Aktenzeichen 21 CS 15.2618
Leitsatz
1. Eine Waffe ist auch dann schussbereit, wenn sich Munition im in die Waffe eingeführten Magazin befindet, ohne dass es darauf ankommt, ob sie gespannt ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einstellung eines Strafverfahrens hindert Behörden und Gerichte nicht, anhand der Strafakten selbständig zu prüfen, ob der Betroffene eine waffenrechtlich bedeutsame Verfehlung begangen hat und ob diese die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 4 S 15.1459 2015-11-16 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.750,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1. Dem Antragsteller geht es um die Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage, mit der er sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse und die dazu ergangenen Nebenentscheidungen wendet.
Die Polizeiinspektion Vilsbiburg teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 5. März 2015 folgenden Sachverhalt mit: Der Antragsteller sei am 4. Januar 2015 um 16:10 Uhr auf der Kreisstraße LA 2 in 82317 Vilsbiburg in Fahrtrichtung Vilsbiburg im Bereich Hippenstall von der Polizeistreife POM O. und PHM´in W. einer verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle unterzogen worden. Der Antragsteller habe angegeben, gerade von der Jagd zu kommen. Nach seiner Waffe befragt sei der Antragsteller zur Beifahrerseite seines Kraftfahrzeugs gegangen und habe die Beifahrertüre geöffnet. Unter einer Jacke sei ein Jagdgewehr (Repetierer) auf dem Beifahrersitz festgestellt worden. Auf die Frage nach dem Ladezustand habe der Antragsteller angegeben, dass er als Jäger seine Rechte und Pflichten im Umgang mit Waffen kenne und seine Waffe ohne Patrone im Lauf transportiere. Nach den weiteren Feststellungen dazu hätten sich im in die Waffe eingeführten Magazin mehrere Schuss Patronenmunition befunden. Der Antragsteller habe im Beisein von PHM´in W. die Waffe während der Kontrolle entladen; es habe sich keine Patrone im Lauf befunden. Über die Sicherung könne keine Aussage getroffen werden.
Der Antragsteller wurde am 15. Januar 2015 als Beschuldigter vernommen. Ausweislich der Vernehmungsniederschrift ließ er sich unter anderem wie folgt ein: „Im Nachhinein ist mir bewusst, dass ich das Gewehr so nicht hätte mit dem Fahrzeug transportieren dürfen zu meinem Revier. Es ging an dem Tag alles sehr schnell und ich habe es wohl übersehen. … Ich werde in Zukunft besser darauf achten, in welchem Ladezustand sich mein Gewehr befindet.“
Die Staatsanwaltschaft Landshut stellte mit Verfügung vom 13. Mai 2015 das wegen eines Vergehens des Führens einer Schusswaffe ohne Erlaubnis eingeleitete Ermittlungsverfahren gemäß § 153a StPO endgültig ein, nachdem der Antragsteller eine Geldauflage i. H. v. 1.500,00 Euro fristgerecht erfüllt hatte.
Mit Bescheid vom 14. August 2015 widerrief das Landratsamt Landshut die dem Antragsteller erteilten Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Waffen (Waffenbesitzkarten Nr. 37/80 und Nr. 54/81 mit insgesamt 7 eingetragenen Waffen) und traf dazugehörige Nebenentscheidungen.
Mit Bescheid vom gleichen Tag zog das Landratsamt den Jagdschein des Antragstellers ein, traf die dazugehörigen Nebenentscheidungen und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der jagdrechtlichen Verfügungen an.
2. Der Antragsteller hat gegen den waffenrechtlichen Bescheid am 31. August 2015 Klage erhoben und am 14. September 2015 vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht Regensburg hat den Eilantrag mit Beschluss vom 16. November 2015 abgelehnt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
Im jagdrechtlichen Verfahren war der Antragsteller mit seinem Begehren nach vorläufigem Rechtsschutz erfolgreich, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach Auffassung des Gerichts nicht begründet wurde (Beschluss vom 30.11.2015 – RN 4 S 15.1440).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, den angegriffenen Beschluss abzuändern oder aufzuheben.
1.1 Der Bevollmächtigte des Antragstellers rügt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsteller eine schussbereite Waffe in seinem Fahrzeug gehabt habe. Es sei unerfindlich, wie PHM´in W. zu der Feststellung gelangt sei, es seien Patronen im Magazin gewesen. Beim Freilegen der Waffe durch den Antragsteller sei PHM´in W. nicht in unmittelbarer Nähe der Beifahrertüre gestanden. Der Antragsteller habe die Waffe vorgeführt, ohne sie aus der Hand zu geben. Er habe zunächst den Verschluss geöffnet, um zu zeigen, dass die Waffe ungeladen sei. Danach habe er das Magazin entfernt und den Verschluss geschlossen. PHM´in W. habe die Waffe nicht näher in Augenschein genommen und deshalb dazu keine Feststellungen treffen können. Es werde in der Ermittlungsakte nicht angegeben, dass die Polizeibeamtin das Magazin geprüft habe.
