Verwaltungsrecht

Zulassung zum Masterstudium bei Täuschung

Aktenzeichen  7 CE 21.2344

Datum:
5.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34482
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG Art. 43 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1. Ist eine studiengangspezifische Eignung für einen Masterstudiengang nach den einschlägigen Vorschriften der Hochschule nachgewiesen, kann die Zulassung zum begehrten Masterstudium nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der Bewerber habe auf einer nach diesen Vorschriften gerade nicht durchzuführenden Evaluierung im Rahmen einer zweiten Stufe des Eignungsverfahrens getäuscht. (Rn. 17 und 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Bewertung eines Essays als Plagiat ist allein anhand eines Ähnlichkeitsindexes nicht möglich. Ein solcher Index kann lediglich Indiz für Unregelmäßigkeiten sein und zu weiteren Prüfungen Anlass geben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 E 21.3375 2021-08-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. August 2021 wird in Nr. I und II abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller vorläufig zum Masterstudium „Management and Technology“ an der Technischen Universität München, 1. Fachsemester, zuzulassen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang „Management and Technology“ an der Technischen Universität München (im Folgenden: TUM) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2021/2022. Er macht geltend, dass er die erforderlichen Qualifikationsvoraussetzungen erfülle, insbesondere das Eignungsverfahren nach der einschlägigen Fachprüfungs- und Studienordnung bestanden habe.
Der Antragsteller beantragte im April 2021 bei der TUM die Zulassung zum Masterstudiengang „Management and Technology“ und legte unstreitig alle für die Zulassung zum Eignungsverfahren erforderlichen Unterlagen, insbesondere auch das hier streitige Essay, fristgerecht vor. Die TUM führte hinsichtlich des Essays (wohl) standardmäßig eine Ähnlichkeitsprüfung mit dem Programm „Turnitin“ durch. Diese ergab eine Übereinstimmung von 36%. Daraufhin schloss die TUM den Antragsteller mit Bescheid vom 2. Juni 2021 mit der (einzeiligen) Begründung, er habe den Bewerbungsprozess durch Täuschung zu beeinflussen versucht, vom laufenden Bewerbungsverfahren aus. Erst auf die E-Mails seiner Bevollmächtigten vom 4. und 15. Juni 2021 erläuterte die TUM die erhobenen Vorwürfe, insbesondere durch eine Stellungnahme des Kommissionsmitglieds Prof. M. vom 21. Juni 2021. Dieser führt u.a. aus: „Das Ausmaß der übernommenen Textabschnitte und Textelemente, bei denen einzelne Wörter weggelassen wurden und die nicht als direkte Zitate gekennzeichnet wurden, überschreitet das erträgliche und akzeptierbare Maß, so dass der Vorwurf einer Täuschung und des Plagiats gerechtfertigt ist. Es wurden im Essay von Herrn W … an einer Vielzahl von Textstellen wörtliche Zitate verwendet. Diese wurden nicht als solche gekennzeichnet.“ Ausdrücklich führt Prof. M. acht Beispiele an, bei denen das Programm „Turnitin“ Textabschnitte gekennzeichnet und die Originalquelle hinterlegt hat. Dabei beschränken sich die Angaben aus den Originalquellen jeweils auf wenige Zeilen. Die Titel der von „Turnitin“ erkannten Quellen sind im „Plagiatsbericht“ aufgeführt. Zwei dieser Quellen stellen „Studentenarbeiten“ dar, die nicht näher spezifiziert sind. Vier Fundstellen sind als „Internetquellen“ gekennzeichnet, ohne konkret Inhalte zu benennen oder nachzuvollziehen. Eine der von „Turnitin“ in Bezug genommenen Quellen findet sich auch im Literaturverzeichnis („references“) des Antragstellers.
