Verwaltungsrecht

Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung

Aktenzeichen  4 B 19.1358

Datum:
17.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 159
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 21 Abs. 1 S. 1, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Art. 57 Abs. 1 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Abs. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 28 Abs. 2
BV Art. 11 Abs. 1
BayVerfGH Art. 110 Abs. 1 S. 1 BV

 

Leitsatz

1. Die Gemeinden sind nicht befugt, Bewerbern den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen zu verwehren. (Rn. 52)
2. Als Träger einer öffentlichen Einrichtung können die Gemeinden Veranstaltungen zu der gegen den Staat Israel gerichteten BDS-Kampagne nicht schon unter Verweis auf deren (nach ihrer Einschätzung bestehende) antisemitische Grundtendenz untersagen, sondern erst dann, wenn durch die Aktivitäten der Befürworter dieser Kampagne die Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährdet würde. (Rn. 59)

Verfahrensgang

M 7 K 18.3672 2018-12-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 12. Dezember 2018 verpflichtet, dem Kläger für die geplante Diskussionsveranstaltung zum Thema „Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein? – Der Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 und seine Folgen“ den Zugang zum Bürgersaal F (Z1.straße 35, …) im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten durch Einwirkung auf den Trägerverein Bürgersaal Fürstenried e.V. zu verschaffen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 12. Dezember 2018 gerichtete Berufung des Klägers, über die wegen des in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2020 erklärten Einverständnisses der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entschieden werden kann, ist zulässig (1.) und teilweise begründet. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm für die geplante Diskussionsveranstaltung einen Saal im Münchner Stadtmuseum (2.) oder – ohne nähere Ortsangabe – in einem anderen städtischen Raum vermietet (3.). Er kann aber verlangen, dass die Beklagte entsprechend seinem weiteren Hilfsantrag verpflichtet wird, ihm den Zugang zum Bürgersaal Fürstenried durch Einwirkung auf den dortigen Trägerverein zu verschaffen (4.).
1. An dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung fehlt es nicht deshalb, weil am 26. Juni 2019 in einem privat betriebenen Veranstaltungssaal im Stadtgebiet der Beklagten bereits eine öffentliche Podiumsdiskussion stattgefunden hat, die hinsichtlich der Thematik sowie der Zusammensetzung des Podiums weitgehend der vom Kläger beabsichtigten Veranstaltung entsprach.
Das Rechtsschutzbedürfnis bedarf im Verwaltungsprozess im Regelfall keiner besonderen Begründung. Es fehlt ausnahmsweise dann, wenn die Rechtsstellung des Klägers selbst bei einem Erfolg der Klage nicht verbessert würde, die Klage also nutzlos wäre. Nutzlos ist eine Klage nur, wenn sie dem Kläger offensichtlich keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen könnte (BVerwG, U.v. 1.10.2015 – 7 C 8.14 – BVerwGE 153, 99 Rn. 19 m.w.N.). Davon kann hier nach den erkennbaren Umständen keine Rede sein. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger mittlerweile von seiner Absicht, ein öffentliches Streitgespräch zu dem Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 in einem dafür angemieteten städtischen Raum durchzuführen, endgültig Abstand genommen hätte und das Klageverfahren nur noch weiterführen würde, um eine abstrakte Klärung der damit verbundenen Rechtsfragen zu erreichen.
Die Podiumsdiskussion am 26. Juni 2019, an welcher der Kläger als Zuhörer teilgenommen hat, wurde nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag nicht von ihm selbst, sondern von mehreren Bürgerrechtsvereinigungen organisiert und beworben. Sie fand zudem nicht in einer öffentlichen Einrichtung der Beklagten, sondern in einem privat betriebenen Veranstaltungssaal statt. Bereits diese Begleitumstände lassen es als fernliegend erscheinen, dass der Kläger die Durchführung einer eigenen Diskussionsveranstaltung zu demselben Thema inzwischen als entbehrlich ansehen könnte. Seine Äußerungen und sein Verhalten deuten im Gegenteil darauf hin, dass es ihm nicht gleichgültig ist, an welchem Ort und unter wessen Regie die öffentliche Auseinandersetzung über den Stadtratsbeschluss geführt wird. Mit seinem Wunsch, das Streitgespräch, zu dem auch ein Vertreter des Stadtrats eingeladen werden soll, gerade in einem städtischen Veranstaltungsraum zu führen, will er seinen Rechtsstandpunkt im Hinblick auf die kritisierte Widmungsbeschränkung demonstrativ zum Ausdruck bringen. Ein solcher Veranstaltungsort, zu dem der Zugang erst gerichtlich erstritten werden muss, kann der geplanten Veranstaltung eine besondere öffentliche Resonanz verschaffen.
