten vom 19.12.2017, S. 3), hat auch der Verordnungsgeber bislang davon abgesehen, nach Beobachtung der diesbezüglichen tatsächlichen Entwicklung korrigierend einzugreifen (vgl. dazu ausführlich: BayVGH B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris Rn. 14 ff.). Da die Mitternachtszählung im Übrigen auch zu einem Ausgleich der Interessen der Studierenden an einer ordnungsgemäßen praktischen und patientenbezogenen Ausbildung einerseits und der Interessen der betroffenen Patienten, unzumutbare Belastungen im Rahmen dieses Unterrichts zu vermeiden andererseits führt (vgl. dazu: BayVGH B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris Rn. 16), besteht auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
c) Schließlich ist auch die „Frage des Schwundansatzes“ nicht, wie die Antragsteller meinen, „offen“. Denn der Senat hat bereits entschieden (BayVGH B.v. 25.11.2013 – 7 CE 13.10315 – juris Rn. 12), dass die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität nach § 54 HZV eine Berücksichtigung des Schwundes nicht vorsieht.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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