Das Verwaltungsgericht lehnte einen Eilantrag auf vorläufige Zulassung zum Studium mit Beschluss vom 19. August 2021 ab. Es begründete dies damit, dass es sich bei dem Essay, das der Antragsteller im Rahmen des Eignungsverfahrens vorgelegt habe, um ein Plagiat handele, das den Vorwurf des Täuschungsversuchs rechtfertige.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der vorliegenden Beschwerde. Seine Bevollmächtigten tragen im Wesentlichen vor, er habe nicht versucht, im Bewerbungsprozess zu täuschen. Die Art und Weise der eingefügten Zitate sei nicht zu beanstanden. Des Weiteren habe deshalb keine Täuschungsabsicht vorgelegen, weil der Antragsteller gewusst habe, dass er auf eine erfolgreiche Bewertung des Essays angesichts seiner erreichten Punktzahl auf der ersten Stufe des Eignungsverfahrens nicht angewiesen sei. Das Essay hätte daher gar nicht geprüft werden dürfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründungen vom 7. September 2021 und vom 6. Oktober 2021 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde und führt insbesondere aus, der Antragsteller habe mit der Abgabe seines Essays versucht, den Bewerbungsprozess durch Täuschung zu beeinflussen und sei deshalb zu Recht ausgeschlossen worden. Es sei daher unerheblich, dass er die zweite Stufe des Eignungsverfahrens nicht mehr habe durchlaufen müssen, weil er bereits auf der ersten Stufe eine Direktzulassung hätte erhalten können. Das Essay sei bereits mit dem Antrag auf Zulassung zum Eignungsverfahren einzureichen. Es sei also unzutreffend, dass das Essay nur eine Rolle spiele, wenn die erste Stufe des Eignungsverfahrens nicht bestanden werde. Der Antragsteller habe u.a. dadurch getäuscht, dass er wörtliche Übernahmen nicht gekennzeichnet habe. Aufgrund des Umfangs handele es sich nicht mehr nur um eine wissenschaftliche Unachtsamkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Seine gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hätte dem Begehren des Antragstellers stattgeben müssen, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn vorläufig zum Masterstudiengang „Management and Technology“ im 1. Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 zuzulassen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrundeliegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Aufgrund der im Eilverfahren verfügbaren Tatsachenbasis müssen – um den Status quo vorzeitig und einstweilen zu verändern – überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Nur dann ist sichergestellt, dass lediglich solche Regelungen ergehen, die in der Sache voraussichtlich gerechtfertigt sind (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 123 Rn. 74). Entscheidend ist daher, ob der Antragsteller in der Hauptsache voraussichtlich erfolgreich sein wird. Denn eine einstweilige Anordnung darf grundsätzlich nur ergehen, wenn ein Anordnungsanspruch wahrscheinlich ist. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil im Einzelfall aus Zeitmangel nicht festgestellt werden kann, ob ein Anordnungsanspruch besteht, ist – um dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen – eine Entscheidung auf Basis einer Folgenabwägung zu treffen (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 77; Wollenschläger in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 123 Rn. 105).
I. Die erforderliche Dringlichkeit und damit der Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ergibt sich aus dem Umstand, dass der Antragsteller wegen seines Ausschlusses vom Bewerbungsverfahren derzeit daran gehindert ist, das begehrte Masterstudium aufzunehmen.
II. Entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht hat. Er hat einen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum begehrten Masterstudiengang, weil er das in der „Fachprüfungs- und Studienordnung für den Masterstudiengang Management and Technology (TUM-BWL) an der Technischen Universität München“ vom 21. Juni 2017 (in der hier einschlägigen Fassung der Änderungssatzung v. 25.4.2018 – FPSO) und deren Anlage 2 vorgesehene Eignungsverfahren bereits auf dessen erster Stufe bestanden hat (Anlage 2 Nr. 5.3.1).
