Aktenzeichen 15 ZB 16.30425
Leitsatz
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, da die Frage, inwieweit einem Kind, das unter Verstoß gegen die Vorgaben der chinesischen Familienpolitik geboren wurde, die Flüchtlingseigenschaft iSd § 3 AsylG zuzuerkennen ist, sich nicht abstrakt beantworten lässt, sondern von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren abhängt, sodass die Frage keiner generellen Klärung zugänglich ist (ebenso VGH München BeckRS 2013, 56192). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 2 K 16.30185 2016-06-24 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
III.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gründe
Die Anträge haben keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwG, U. v. 2.10.2010 – 9 B 13/10 – juris Rn. 10 m. w. N. zur entsprechenden Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BVerwG, B. v. 27.6.2013 – 10 B 11/13 – juris Rn. 2).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Die im Zulassungsantrag aufgeworfene Frage,
„ob Kindern, die unter Verstoß gegen die Vorgaben der chinesischen Familienpolitik geboren wurden, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist“,
ist keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich, weil sie nicht hinreichend konkret gefasst ist und sich in dieser Allgemeinheit somit in einem Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise nicht stellen würde (vgl. BVerwG, B. v. 2.9.2010 – 9 B 13/10 – juris Rn. 10 ff.; B. v. 20.7.2016 – 9 B 64/15 – juris Rn. 3; B. v. 21.9.2016 – 6 B 14/16 – juris Rn. 7 ff.). Inwieweit einem Kind, das unter Verstoß gegen die Vorgaben der chinesischen Familienpolitik geboren wurde, die Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 3 AsylG zuzuerkennen ist, lässt sich nicht ohne Weiteres abstrakt beantworten. Die Antwort auf diese Frage ist vielmehr von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren – insbesondere im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Eltern, auf den Ort, an dem sie sich nach ihrer Rückkehr niederlassen, sowie darauf, ob die Eltern selber aus Ein-Kind-Familien stammen, ob sie einer nationalen Minderheit angehören, aus welcher Provinz sie stammen, welches Geschlecht das erste Kind hat, etc. – abhängig, so dass die Frage einer generellen Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BayVGH, B. v. 9.9.2013 – 2 ZB 13.30255 – juris Rn. 8; OVG NRW, B. v. 14.12.2012 – 15 A 2649/12.A m. w. N. zur Lage vor Beendigung der Ein-Kind-Politik Ende Oktober 2015).
Auch soweit die Kläger die aufgeworfene Frage auf nichteheliche, zweitgeborene Kinder beschränken wollten, wäre sie einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20. November 2015 bereits darauf hingewiesen, dass die staatliche Familienplanungspolitik in China eine regional unterschiedliche Ausgestaltung und Durchführung erfährt und Besonderheiten für Rückkehrer aus dem Ausland bestehen (vgl. Urteilsabdruck Rn. 21 f.; vgl. etwa auch VG Freiburg, U. v. 12.3.2014 – A 6 K 1868/12 – juris Rn. 25). Hiergegen haben die Kläger im Zulassungsantrag keine Einwendungen geltend gemacht.
Ebenso wenig kann der mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2016 gegebene Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14. September 2016 Az. A 11 S 1125/16 dem Zulassungsantrag zum Erfolg verhelfen, zumal sich diese Entscheidung betreffend ein Deutschland geborenes viertes Kind eines aus der Provinz Fujian stammenden Paares zu der hier nicht bezeichneten (Teil-)Frage verhält (vgl. dazu BayVGH, B. v. 21.8.2014 – 13a ZB 14.30032 – juris Rn. 5), ob die von der chinesischen Ein-Kind-Politik (bzw. jetzt Zwei-Kind-Politik) nachteilig betroffenen Kinder flüchtlingsrechtlich eine soziale Gruppe im Sinn des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen, auch wenn im Hinblick auf die Möglichkeit einer Zahlung von Bußgeldern im Einzelfall, die zu einer Aufnahme in das Haushaltsregister führen kann, nicht alle Mitglieder tatsächlich verfolgt werden.
2. Der Antrag, den Klägern Prozesskostenhilfe zu gewähren (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO) und ihnen den von ihnen bevollmächtigen Rechtsanwalt beizuordnen (§ 121 ZPO), ist zwar zulässig (§ 166 VwGO, § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 78 Abs. 4 Satz 2 AsylG), aber nicht begründet. Die Absicht der Kläger, die Zulassung der Berufung zu erreichen, hat aus den unter Nr. 1 genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).