2. Den Hauptantrag des Klägers, der auf die Vermietung eines Saals im Münchner Stadtmuseum gerichtet ist, hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, so dass die Berufung insoweit keinen Erfolg hat. Das auf Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO gestützte Begehren auf Zulassung zur Benutzung ist von der satzungsmäßig festgelegten Zweckbestimmung dieser kommunalen Einrichtung nicht gedeckt.
a) Nach der „Satzung über die Gemeinnützigkeit und Benutzung des Münchner Stadtmuseums“ vom 11. Mai 2005 (MüABl. S. 153 – im Folgenden: Benutzungssatzung) dient das als öffentliche Einrichtung der Beklagten betriebene Museum der Förderung der Kunst, der Kultur, der Volksbildung und der Heimatpflege (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der Benutzungssatzung). Diese Zwecke werden insbesondere erfüllt durch das Vorhalten der Einrichtung, die Pflege und Präsentation kunst- und kulturgeschichtlicher Sammlungen, deren Ausbau, Erforschung und Dokumentation, die Künstlerförderung sowie durch die Veranstaltung von Ausstellungen, dazugehörige Rahmenveranstaltungen wie Vorträge, Konzerte, Theatervorstellungen und durch das Herstellen begleitender Publikationen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 der Benutzungssatzung).
Die genannten Vorschriften lassen in ihrem Zusammenhang klar erkennen, dass der Satzungsgeber nicht eine für beliebige Kultur- oder Bildungsveranstaltungen zur Verfügung stehende Einrichtung geschaffen hat, sondern die Nutzung der Räumlichkeiten auf museumsspezifische Zwecke beschränken wollte. Dem allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet sind die Säle des Stadtmuseums außer bei Ausstellungen nur bei damit inhaltlich zusammenhängenden, von der Museumsleitung als sinnvolle Ergänzung betrachteten Informations- oder Kulturveranstaltungen („dazugehörige Rahmenveranstaltungen“). Dass sich eine privat organisierte Veranstaltung wie das vom Kläger geplante kommunalpolitische Streitgespräch in einem weitverstandenen Sinn dem Begriff der „Kultur“ bzw. der „Volksbildung“ nach § 2 Abs. 1 Satz 2 der Benutzungssatzung zurechnen lässt, vermag hiernach keinen ausstellungsunabhängigen Zugangsanspruch zu den Räumen des Stadtmuseums zu begründen.
b) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Widmungszweck der Einrichtung durch die tatsächliche Vergabepraxis der Beklagten mittlerweile dahingehend erweitert worden wäre, dass neben ausstellungsbegleitenden auch sonstige (nicht-kommerzielle) Veranstaltungen Dritter in den Räumen des Stadtmuseums zulässig wären.
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob ein – wie hier – rechtssatzmäßig festgelegter Widmungsumfang durch eine davon abweichende Verwaltungsübung nachträglich erweitert oder beschränkt werden kann (ablehnend VGH BW, B.v. 16.10.2014 – 1 S 1855/14 – NVwZ-RR 2015, 148/149; Lange, DVBl 2014, 753/754; ders., Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, S. 799 Fn. 32; offen gelassen von OVG LSA, B.v. 10.10.2011 – 4 M 179/11 – DVBl 2012, 591). Selbst wenn man dies für möglich hielte oder bei widmungsüberschreitenden Nutzungsbegehren zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie, gleichheitsgerechte Entscheidung über eine sog. Sonderbenutzung annähme (so BVerwG, U.v. 29.10.1992 – 7 C 34.91 – NJW 1993, 609/610 m. Anm. Schlink; VGH BW, U.v. 17.5.1988 – 7 A 64/87 – NVwZ-RR 1988, 43/45; VG Hamburg, U.v. 30.11.2011 – 17 K 361/11 – juris Rn. 75; VG Münster, B.v. 23.7.2020 – 1 L 598/20 – juris Rn. 30 ff.; Rennert, JuS 2008, 211/213; Burgi, Kommunalrecht, 6. Aufl. 2019, § 16 Rn. 42 ff.; Wittmann, DVBl 2012, 788/791 m.w.N.), könnte der Kläger sich nicht auf entsprechende aktuelle Referenzfälle berufen, in denen ähnliche Veranstaltungen wie die von ihm geplante in einem Saal des Stadtmuseums zugelassen wurden.