Gemäß Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG können die Hochschulen für den Zugang zu einem Masterstudiengang neben der allgemeinen Qualifikationsvoraussetzung (Hochschulabschluss oder gleichwertiger Abschluss, Art. 43 Abs. 5 Satz 1 BayHSchG) durch Satzung weitere Zugangsvoraussetzungen festlegen, insbesondere den Nachweis einer studiengangspezifischen Eignung (Leiher in v.Coelln/Lindner, Hochschulrecht Bayern, Stand 1.8.2021, Art. 43 BayHSchG Rn. 16). Sie dürfen im Rahmen von Eignungsverfahren Qualifikationsnachweise fordern, soweit diese sicherstellen, dass die Bewerberinnen und Bewerber den Anforderungen des von der Hochschule konzipierten Studiengangs gerecht werden und die hinreichende Aussicht besteht, dass sie das Studium im Hinblick auf diese Anforderungen erfolgreich abschließen können (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2020 – 7 CE 20.2216 – juris Rn. 16). Die Qualifikationsanforderungen, die die Hochschulen insoweit aufstellen dürfen, hängen dabei von den speziellen fachlichen Anforderungen des jeweiligen Masterstudiengangs ab. Dabei müssen die Hochschulen sowohl die verfahrensrechtlichen Vorgaben der Eignungsfeststellung als auch die inhaltlichen Kriterien, die für die Eignungsfeststellung maßgeblich sein sollen, sowie deren jeweilige Gewichtung hinreichend klar festlegen (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2021 – 7 CE 20.3072 – juris Rn. 16 m.w.N.).
1. Im Beschwerdeverfahren ist nicht gerügt, dass die TUM den ihr im Rahmen des Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG zustehenden weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2020 – 7 CE 20.406 – juris Rn. 21) durch Regelung des Eignungsverfahrens als Qualifikationsvoraussetzung nicht in zulässiger Weise ausgefüllt hat. An die von ihr durch § 36 Abs. 1 Nr. 3 FPSO und dessen Anlage 2 festgelegten Vorgaben ist die TUM im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Neben anderen, hier nicht fraglichen Voraussetzungen wird die Qualifikation für den vom Antragsteller begehrten Masterstudiengang durch das Bestehen des Eignungsverfahrens gemäß Anlage 2 nachgewiesen.
Dem Antrag auf Zulassung zum Eignungsverfahren ist u.a. ein in englischer Sprache abgefasstes Essay von maximal 2.000 Wörtern beizufügen (Nr. 2.2 Satz 1 i.V.m. Nr. 2.3.4 der Anlage 2). Die Durchführung des Eignungsverfahrens regelt Nr. 5 der Anlage 2. Danach wird auf der ersten Stufe des Eignungsverfahrens anhand der geforderten schriftlichen Bewerbungsunterlagen unter Berücksichtigung von im Einzelnen aufgelisteten Bewertungskriterien (Nr. 5.1.1 der Anlage 2) beurteilt, ob die Bewerber oder Bewerberinnen die Eignung zum Studium besitzen. Wer mindestens 51 Punkte erreicht hat, hat das Eignungsverfahren bestanden und ist zum Masterstudium zuzulassen (Nr. 5.1.3 der Anlage 2), wer weniger als 45 Punkte hat, hat das Eignungsverfahren nicht bestanden (Nr. 5.1.4 der Anlage 2). Bei den „übrigen Bewerbern oder Bewerberinnen“ wird auf der zweiten Stufe das Essay evaluiert (Nr. 5.2 der Anlage 2).
2. Streitig ist vorliegend allein, ob der Antragsteller wegen Täuschung vom Eignungsverfahren für die Zulassung zum Masterstudiengang „Management and Technology“ ausgeschlossen werden konnte. Entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist der Senat der Auffassung, dass es vorliegend für die Frage, ob der Antragsteller zu Recht vom Eignungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, ob er durch die Vorlage seines Essays versucht hat, den Bewerbungsprozess durch Täuschung zu beeinflussen (vgl. § 7 Abs. 6 der Satzung der Technischen Universität München über die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation – ImmatS – v. 9.1.2014 in der Fassung der 6. Änderungssatzung v. 4.3.2021).
