Verwaltungsrecht

Zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot wegen mehrfacher Traumatisierung in Bezug auf Ereignisse in Afghanistan und Flucht

Aktenzeichen  Au 5 K 17.31816

Datum:
4.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, S. 3, S. 4, § 60a Abs. 2c S. 2, S. 3
VwGO VwGO § 92 Abs. 3
AsylG AsylG § 3e Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1-3, Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine hinreichend durch ein die Mindestanforderungen genügendes fachärztliches Attest glaubhaft gemachte, sehr ausgeprägte psychische Erkrankung (PTBS, Depersonalisierungs-/Derealisierungssyndrom, dissoziative Empfindungs- und Sensibilitätsstörung und latente Parasuizidalität) bei einem Heranwachsenden, ausgelöst durch Ereignisse in Afghanistan als auch durch die Flucht nach Europa, begründet ein zielstaatsbezogenes nationales Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausweislich des Berichtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 (Stand September 2016) findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen (insbesondere Kriegstraumata) abgesehen von einzelnen Pilotprojekten nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt iSd § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt erreicht jedenfalls in Kabul als innerstaatlicher Fluchtalternative kein solches Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
II. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nrn. 4 bis 6 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. März 2017 verpflichtet, festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe insoweit bewilligt und Rechtsanwalt,, beigeordnet, als mit der Klage die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hinsichtlich Afghanistans begehrt wird. Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung abgelehnt.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2017 form- und fristgerecht geladen worden.
1. Soweit die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2017 teilweise zurückgenommen wurde, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Nach teilweiser Klagerücknahme verbliebener Gegenstand des Verfahrens ist damit nur mehr der Anspruch des Klägers auf Gewährung subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) bzw. hilfsweise auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
2. Soweit der Kläger mit seiner Klage die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach Afghanistan auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt, ist die Klage zulässig und begründet. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 16. März 2017 war daher in den Nrn. 4 bis 6 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot zu Gunsten des Klägers festzustellen. Soweit der Kläger mit seiner Klage darüber hinausgehend die Gewährung subsidiären Schutzstatus begehrt, ist die Klage hingegen unbegründet und bleibt ohne Erfolg.
3. Der Bescheid des Bundesamtes vom 16. März 2017 ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in Nrn. 4 bis 6 insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, als dieser einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen, wie sie der Kläger hier ausschließlich geltend macht, liegt nach Satz 2 der Regelung nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern, also zu außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden führen würden, wobei die wesentliche Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr in den Zielstaat eintreten müsste (vgl. VG München, B.v. 26.4.2016 – M 16 S7 16.30786 – juris Rn. 16). Dass die medizinische Versorgung im Zielstaat (Mali) mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig oder überall gewährleistet ist, ist hierbei nicht erforderlich, § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG.
Allerdings kann es auf die an sich im Zielstaat vorhandenen und grundsätzlich zugänglichen Behandlungsmöglichkeiten dann nicht ankommen, wenn diese wegen der insbesondere bei Vorliegen einer PTBS im Herkunftsland zu erwartenden Re-Traumatisierung auf Grund der Konfrontation mit den Ursachen des Traumas für den Betroffenen nicht erfolgversprechend sind (vgl. Nds. OVG, U.v. 28.6.2011 – 8 LB 221/09 – juris Rn. 29; VG München, B.v. 26.4.2016 – a.a.O. – juris Rn. 19).
