Verwaltungsrecht

Widerruf von waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnissen bei “Reichsbürger”

Aktenzeichen  M 7 S 17.1202

Datum:
8.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
SprengG SprengG § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
RuStAG § 1, § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1, § 33 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für einen  Widerruf von Erlaubnissen nach § 45 Abs. 2 WaffG iVm § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und § 27 iVm § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SprengG wegen fehlender Zuverlässigkeit kommt es nicht auf eine allgemeine Zuverlässigkeit in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften der Rechtsordnung an, sondern auf eine Zuverlässigkeit im waffen- bzw. sprengstoffrechtlichen Sinne. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die anzustellende Prognose zur waffenrechtlichen (Un-) Zuverlässigkeit verlangt zwar nicht den Nachweis, der Antragsteller werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 a) bis c) WaffG handeln; vielmehr genügt insoweit, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit hierfür besteht. Die Besorgnis einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen, deren Aufbewahrung oder Weitergabe muss jedoch auf der Grundlage entsprechender Anknüpfungstatsachen erwiesen sein; bloße Vermutungen reichen dabei nicht aus. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist fraglich, ob Sympathiebekundungen in Bezug auf die „Reichsbürgerbewegung“ alleine bereits die Prognose einer insoweit waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen können, sofern nicht weitere Umstände hinzutreten, die hinsichtlich der Rechtstreue Zweifel aufkommen lassen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wird nach außen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat verneint und damit sogleich die darin bestehende Rechtsordnung offensiv abgelehnt, zB, wenn Behörden, der Polizei oder selbst dem Gericht die Befugnis abgesprochen wird, aufgrund der nach dem 8. Mai 1945 erlassenen Gesetze tätig zu werden, erscheint nicht hinreichend gesichert, dass ein waffenrechtlicher Erlaubnisinhaber die maßgeblichen Regelungen des Polizei- und Waffenrechts für sich als bindend ansieht und sein Verhalten danach ausrichtet. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
5. Wer erklärtermaßen bundes- oder landesgesetzliche Vorschriften, und damit auch die des Waffenrechts, nicht als für sich als verbindlich anerkennt und sich deshalb auch nicht verpflichtet sieht, die darin enthaltenen, dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Vorschriften im Einzelnen jederzeit zu beachten, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er die Regelungen des Waffengesetzes, die heute anders als noch in preußischer Zeit ausgestaltet sind, nicht strikt befolgen wird; konkreter Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften bedarf es dann nicht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. März 2017 gegen den Bescheid des Landratsamts Traunstein vom 14. März 2017 Az. … wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 9.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtschutz gegen den ihm gegenüber vom Landratsamt Traunstein verfügten Widerruf seiner waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse.
Nach vorheriger Anhörung widerrief das Landratsamt Traunstein mit Bescheid vom 14. März 2017 (Az. …) die dem Antragsteller am 9. März 2009 ausgestellte Waffenbesitzkarte für Sportschützen mit der Nr. … und die mit der Nr. … vom 9. März 2009 ausgestellte Waffenbesitzkarte (Standard) (Nr. 1). Zudem wurde der mit der Nr. … vom 26. Oktober 2015 ausgestellte Kleine Waffenschein widerrufen (Nr. 2). Die vom Landratsamt Traunstein am 6. Februar 2013 ausgestellte Erlaubnis nach § 27 SprengG mit der Nr. … wurde ebenfalls widerrufen (Nr. 3). Die Waffenbesitzkarten mit den Nummern … und …, der Kleine Waffenschein mit der Nr. … und die Erlaubnis nach § 27 SprengG mit der Nr. … seien innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben (Nr. 4). Alle unter Nr. 1 genannten, sowie sämtliche sich noch im Besitz des Antragstellers befindlichen erlaubnispflichtigen Waffen und Munitionen seien innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt Traunstein oder der Polizei Traunstein abzugeben, berechtigten Personen zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt nachzuweisen (Nr. 5). Sich etwa noch im Besitz des Antragstellers befindliches Böllerpulver sei innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids einer berechtigten Person zu überlassen und dies ebenfalls dem Landratsamt nachzuweisen (Nr. 6). Bei fruchtlosem Verstreichen der in Nummern 5 und 6 gesetzten Fristen würden sämtliche sich noch in Besitz des Antragstellers befindliche Waffe, erlaubnispflichtige Munitionen und explosionsgefährliche Stoffe (hier Böllerpulver) sichergestellt (Nr. 7). Die sofortige Vollziehung der Nummern 4, 5 und 6 wurde angeordnet (Nr. 8). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Waffenbesitzkarten, des Kleinen Waffenscheins und der Erlaubnis nach § 27 SprengG wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- EUR je Erlaubnisdokument angedroht (Nr. 9). Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Für den Bescheid wurde eine Gebühr von 500,- EUR festgesetzt mit Auslagen in Höhe von 4,11 EUR (Nr. 10).
