Verwaltungsrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte

Aktenzeichen  21 CS 16.2083

Datum:
7.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 146 Abs. 4
WaffG WaffG § 5 Abs. 1, § 36, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46
AWaffV AWaffV § 13 Abs. 6 S. 1

 

Leitsatz

1 Der Keller eines Mehrfamilienhauses kann ein waffenrechtlich zulässiger Aufbewahrungsort sein. (redaktioneller Leitsatz)
2 Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 13 Abs. 6 S. 1 AWaffV gibt einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Auslegung, nach der ein Keller in einem Mehrfamilienhaus stets dem Begriff „nicht dauernd bewohntes Gebäude“ unterfallen soll. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 S 16.1342 2016-10-06 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.875,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin wendet sich dagegen, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet bzw. wiederhergestellt hat, die der Antragsteller gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und die dazu ergangenen Nebenentscheidungen erhoben hat.
Der Antragsteller bewahrt seine zwei Kurzwaffen in einem Waffenschrank (VDMA 24992 Sicherheitsstufe B) auf, der sich nach Aktenlage in einem fensterlosen, allseitig ummauerten und durch eine Türe mit Sicherheitsschloss zu betretenden Raum im Keller eines Mehrfamilienhauses befindet. In den Keller gelangt man über eine Stahltüre, für die lediglich die Mitbewohner des Hauses einen Schlüssel besitzen.
Nach einer Aufbewahrungskontrolle verlangte die Antragsgegnerin vom Antragsteller mit Schreiben vom 9. Februar 2016 unter Fristsetzung bis zum 8. März 2016 einen Nachweis darüber, dass der Antragsteller seine Waffen in der Wohnung aufbewahrt. Eine Aufbewahrung der Kurzwaffen im Keller sei nicht zulässig, weil nach § 13 Abs. 6 AWaffV in einem nicht dauernd bewohnten Gebäude nur bis zu drei erlaubnispflichtige Langwaffen aufbewahrt werden dürften.
Der Antragsteller kam dieser Aufforderung auch nach Fristverlängerung nicht nach. Seine Waffen befänden sich in einem vollständig ummauerten Raum, den er täglich mindestens einmal betrete. Der Verweis auf nicht dauernd bewohnte Gebäude sei verfehlt.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2016 widerrief die Antragsgegnerin die von ihr am 6. Oktober 1981 ausgestellte Waffenbesitzkarte und bestimmte, dass der Widerruf nach Ablauf von vier Wochen nach Vollziehbarkeit des Bescheids wirksam wird (Nr. 1). Der Antragsteller wurde verpflichtet, die Waffenbesitzkarte binnen einer Frist von sechs Wochen nach Vollziehbarkeit des Bescheids an die Antragstellerin zurückzugeben (Nr. 2). Insoweit wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 4). Der Antragsteller sei waffenrechtlich unzuverlässig. Es bestünden Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Antragsteller Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren werde. Der Antragsteller verwahre seine Waffen in einem Kellerabteil, das durch einen teilweisen Bretterverschlag von jeder Person einsehbar sei, die den Bereich des Kellers betrete. Das Kellerabteil sei nach Nr. 3.1 der Vollzugshinweise zur Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 6. April 2010 (ID5-2131.67-21) als „nicht dauerhaft bewohnt“ zu werten, weil es sich in einem Mietshaus befinde und räumlich von der Wohnung getrennt sei.
Dem hiergegen gerichteten Eilantrag gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2015 statt. Ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache sei wahrscheinlich. Weder § 36 WaffG noch § 13 AWaffV bestimme ausdrücklich die Pflicht von Waffenbesitzern, dass die Waffen in der eigenen Wohnung oder zumindest in deren Nähe verwahrt werden müssten. Es begegne erheblichen Bedenken, den Kellerraum des Antragstellers als „nicht dauerhaft bewohntes Gebäude“ anzusehen. Das gelte zum einen im Hinblick auf den Wortlaut der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung. Darüber hinaus gingen die Vollzugshinweise lediglich davon aus, dass nur „in der Regel“ eine Aufbewahrung im Keller eines Mehrfamilienhauses unzulässig sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen es nicht, den angegriffenen Bescheid abzuändern oder aufzuheben.
Das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin geht im Wesentlichen dahin, der Keller eines Miethauses sei unabhängig von der technischen Gestaltung und gleichgültig, wie gut er gesichert und wie oft er frequentiert werde, kein zulässiger Aufbewahrungsort für Kurzwaffen. Ein solcher gelte nach den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zur Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition vom 6. April 2010 als „nicht dauerhaft bewohntes Gebäude“ im Sinn des § 13 Abs. 6 AWaffV.
