Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Waffenrechtliche Erlaubnis, Waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Verwaltungsgerichte, Erlaubnispflicht, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Strafverfahren, Kostenentscheidung, Tagessatz, Maßgeblicher Zeitpunkt, Prozeßbevollmächtigter, Klageabweisung, Kleiner Waffenschein, Unbrauchbarmachung, Widerrufsverfahren, Waffengesetz, Durchsuchung der Wohnung, Wohnungsdurchsuchung, Schreckschusswaffen, Sitzungsprotokoll

Aktenzeichen  B 1 K 19.806

Datum:
17.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45367
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
WaffG § 41
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers und die hierzu ergangenen Nebenentscheidungen durch den Bescheid der Beklagten vom 13.08.2019 erweisen sich als rechtmäßig, so dass die dagegen gerichtete Klage abzuweisen ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht nimmt zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten vom 13.08.2019 und macht sich diese zu eigen. Ergänzend wird zur Sache und zum Klagevorbringen Folgendes ausgeführt:
a) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom 13.08.2019 hat die nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit des Klägers nicht vorgelegen.
Hierfür kann dahinstehen, ob wegen eines Verstoßes gegen Aufbewahrungsvorschriften am 22.10.2015 (Durchsuchung der Wohnung des Klägers) der Kläger bereits nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen ist. Denn auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung durch das Landgericht … mit seit dem 09.08.2018 rechtskräftigen Urteil zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen ist der Kläger jedenfalls gemäß der Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig zu qualifizieren. Die hiernach bestehende Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit bei einer Verurteilung wegen einer Straftat nach dem Waffengesetz zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen kann vorliegend auch dann nicht als widerlegt angesehen werden, wenn man zugunsten des Klägers sein Klagevorbringen als wahr unterstellt.
Auch wenn der Kläger keine positive Kenntnis davon gehabt haben sollte, dass die halbautomatische Pistole Langenhahn erlaubnispflichtig war, so hat er sein Nichtwissen und die hieraus resultierende Straftat zumindest billigend in Kauf genommen. Wie der Kläger selbst vorträgt, hatte ein in der Vergangenheit für ihn arbeitender Büchsenmacher das Umbauen bzw. Herstellen von Deko-Waffen mit der Begründung eingestellt, dass die Vorschriften zu undurchsichtig geworden seien. Dies zeigt, dass in „Waffen-Sammler-Kreisen“ allgemein bekannt war, dass es für Deko-Waffen besondere und sich stets wandelnde Vorschriften gibt.
Jedenfalls aber war dem Kläger wegen des Vorfalls aus dem Jahr 2010, als ihm eine Importerlaubnis aus der Türkei für eine halbautomatische Waffe Langenhan FL (mit identischer Seriennummer zu der nunmehr aufgefundenen Waffe!) versagt wurde, bekannt, dass für den Import bzw. den Besitz einer derartigen Waffe besondere Vorschriften gelten und eine Erlaubnispflicht zumindest wahrscheinlich ist. Hinzu kommt vorliegend, dass der Kläger auch bereits wegen waffenrechtlicher Verstöße im November 2013 von der Beklagten ermahnt und auf seine Pflicht hingewiesen wurde, sich stets mit den aktuell gültigen waffenrechtlichen Vorschriften vertraut zu machen.
Es steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es dem Kläger bewusst war, dass zumindest Teile seiner Deko-Waffen-Sammlung wenigstens mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Erlaubnispflicht unterliegen und er es trotz dieses Wissens bewusst unterlassen hat, eine entsprechende Erlaubnis zu beantragen bzw. den Sachverhalt an die Waffenbehörde heranzutragen, um eine entsprechende Prüfung zu ermöglichen. Im Übrigen wäre auch – wenn kein bedingter Vorsatz vorliegen würde – bei einer nur fahrlässigen Begehung einer Straftat nach dem Waffengesetz, die zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen führt, nach § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG regelmäßig keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit mehr gegeben.
Berücksichtigt man schließlich, dass die verhängte Geldstrafe von 90 Tagessätzen doch deutlich über dem vom Gesetzgeber festgelegten „Grenzwert“ von 60 Tagessätzen liegt, und gegen den Kläger im Mai 2013 – also nur knapp 2,5 Jahre vor der Wohnungsdurchsuchung und dem Auffinden der erlaubnispflichtigen Waffen im Oktober 2015 – ein Strafverfahren nach dem Waffengesetz nur gegen Zahlung einer Geldauflage von 600,00 EUR eingestellt wurde, können die Tatumstände vorliegend nicht in einem ausnahmsweise derart milden Licht erscheinen, dass ein Abweichen von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit in Betracht kommen könnte.
Ein Abweichen von dieser Regelvermutung kann sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2020 ergeben, dass seine Schuld im strafrechtlichen Sinne gering sei. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, dass es im Strafverfahren eine umfangreiche Beweisaufnahme darüber gegeben habe, ob die beschlagnahmten Waffen erlaubnispflichtig gewesen seien. Es sei dann aber im Strafverfahren in erster Linie um die Frage gegangen, ob der Kläger hätte wissen müssen, dass es sich um erlaubnispflichtige Waffen gehandelt habe (vgl. S. 4 oben des Sitzungsprotokolls vom 17.11.2020).