In der Begründung wurde der Widerruf der Waffenbesitzkarten und des Kleinen Waffenscheins auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a), b) und c) WaffG und der Widerruf der sprengstoffrechtliche Erlaubnis auf § 27 SprengG i.V.m. § 8a Abs. 1 Nr. 2 b) und c) SprengG gestützt, da nach Mitteilung des Ausländeramtes des Landratsamts Traunstein – Staatsangehörigkeitsrecht – und des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd eine Zugehörigkeit des Antragstellers zur Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ vorliege. Dies ergebe sich daraus, dass der Antragsteller am 23. März 2016 einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt habe und darin als Geburtssowie Wohnsitzstaat zwar „Deutschland“ angegeben habe, sich jedoch als deutscher Staatsangehöriger gemäß „Abstammung nach § 1, 3 Nr. 1, 4 Abs. 1 RuStAG Stand 1903“ bezeichnet und als weitere Staatsangehörigkeit unter Nr. 4 des Antrags „Königreich Bayern“ unter vorgenannter Abstammung nach „RuStAG Stand 1913“ angegeben habe. In einer Anlage, die er als „Abstammungserklärung“ betitelt habe, habe er erklärt, Abkömmling des J… … H… …, welcher 1892 in Nürnberg im „Königreich Bayern (Deutschland)“ geboren wurde, zu sein. Zudem habe er unter Verweis auf § 33 Abs. 1 RuStAG i.V.m. dem EStA-Register in der 2. Anlage kategorisch gefordert, dass sein Name entsprechend in Groß- und Kleinschreibung auf dem auszustellenden Staatsangehörigkeitsausweis zu vermerken sei. Das Siegel sei „auf 12 Uhr“ auszurichten. Siegel sowie Unterschrift seien erst bei Abholung des Ausweises in seinem Beisein anzubringen. Weiterhin seien im Bereich „Sachverhalt im EStA-Registerauszug“ alle Angaben zu befüllen, insbesondere „deutsche Staatsangehörigkeit erworben am“ und „erworben durch“. In seinem Schreiben vom 26. Juli 2016 an das Landratsamt Traunstein, Staatsangehörigkeitsrecht, habe er sodann beklagt, dass nicht alle Angaben Bezug auf „Abstammung RuStAG“ ausgefüllt worden seien, sein Antrag aber genau unter dieser Maßgabe gestellt worden sei. Die vom Antragsteller gezeigten Verhaltensweisen würden vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr als typisches Verhalten der „Reichsbürgerbewegung“ bewertet. Nach einem Ermittlungsbericht des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd vom 8. Februar 2017 sei beim Antragsteller nach Auswertung der übersandten Unterlagen und unter Berücksichtigung der derzeit geltenden Definition „Reichsbürger“ eine Zugehörigkeit zur Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ bzw. Staatsleugnung oder Selbstverwaltung eindeutig erkennbar. Nach Einschätzung des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz und des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr seien Personen, die der „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig seien, als nachdrückliche Unterstützer von Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes anzusehen. Die Ziele und Aktivitäten der Bewegung seien als hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen, die gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sein, zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Durch die Ablehnung der geltenden Rechtsordnung sowie der staatlichen Institution seien Personen, die der Ideologie der sogenannten „Reichsbürger“ nahestünden, regelmäßig waffenrechtlich unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a) und b) WaffG. Als Angehöriger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ würde der Antragsteller die Verbindlichkeit der unter dem Gesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle, bestreiten. Mittels seines Verhaltens negiere er die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland, Gesetze mit auch für ihn bindender Wirkung zu erlassen. Wer aber Bundes- und Landesgesetze generell nicht für sich verbindlich anerkenne und sich deshalb auch nicht verpflichtet sehe, die darin enthaltenen, dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Vorschriften im Einzelnen jederzeit zu beachten, gebe Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes, die heute anders als noch in preußischer Zeit ausgestaltet seien, nicht strikt befolgen werde. Denn auch das Waffengesetz sei Teil der Rechtsordnung, die der Antragsteller aber nicht anerkenne. Dies gelte für den Umgang mit Waffen im Allgemeinen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen auf die Waffen kein Zugriff haben könnten, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen. Für die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit würden die zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gemachten Ausführungen analog gelten. Der Widerruf der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse sei kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nummer 4, 5 und 6 des Bescheides auf der Rechtsgrundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liege im überwiegenden öffentlichen Interesse. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung im Bescheid verwiesen.