Der sich auf eine seiner Abschiebung entgegenstehende Erkrankung berufende Ausländer muss diese durch eine qualifizierte, gewissen Mindestanforderungen genügende ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (vgl. § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG). Aus dem vorgelegten Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen ärztlichen Befunde bestätigt werden. Zudem sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist nach der Rechtsprechung in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.9.2016 – OVG 3 N 24.15 – juris Rn. 17).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat der Kläger hier das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen nationalen Abschiebungshindernisses im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinreichend glaubhaft gemacht. Ausweislich der von ihm im Verfahren vorgelegten aktuellen fachärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Dr., … vom 27. November 2017, welches den benannten Mindestanforderungen genügt, leidet der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1 G), einer nicht organischen Störung des Schlaf-Wachrythmus (F51.2 G), einem Depersonalisierungs-/Derealisierungssyndrom (F48.1 G) sowie einer dissoziativen Empfindungs- und Sensibilitätsstörung (F44.6 G). Die beim Kläger vorhandenen Störungen seien subjektiv wie objektiv sehr ausgeprägt. Beim Kläger handle es sich um einen Akutpatienten. Hinzu komme, dass der Kläger nach fachärztlicher Einschätzung vom Störungsbild und dem persönlichen Reifegrad noch als Heranwachsender, nicht aber als Erwachsener einzustufen sei. Der Kläger sei aufgrund dringender Psychotherapiebedürftigkeit in fachärztliche Behandlung gekommen, da er durch mehrfache selbstverletzende Handlungen wie Ritzen oder auch tiefes Schneiden zur Spannungsabfuhr, die auch chirurgische Maßnahmen in der Notfallambulanz notwendig machten, aber auch durch eine latente Parasuizidalität aufgefallen ist. Beim Kläger sei eine stationäre Unterbringung im Bezirkskrankenhaus erwogen worden. Zusammenfassend beschreibt die fachärztliche Stellungnahme eine psychische Erkrankung schwerwiegenden Ausmaßes. Der Kläger leide insbesondere an Ängsten und phobischen Zuständen. Beim Kläger liege eine mehrfache Traumatisierung in Bezug auf die Ereignisse in Afghanistan als auch auf seiner Flucht nach Europa vor. In der Gesamtschau handle es sich um eine komplexe Traumatisierung von ausgeprägtem Schweregrad. Nachvollziehbar werden auch die Ursachen der beim Kläger vorhandenen psychischen Erkrankung genannt. Der Vortrag des Klägers ist in diesem Zusammenhang auch nicht als gänzlich unschlüssig und unglaubhaft zu bezeichnen. Das Attest enthält weitere Angaben darüber, seit wann und in welchen Abständen sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befunden hat bzw. noch befindet. Insbesondere ist der Beginn der ärztlichen Behandlungen und die erforderlich werdende und zur Anwendung gebrachte Therapie ausführlich dargelegt. Das Attest gibt Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf in Form einer traumaspezifischen Behandlung. Das Gericht hat vor diesem Hintergrund keinen Anlass, an der Richtigkeit der fachärztlichen Aussagen zu zweifeln und daher auch keine Notwendigkeit gesehen, ein zusätzliches Sachverständigengutachten einzuholen. Auch hat das Gericht sich in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2017 von den Selbstverletzungen des Klägers ein Bild gemacht. Beim Kläger knüpft die psychische Erkrankung nach Auffassung des Gerichtes auch nicht lediglich an die Angst einer möglichen Abschiebung nach Afghanistan an, sondern findet seine Ursache, wie auch in der fachärztlichen Stellungnahme dargelegt, bereits in den Ereignissen in Afghanistan bzw. ist die Erkrankung zu wesentlichen Teilen auch Folge der Fluchterlebnisse. Der Kläger hat dem Gericht insoweit glaubhaft geschildert, dass er wiederholt an sogenannten Flashbacks leide.
Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass die PTBS und die begleitenden psychischen Erkrankungen behandlungsbedürftig sind. Seit dem 23. Juni 2017 befindet sich der Kläger in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung, deren Fortführung beabsichtigt und ärztlich auch indiziert ist.
Im Einzelfall hat das Gericht auch keine Zweifel, dass der Kläger die erforderliche Behandlung der PTBS und der begleitenden psychischen Erkrankungen in Afghanistan zumindest faktisch nicht mit hinreichender Sicherheit erhalten könnte. Zwar geht das Gericht nicht generell davon aus, dass psychische Erkrankungen in Afghanistan nicht hinreichend behandelt werden können, vielmehr ist jeweils eine Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls erforderlich. Hier kommt beim Kläger jedoch hinzu, dass dieser sowohl an einer PTBS als auch an einem Depersonalisierungs-/Derealisierungssyndrom sowie einer dissoziativen Empfindungs- und Sensibilitätsstörung leidet. Überdies ist der Kläger durch selbstverletzende Handlungen und durch eine latente Parasuizidalität geprägt. Gerade diese Mehrfacherkrankung des Klägers und die weitere Tatsache, dass der Kläger auch nach den persönlichem Eindruck in der mündlichen Verhandlung vom persönlichen Reifegrad noch als Heranwachsender (Jugendlicher) und nicht als Erwachsener einzustufen ist, macht eine Behandlung im Zielstaat Afghanistan schwierig. Eine insoweit ausreichende Therapie für den konkreten Behandlungsbedarf des Klägers, nach fachärztlicher Auffassung neben einer medikamentösen Behandlung auch eine psychotherapeutische Maßnahme, steht nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für den Kläger im Zielstaat tatsächlich zur Verfügung. Ausweislich des Berichtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 (Stand September 2016) findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen (insbesondere Kriegstraumata) abgesehen von einzelnen Pilotprojekten nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Gleichzeitig würden viele Afghaninnen und Afghanen unter psychischen Symptomen der Depression, Angststörung oder posttraumatischer Belastungsstörung leiden. Lediglich in Kabul gebe es zwei psychiatrische Einrichtungen. Insbesondere notwendig werdende Folgebehandlungen seien oft schwierig zu leisten. Traditionell mangele es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie würden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen „behandelt“ oder es werde versucht, ihnen in einer „Therapie“ mit Brot, Wasser und Pfeffer den „bösen Geist auszutreiben“ (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., S. 23, 24). Die multiple Erkrankung des Klägers aufgrund der Erlebnisse in Afghanistan und die Aussagen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes zugrunde legend kann für den Kläger deshalb nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan zeitnah die für ihn erforderliche Psychotherapie erhalten bzw. fortsetzen kann.