§ 1 der Satzung über die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation regelt – entsprechend der Ermächtigung durch Art. 13 Abs. 1 Satz 2, Art. 51 BayHSchG – das Verfahren der Immatrikulation, der Rückmeldung, der Beurlaubung und der Exmatrikulation der Studierenden und Gaststudierenden sowie Immatrikulationsversagungsgründe, also die praktische Umsetzung dieser den Studierendenstatus betreffenden Maßnahmen (vgl. Leiher in v.Coelln/Lindner, Hochschulrecht Bayern, Art. 51 BayHSchG Rn. 5). Die hier allein streitgegenständliche Frage der Zugangsberechtigung zum Masterstudium ist jedoch der Immatrikulation zeitlich vorgelagert und hiervon zu unterscheiden. Daher hat der Senat bereits Zweifel daran, ob § 7 Abs. 6 ImmatS auf die Durchführung des Eignungsverfahrens überhaupt ohne Weiteres anwendbar ist. Jedenfalls wäre die Norm im Hinblick auf Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine – versuchte oder vollendete – Täuschung nur dann zu einem Ausschluss vom Eignungsverfahren führen kann, wenn die Täuschung sich auf einen tatsächlich durchzuführenden Verfahrensschritt bezieht. Dies ist beim Antragsteller erkennbar nicht der Fall.
a) Vorliegend hat der Antragsteller nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2021/2022 bereits einen Anspruch auf Zulassung zum Masterstudium, weil er auf der ersten Stufe des Eignungsverfahrens unstreitig eine ausreichend hohe Punktzahl (56 Punkte bei erforderlichen 51 Punkten) erreicht hat. Damit hat er nach Nr. 5.1.3 der Anlage 2 das Eignungsverfahren bestanden, ohne dass es auf die „Evaluierung“ seines Essays noch ankommt. Zwar ist nichts dagegen zu erinnern, dass die TUM im Zuge der Verfahrensvereinfachung und insbesondere der Verfahrensbeschleunigung bei der Durchführung des Eignungsverfahrens von allen Bewerberinnen und Bewerbern bereits mit dem Antrag auf Zulassung zum Eignungsverfahren neben weiteren Unterlagen auch die Vorlage eines Essays verlangt. Auf dessen Bewertung – sei es inhaltlicher, sei es formaler Art – kann es aber nicht ankommen, wenn die Bewerberin oder der Bewerber – wie vorliegend der Antragsteller – seine studiengangspezifische fachliche Eignung für den begehrten Masterstudiengang bereits auf der ersten Stufe des Eignungsverfahrens hinreichend nachweisen kann. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut von Nr. 5.1.3 der Anlage 2, die regelt, dass das Eignungsverfahren bestanden hat, wer mindestens 51 Punkte [auf der ersten Stufe] erreicht. Lediglich bei „übrigen Bewerbern“ ist das Essay auf der zweiten Stufe des Eignungsverfahrens zu evaluieren (vgl. Nr. 5.2.1 der Anlage 2).
b) Die Qualität des Essays wirkt sich im Fall des Antragstellers nicht auf dessen fachliche Eignung aus. Sein Ausschluss vom Eignungsverfahren ist selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn er tatsächlich plagiiert haben sollte.
