Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 32 K 17.43694

Datum:
19.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55924
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 30 Abs. 1, § 78 Abs. 1, § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, 7 S. 1, § 11

 

Leitsatz

Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG scheidet aus. Die behaupteten Verfolgungen – so der Vortrag glaubwürdig sein sollte – knüpften nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG an. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG, noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 und 38 AsylG, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in § 11 AufenthG.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt ergänzend aus:
Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG scheidet aus. Die behaupteten Verfolgungen – so der Vortrag glaubwürdig sein sollte – knüpften nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG an. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfolgungen des Klägers wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmtem sozialen Gruppe geschahen. Die Verfolgung des Klägers im Zusammenhang mit der Festnahme wegen des Überfalls auf den Gefangenentransport bestand (nur) in der über seinen Vater vermittelten indirekten Drohung des kaschmirischen Ministers, der Kläger werde seinen Job verlieren, falls er sich nicht zu Gunsten des Angeklagten verhalte. Diese Drohung, die der Kläger übrigens selber nicht sonderlich ernst nahm und die auch nicht zum angedrohten Jobverlust führte, stellt sich als eine unzulässige und wohl auch strafbare Einflussnahme auf einen Zeugen in einem Gerichtsprozess dar, die selbstverständlich zu missbilligen ist, aber nichts mit politischer Verfolgung oder Flüchtlingsschutz zu tun hat. Die Motivationslage des einflussnehmenden Ministers bestand darin, seinem Verwandten über ein erpresstes Verhalten des Klägers einen Vorteil im Strafprozess zu verschaffen. Ebenso lassen die behaupteten Verfolgungen im Zusammenhang mit den Vorfällen im Jahr 2015 kein asylrelevantes Merkmal erkennen. Selbst wenn man den bisher vom Kläger mit keinem Wort, aber von der Klägerbevollmächtigten in der Klagebegründung, vorgebrachten Fluchtgrund, dass sich der Kläger der Blutrache der Familie des getöteten Demonstranten ausgesetzt sehe und die Angriffe damit in Verbindung stünden, heranziehen würde, ergibt sich daraus nichts anderes, denn auch hier ist ein asylrelevantes Motiv im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG nicht erkennbar.
Des Weiteren gingen die vom Kläger behaupteten Verfolgungen nicht von einem rechtlich relevanten Verfolgungsakteur i.S.v. § 3c AsylG aus. Der vom Kläger als Verfolger bezeichnete kaschmirische Minister ist kein Verfolgungsakteur nach § 3c Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Verfolgung durch den Staat), da das private Fehlverhalten einzelner Staatsbediensteter grundsätzlich nicht dem Staat als solchem zugerechnet werden kann. Der Minister ist auch kein nichtstaatlicher Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass vor dem Minister erwiesenermaßen nicht Schutz durch die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten staatlichen Strukturen, z.B. die Polizei, auch außerhalb Kaschmirs, gewährt werden kann (zum Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren siehe ausführlich VG München, U.v. 15.2.2019 – M 32 K 16.35712). Aus diesem Grund ist auch die angeblich Blutrache nehmen wollende Familie kein Verfolgungsakteur nach § 3c Nr. 3 AsylG.
Außerdem besteht nach § 3e AsylG für den Kläger eine inländische Fluchtalternative. Die Voraussetzungen, nämlich dass der Kläger in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und er in diesen Landesteil reisen, dort aufgenommen werden und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, sind erfüllt. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand August 2018, S. 20) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.000 m², ca. 200 Mio. Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines potentiellen Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig vom 15.1.2014). Besondere individuelle Ausschlussgründe sind beim Kläger, der ein junger, gesunder erwerbsfähiger Mann ist, der in Pakistan fast 10 Jahre lang als Polizist gearbeitet hat, nicht ersichtlich.
Der Kläger hat ebenso keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Wie bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft fehlt es bereits an einem rechtlich relevanten Akteur – auch im Hinblick auf die angeblich Blutrache nehmen wollende Familie – und besteht eine inländische Fluchtalternative (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG).
An dieser Bewertung ändert sich nichts im Hinblick auf den – neuen – Vortrag der Klägerbevollmächtigten in der Klagebegründung zu vom Kläger wegen seiner Desertation vom Militär (in der mündlichen Verhandlung korrigiert: von der Polizei) befürchteten Konsequenzen. Der Kläger selbst hatte diesen Fluchtgrund bisher mit keinem Wort erwähnt. Es ist im Übrigen nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass die befürchteten Konsequenzen (Inhaftierung) gerade in Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal erfolgen würden; staatliches Strafen ist nicht per se politische Verfolgung.
Es besteht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Die Klage war von daher abzuweisen. Da es aus dem Vortrag der Klageseite rechtlich offensichtlich ist, dass damit kein Anspruch auf Asylanerkennung oder Zuerkennung des internationalen Schutzes begründet werden kann und sich dem Gericht die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt, war die Klage gemäß § 30 Abs. 1 AsylG insoweit als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 AsylG.


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