1. Das gibt keinen Anlass, von der im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, die Klage werde wahrscheinlich Erfolg haben. Die Voraussetzungen der von der Antragsgegnerin herangezogenen und hier nach Lage der Dinge allein einschlägigen Befugnisnorm (§ 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG) liegen summarisch geprüft nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zur Versagung der waffenrechtlichen Erlaubnisse hätten führen müssen. Es spricht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens vieles dafür, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu Unrecht vorwirft, die für die Erteilung der Waffenbesitzkarte nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit deshalb nicht mehr zu besitzen, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er werde Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG). Denn der im Keller eines Mehrfamilienhauses gelegene Raum, in dem sich der Waffentresor des Antragstellers befindet, ist nach Lage der Akten ein waffenrechtlich zulässiger Aufbewahrungsort.
Nach der speziellen Regelung des § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV dürfen in einem nicht dauernd bewohnten Gebäude nur bis zu drei Langwaffen, zu deren Erwerb und Besitz es einer Erlaubnis bedarf, aufbewahrt werden. Der Kellerraum, den der Antragsteller zur Aufbewahrung seiner zwei Kurzwaffen in einem dafür unstreitig nach § 36 Abs. 2 Satz 1 WaffG geeigneten Behältnis nutzt, unterfällt nach Lage der Akten dieser Bestimmung nicht. Das folgt aus dem Wortlaut dieser Norm, dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers bei Erlass dieser Bestimmung und dem Zweck der Aufbewahrungsvorschriften.
1.1 Der Wortlaut des § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV gibt keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die von der Antragsgegnerin vorgenommene Auslegung, nach der ein Keller in einem Mehrfamilienhaus stets dem Begriff „nicht dauernd bewohntes Gebäude“ unterfallen soll. Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch wird der Keller eines Wohnhauses nicht als Gebäude betrachtet, sondern als Teil davon. Auch das Baurecht, an dessen Begrifflichkeit das Waffenrecht in diesem Zusammenhang wohl anknüpft (vgl. Lehmann/v. Grotthuss, Waffenrecht, Stand Februar 2017, Rn. 86 zu § 36), unterscheidet zwischen „Gebäude“ und „Raum“ (§ 13 BauNVO). Ebenso das Waffenrecht, das in § 36 Abs. 2 Satz 3 WaffG auf den Begriff „Räume“ und in § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf den Begriff „Gebäude“ abstellt.
1.2 Vor allem aber stehen der von der Antragsgegnerin vorgenommene Auslegung des § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV der aus der Entstehungsgeschichte der Norm ersichtliche gesetzgeberische Wille und der Zweck der Aufbewahrungsvorschriften entgegen.
Das Waffengesetz regelt nicht abschließend, ob der in § 36 WaffG vorgeschriebene Sicherheitsstandard ausreichend ist oder Art und Zahl der Waffen oder der Ort der Aufbewahrung eine erhöhte oder abgesenkte Sicherung erfordern (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 73 f.). Stattdessen ermächtigt § 36 Abs. 5 Satz 1 WaffG das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung unter Berücksichtigung des Standes der Technik, der Art und Zahl der Waffen, der Munition oder der Örtlichkeit von den Anforderungen an die Aufbewahrung abzusehen oder zusätzliche Anforderungen an die Aufbewahrung oder die Sicherung der Waffe festzulegen.
Das Bundesministerium des Innern hat diese Ermächtigung durch § 13 AWaffV ausgefüllt und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Abs. 6 dieser Vorschrift enthalte eine Sonderbestimmung für die Aufbewahrung von Waffen in Gebäuden, in denen Nutzungsberechtigte nur vorübergehend verweilen, z.B. – im privaten Bereich – Jagdhütten, Wochenend- oder Ferienhäuser oder Ferienwohnungen (vgl. BR-Drs. 415/03 S. 50).
