Verwaltungsrecht

Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst aufgrund eines in Österreich erworbenen Magisterdiploms

Aktenzeichen  Au 3 K 17.299

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV AEUV Art. 45, Art. 49
GG GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
DRiG DRiG § 112a

 

Leitsatz

1. Die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst für Personen, die ein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom besitzen, das in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erworben wurde und dort den Zugang zur postuniversitären Ausbildung für den Beruf des europäischen Rechtsanwalts gem. § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland eröffnet, setzt neben einem bestimmten Abschluss in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine materielle Gleichwertigkeitsprüfung voraus, wobei Maßstab der Gleichwertigkeit die Kenntnisse sind, die durch das Bestehen der Pflichtfachprüfung nach § 5 Abs. 1 DRiG, also der Ersten Juristischen (Staats-) Prüfung, bescheinigt werden, mithin der Pflichtstoff der Staatsexamensklausuren. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 112a DRiG räumt ungeachtet der Frage, ob Art. 45 AEUV und/oder Art. 49 AEUV dies gebieten, auch so die praktische Möglichkeit einer Zulassung zum Vorbereitungsdienst ohne jegliche Eignungsprüfung ein. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die unterschiedliche normative Ausgestaltung der Zugangsregelungen zum Beruf des Steuerberaters einerseits und zum Juristischen Vorbereitungsdienst andererseits verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht verpflichtet, Absolventen österreichischer Masterstudiengänge ohne Eignungsprüfung zum juristischen Vorbereitungsdienst zuzulassen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
5. Da das Bestehen der Pflichtprüfung nach § 5 DRiG ein Nachweis für den Erwerb umfangreicher und zugleich vertiefter Kenntnisse in den jeweiligen Rechtsgebieten ist, kann die Notwendigkeit einer realistischen Möglichkeit der Teilanerkennung von im EU-Ausland erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht dazu führen, dass einfache punktuelle Kenntnisse einiger Aspekte dieser Rechtsgebiete für die teilweise Anerkennung der Qualifikationen des Betroffenen ausreichen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf die begehrte Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst nach § 112a Abs. 1 DRiG, noch ein Anspruch auf die Reduzierung des Stoffumfangs einer Eignungsprüfung nach § 112a Abs. 3 bis Abs. 5 DRiG zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst nach § 112a DRiG.
a) Nach § 112 a Abs. 1 DRiG werden Personen, die ein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom besitzen, das in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erworben wurde und dort den Zugang zur postuniversitären Ausbildung für den Beruf des europäischen Rechtsanwalts gemäß § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland eröffnet, auf Antrag zum Vorbereitungsdienst zugelassen, wenn ihre Kenntnisse und Fähigkeiten den durch die bestandene staatliche Pflichtfachprüfung nach § 5 Abs. 1 DRiG bescheinigten Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen. Nach § 112a Abs. 2 Satz 1 DRiG erstreckt sich die Prüfung der nach Absatz 1 erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf das Universitätsdiplom und die vorgelegten Nachweise, insbesondere Diplome, Prüfungszeugnisse, sonstige Befähigungsnachweise und Nachweise über einschlägige Berufserfahrung. Ergibt die Prüfung keine oder nur eine teilweise Gleichwertigkeit, wird auf Antrag eine Eignungsprüfung durchgeführt (§ 112a Abs. 2 Satz 2 DRiG).
b) Die Zulassung setzt demnach neben einem bestimmten Abschluss in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine materielle Gleichwertigkeitsprüfung voraus. Maßstab der Gleichwertigkeit sind die Kenntnisse, die durch das Bestehen der Pflichtfachprüfung nach § 5 Abs. 1 DRiG, also der Ersten Juristischen (Staats-)Prüfung, bescheinigt werden, mithin der Pflichtstoff der Staatsexamensklausuren.