Der Umstand, dass die TUM offensichtlich standardmäßig sämtliche eingereichten Essays unabhängig von der Frage, ob diese überhaupt nach Nr. 5.2.1 der Anlage 2 zu evaluieren sind, einer Plagiatsprüfung unterzieht (vgl. Bl. 7 der vorgelegten Verfahrensakte Band 2), eröffnet ihr auch dann keine Möglichkeit, von ihren in der Fachprüfungs- und Studienordnung festgelegten Vorgaben zur Durchführung des Eignungsverfahrens abzuweichen, wenn sich hieraus ein Plagiatsvorwurf ergibt. Denn ein etwaiger Täuschungsvorwurf bei der Erstellung des Essays, der im Übrigen vorliegend schon nicht ausreichend belegt ist (vgl. dazu 2.), wirkt sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht auf das Bewerbungsverfahren in seiner Gesamtheit aus. Es obliegt zwar generell der Hochschule, auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG das Qualifikationsprofil eines Masterstudiengangs anhand der speziellen fachlichen Anforderungen des jeweiligen Masterstudiengangs zu definieren (vgl. Leiher in v.Coelln/Lindner, Hochschulrecht Bayern, Art. 43 BayHSchG Rn. 19). Welche besonderen Eignungsanforderungen für ein Masterstudium einschlägig sind, kann daher nur im Einzelfall anhand des Studiengangprofils bestimmt werden. Von anderen als fachspezifischen Anforderungen kann die Hochschule den Zugang zum Masterstudium dabei regelmäßig nicht abhängig machen. Jedenfalls bedarf es im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG einer besonderen Begründung, warum solche für den fraglichen Studiengang erforderlich und damit gerechtfertigt sind.
Vorliegend hat die TUM die fachspezifischen Anforderungen in Nr. 1.1 bis 1.4 der Anlage 2 anhand im Einzelnen aufgeführter sog. Eignungsparameter ausdrücklich und abschließend definiert. Ist diese studiengangspezifische Eignung nach diesen einschlägigen Vorschriften der Hochschule nachgewiesen, kann die Zulassung zum begehrten Masterstudium nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der Bewerber oder die Bewerberin habe bei der nach Nr. 5.2.1 Anlage 2 gerade nicht durchzuführenden Evaluierung im Rahmen der zweiten Stufe des Eignungsverfahrens getäuscht. Denn Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG ermächtigt die Hochschule nicht, den Bewerber oder die Bewerberin einer allgemeinen Redlichkeitsprüfung zu unterziehen.
III. Darüber hinaus ist der Antragsteller auch deshalb vorläufig zum begehrten Masterstudium zuzulassen, weil vorliegend nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die Einschätzung von TUM und Verwaltungsgericht zutrifft, in der Abgabe des Essays liege der Versuch, den Bewerbungsprozess durch Täuschung zu beeinflussen (§ 7 Abs. 6 Alt. 2 ImmatS), weil im Essay Textpassagen von Dritten übernommen waren, ohne dass dies (ausreichend) kenntlich gemacht worden ist. Mangels hinreichender Analysemöglichkeiten der angeführten inhaltlichen Übereinstimmungen geht der Senat zusätzlich davon aus, dass im Zeitpunkt der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde offen ist, ob dem Antragsteller vorsätzliche Falschangabe oder Täuschungsabsicht i.S.v. § 7 Abs. 6 Alt. 2 ImmatS anzulasten war.
In Anbetracht der sich für den Antragsteller für seine weitere Berufsausbildung ergebenden Konsequenzen hätte die insoweit beweispflichtige Universität den im Eignungsverfahren erhobenen Täuschungsvorwurf aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nachprüfbar belegen müssen. Alleine anhand der Stellungnahme von Prof. M. sowie dem „Plagiatsbericht“ des Programms „Turnitin“ kann der Vorwurf der Täuschung durch Abgabe eines Plagiats und damit das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 6 Alt. 2 ImmatS nicht nachvollzogen werden.
Eine Bewertung des Essays als „eigene“ oder „fremde“ bzw. „teilweise fremde“ Arbeit ist allein anhand eines Ähnlichkeitsindexes nicht möglich. Ein solcher Index kann lediglich Indiz für Unregelmäßigkeiten sein und zu weiteren Prüfungen Anlass geben. Der Senat hat mangels Vorliegen entsprechender Unterlagen bereits Zweifel, ob im Vorfeld der Entscheidung der TUM vom 2. Juni 2021 tatsächlich eine ausreichende Inhaltsprüfung des Essays stattgefunden hat. Jedoch ist auch aus der Stellungnahme von Prof. M. vom 21. Juni 2021 nicht abschließend abzuleiten, welche Qualität die – zweifellos vorliegenden – Übereinstimmungen haben.