Soweit der Kläger auf einige in jüngerer Zeit (18.10.2018, 6./7.11.2018, 29.6.2019) in den Räumen des Stadtmuseums durchgeführte Podiumsdiskussionen und Vorträge zu politischen Themen verweist, handelte es sich nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und den beigefügten Erläuterungen jeweils um Kooperationsveranstaltungen mit privaten Vereinen oder Stiftungen im Zusammenhang mit dem laufenden Ausstellungsbetrieb. Ob die weiter angeführte Informationsveranstaltung der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ am 23. April 2013 ebenfalls eine solche Rahmenveranstaltung zu einer Ausstellung darstellte, lässt sich mangels schriftlicher Unterlagen heute nicht mehr eindeutig feststellen. Auch wenn die damalige Raumvergabe entgegen der Vermutung der Beklagten in keinem museumsspezifischen Zusammenhang gestanden haben sollte, ließe sich aus diesem weit zurückliegenden Einzelfall aber weder eine den Widmungsumfang erweiternde Vergabepraxis noch ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen einer möglichen Ermessensentscheidung ableiten. Es bestehen schon keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine – zumindest konkludente – Billigung des Stadtrats oder eines beschließenden Ausschusses, auf die aus Gründen der innergemeindlichen Zuständigkeitsverteilung nicht verzichtet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2012 − 4 CE 11.3002 – VGH n.F. 65, 1/3 = BayVBl 2012, 428; Rennert, a.a.O.). Zudem kann eine lediglich einmalige Zulassungsentscheidung nur dann eine kraft behördlicher Selbstbindung beachtliche neue Verwaltungspraxis begründen, wenn zumindest aus den Umständen die behördliche Absicht erkennbar wird, in Zukunft vergleichbare Fälle ebenso zu behandeln (BayVGH, B.v. 21.1.1988 – 4 CE 87.03883 – BayVBl 1988, 497/498; B.v. 17.2.2011 – 4 CE 11.287 – KommPr BY 2011, 276 Rn. 18; Gassner, VA 85 [1994], 533/540; enger OVG LSA, B.v. 10.10.2011, a.a.O.). Fehlt es daran und liegt der betreffende Vorgang wie hier schon mehrere Jahre zurück, ohne dass ein nachfolgendes Zugangsbegehren darauf gestützt worden wäre, kann es sich nur um einen unbeabsichtigten „Ausreißer“ handeln, der den bisherigen Widmungsumfang unberührt lässt und keinen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen vermag.
3. Ebenfalls unbegründet ist die Verpflichtungsklage, soweit der Kläger hilfsweise begehrt, die Beklagte zur Vermietung eines Saals für die geplante Diskussionsveranstaltung „in einem anderen städtischen Raum“ zu verpflichten. Für diesen nicht näher spezifizierten Klageantrag fehlt es an der erforderlichen Anspruchsgrundlage.
Ob einem Gemeindeangehörigen ein Benutzungsrecht nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO zusteht, lässt sich nur in Bezug auf eine konkrete öffentliche Einrichtung feststellen. Ein Zulassungsbewerber muss daher, jedenfalls wenn es wie hier um eine einmalige Benutzung geht, in seinem Antrag angeben, welche unter mehreren in Betracht kommenden Einrichtungen er in Anspruch nehmen will. Er kann von Rechts wegen nicht verlangen, dass der Einrichtungsträger ihm die Auswahlentscheidung abnimmt und eine bestimmte Einrichtung anbietet. An dieser Rollenverteilung ändert sich auch dann nichts, wenn die für den Zugangsanspruch maßgeblichen Umstände zunächst nur der Verwaltung bekannt sind. Kann sich ein ortsansässiger Bewerber nicht schon aus allgemein zugänglichen Quellen darüber informieren, welche kommunalen Einrichtungen für die beabsichtigte Nutzung in Frage kommen, so kann er unter Berufung auf Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO Auskunft über den aktuellen Einrichtungsbestand und über den jeweiligen Widmungsumfang sowie – bei Bedarf – über die noch freien Nutzungszeiten begehren.