aa) Das Erfordernis der Prüfung, ob das Universitätsdiplom dem Betroffenen den Absolventen des Ersten Juristischen Examens vergleichbare Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt, ist mit unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV, früher Art. 39 EG) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, früher Art. 43 EG) vereinbar. Insofern hat der Europäische Gerichtshof in seiner Pesla-Entscheidung vom 10. Dezember 2009 die grundsätzliche Vereinbarkeit des § 112a DRiG mit den genannten Grundfreiheiten festgestellt (EuGH, U.v. 10.12.2009 – C-345/08 – Pesla – juris; zustimmend Häcker, GPR 2010, 123 ff.). Art. 39 EG sei dahin auszulegen, dass bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Ausbildungen die Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, die durch die Qualifikation bescheinigt werden, die in dem Mitgliedstaat verlangt wird, in dem der Bewerber die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst beantragt (EuGH, U.v. 10.12.2009, a.a.O Rn. 48). Damit anerkennt der EuGH zum einen die Vereinbarkeit einer materiellen Gleichwertigkeitsprüfung als solcher mit unionsrechtlichen Vorgaben und stellt zugleich klar, dass diese Prüfung (in Deutschland) am Maßstab der Inhalte der Ersten Juristischen Staatsprüfung – und damit insbesondere an Kenntnissen des deutschen Rechts – orientiert sein darf. Der Gerichtshof hat darüber hinaus betont, dass Unionsrecht es nicht gebietet, bei der Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers zu stellen als diejenigen, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für den Zugang zu diesem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt wird, solange die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung von Kenntnissen, die durch vom Betroffenen nachgewiesene Qualifikationen bescheinigt werden, in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleibe (EuGH, U.v. 10.12.2009, a.a.O Rn. 65).
Ungeachtet der Frage, ob Art. 45 AEUV und/oder Art. 49 AEUV darüber hinaus auch gebieten, dass im Anwendungsbereich des § 112a DRiG auch die praktische Möglichkeit einer Zulassung zum Vorbereitungsdienst ohne jegliche Eignungsprüfung bestehen muss, geht das Gericht davon aus, dass § 112a DRiG eine solche praktische Möglichkeit einräumt. Dass es – worauf der Kläger hinweist – seit 2009 in Bayern keinen Fall der Zulassung zum Juristischen Vorbereitungsdienst ohne Eignungsprüfung gegeben hat, ändert hieran nichts. Dieser Umstand ist zwanglos damit zu erklären, dass es soweit ersichtlich in den anderen Mitgliedstaaten keine Universität gibt, die einen Studiengang anbietet, der sich ausschließlich oder schwerpunktmäßig mit deutschem Recht beschäftigt. Das zwingt den deutschen Gesetzgeber aber nicht, seine Anforderungen an die Zulassung zum Vorbereitungsdienst abzusenken, da ausländische Universitäten andernfalls letztlich die Anforderungen an die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst in Deutschland (mit-)bestimmen könnten.
bb) Die in § 112a DRiG vorgesehene Gleichwertigkeitsprüfung verstößt auch nicht gegen nationales höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Der insofern erhobene Einwand des Klägers, § 112a DRiG stelle im Vergleich zu den Voraussetzungen für die Steuerberaterprüfung (§ 37 StBerG) oder die Zulassung als Europäischer Rechtsanwalt nach § 11 Abs. 1 EuRAG unverhältnismäßig hohe Hürden auf, greift nicht durch.
Angesichts der wesentlichen Unterschiede des Berufes des Steuerberaters und des juristischen Vorbereitungsdienstes war der Gesetzgeber nicht gehalten, einheitliche Maßstäbe für die Zulassung zu beiden zu normieren.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln; dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Das gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im Einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 110, 274 ). Entscheidend ist dabei auch, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 95, 267 ; 110, 141 ).
Gemessen daran verstößt die unterschiedliche normative Ausgestaltung der Zugangsregelungen zum Beruf des Steuerberaters einerseits und zum Juristischen Vorbereitungsdienst andererseits nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass an die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst, der speziell der Vorbereitung auf die Zweite Juristische Staatsprüfung mit ihrem breiten, am Bild des juristischen Generalisten orientierten Prüfungsstoff dient, andere Anforderungen zu stellen sind als an die Zulassung zum vergleichsweise spezialisierten Beruf des Steuerberaters.
Entsprechendes gilt für den Vergleich der Voraussetzungen für die Zulassung europäischer Rechtsanwälte zur deutschen Anwaltschaft. Nach § 11 Abs. 1 EuRAG wird zur deutschen Anwaltschaft zugelassen, wer eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland auf dem Gebiet des deutschen Rechts, einschließlich des Gemeinschaftsrechts nachweist. Die Annahme des Gesetzgebers, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Voraussetzungen für die Ausübung des Berufes des Rechtsanwalts erfüllt und auf dem Gebiet des deutschen Rechts drei Jahre effektiv und regelmäßig tätig ist, hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten den Absolventen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung im Hinblick auf die Aufnahme in die (deutsche) Anwaltschaft vergleichbar ist, zwingt diesen nicht dazu, von einer materiellen Gleichwertigkeitsprüfung für den Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst abzusehen, da insofern hinsichtlich der nachgewiesenen Kenntnisse auf dem Gebiet des deutschen Rechts als auch im Hinblick auf die Rechtsfolgen erhebliche Unterschiede bestehen. Insofern verfängt auch der Hinweis des Klägers, er begehre mit der Zulassung zum Vorbereitungsdienst ein Minus gegenüber der Aufnahme in die Anwaltschaft, nicht. Denn die Zulassung zum Vorbereitungsdienst erfordert die Prognose, dass der Betroffene die am Berufsbild des Richters orientierte Zweite Juristische Staatsprüfung erfolgreich absolvieren kann. Die Zulassung zum Juristischen Vorbereitungsdienst stellt demnach gegenüber der Aufnahme in die Anwaltschaft kein Minus, sondern ein Aliud dar.
§ 112a DRiG ist auch nicht deswegen unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig, weil es – worauf der Kläger hinweist – Absolventen der Ersten Juristischen Staatsprüfung geben mag, bei denen etwa aufgrund eines langen zeitlichen Abstands zum Ersten Juristischen Staatsexamen Zweifel am Vorliegen hinreichender (aktueller) Kenntnisse und Fähigkeiten bestehen. Der Gesetzgeber durfte aufgrund seiner Typisierungsbefugnis (BVerfGE 110, 274 ; 117, 1 ; 120, 1 ; stRspr) davon ausgehen, dass bei einem Absolventen der Ersten Juristischen Staatsprüfung unabhängig von der seit deren Ablegung verstrichenen Zeit generell die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Vorbereitungsdienst erfolgreich absolviert werden kann. Die vom Klägers angeführten Extremfälle, in denen Personen mehrere Jahrzehenten nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen noch in den Vorbereitungsdienst eintreten, sind nach den nachvollziehbaren Angaben des Beklagten so selten (im Zuständigkeitsbereich des OLG … vier Fälle in den letzten Jahren), dass sich der Gesetzgeber nicht veranlasst sehen musste, eine in zeitlicher Hinsicht differenzierende Regelung zu schaffen.
cc) Auch der vom Kläger angeführte völkerrechtliche Grundsatz der Reziprozität verlangt vorliegend nicht, von der materiellen Gleichwertigkeitsprüfung abzusehen. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Republik Österreich Absolventen der deutschen Ersten Juristischen Staatsprüfung ohne weitere Eignungsprüfung zur sog. Gerichtlichen Praxis zulassen sollte, was das Gericht mangels Entscheidungserheblichkeit offen lassen kann, wäre die Bundesrepublik Deutschland nicht verpflichtet, Absolventen österreichischer Masterstudiengänge ohne Eignungsprüfung zum juristischen Vorbereitungsdienst zuzulassen. Außerdem läge es allein in der Hand der Republik Österreich, sich gegenüber Deutschland auf die fehlende Gegenseitigkeit zu berufen. Natürliche Personen wie der Kläger können sich dagegen nicht auf den Grundsatz der Reziprozität berufen, weil dieser nur zwischen den Staaten als Vertragspartner gilt (BVerfG, B.v. 24.11.2005 – 2 BvR 1667/05 – juris Rn. 19).
dd) Das gesetzliche Erfordernis einer materiellen Gleichwertigkeitsprüfung entfällt schließlich auch nicht deshalb, weil die ständige Konferenz der Kultusminister der Länder – Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen – festgestellt hat, dass der österreichische Magister Juris der Ersten Juristischen Staatsprüfung entspreche. Diese Anerkennung bezieht sich lediglich auf die formelle Gleichwertigkeit der Abschlüsse allgemein (etwa im Sinne der Regelungen des BAföG) und nicht auf die vermittelten materiellen Fähigkeiten und Kenntnisse der Abschlüsse im Sinne des § 112a Abs. 1 DRiG.
c) Die Annahme des Beklagten, aufgrund der Gleichwertigkeitsprüfung sei davon auszugehen, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers nicht denen eines Absolventen des Ersten Juristischen Staatsexamens nach § 5 DRiG entsprechen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Gegenstand des vom Kläger absolvierten Diplomstudiengangs einschließlich der entsprechenden Abschussprüfungen war ganz überwiegend italienisches Recht, teilweise auch österreichisches Recht und sehr untergeordnet auch von einzelnen nationalen Rechtsordnungen unabhängige (Grundlagen-)Materien (Union- und Völkerrecht, Rechtsphilosophie etc.). Deutsches Recht war nicht Gegenstand von Ausbildung und Prüfung. Angesichts dessen ist dem Beklagten darin zuzustimmen, dass nennenswerte Kenntnisse im deutschen Recht mit dem österreichischen Magisterabschluss nicht nachgewiesen sind. Insofern wird auf die umfangreichen und zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen, denen sich das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Der Beklagte ist darüber hinaus zu Recht davon ausgegangen, dass beim Kläger auch unter Berücksichtigung der erfolgreich absolvierten Steuerberaterprüfung nicht von hinreichenden Kenntnissen und Fähigkeiten ausgegangen werden kann. Das Gericht verkennt nicht, dass auch die Steuerberaterprüfung einen erheblichen Schwierigkeitsgrad aufweist. Die Prüfungsstoffe der Steuerberaterprüfung und des Ersten Juristischen Staatsexamens decken sich allerdings nur in geringem Umfang, so dass das Bestehen der Steuerberaterprüfung nicht zugleich auf das Vorhandensein der zum Bestehen der Ersten Juristischen Staatsprüfung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten schließen lässt. Dies gilt insbesondere im Strafrecht, Bürgerlichen Recht (soweit es über Grundzüge hinausgeht), Verfassungsrecht und besonderen Verwaltungsrecht. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2017 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Soweit der Kläger dagegen einwendet, er könne aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten in bestimmten Teilen der Praxis sinnvoll eingesetzt werden, legt er einen Maßstab an die Gleichwertigkeitsprüfung an, der der gesetzlichen Regelung des § 112a Abs. 1 DRiG nicht zu entnehmen ist. Maßgeblich ist vielmehr eine – bei ihm derzeit nicht mögliche – positive Prognose dahingehend, dass er den juristischen Vorbereitungsdienst erfolgreich abschließen, also die Zweite Juristische Staatsprüfung bestehen kann (vgl. § 112a Abs. 3 Satz 1 DRiG).
2. Auch der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Reduzierung des Prüfungsstoffes bei einer erforderlichen Eignungsprüfung besteht nicht.
a) Die für die Anerkennung der Kenntnisse und Fähigkeiten in einzelnen Rechtsgebieten (Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht) normierten Voraussetzungen des § 112a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 DRiG liegen nicht vor.
Dabei geht das Gericht davon aus, dass weder die gesetzliche Ausgestaltung der § 112a Abs. 1 und Abs. 2 DRiG noch die vom Beklagten bei deren Ausführung angelegten Maßstäbe dazu führen, dass entgegen der Vorgaben der Art. 45 und 49 AEUV keine realistische Möglichkeit auf eine teilweise Anerkennung gleichwertiger Kenntnisse und Fähigkeiten bestünde. Da das Bestehen der Pflichtprüfung nach § 5 DRiG ein Nachweis für den Erwerb umfangreicher und zugleich vertiefter Kenntnisse in den jeweiligen Rechtsgebieten ist, kann die Notwendigkeit einer realistischen Möglichkeit der Teilanerkennung von im EU-Ausland erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht dazu führen, dass einfache punktuelle Kenntnisse einiger Aspekte dieser Rechtsgebiete für die teilweise Anerkennung der Qualifikationen des Betroffenen ausreichen (EuGH, U.v. 10.12.2009 – C-345/08 – Pesla – juris Rn. 60).
Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte, dass die vom Beklagten angelegten Maßstäbe in der Praxis zu einem Leerlaufen der Regelungen über die teilweise Anerkennung führen würden. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass einem früheren Bewerber die Teilprüfung im Strafrecht erlassen wurde und dass eine weitere Anerkennung gleichwertiger Kenntnisse und Fähigkeiten im Strafrecht in einem noch anhängigen Verfahren zu erwarten ist. Auch hier dürfte die vergleichsweise niedrige Zahl weniger am (nur vermeintlich strengen) Maßstab des Beklagten liegen als vielmehr an dem bereits erwähnten und vom Beklagten nicht zu beeinflussenden Umstand, dass deutsches Recht an ausländischen Universitäten nicht gelehrt und geprüft wird (vgl. dazu, dass dem EuGH dieser Umstand bewusst ist EuGH, U.v. 10.12.2009 – C-345/08 – Pesla – Rn. 42).
Die vom Kläger mit seinem in Österreich erworbenen Magisterabschluss und der deutschen Steuerberatungsprüfung nachgewiesenen Fähigkeiten und Kenntnisse decken weder den Prüfungsstoff im Zivilrecht, noch den im Straf- oder Öffentlichen Recht im erforderlichen Umfang ab. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2017 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
b) Für die begehrte Reduzierung des Prüfungsstoffes innerhalb der Rechtsgebiete Zivilrecht und Strafrecht besteht im deutschen Recht keine Rechtsgrundlage, die dem Kläger einen entsprechenden Anspruch vermitteln könnte. Sie ist – da sie auf eine Anerkennung punktueller Kenntnisse innerhalb der einzelnen Teilrechtsgebiete hinausliefe – auch unionsrechtlich nicht geboten (EuGH, U.v. 10.12.2009 – C-345/08 – Pesla – juris Rn. 60).
3. Weder im Hinblick auf die Entscheidung über die Zulassung des Klägers zum Juristischen Vorbereitungsdienst ohne Eignungsprüfung noch für die Entscheidung über die Teilanerkennung oder den sonstigen Prüfungsumfang der Eignungsprüfung bedurfte es der vom Kläger beantragen Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV. Die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Pesla-Entscheidung (EuGH, U.v. 10.12.2009 – C-345/08 – Pesla – juris) bereits geklärt (sog. acte claire-Doktrin, vgl. dazu allgemein EuGH, U.v. 6.10.1982 – C-283/81 – juris Rn. 16).
II.
Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 704 ff. ZPO.


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