Der Plagiatsbericht des Programms „Turnitin“ lässt in weiten Teilen schon nicht erkennen, aus welchen konkreten Quellen Textbestandteile übernommen worden sind, sondern verweist pauschal auf Internetquellen, die für das Gericht nicht recherchierbar sind, bzw. auf Studentenarbeiten, die nicht vorliegen. Daher kann das Gericht bereits nicht überprüfen, ob die Ergebnisse des Programms „Turnitin“ zutreffen. Außerdem ist ein inhaltlicher Vergleich mit dem Text des Antragstellers und eine daran anschließende wertende Analyse unmöglich. Auch kann nicht beurteilt werden, ob die von der TUM gerügten „Textschnipsel“ tatsächlich in wörtlicher Rede hätten gekennzeichnet werden müssen. Hierzu wäre erforderlich, im Kontext nachzuvollziehen, welchen Gehalt die gerügten Satzteile haben. Ob der Antragsteller in seinem Text zutreffend auf die von ihm angegebenen Quellen referenziert, kann ebenfalls ohne Vergleich mit der jeweiligen Quelle nicht festgestellt werden. Der Antragsteller hat auf knapp 2 ½ Seiten 14 Quellenangaben gemacht. Eine Einschätzung, inwieweit diese zutreffen bzw. ausreichen, insbesondere ob zusätzliche Zitatnachweise erforderlich gewesen wären, kann ohne inhaltliche Kenntnis der Quellen nicht erfolgen. Gleiches gilt für die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe, soweit ein Verweis auf die Fundstelle ganz unterblieben sei, über die Urheberschaft der Gedanken getäuscht. Denn ohne Kenntnis des konkreten Inhalts der Fundstelle und des jeweiligen Gesamtzusammenhangs kann nicht nachvollzogen werden, welche Passagen auf eigenen Gedanken des Antragstellers beruhen und welche auf übernommenen.
Mangels (zumindest auszugsweiser) Kenntnis der Originalquellen kann daher im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung auch nicht beurteilt werden, ob die gerügten Übereinstimmungen auf einer unsachgemäßen Zitierweise beruhen oder ob etwaige Verstöße gegen diese den Vorwurf einer Täuschung rechtfertigen; darüber hinaus kann nicht bewertet werden, welche Intensität die (mögliche) Täuschungshandlung hatte und daraus folgend, ob die Entscheidung der TUM, den Antragsteller deshalb vom Bewerbungsverfahren auszuschließen, verhältnismäßig war.
Können die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache anhängigen Verpflichtungsklage nicht ausreichend geklärt werden, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung ausnahmsweise geboten, wenn dies auf Basis einer Folgenabwägung nötig erscheint. Diese ergibt im vorliegenden Fall, dass die aus dem Erlass einer einstweiligen Anordnung für den Antragsteller resultierenden (positiven) Folgen die damit verbundenen (negativen) Konsequenzen für den Antragsgegner überwiegen. Denn für den Antragsteller ist sein behaupteter Zulassungsanspruch zum Masterstudium grundrechtsrelevant (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG). Bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes besteht für ihn die Gefahr einer nicht nur unwesentlichen Grundrechtsbeeinträchtigung, die in dem eintretenden Zeitverlust liegt, den der Antragsteller erfährt, wenn er das begehrte Masterstudium nicht bereits zum Wintersemester 2021/2022, sondern erst später aufnehmen kann. Jedenfalls insoweit kann ihm nicht entgegengehalten werden, dass er für das darauffolgende Semester erneut Zulassung zum Eignungsverfahren beantragen kann. Demgegenüber tritt das Interesse der TUM, den Antragsteller erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Hauptsache zum Studium zuzulassen, und ihn nicht vorläufig, also möglicherweise „umsonst“ studieren zu lassen, zurück. Unabhängig von den Ausführungen unter II. ist der Antragsteller auch aus diesem Grunde vorläufig zum begehrten Masterstudium zuzulassen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben