Verwaltungsrecht

Zulassung zur Ersten Staatsprüfung nach nicht bestandener Prüfung im Freiversuch

Aktenzeichen  7 CE 17.540

Datum:
31.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123
LPO I § 14, § 15, § 16

 

Leitsatz

Der Antrag, die im Freiversuch nicht bestandene Prüfung als nicht abgelegt zu werten, ist nicht fristgebunden. Es geht deshalb nicht zulasten des Antragstellers, wenn er seinen Antrag, die im Freiversuch abgelegte Prüfung als nicht abgelegt zu werten, erst zu einem Zeitpunkt stellt, zu dem er sich der Prüfung bereits erneut unterzogen hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 E 17.96 2017-02-20 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die erneute Zulassung zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Bayern (Fächer: Spanisch und Französisch) im Herbst 2017.
Sie nahm im Herbst 2015 – unmittelbar nach der Vorlesungszeit des neunten Semesters und damit im Rahmen der für den Freiversuch geltenden Regelungen (§ 16 Abs. 1 Lehramtsprüfungsordnung I – LPO I) – erstmals an der Ersten Staatsprüfung teil und bestand die Prüfung im Fach Spanisch, nicht jedoch im Fach Französisch. Im Frühjahr 2016 nahm die Antragstellerin erneut an der Prüfung im Fach Französisch teil, die sie wegen eines zwischen den Parteien umstrittenen Vorwurfs des Unterschleifs nicht bestand.
Nach der Mitteilung des Antragsgegners vom 29. Juli 2016, die Antragstellerin könne die nicht bestandene Prüfung nicht mehr wiederholen, beantragte diese durch Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 23. August 2016 (u.a.) die Anerkennung der im Herbst 2015 abgelegten Prüfung als Freiversuch und begehrte die erneute Zulassung zur Ersten Staatsprüfung, welche ihr der Antragsgegner verweigerte.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 20. Februar 2017 im Wege der einstweiligen Anordnung antragsgemäß verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der von der Antragstellerin noch einzulegenden Hauptsache zur Ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Bayern im Herbst 2017 in den Fächern Französisch und Spanisch zuzulassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.
Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen den genannten Beschluss. Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf eine Wiederholungsprüfung habe, weil diese sich nach der erstmals im Herbst 2015 abgelegten Ersten Staatsprüfung im nächsten Prüfungstermin (Frühjahr 2016) nicht erneut der Prüfung in beiden Fächern (Spanisch und Französisch) sondern nur der Prüfung in Französisch unterzogen habe. Sie habe damit „auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Freiversuchsregelung verzichtet“ und die nicht bestandene Prüfung bereits ohne Erfolg wiederholt. Eine weitere Wiederholungsmöglichkeit bestehe nicht. Im Übrigen sei eine etwaige Wiederholungsprüfung spätestens im Frühjahr 2017 abzulegen gewesen. Der Prüfungstermin im Herbst 2017 sei daher „verfristet“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 20. März 2017 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Antragstellerin einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht hat. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners ist ergänzend zu bemerken:
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Antragstellerin bei ihrer Teilnahme an der Ersten Staatsprüfung im Herbst 2015 die normativen Voraussetzungen für einen Freiversuch (§ 16 Abs. 1 der Ordnung der Ersten Prüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen [Lehramtsprüfungsordnung I – LPO I] vom 13.3.2008 [GVBl 2008, 180; BayRS 2038-3-4-1-1-K) erfüllt hat. Die im Freiversuch nicht bestandene Prüfung wird auf Antrag als nicht abgelegt gewertet (§ 16 Abs. 1 LPO I). Der Normgeber hat an die Stellung dieses Antrags keine weiteren Anforderungen gestellt, insbesondere ist der Antrag nicht fristgebunden. Es geht deshalb nicht zulasten der Antragstellerin, wenn sie ihren Antrag, die im Herbst 2015 abgelegte Prüfung als nicht abgelegt zu werten, im August 2016 und damit erst zu einem Zeitpunkt stellt, zu dem sie sich der Prüfung bereits erneut (im Frühjahr 2016) unterzogen hat. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners gibt es keinen Grund zur Annahme, die Antragstellerin habe mit ihrer Teilnahme am Prüfungstermin im Frühjahr 2016 „auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Freiversuchsregelung verzichtet“. Zwar sprechen – wie das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung ausführt – gute Gründe für die Annahme, dass eine im Rahmen eines Freiversuchs als nicht abgelegt gewertete Prüfung in der Folgezeit grundsätzlich „im Ganzen“ abzulegen ist (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 2 LPO I), obwohl der Normgeber das Prinzip der grundsätzlich vollständig („im Ganzen“) abzulegenden Prüfung selbst durchbrochen hat, indem er insbesondere die Notwendigkeit der Wiederholung der nicht bestandenen Ersten Staatsprüfung auf die Fächer beschränkt, die nicht bestanden wurden (§ 14 Abs. 2 Satz 1 LPO I), während er andererseits im Fall der Wiederholung der Prüfung zur Notenverbesserung regelt, dass die Erste Staatsprüfung grundsätzlich nur im Ganzen wiederholt werden kann (§ 15 Abs. 2 Satz 1 LPO I). Unbeschadet dessen ist es jedoch für die von der Antragstellerin beantragte Wertung der im Rahmen des Freiversuchs (im Herbst 2015) abgelegten Prüfung „als nicht abgelegt“, ohnehin unerheblich, ob die Antragstellerin sodann im Frühjahr 2016 die Erste Staatsprüfung im Ganzen oder nur beschränkt auf das Fach Französisch abgelegt hat. Denn die nur unvollständig (vorliegend im Fach Französisch) abgelegte und nicht bestandene Prüfung kann für die Antragstellerin keine nachteiligere Wirkung haben als eine im Ganzen (in beiden Fächern) abgelegte und nicht bestandene Prüfung. Ist somit die im Herbst 2015 im Rahmen des Freiversuchs nicht bestandene Prüfung als nicht abgelegt zu werten, so hat die Antragstellerin im Frühjahr 2016 die Erste Staatsprüfung erstmals abgelegt und nicht bestanden, so dass ihr die Möglichkeit der (einmaligen) Wiederholung der Prüfung offen steht (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 LPO I).
b) Der weitere Einwand des Antragsgegners, der vom Verwaltungsgericht angeordnete Prüfungstermin im Herbst 2017 sei „verfristet“, ist ebenso nicht stichhaltig. Da sich die Antragstellerin nach der Mitteilung des Antragsgegners, die Erste Staatsprüfung könne nicht mehr wiederholt werden, bei diesem umgehend um eine erneute Zulassung zur Prüfung bemüht und diese erst nach Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe erreicht hat, kann ihr von Seiten des Antragsgegners nicht vorgehalten werden, sie hätte die Wiederholungsprüfung spätestens im Frühjahr 2017 ablegen müssen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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