Weiter ist zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass sich die psychische Erkrankung des Klägers (PTBS, Depersonalisierungs-/Derealisierungssyndrom, dissoziativen Empfindungs- und Sensibilitätsstörung und latente Parasuizidalität) ohne Behandlung nach einer Rückkehr nach Afghanistan alsbald und wesentlich verschlimmern würde. Bei einem Abbruch der Behandlung ist nach fachärztlicher Einschätzung auch eine suizidale Handlung im Rahmen einer schweren Störung beim Kläger naheliegend. Gemessen an dieser fachärztlichen Einschätzung, an der das Gericht keine Zweifel hat, ist festzustellen, dass sich die multiple psychische Erkrankung des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan verschlimmern würde. Auf Grund der latenten Suizidalität ist auch mit einer wesentlichen, das Leben bedrohenden Verschlimmerung zu rechnen bzw. diese nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.
4. Nach alledem ist auf Grundlage der vorgelegten psychologischen Stellungnahme, die auch die erforderliche Aktualität aufweist, nach Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass dem Kläger ein Schutzanspruch im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusteht, nicht nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Nrn. 4, 5 und 6 des Bescheides, die dieser Feststellung entgegenstehen, waren daher antragsgemäß aufzuheben.
5. Soweit der Kläger darüber hinausgehend die Gewährung subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) begehrt hat, bleibt die Klage ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid (dort Nr. 3.) ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzstatus. Der Kläger hat insoweit nicht glaubhaft machen können, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
a) Es ist nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG) drohen könnten. Der Kläger hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht. Hierzu ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
Zudem wäre der Kläger auch insofern auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Insoweit ist der Kläger in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rn. 7) auf eine Rückkehr nach … bzw. in seine Heimatstadt … zu verweisen. Dort sind auch nach dem Vorbringen des Klägers nach wie vor Familienangehörige vorhanden.
b) Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt landesweit drohen. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen zur Sicherheitslage in Afghanistan (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016 S. 4) erreicht der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt jedenfalls in Kabul als innerstaatlicher Fluchtalternative kein solches Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 13a ZB 17.30099 – juris; B.v. 17.8.2016 – 13A ZB 16.30090 – juris; B.v. 10.6.2013 – 13a ZB 13.30128 – juris; U.v. 15.3.2013 – 13A B 12.30406 – juris; U.v. 20.1.2012 – 13a B 11.30394 – juris). Individuelle, gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren im Rahmen eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in der Person des Klägers führen, sind nicht ersichtlich.
6. Nach allem war der Bescheid des Bundesamtes vom 16. März 2017 in den Nrn. 4 bis 6 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für den Kläger ein nationales Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, wobei das Gericht zugrunde gelegt hat, dass die Klagerücknahme bzw. die Erfolglosigkeit der Klage in Bezug auf die Gewährung subsidiären Schutzstatus zwei Drittel des ursprünglichen Streitgegenstandes betrifft, während der Kläger hinsichtlich der begehrten Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes vollständig obsiegt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
7. Soweit die Klage des Klägers Erfolg hatte, war diesem gemäß § 166 VwGO, § 121 ZPO Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung zu gewähren. Darüber hinausgehend war der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung abzulehnen, da die Klage ohne Erfolg bleibt. Dies gilt ungeachtet dessen, dass beim Kläger die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Im Einverständnis der Beteiligten konnte über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Urteil entschieden werden.

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