Zwar kann dem entnommen werden, dass der Verordnungsgeber als „nicht dauernd bewohntes Gebäude“ im Sinn der Vorschrift neben Ferienhäuser auch Ferienwohnungen und damit in sich abgeschlossene, gesonderte Nutzungseinheiten eines Gebäudes betrachtet. Allerdings geht der Verordnungsgeber gleichzeitig davon aus, dass die von der Sonderbestimmung erfassten „nicht dauernd bewohnten Gebäude“ regelmäßig gering frequentiert sind, im Außenbereich liegen und weniger massiv gebaut sind als typische Wohnhäuser. Damit wird deutlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers „nicht dauernd bewohnte Gebäude“ solche sind, bei denen aufgrund ihrer Situierung, Nutzungshäufigkeit und Bauweise ein wesentlich geringerer Entwendungsschutz besteht als bei anderen Gebäuden. Das wird dadurch bestätigt, dass der Verordnungsgeber zur Möglichkeit, nach § 13 Abs. 6 Satz 3 AWaffV Abweichungen von der Regelung des § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV in Bezug auf die Art oder Anzahl der aufbewahrten Waffen oder das Sicherheitsbehältnis zuzulassen, ausführt: Die Gewährleistung eines hinreichenden Entwendungsschutzes sei in diesen Fällen einzelfallbezogen sicherzustellen, wobei einerseits die Art und Anzahl der zu verwahrenden Waffen, andererseits die Belegenheit und Frequentiertheit sowie die sonstige Beschaffenheit des Gebäudes (baulicher Einbruchschutz, eventuell vorhandene Einbruchsmeldeanlagen oder Bewegungsmelder, Entdeckungswahrscheinlichkeit eines Entwendungsversuchs und Erreichbarkeit von Polizeikräften) zu berücksichtigen seien.
Das entspricht dem Zweck der Aufbewahrungsvorschriften. Das Waffenrecht hat die Aufgabe, die Bevölkerung vor den Gefahren, die von Waffen oder Munition ausgehen zu schützen. Besonders wichtig ist insoweit die in § 36 WaffG geregelte sichere Aufbewahrung dieser Gegenstände vor allem unter dem Gesichtspunkt, eine unberechtigte Nutzung durch Dritte möglichst zu verhindern (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 73 f.).
Das berücksichtigt ist der vom Antragsteller zur Aufbewahrung seiner Kurzwaffen im Keller eines Mehrfamilienwohnhauses genutzte Raum nach Lage der Akten kein nicht dauernd bewohntes Gebäude im Sinn des § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV. Er gewährleistet anders, als es bei dem Keller eines Mehrfamilienhauses regelmäßig der Fall sein mag, nach Belegenheit, Frequentiertheit und baulicher Beschaffenheit einen hinreichenden Entwendungsschutz. Der Raum ist Teil eines Mehrfamilienhauses, das im Gegensatz zu den typischerweise von § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV erfassten Gebäude nicht im Außenbereich liegt. Seine Lage im Kellergeschoss des Mehrfamilienhauses rechtfertigt es schon deshalb nicht, eine im Vergleich zu Wohnräumen wesentlich erhöhte Einbruchsgefahr anzunehmen, weil der Zugang zum Keller nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers durch eine Stahltüre gesichert ist, für die lediglich die Bewohner des Hauses einen Schlüssel besitzen, und der allseitig ummauerte Raum wiederum eine mit Sicherheitsschloss versehene, stabile Türe besitzt, für deren Sicherheitsschloss nur der Antragsteller einen Schlüssel besitzt. Der Kellerraum scheint, worauf die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses zu Recht hingewiesen hat, dem Keller eines Einfamilienhauses vergleichbar, der sich waffenrechtlich regelmäßig als geeigneter Aufbewahrungsort darstellt. Der Umstand, dass die übrigen Bewohner des Mehrfamilienhauses Zutritt zum Keller haben, rechtfertigt schon mit Blick auf die Sicherung des für die Aufbewahrung der Waffen genutzten Raumes keine andere Beurteilung. Im Übrigen können in einem Einfamilienhaus waffenrechtlich Nichtberechtigte (Familienmitglieder und Besucher) sogar Zutritt zum Raum der Aufbewahrung haben. Schließlich ist der inmitten stehende Raum mit Blick auf seine unwiderlegt vorgetragene sonstige Nutzung auch hinsichtlich der Frequentiertheit nicht mit den typischerweise von § 13 Abs. 6 Satz 1 AWaffV erfassten Gebäuden vergleichbar.
Dieses Ergebnis widerspricht nicht den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (IMS v. 6.4.2010), auf die sich die Antragsgegnerin bezogen hat. Unter Nr. 3.1 ist darin bestimmt, auch bei dem Keller eines Miethauses, in dem mehrere Parteien wohnen, handele es sich in der Regel um ein „nicht dauerhaft bewohntes Gebäude“ nach § 13 Abs. 6 AWaffV. Der vom Antragsteller als Aufbewahrungsort genutzte Raum weicht aus den genannten Gründen von dieser Regel ab.
Der Verweis der Antragsgegnerin auf die „Arbeitsgrundlagen für kriminalpolizeiliche Fachberater – Aufbewahrung von Waffen und Munition in Bayern“ führt schon deshalb nicht weiter, weil darin – soweit hier von Interesse – lediglich das unter Nr. 3.1 der vorbezeichneten Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministerium des Innern Gesagte übernommen ist.
1.3 Wegen der Interessenabwägung im Übrigen wird auf den angegriffenen Beschluss verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den Nrn. 50.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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