4. Der vom Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens nachträglich gestellte weitere Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Mietvertrags hinsichtlich des Bürgersaals Fürstenried stellt eine sachdienliche Klageänderung dar (§ 91 Abs. 1 VwGO) und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
a) Bei der genannten Veranstaltungsstätte handelt es sich um eine Einrichtung des Kulturreferats der Beklagten (vgl. http://www.buergersaal-fuerstenried.de) und damit um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO. Diese ist nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten für die vom Kläger geplante Podiumsdiskussion grundsätzlich geeignet. Der Widmungszweck umfasst demnach auch privat organisierte Veranstaltungen zu kommunalpolitischen Themen.
Dass die Beklagte in Ausübung ihres Organisationsermessens den laufenden Betrieb der Einrichtung und damit auch die Entscheidung über die Nutzungsvergabe dem Trägerverein Bürgersaal Fürstenried e. V. überlassen hat, ändert an dem Zugangsrecht des Klägers nichts. Die Einschaltung dieses privaten Einrichtungsbetreibers steht zwar der mit dem Hilfsantrag – dem Wortlaut nach – begehrten unmittelbaren Verpflichtung der Beklagten zum Mietvertragsabschluss entgegen. Dies führt aber insoweit nicht zur Klageabweisung. Die für den Betrieb der öffentlichen Einrichtungen zuständigen Trägervereine sind, wie die Beklagte bestätigt hat, bei ihren Vergabeentscheidungen an die Vorgaben aus städtischen Beschlüssen gebunden. In einem solchen Fall verwandelt sich der kommunalrechtliche Zulassungsanspruch in einen Verschaffungsanspruch, den die beklagte Kommune durch Einwirkung auf den Trägerverein zu erfüllen hat (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2018 – 4 CE 18.1224 – BayVBl 2019, 50, Rn. 15, 25; Burgi, a.a.O., § 16 Rn. 38 f.). Dass auch dieser aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO abzuleitende (Hilfs-)Anspruch mit der Klage auf Zugangsgewährung zu der öffentlichen Einrichtung verfolgt werden soll, lässt sich dem klägerischen Begehren ohne weiteres entnehmen (§ 88 VwGO).
b) Der Verschaffungsanspruch in Bezug auf die genannte Veranstaltungsstätte scheitert nicht an dem – auch den Trägervereinen bekanntgegebenen – Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 13. Dezember 2017, wonach von der Überlassung von Räumen bzw. der Vermietung städtischer Einrichtungen alle Personen auszuschließen sind, die dort Veranstaltungen durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, verfolgen oder dafür werben. Diese Einschränkung des Nutzungsrechts ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und daher unwirksam.
aa) Einem kommunalen Einrichtungsträger ist es allerdings nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO nicht generell untersagt, auch Gemeindeangehörigen den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu verwehren.
Der kommunalrechtliche Benutzungsanspruch besteht nur im Rahmen der Widmung und nach Maßgabe der „bestehenden allgemeinen Vorschriften“, zu denen neben den für jedermann geltenden Rechtsnormen auch die zur Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses festgelegten Benutzungsbedingungen gehören (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 4 CS 17.2083 – BayVBl 2018, 820 Rn. 16; Schoch, NVwZ 2016, 257/263 f.; Wachsmuth in Schulz u.a., Kommunalverfassungsrecht Bayern, GO, Art. 21 Anm. 4.3 m.w.N.). Schließt eine Gemeinde, wie mit dem Stadtratsbeschluss der Beklagten vom 13. Dezember 2017 geschehen, Personen allein wegen einer bestimmten Benutzungsabsicht von der Zulassung zu ihren öffentlichen Einrichtungen aus, so handelt es sich nicht um bloße Modalitäten einer prinzipiell zulässigen Benutzung, sondern um eine den Einrichtungszweck konkretisierende Beschränkung und somit um eine Regelung, die den Widmungsumfang betrifft.