Gegen den Bescheid des Landratsamts Traunstein erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 22. März 2017 Klage mit dem Antrag, den Bescheid in Gänze aufzuheben.
Zudem wurde nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1. bis 3. sowie die Ziffern 7., 8., 9. und 10. des Bescheides des Landratsamts Traunstein vom 14. März 2017 Az.: … … wird angeordnet.
II.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4, 5 und 6 des Bescheides des Landratsamts Traunstein vom 14. März 2017, Az.: … … wird wieder hergestellt.
Zur Begründung der Klage und des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde unter anderem ausgeführt, dass Hintergrund des Antrages des Antragstellers auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gewesen sei, dass ein Freund des Antragstellers, Herr P… … W… …, ehemals wohnhaft in Ruhpolding, letztes Jahr in den USA in Las Vegas verstorben sei. Nachdem der Antragsteller und seine Familie regelmäßig Urlaub in USA verbrächten, sei der Entschluss entstanden, das Haus der Tochter von Herrn P… … W… … abzukaufen. Da der Verstorbene mehrfach dem Kläger berichtet habe, dass man als Deutscher für den Immobilienkauf in den USA einen Staatsangehörigkeitsausweis benötige, sei dieser beim Landratsamt Traunstein beantragt worden. Auf der Homepage des deutschen Innenministeriums sei zum damaligen Zeitpunkt zu lesen gewesen, dass ein Personalausweis als auch Reisepass keinen Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit darstellten, sondern lediglich die Vermutung nahelegen würden. Dem Antragsteller sei in keiner Weise zur Last zu legen, in irgendeiner Art und Weise missbräuchlich mit Schusswaffen umgegangen zu sein. Die Kriterien, die „Reichsbürgern“ zugeschrieben würden, würden auf die Person des Antragstellers nicht zutreffen. Er und seine Familie zahlten Steuern, Sozialabgaben, GEZ und Müllgebühren und würden im Rentenalter eine gesetzliche Rente erwarten. Der Antragsteller und seine Familie seien weder strafrechtlich noch in sonstiger Weise auffällig geworden. Sie seien gesetzes- und regeltreue Bürger, die sich ausdrücklich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Deutschland bekennen würden. Die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland seien für sie verbindlich und würden von ihnen anerkannt. Der Antragsteller habe seine Bundeswehrzeit bei der Luftwaffe absolviert. Er sei aktiver Reservist und nehme in seiner Freizeit an Übungen für die Landesverteidigung der Bundesrepublik Deutschland teil. Der Antragsteller und seine Familie verfügten über die „ganz normalen“ Ausweispapiere, die in der Bundesrepublik Deutschland üblich seien. Die Reisepässe seien biometrisch ausgefertigt und über die normale Laufzeit von zehn Jahren gültig. Bezüglich der Angaben des Antragstellers im Antrag auf einen Staatsangehörigkeitsausweis werde man sicherlich nicht bestreiten können, dass derjenige, der vor 1918 in Nürnberg geboren wurde, wohl im Königreich Bayern geboren worden sei.
Nach Ablauf der dem Antragsteller im Bescheid gesetzten Frist übergab er entsprechend der Vorgabe die in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen berechtigten Personen und reichte die Erlaubnisurkunden nach Maßgabe des Waffenrechts und des Sprengstoffrechts dem Landratsamt Traunstein zurück, wie er mit Schreiben vom 20. April 2017 mitteilte. Der Antragsteller führte aus, das zeige, dass er gewillt sei, die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland peinlich genau zu beachten und dass er eben nicht der Szene der „Reichsbürger“ zuzurechnen sei.
Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 7. April 2017 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf die Begründung des Widerrufsbescheids verwiesen. Nach den vorliegenden Informationen und des Ermittlungsberichts der Polizei bestünden keine Zweifel daran, dass sich der Antragsteller der Ideologie der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ bzw. Staatsleugner oder Selbstverwalter zugehörig fühle. Die Ausführungen, dass der Staatsangehörigkeitsnachweis für den Erwerb einer Immobilie in den USA benötigt worden sei, führten zu keinem anderen Ergebnis. Nachweise darüber, dass tatsächlich ernsthafte Kaufbemühungen betrieben worden seien, wären nicht vorgelegt worden.
Auf die Klage wurde antragsgegnerseits mit Schreiben vom 21. April 2017 mit dem Antrag, die Klage abzuweisen, erwidert. Bei dem klägerischen Vorbringen handle es sich um bloße Schutzbehauptungen, die der Klage nicht zum Erfolg verhelfen könnten. Im Übrigen wurde auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und die im Eilverfahren getätigten Ausführungen Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten im Eilverfahren sowie Klageverfahren (M 7 K 17.1201) Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtschutz gegen den Widerruf der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers verbunden mit weiteren Anordnungen ist zulässig und begründet.
Entfaltet ein Rechtsbehelf – wie hier von Gesetzes wegen und aufgrund einer Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO – keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen bzw. wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessens-abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides einerseits und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs andererseits sind auch die Erfolgs-aussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz. Ergibt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (nur) gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolgreich sein wird, besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen ernsthafte Bedenken, ob der Bescheid vom 14. März 2017 rechtmäßig ist.
Der Antragsgegner stützt den Widerruf der Waffenbesitzkarten, des Kleinen Waffenscheins und der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis des Antragstellers auf eine fehlende Zuverlässigkeit. Für einen solchen Widerruf nach § 45 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und § 27 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG wegen fehlender Zuverlässigkeit kommt es dabei nicht auf eine allgemeine Zuverlässigkeit in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften der Rechtsordnung an, sondern auf eine Zuverlässigkeit im waffen- bzw. sprengstoffrechtlichen Sinne. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a), b) und c) WaffG, auf die sich auch der Antragsgegner in seiner Begründung des Widerrufs stützt, besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden bzw. Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Für die sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit regelt § 8 a Abs. 1 Nr. 2 a) bis c) SprengG Gleiches für explosionsgefährliche Stoffe.
Die anzustellende Prognose zur (Un) Zuverlässigkeit verlangt zwar nicht den Nachweis, der Antragsteller werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 a) bis c) WaffG handeln. Es genügt insoweit vielmehr, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit hierfür steht. Die Besorgnis einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen, deren Aufbewahrung oder Weitergabe muss jedoch auf der Grundlage entsprechender Anknüpfungstatsachen erwiesen sein (vgl. u.a. OVG Saarland, B. v. 14.10.2015, 1 B 155/15 – juris -; VG München, B.v. 14.12.2015, M 7 E 15.5544 – juris; VG Freiburg v. 10.11.2016, 4 K 3983/16, Rn. 5). Bloße Vermutungen reichen dabei nicht aus.
Der Antragsgegner leitet die Unzuverlässigkeitsbeurteilung des Antragstellers alleine daraus ab, dass dieser aufgrund der Beantragung seines Staatsangehörigkeitsausweises mit den darin enthaltenen Angaben der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen sei. Die erfolgte Distanzierung in der Anhörung und Antragsbegründung wird als Schutzbehauptung abgelehnt.
Zur waffenrechtlichen (Un-)Zuverlässigkeit von „Reichsbürgern“, die ihrer Grundideologie nach der Bundesrepublik Deutschland die Existenz und daher den Behörden ihre Legitimation absprechen und das Grundgesetz sowie die darauf fußende Rechtsordnung ablehnen, gibt es bislang keine Rechtsprechung bayerischer Verwaltungsgerichte.
Dem Gericht erscheint bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung fraglich, ob Sympathiebekundungen in Bezug auf die „Reichsbürgerbewegung“ alleine bereits die Prognose einer insoweit waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen können, sofern nicht weitere Umstände hinzutreten, die hinsichtlich der Rechtstreue Zweifel aufkommen lassen (vgl. insoweit auch VG Gera, U. v. 16. September 2015 – 2 K 525/14 – juris Leitsatz). Das Äußern abstruser politischer Auffassungen bzw. Sympathiebekundungen für solche Auffassungen rechtfertigt für sich genommen wohl noch nicht den Schluss, dass ein Ignorieren der waffenrechtlichen Vorschriften oder eine eigenwillige Auslegung zu befürchten wäre und damit die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu bejahen wäre (vgl. VG Gera, a.a.O., Rn 21).