Aus dem geschilderten Verlauf der strafrechtlichen Hauptverhandlung ergibt sich somit, dass dem Strafgericht bewusst gewesen sein muss, dass die Erlaubnispflicht der Waffen nicht ohne Weiteres zu erkennen gewesen war. Dennoch hat das Landgericht … in zweiter Instanz die strafrechtliche Schuld des Klägers als so erheblich bewertet, dass es bei seiner Strafzumessung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen angesehen hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Strafurteilsfindung fehlerhaft erfolgt wäre, sind für das Verwaltungsgericht nicht erkennbar. Auch konnten solche Anhaltspunkte vom Klägerbevollmächtigten auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2020 nicht aufgezeigt werden. Das Gericht hat somit von der Richtigkeit der strafrechtlichen Verurteilung auszugehen (vgl. BVerwG, B.v. 22.04.1992 – 1 B 61/92 – juris, Rn. 6 f.), und kann aus dem vorliegenden Strafausspruch des Landgerichts … nur den Schluss ziehen, dass trotz der nicht einfach zu beurteilenden Frage der Erlaubnispflicht der in Rede stehenden Waffen kein geringes, sondern vielmehr ein erhebliches Verschulden des Klägers im Hinblick auf die waffenrechtlichen Sorgfaltspflichten vorgelegen hat.
b) Zudem ergibt sich vorliegend die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers wegen wiederholter Verstöße gegen das Waffengesetz auch aus dem Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Anders als bei der Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG ist für den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG auch keine zeitliche Begrenzung normiert, nach deren Ablauf bekannt gewordene Verstöße per se unbeachtlich werden. Somit sind hier drei Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, eingeleitet in den Jahren 2007, 2013 und 2015, zu berücksichtigen. Dabei wurde auch immer eine (sogar) strafrechtlich relevante Schuld des Klägers festgestellt, da auch die Einstellung der ersten beiden Strafverfahren jeweils nur gegen Auflage erfolgt ist.
c) Der Einwand des Klägers, es habe sich um gar keine „richtigen“ Waffen gehandelt und diese seien auch nicht gebrauchsfähig, kann schon dem Grunde nach zu keinem anderen Ergebnis führen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zielen die Vorschriften des Waffengesetzes darauf, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, B.v. 26.03.1997 – 1 B 9/97 – juris, Rn. 6 m.w.N.). Es kommt also nicht darauf an, ob jemand mit seinen Waffen schon unmittelbare Gefahren für Menschen verursacht hat. Vielmehr wird von einem Waffenbesitzer verlangt, dass sein gesamtes Verhalten keinen Anlass dafür bietet, an seiner Zuverlässigkeit zu Zweifeln, weil im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hinzunehmen ist. Da der Kläger aber bereits dreimal in strafrechtlich relevanter Weise gegen das Waffenrecht verstoßen hat, kann er ein derartiges Vertrauen für sich nicht mehr in Anspruch nehmen.
d) Soweit der Kläger anführt, dass es seit der Sicherstellung der Waffen im Jahr 2015 keine Vorfälle mehr gegeben habe, und er deshalb seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit wiedergewonnen hätte, kann dies alleine schon deshalb nicht zutreffen, weil nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG eine strafrechtliche Verurteilung innerhalb der letzten fünf Jahre regelmäßig zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führt. Dieser Zeitraum von fünf Jahren ist vorliegend seit dem Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils am 09.08.2018 noch nicht verstrichen.
e) Im Ergebnis hatte die Beklagte wegen des Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zwingend die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers zu widerrufen. Ein Ermessenspielraum stand ihr dabei nicht zu.
Soweit der Kläger rügt, dass dieser Widerruf „erst“ mit Bescheid vom 13.08.2019 – und damit erst nach einem langen Zeitraum nach der Durchsuchung am 22.10.2015 – erfolgt ist (vgl. auch S. 2 unten des Sitzungsprotokolls vom 17.11.2020), kann dieser Einwand jedenfalls nicht zum Erfolg der vorliegenden Klage führen. Es kann hier die Frage dahinstehen, ob es vorliegend sachgerecht war, den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, und erst nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens am 09.08.2018 das waffenrechtliche Widerrufsverfahren einzuleiten. Denn mit dieser Vorgehensweise hätte der anwaltlich vertretene Kläger zumindest rechnen müssen. Zudem gilt im Waffenrecht als Teil des Sicherheitsrechts ohnehin kein derartiger Vertrauensschutzgrundsatz, da das öffentliche Interesse daran, Waffenbesitz bei unzuverlässigen Personen zu unterbinden, dem privaten Interesse eines unzuverlässigen Waffenbesitzers am Behalten seiner Waffen stets vorgeht.
f) Da der Kläger im für das ausgesprochene Waffenerwerbs- und Besitzverbot nach § 41 Abs. 1 WaffG (Dauerverwaltungsakt) maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als waffenrechtlich nicht zuverlässig anzusehen ist, ist auch dieses rechtmäßig. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht, zumal diese auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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