Aufgrund des aus der Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) folgenden Rechts auf eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung verfügen die Gemeinden bei der Festlegung des Zwecks und des Benutzerkreises ihrer freiwillig geschaffenen öffentlichen Einrichtungen (Art. 57 Abs. 1 Satz 1 GO) über ein weites, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Gestaltungsermessen (BayVGH, B.v. 27.3.2001 – 4 ZE 01.628 – juris Rn. 3; VerfGH, E.v. 7.10.2011 – Vf. 32-VI-10 – VerfGHE 64, 177/181 m.w.N.). Sie können daher durch entsprechende Widmungsbeschränkungen beispielsweise Parteien von der Nutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen generell ausschließen (BVerwG, U.v. 18.7.1969 – VII C 56.68 – BVerwGE 32, 333/336 f.; BayVGH, B.v. 3.7.2018, a.a.O., Rn. 21) oder die Räumlichkeiten nur für bestimmte, nach objektiven Kriterien abgrenzbare Arten von politischen oder sonstigen Veranstaltungen zur Verfügung stellen (BVerfG, B.v. 7.3.2007 – 2 BvR 447/07 – juris Rn. 6 f.; BayVGH, B.v. 13.6.2008 – 4 CE 08.726 – juris Rn. 11; VGH BW, U.v. 4.5.1998 – 1 S 749/97 – NVwZ 1999, 565/566; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 21 Rn. 19a). Grundsätzlich dürfen in diesem Rahmen auch überörtliche politische Ziele verfolgt und entsprechende Verhaltensanforderungen an die Benutzer gestellt werden, wenn ein hinreichend konkreter Bezug zu dem Betrieb der Einrichtung als örtlicher Angelegenheit besteht (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 CN 1.12 – BVerwGE 148, 133 Rn. 17; Helbich, JuS 2017, 507/508; Gottschalk, NVwZ 2019, 1728/1731).
bb) Bei der Festlegung des Widmungszwecks ihrer öffentlichen Einrichtungen haben die Gemeinden jedoch das höherrangige Recht, insbesondere die Grundrechte zu beachten. Diesem Erfordernis wird der vom Stadtrat der Beklagten beschlossene generelle Ausschluss von Veranstaltungen, die sich mit der gegen den Staat Israel gerichteten BDS-Kampagne („Boycott, Divestment and Sanctions“) befassen, nicht gerecht. Er verstößt gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (1) und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (2).
(1) Der in der Stadtratssitzung vom 13. Dezember 2017 gefasste Beschluss stellt einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der potentiellen Einrichtungsbenutzer dar (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).
(a) Der Schutzbereich dieses Grundrechts ist nicht erst dann berührt, wenn das grundrechtlich geschützte Verhalten als solches eingeschränkt oder verboten wird, sondern schon dann, wenn daran negative Konsequenzen geknüpft werden (BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 126/85 – BVerfGE 86, 122/128; Degenhart in BK zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 157 f.; Grabenwarter in Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 101 m.w.N.; vgl. auch Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2017, Art. 5 I, II Rn. 172; ebenso zu Art. 110 Abs. 1 Satz 1 BV BayVerfGH, E.v. 3.12.2019 – Vf. 6-VIII-17 u.a. – BayVBl 2020, 226 Rn. 199). Dies ist hier der Fall, da nach dem genannten Stadtratsbeschluss alle Bewerber, die sich in einer geplanten Veranstaltung mit der BDS-Kampagne in irgendeiner Form befassen, sich also dazu selbst äußern oder Äußerungen Dritter ermöglichen wollen, zwingend von der Raumvergabe in städtischen Einrichtungen ausgeschlossen werden. In dieser Rechtsfolge liegt ein zielgerichteter regulativer Grundrechtseingriff, da es der Beklagten gerade darauf ankommt, jegliche im Voraus absehbare Meinungsbekundung zur BDS-Kampagne in ihren Räumlichkeiten zu verhindern.