Das gibt keinen Anlass, von der im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, die Klage werde voraussichtlich erfolglos bleiben. Dieses Vorbringen widerlegt nicht, dass dem Antragsteller gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG die erforderliche (waffenrechtliche) Zuverlässigkeit fehlt, weil er gröblich gegen Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen hat. Ein Jäger darf Jagdwaffen ohne Erlaubnis – soweit hier von Interesse – nur zur befugten Jagdausübung im Revier führen (§ 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 WaffG); hat er Jagdwaffen – wie hier – lediglich im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit bei sich, so bedarf er nur dann keiner Erlaubnis zum Führen von Waffen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 WaffG), wenn sie nicht schussbereit sind. Es spricht summarisch geprüft alles dafür, dass das Jagdgewehr des Antragstellers im Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle am 4. Januar 2015 schussbereit war.
PHM´in W. konnte auch ohne Inaugenscheinnahme der Waffe deren Schussbereitschaft beurteilen. Es genügte, wenn bei der vom Antragsteller geschilderten Herausnahme des Magazins aus dem Repetiergewehr erkennbar war, dass es Munition enthielt. Denn nach Abschnitt 2 Nr. 12 der Begriffsbestimmungen der Anlage 1 zum Waffengesetz ist eine Waffe unter anderem dann schussbereit, wenn sich Munition im in die Waffe eingefügten Magazin befindet, ohne dass es darauf ankommt, ob sie gespannt ist. Die im Rahmen der Beschwerde geschilderten Umstände geben keinen konkreten Anhalt dafür, dass für die Polizeibeamtin nicht ohne Weiteres zu ersehen war, ob das Magazin gefüllt ist oder nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerde in Bezug genommen „eidesstattlichen Versicherung“ vom 16. September 2015, die der Antragsteller bereits in erster Instanz vorgelegt hat. Im Gegenteil, die Versicherung an Eides statt lässt erkennen, dass der Antragsteller fälschlich davon ausgeht, eine Waffe sei bereits dann ungeladen, wenn sich im Patronenlager keine Munition befindet. Das zeigt folgende Äußerung: „Wie in der Waffenhandhabung üblich, war der erste Griff das Öffnen des Verschlusses, um zu demonstrieren, dass die Waffe ungeladen ist. Dies konnte ich hiermit zeigen.“ Soweit der Antragsteller zudem versichert, beim Freilegen der Waffe habe PHM´in W. „ca. 1,50 m hinter mir im Straßengraben“ gestanden, gibt das angesichts des geringen Abstands keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der Ladezustand des Magazins für die Polizeibeamtin auch ohne nähere Sichtprüfung erkennbar war. Dafür spricht auch der Inhalt der Vernehmungsniederschrift vom 15. Januar 2015, dem zufolge der Antragsteller den Vorwurf eingeräumt hat.
1.2 Die Beschwerde wendet ein, es sei rechtlich nicht haltbar, wenn das Verwaltungsgericht annehme, mit der Zahlung der Geldauflage sei eine Art „Schuldeingeständnis“ verbunden. Vielmehr sei mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Strafvorwurf „vom Tisch“. Der Antragsteller brauche sich nicht entgegenhalten lassen, dass er sich strafbar gemacht habe.
Das verkennt, dass sich aus der Einstellung eines Strafverfahrens kein Hindernis für Behörden und Gerichte ergibt, anhand der Strafakten selbstständig zu prüfen, ob der Betroffene eine waffenrechtlich bedeutsame Verfehlung begangen hat und ob diese die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigt (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90 – NJW 1991, 1530/1532; BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12.95 – NJW 1997, 336/338). Dem entspricht der angegriffene Beschluss. Das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass allein die Zustimmung des Antragstellers zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens und der Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Landshut für einen Tatnachweis genügen. Der Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts liegt vielmehr eine eigenständige Bewertung der Strafakte zugrunde. Es hat festgestellt und näher ausgeführt, der Antragsteller habe nach Aktenlage in seinem Fahrzeug eine schussbereite Waffe mitgeführt (vgl. BA S. 4).
1.3 Schließlich meint der Antragsteller, der Antragsgegner sehe selbst keine Eilbedürftigkeit, weil er bezüglich der angeblichen jagdrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers dem Verwaltungsgericht trotz mehrmaliger Aufforderung die Behördenakte nicht vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben habe. Deshalb habe das Verwaltungsgericht bezüglich des Entzugs des Jagdscheins dem Eilantrag mit Beschluss vom 30. November 2015 stattgegeben.
Daraus lässt sich für die im Rahmen des waffenrechtlichen Eilverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung nichts entnehmen. Im Übrigen war der Antrag auf Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Entziehung des Jagdscheins allein wegen der nach Auffassung des Verwaltungsgerichts unterbliebenen Begründung erfolgreich.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei hat der Senat unter Berücksichtigung der Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. vom 18. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14 – Streitwertkatalog 2013) für eine Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe einen Betrag von 5.000,00 Euro angesetzt. Für jede weitere in den Waffenbesitzkarten eingetragene Waffe wurde ein Betrag von 750,00 Euro hinzugerechnet. Der sich so ergebende Betrag von 9.500,00 Euro (5.000,00 Euro + 6 x 750,00 Euro) ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).