Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz, Herausgabe von Informationen nach dem VIG, Lebensmittelrechtliche Kontrollberichte, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, gesetzlicher Sofortvollzug

Aktenzeichen  Au 9 S 21.1856

Datum:
5.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33292
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a Abs. 3
VIG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VIG § 5 Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin – die ein Speiselokal in der Form eines Einzelunternehmens betreibt – wendet sich gegen eine Informationserteilung der Antragsgegnerin an den Beigeladenen nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG).
Der Beigeladene begehrte mit E-Mail vom 4. Juli 2021 Auskunft darüber, wann die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im Lokal der Antragstellerin stattgefunden haben und ob es hierbei zu Beanstandungen gekommen ist. Für diesen Fall beantragte er die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte der Betriebsüberprüfungen.
Mit Schreiben des Landratsamts * vom 19. Juli 2021 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ein Antrag auf Informationsgewährung nach dem VIG vorliege, und dass beabsichtigt sei, die entsprechenden Informationen an den Beigeladenen herauszugeben. Der Antragstellerin wurde Gelegenheit gegeben, sich bis spätestens 5. August 2021 zur beabsichtigten Informationsgewährung zu äußern. Eine Äußerung der Antragstellerin erfolgte nicht.
Mit Bescheid des Landratsamts * vom 19. August 2021 (Az.: *) wurde dem Antrag des Beigeladenen auf Informationsgewährung stattgegeben (Nr. 1 des Bescheids). Nr. 2 des Bescheids betrifft die Form der Informationsgewährung. Weiter ist in Nr. 2 ausgeführt, dass dem Beigeladenen die Information zehn Tage nach Zustellung des Bescheids an die Antragstellerin in Schriftform übermittelt werde, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt ist. Nr. 3 des Bescheids enthält den Hinweis, dass die Nrn. 1 und 2 des Bescheids kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind.
Zur Begründung des Bescheids wird ausgeführt, dass die Information gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG antragsgemäß erteilt werde. Es sei ein Antrag auf Informationsgewährung gemäß § 4 Abs. 1, § 2 Abs. 1 VIG bezüglich den letzten beiden lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen sowie auf Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte im Falle von Beanstandungen gestellt worden. Dieser Antrag sei hinreichend bestimmt. Der Antragstellerin sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 VIG Gelegenheit gegeben worden, sich zur geplanten Informationsherausgabe zu äußern. Ausschluss- oder Beschränkungsgründe lägen nicht vor.
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts * vom 19. August 2021 wird ergänzend Bezug genommen.
Der Bescheid wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 24. August 2021 bekannt gegeben.
Mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 8. September 2021 wurden dem Beigeladenen die von ihm beantragten Informationen bekannt gegeben.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 15. September 2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 16. September 2021, Klage erhoben und sinngemäß beantragt, den Bescheid des Landratsamts * vom 19. August 2021 aufzuheben (Az.: Au 9 K 21.1855). Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.
Ebenfalls mit Schreiben vom 15. September 2021 hat die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: Au 9 K 21.1855) anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass sie das Anhörungsschreiben vom 19. Juli 2021 nicht erhalten habe. Es sei zutreffend, dass durch die Gesundheitsbehörde eine zweimalige Kontrolle in ihrem Restaurant stattgefunden habe. Die getroffenen Beanstandungen seien weitgehend beseitigt und die geforderten Strafzahlungen geleistet worden. Eine Nachkontrolle habe bislang nicht stattgefunden. Sie sei bemüht, die Gesundheitsvorschriften und Auflagen zu erfüllen.
Das Landratsamt * ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 22. September 2021 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die betroffenen lebensmittelrechtlichen Kontrollberichte bereits mit Schreiben vom 8. September 2021 rechtmäßig an den Beigeladenen übermittelt worden seien. Die Antragstellerin sei über die beabsichtigte Informationsgewährung informiert worden. Sie habe die Möglichkeit gehabt, sich hierzu zu äußern. Nachdem keine Reaktion der Antragstellerin erfolgt sei, sei dem Antrag des Beigeladenen mit Bescheid vom 19. August 2021 entsprochen worden. Die Antragstellerin habe einen Abdruck dieses Bescheids erhalten. Dieser habe den Hinweis enthalten, dass die Auskunftserteilung zehn Tage nach Zustellung des Bescheides an den Beigeladenen erfolgen würde, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt sei. Die Herausgabe der Informationen an den Beigeladenen sei rechtmäßig erfolgt. Daher seien sowohl der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als auch die Klage abzuweisen.
Auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes des Landratsamts * vom 17. September 2021 wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. September 2021 wurde der Beigeladene zum Verfahren notwendig beigeladen. Eine Äußerung ist im Verfahren nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Antragsgegner vorgelegte Verfahrensakte verwiesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
1. Der von der Antragstellerin unter dem Datum 15. September 2021 (Eingang bei Gericht am 16. September 2021) gestellte Antrag ist in Anwendung von §§ 122, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sachdienlich dahin auszulegen, dass er darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Anfechtungsklage (Az.: Au 9 K 21.1855) gegen den an den Beigeladenen gerichteten Auskunftsbescheid des Antragsgegners vom 19. August 2021 anzuordnen.
2. Dem so verstandenen Antrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG fehlt jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das für eine Antragstellung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
a) Als ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme des Gerichts ist von Amts wegen und in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfen, ob für das konkrete Begehren ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes besteht. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere dann, wenn auch ein Erfolg des Rechtschutzbegehrens die Rechtsstellung des Rechtsschutzsuchenden nicht verbessern kann (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Vor §§ 40-53, Rn. 11).
Da die begehrten lebensmittelrechtlichen Informationen bezüglich des Speiselokals der Antragstellerin dem Beigeladenen mit Schreiben vom 8. September 2021 bekannt gegeben wurden, könnte auch ein Erfolg der beim Verwaltungsgericht anhängigen Rechtsbehelfe der Antragstellerin, deren Rechtsposition nicht mehr verbessern. Der Regelungsgehalt des mit der Klage angegriffenen Bescheids vom 19. August 2021 erschöpft sich in der Informationsgewährung an den Beigeladenen (vgl. Art. 43 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG), der Verwaltungsakt hat sich mit der Herausgabe der Informationen erledigt. Sowohl dem Eilantrag als auch der in der Hauptsache erhobenen Klage (Az.: Au 9 K 21.1855) fehlt daher im jeweils maßgeblichen Zeitpunkt das Rechtsschutzbedürfnis.
b) Der Antragsgegner war berechtigt dem Beigeladenen die begehrten Informationen mit Schreiben vom 8. September 2021 herauszugeben.
Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. August 2021 keine aufschiebende Wirkung. Im Zeitpunkt der Herausgabe der Informationen am 8. September 2021 war der Bescheid somit sofort vollziehbar. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde erst mit Schreiben vom 15. September 2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht am 16. September 2021 gestellt, und stand der Herausgabe somit nicht entgegen.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 VIG sind vorliegend erfüllt. Nach § 5 Abs. 4 Satz 2 VIG darf der Informationszugang erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten (hier der Antragstellerin) bekannt gegeben worden ist und diesem ein ausreichender Zeitraum zur Einlegung von Rechtsbehelfen eingeräumt worden ist. § 5 Abs. 4 Satz 3 VIG bestimmt weiter, dass dieser Zeitraum 14 Tage nicht überschreiten soll. Der hier streitgegenständliche Bescheid wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 24. August 2021 bekannt gegeben. Bis zur Herausgabe der Informationen an den Dritten mit Schreiben vom 8. September 2021 hatte die Antragstellerin ausreichend Zeit, Rechtsbehelfe gegen die beabsichtigte Informationsgewährung an den Beigeladenen einzulegen. Der streitgegenständliche Bescheid enthält überdies den erforderlichen Hinweis auf den gesetzlichen Sofortvollzug nach § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG (Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids). Nr. 2 des Bescheids weist zutreffend darauf hin, dass die Information zehn Tage nach Zustellung des Bescheids an den betroffenen Dritten in Schriftform übermittelt wird, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgt ist. Den gesetzlichen Erfordernissen des § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 VIG ist damit in ausreichender Weise Rechnung getragen.
3. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Nachdem der Beigeladene ohne eigene Antragstellung sich keinem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlich entstandenen Kosten selbst zu tragen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Kammer hat sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert (vgl. BayVBl, Sonderbeilage Januar 2014), der in Nr. 25.2 bei sonstigen Maßnahmen im Bereich des Lebensmittelrechts den Jahresbetrag der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen, sonst den Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG vorschlägt. Mangels eines Anhaltspunkts für die erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen für die Antragstellerin bei einer Informationsgewährung an den Beigeladenen ist die Kammer vom Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG ausgegangen, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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