An der Eingriffswirkung fehlt es nicht deshalb, weil die streitige Zugangsbeschränkung so formuliert ist, dass der Ausschluss nicht nur bei zu erwartenden positiven Äußerungen zur BDS-Kampagne erfolgt, sondern auch dann, wenn sich die Veranstaltung kritisch oder in neutraler Form damit befassen soll. Die darin liegende Gleichbehandlung unterschiedlicher Standpunkte ändert nichts daran, dass mit dem Beschluss des Stadtrats alle inhaltlichen Stellungnahmen zu diesem kontrovers diskutierten politischen Thema unterbunden werden. In den städtischen Einrichtungen, die ansonsten als öffentliches Forum der Meinungsbildung dienen, soll zu dieser Streitfrage gerade kein Meinungsaustausch stattfinden. Die Widmungsbeschränkung ist damit nicht meinungsneutral; sie zielt weder auf einen nach äußerlichen Kriterien bestimmbaren Veranstaltungstyp (Vortrag, Diskussion, Filmvorführung etc.) noch auf den generellen Ausschluss eines abstrakt umrissenen Themenkreises (z. B. aller Veranstaltungen ohne konkreten örtlichen Bezug). Der Beschluss des Stadtrats vom 13. Dezember 2017 beruht nicht auf solchen einrichtungsbezogenen Erwägungen, sondern auf einer (negativen) inhaltlichen Bewertung der BDS-Kampagne. Die politische Stoßrichtung dieser Kampagne, die den israelischen Staat zumindest in seiner derzeitigen Gestalt in Frage stellt, bildet erklärtermaßen den alleinigen Grund, weshalb dazu in den Einrichtungen der Beklagten keine Veranstaltungen stattfinden sollen.
(b) Der mit dem Benutzungsausschluss verbundene Grundrechtseingriff ist nicht gerechtfertigt. Eine Gemeinde ist nicht befugt, Bewerbern allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen zu verwehren (ebenso VGH BW, U.v. 1.3.1982 – 1 S 1179/81 – VBlBW 1983, 35/36; B.v. 14.4.1989 – 1 S 952/89 – NVwZ 1990, 93/94; BayVGH, B.v. 21.1.1988 – 4 CE 87.03883 – BayVBl 1988, 497/498; VG München, U.v. 6.4.2016 – M 7 K 15.200 – juris Rn. 27; Schoch, NVwZ 2016, 257/263 f.; Gassner, VerwArch 85 [1994], 533/541; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, S. 439).
Die Meinungsfreiheit findet nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Grenze in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Als allgemeine Gesetze im Sinne dieses Schrankenvorbehalts können nur Vorschriften gelten, die kein Sonderrecht gegen eine bestimmte Meinung schaffen und sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen (BVerfG, B.v. 4.11.2009 – 1 BvR 2150/08 – BVerfGE 124, 300/321 ff. m.w.N). An der Allgemeinheit eines Gesetzes fehlt es, wenn eine inhaltsbezogene Meinungsbeschränkung sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet. Eine die Meinungsfreiheit beschränkende Norm darf nur an dem zu schützenden Rechtsgut ausgerichtet sein und nicht an einem Wert- oder Unwerturteil hinsichtlich konkreter Haltungen oder Gesinnungen (BVerfG, a.a.O.). Ein Indiz für Sonderrecht ist es, wenn sich eine Norm als Antwort auf einen konkreten Konflikt des aktuellen öffentlichen Meinungskampfes versteht oder anknüpfend an inhaltliche Positionen einzelner vorfindlicher Gruppierungen so formuliert ist, dass sie im Wesentlichen nur gegenüber diesen zur Anwendung kommen kann. Je mehr eine Norm so angelegt ist, dass sie absehbar allein Anhänger bestimmter politischer, religiöser oder weltanschaulicher Auffassungen trifft und somit auf den öffentlichen Meinungskampf einwirkt, desto mehr spricht dafür, dass die Schwelle zum Sonderrecht überschritten ist (BVerfG, a.a.O.).
Hiervon ausgehend fehlt es an einer Rechtfertigung für den Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit der Einrichtungsbenutzer. Der widmungsbeschränkende Stadtratsbeschluss vom 13. Dezember 2017 stellt schon deshalb kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar, weil er keine Rechtsnormqualität besitzt (vgl. VG Köln, B.v. 12.9.2019 – 14 L 1765/19 – juris Rn. 24; Schulz, KommJur 2020, 245/247 f.). Selbst wenn die Beklagte eine entsprechende Satzung erlassen hätte, würde sich im Ergebnis nichts ändern, da die in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO enthaltene allgemeine Ermächtigung, die Benutzung öffentlicher Einrichtungen zu regeln, dem für spezielle Grundrechtseingriffe geltenden Rechtssatzvorbehalt nicht genügt (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2013, a.a.O., Rn. 28; Helbich, a.a.O., 711 m.w.N.).