Wird hingegen nach außen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat verneint und damit sogleich die darin bestehende Rechtsordnung offensiv abgelehnt, z.B., wenn Behörden, der Polizei oder selbst dem Gericht die Befugnis abgesprochen wird, aufgrund der nach dem 8. Mai 1945 erlassenen Gesetze tätig zu werden, erscheint nicht hinreichend gesichert, dass ein waffenrechtlicher Erlaubnisinhaber die maßgeblichen Regelungen des Polizei- und Waffenrechts für sich als bindend ansieht und sein Verhalten danach ausrichtet (vgl. hierzu VG Cottbus, U. v. 20.9.2016 – VG 3 K 305/16 – juris Rn. 19). Wer erklärtermaßen bundes- oder landesgesetzliche Vorschriften, und damit auch die des Waffenrechts, nicht als für sich als verbindlich anerkennt und sich deshalb auch nicht verpflichtet sieht, die darin enthaltenen, dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Vorschriften im Einzelnen jederzeit zu beachten, gibt sehr wohl Anlass zu der Befürchtung, dass er die Regelungen des Waffengesetzes, die heute anders als noch in preußischer Zeit ausgestaltet sind, nicht strikt befolgen wird (VG Minden, U. v. 29.11.2016 – 8 K 1965/16 – juris Rn 40). Konkreter Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften bedarf es dann nicht (VG Cottbus, a.a.O., Rn. 19 a.E.).
Die Angaben des Antragstellers in seinem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises mögen gemäß der Würdigung der Ausländerbehörde, des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd sowie des Antragsgegners zwar typisch für Anhänger der Ideologie der sogenannten „Reichsbürger“ sein. Im Klageverfahren wird sich das Gericht einen eigenen Eindruck von dem Antrag des Antragstellers machen. Auch mag der Antragsgegner durchaus Zweifel an der Glaubhaftigkeit der distanzierenden Aussagen des Antragstellers in seinen Stellungnahmen im behördlichen Widerrufsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren haben. So mag es z.B. für den ins Feld geführten Entschluss, das Haus der Tochter von Herrn P… … W… … in den USA abzukaufen, der Vorlage ernsthafter Kaufbemühungen fehlen.
Andererseits ist der Antragsteller, soweit für das Gericht erkennbar, bislang offenbar nicht offensiv gegenüber der Polizei oder Behörden in Erscheinung getreten, indem er deren Legitimation ablehnt, die Rechtsordnung für sich nicht als verbindlich erachtet bzw. der Bundesrepublik Deutschland als Staat die Existenzberechtigung abspricht. Selbst wenn der Antragsteller gewisse Sympathien für die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ haben sollte – was er bestreitet und nach der summarischen Prüfung im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden kann -, dürfte dies alleine als Anknüpfungstatsache für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit jedoch nicht genügen. Für die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit bedarf es vielmehr eines tatsächlichen Nach-Außen-Tretens einer inneren Haltung.
Nach der summarischen Prüfung im Eilverfahren bestehen für das Gericht somit ernsthafte Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers.
Aufgrund der Bedenken an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller mit Ausnahme der Beantragung seines Staatsangehörigkeitsausweises – soweit bekannt – in keiner Weise mit Verhaltensweisen in Erscheinung getreten ist, die seine Rechtstreue und waffenrechtliche Zuverlässigkeit zweifelhaft erscheinen ließen, überwiegt das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an einem sofortigen Vollzug.
Die aufschiebende Wirkung der Klage ist deshalb entsprechend anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1, 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Streitwert für den Widerruf der zwei Waffenbesitzkarten mit insgesamt 11 Waffen beträgt im Hauptsacheverfahren 5.000,- + 10 x 750,- EUR, der Streitwert für einen Kleinen Waffenschein 5.000,- EUR sowie 1.500,- EUR für die sprengstoffrechtliche Erlaubnis, somit 19.000,- EUR, in Anwendung von Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Verfahren des vorläufigen Rechtschutz in Höhe der Hälfte, somit 9.500,- EUR.


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