Darüber hinaus lässt sich auch nicht feststellen, dass der generelle Ausschluss von Veranstaltungen zur BDS-Kampagne dem Schutz eines unabhängig von bestimmten Meinungsinhalten zu schützenden Rechtsguts dienen würde. Dass die Durchführung von Diskussions- oder Vortragsveranstaltungen zu diesem Thema regelmäßig mit der Gefahr einer Begehung strafbarer Handlungen verbunden wäre, etwa in Gestalt von Äußerungsdelikten wie § 130 Abs. 1 oder § 185 StGB, ist nicht erkennbar und wird auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Die von einer Vielzahl von Personen und Organisationen getragene weltweite BDS-Kampagne weist ersichtlich keine festen organisatorischen Strukturen auf (vgl. VerfGH NW, B.v. 22.9.2020 – 49/19.VB-2 -juris Rn. 19). Ob sie in ihrem Gesamtgepräge oder jedenfalls in Bezug auf einzelne Elemente als antisemitisch (zum Begriff Weller/Lieberknecht, JZ 2019, 317/319 f. m.w.N.) zu qualifizieren ist, wie die Beklagte annimmt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung (ebenso Schulz, a.a.O., 245 ff.). Denn selbst wenn sich dies anhand objektiver Kriterien eindeutig nachweisen ließe, ergäbe sich allein daraus noch keine Rechtfertigung für eine Beschränkung der Meinungsfreiheit.
Zwar verstoßen auf antisemitischen Vorstellungen beruhende politische Konzepte wegen ihrer zweifelsfrei bestehenden Unvereinbarkeit mit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und sind daher verfassungswidrig (BVerfG U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 541). Diese Feststellung, die im Zusammenhang mit Partei- oder Vereinsverboten relevant sein kann, reicht aber für sich genommen nicht aus, um entsprechende Meinungsäußerungen auch im Rahmen politischer Informations- oder Diskussionsveranstaltungen behördlicherseits von vornherein zu untersagen oder darauf einen Nutzungsausschluss zu stützen (a. A. offenbar NdsOVG, B.v. 27.3.2019 – 10 ME 48/19 – juris Rn. 4 ff.).
Äußerungen Privater genießen grundrechtlichen Schutz nach Art. 5 Abs. 1 GG unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit oder Gefährlichkeit (BVerfG, B.v. 7.7.2020 – 1 BvR 479/20 – juris Rn. 14). Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen; es erzwingt diese Werteloyalität aber nicht (BVerfG, B.v. 4.11.2009, a.a.O., 320 m.w.N.). Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst demzufolge auch extremistische, rassistische oder antisemitische Äußerungen (vgl. Grabenwarter, a.a.O., Rn. 68 ff. m.w.N.). Für gesetzliche Beschränkungen gelten insoweit dieselben Voraussetzungen wie bei allen sonstigen Meinungsbekundungen (vgl. BVerfG, B.v. 26.1.2006 – 1 BvQ 3/06 – NVwZ 2006, 585/586).
Der Vorbehalt der allgemeinen Gesetze nach Art. 5 Abs. 2 GG ermächtigt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst dann zu Eingriffen, wenn die betreffenden Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen (BVerfG, B.v. 4.11.2009, a.a.O., 330). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie den öffentlichen Frieden als Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung gefährden und so den Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch markieren (vgl. BVerfG, B.v. 22.6.2018 – 1 BvR 673/18 – NJW 2018, 2858 Rn. 24; B.v. 7.7.2020 – 1 BvR 479/20 – juris Rn. 14). Von einer solchen sich abzeichnenden konkreten Rechtsgutgefährdung, die eine staatliche Schutzpflicht auslösen würde, kann aber im Zusammenhang mit der BDS-Kampagne nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen nicht gesprochen werden (vgl. auch Schulz, a.a.O., 247).
Es bestehen insbesondere keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die im Bundesgebiet entfalteten Aktivitäten der auf den Staat Israel zielenden Boykottbewegung auch eine die Friedlichkeitsgrenze überschreitende gezielte Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland oder gar ein Aufstacheln zum Hass gegen diese Personengruppe umfassen könnte. Erst wenn mit der gezielten Verbreitung antisemitischer Stereotype derartige Ausgrenzungs- und Stigmatisierungseffekte provoziert würden, läge darin – unabhängig von einem möglichen Strafrechtsverstoß – eine hinreichend konkrete Gefährdung des Schutzguts der öffentlichen Ordnung (Art. 6 LStVG; Art. 11 Abs. 1 PAG), die den Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigen könnte (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2004 – 1 BvQ 19/04 – BVerfGE 111, 147/156 f.; B.v. 7.7.2020, a.a.O., Rn. 15 ff.; Attendorn/Schnell, NVwZ 2020, 1224/1225 ff.). Da diese Gefahrenschwelle mit den Boykottaufrufen der Befürworter der BDS-Kampagne derzeit ersichtlich nicht erreicht wird, kann der Zugang zu kommunalen Einrichtungen nicht allein mit dem Hinweis auf eine (nach Einschätzung des Einrichtungsträgers bestehende) antisemitische Grundtendenz der geplanten Veranstaltungen verweigert werden. Dass der Schutz der jüdischen Identität und damit verbunden die Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel seit langem feststehende Maximen der deutschen Politik sind und als identitätsprägende Grundwerte auch auf die deutsche Rechtsordnung einwirken bzw. bei deren Auslegung zu berücksichtigen sind (dazu Weller/Lieberknecht, a.a.O., 322 f. m.w.N.), vermag an dieser verfassungsrechtlichen Bewertung nichts zu ändern.
(2) Selbst wenn man die an einen bestimmten Meinungsinhalt anknüpfende Versagung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung nicht als (mittelbaren) Eingriff in das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG bewerten wollte, läge darin jedenfalls ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Für die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen Veranstaltungen, die sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, und allen sonstigen politischen Veranstaltungen fehlt ein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund.
Beschränkungen des Widmungszwecks einer öffentlichen Einrichtung müssen auf sachlich begründeten Erwägungen beruhen und dürfen nicht ausschließlich einrichtungsfremde Ziele verfolgen (BayVGH, B.v. 4.6.1959 – 147 IV 57 – VGH n.F. 12, 50/53; VGH BW, B.v. 25.9.1997 – 1 S 1261/97 – juris Rn. 43; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, a.a.O., Art. 21 Rn. 12; Lange, Kommunalrecht, a.a.O., S. 827; Gassner, a.a.O., 539). Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es den Gemeinden, die Regelungen über den Zugang zu ihren Einrichtungen als Druckmittel zur Durchsetzung beliebiger Anforderungen zu benutzen (Lange, a.a.O.). Unzulässig sind daher auch solche Widmungsbestimmungen, mit denen eine Kommune bestimmte nicht verbotene Äußerungen in ihren Räumlichkeiten untersagt oder zu einem Ausschlussgrund erklärt (Gassner, a.a.O., 541). Wird eine öffentliche Einrichtung für Veranstaltungen zu allgemeinpolitischen Fragen zur Verfügung gestellt, so dürfen nicht – nach Art eines Tendenzbetriebs – nur die vom Einrichtungsträger gebilligten Themen und Meinungen zugelassen werden. Eine solche Ungleichbehandlung der Einrichtungsbenutzer stellt einen schwerwiegenden Verfassungsverstoß dar, weil sie sich in einseitig benachteiligender Weise auf die Ausübung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit auswirkt (vgl. BVerfG, B.v. 30.5.1990 – 1 BvL 2/83 u.a. – BVerfGE 82, 126/146 m.w.N.). Auch die Neutralitätspflicht des Staates steht einer lenkenden Einflussnahme auf den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung durch gezielte Ungleichverteilung öffentlicher Äußerungsmöglichkeiten entgegen (vgl. allgemein BVerwG, U.v. 13.9.2017 – 10 C 6.16 – BVerwGE 159, 327 Rn. 28 f.).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
III.
Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage, ob der Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung davon abhängig gemacht werden kann, ob der Bewerber in der geplanten Veranstaltung Meinungsäußerungen mit verfassungswidrigem Inhalt unterlässt bzw. für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsteht (so wohl NdsOVG, a.a.O., Rn. 7 ff.), ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.


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