Verwaltungsrecht

Zum Sofortvollzug ohne vorausgehenden sicherheitsbehördlichen Verwaltungsakt

Aktenzeichen  3 M 43/22

Datum:
12.7.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0712.3M43.22.00
Normen:
§ 80 Abs 5 VwGO
§ 16a Abs 1 S 2 Nr 2 TierSchG
§ 53 Abs 2 SOG ST 2013
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend VG Magdeburg, 5. April 2022, 9 B 27/22 MD, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 9. Kammer – vom 5. April 2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch.
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 5. April 2022 das Rechtschutzziel, die aufschiebende Wirkung ihres mittlerweile unter dem 6. Mai 2022 erhobenen Widerspruchs gegen die – ihrer Ansicht nach mündlich verfügte – Fortnahme ihrer 23 Hunde durch den Antragsgegner am 20. Januar 2022 wiederherzustellen/anzuordnen/festzustellen sowie im Wege der Vollzugsfolgenbeseitigung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Herausgabe der Hunde anzuordnen. Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, dass eine Maßnahme des Verwaltungszwangs ohne vorausgehenden sicherheitsbehördlichen Verwaltungsakt nach § 53 Abs. 2 SOG LSA vorliege und der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu bewertende Antrag keinen Erfolg habe, weil die Fortnahme der Hunde im Wege des Sofortvollzugs nach summarischer Prüfung rechtmäßig sei. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche oder tatsächliche Bewertung.
1. Entgegen der Darstellung der Antragsteller ist für einen mündlichen Verwaltungsakt (Fortnahmeverfügung) nichts ersichtlich. Die Beschwerde behauptet lediglich, dass gegenüber den Antragstellern mündlich die Fortnahme der Hunde verfügt worden sei, weil ihnen gegenüber erklärt worden sein soll, dass die Hunde fortgenommen würden. Für den Erlass eines mündlichen Verwaltungsakts liegen indes keine zureichenden Anhaltspunkte vor. Weder gibt der Verwaltungsvorgang des Antragsgegners hierfür einen Anhalt (vgl. Kontrollbericht zur amtlichen Kontrolle nach Veterinärrecht vom 20. Januar 2022) noch kann den Erklärungen des Antragsgegners, dessen Ziel es zunächst war, allein den Gesundheitszustand der gehaltenen Hunde der Antragsteller am 20. Januar 2022 zu kontrollieren und der angesichts der vorgefundenen tierschutzwidrigen Zustände von der Absicht geleitet war, im Wege der unmittelbaren Ausführung der Maßnahme (Fortnahme der Hunde) zu agieren, etwas anderes abgeleitet werden. Abgesehen davon haben die bereits erstinstanzlich anwaltlich vertretenen Antragsteller im gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht entsprechende Angaben nicht gemacht, sondern um vorläufigen Rechtschutz nach § 123 VwGO nachgesucht, weil es ihrer Ansicht nach an einem „Verwaltungsakt im Sinne eines rechtsmittelfähigen Bescheides“ gefehlt habe. Ausweislich des Kontrollberichts zur amtlichen Kontrolle nach Veterinärrecht vom 20. Januar 2022 ist der vormalige Rechtsbeistand der Antragsteller, der diese auch erstinstanzlich vertreten hat, durch die amtliche Tierärztin Frau W. während Kontrolle telefonisch darüber informiert worden, dass „die Fortnahme nach § 16a TierSchG in Verbindung mit SOG LSA im Sofortvollzug [erfolge], um Schaden von den Hunden abzuwenden.“ Weshalb die Antragsteller nicht mehr von einem verwaltungsaktlosen behördlichen Handeln ausgehen, wird mit der Beschwerde nicht hinreichend dargelegt.
Den Antragstellern ist zwar zuzugeben, dass die vom Antragsgegner beabsichtigte unmittelbare Ausführung der Maßnahme nach der maßgebenden landesrechtlichen Regelung des § 9 Abs. 1 SOG LSA voraussetzt, dass der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 7 oder 8 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, was im Regelfall bei einem – wie hier – anwesenden oder leicht erreichbaren Tierhalter von vornherein ausscheidet (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 16a TierSchG Rn. 28 m.w.N.). Diese unzutreffende Sichtweise des Antragsgegners berührt aber den Umstand des verwaltungsaktlosen Handelns nicht.
Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang meint, die verwaltungsaktlose Fortnahme allein auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG stützen zu können und hierfür auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Aachen (Urteil vom 27. Juli 2007 – 6 L 184/07 – juris) bzw. des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg (Beschluss vom 25. Mai 1998 – 4 E 24/98 – juris) verweist, ist dem nicht zu folgen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 12. Januar 2012 (Az. 7 C 5.11, juris Rn. 18) klargestellt, dass § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG a.F., der § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG entspricht, die Behörde nur zum Erlass von Verwaltungsakten und nicht zum Handeln im Wege der unmittelbaren Ausführung berechtigt. Ohne vorausgehenden Verwaltungsakt kann ein Tier deshalb nur fortgenommen und veräußert werden, wenn und soweit die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung oder des Sofortvollzugs nach Landesrecht vorliegen.
Scheidet – wie hier – aufgrund der Anwesenheit der Antragsteller als Zustandsstörer (vgl. § 8 SOG LSA) eine Maßnahme nach § 53 Abs. 2 SOG LSA i.V.m. § 9 Abs. 1 SOG LSA aus, kommt gleichwohl die – auch vom Verwaltungsgericht herangezogene – verwaltungsvollstreckungsrechtliche Regelung des § 71 Abs. 1 VwVG LSA i.V.m. § 53 Abs. 2 SOG LSA als Rechtsgrundlage für das behördliche Handeln in Betracht. Danach können Verwaltungsakte, die auf die Herausgabe einer Sache oder auf eine sonstige Handlung oder eine Duldung oder Unterlassung gerichtet sind und die nicht unter § 2 Abs. 1 VwVG LSA fallen werden, auch wenn sie nicht der Gefahrenabwehr dienen, nach dem Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt durchgesetzt werden. § 53 Abs. 2 SOG LSA bestimmt, dass Verwaltungszwang ohne vorausgehenden sicherheitsbehördlichen Verwaltungsakt u.a. auch dann angewendet werden kann, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist, insbesondere, weil Maßnahmen gegen Personen nach den §§ 7 bis 10 keinen Erfolg versprechen (hierzu Ausführungen des Senats unter 2.) und die Sicherheitsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt (hierzu Ausführungen des Senats unter 3.). Der Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass eine Gefahrenlage im Sinne von § 53 Abs. 2 SOG LSA vorgelegen habe (vgl. im Einzelnen: Beschlussabdruck S. 4 [1. Absatz]), tritt die Beschwerde nicht entgegen. Sie zeigt insbesondere nicht auf, dass eine den sofort Vollzug rechtfertigende besondere Dringlichkeit vorliegend zu verneinen ist.
Zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes auf § 123 VwGO und einer damit verbundenen unzulässigen Beweislastumkehr kommt es – entgegen der Darstellung der Antragsteller – damit nicht. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Antragsteller an § 80 Abs. 5 VwGO gemessen (unter Verweis auf Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 28). Worin eine unzulässige Beweislastumkehr liegen soll, legt die Beschwerde indes nicht dar.
2. Der Einwand der Antragsteller, zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht mit dem Antragsgegner davon ausgegangen, dass Maßnahmen gegen sie keinen Erfolg versprächen, verfängt nicht. Denn es kommt entgegen der Darstellung der Antragsteller nicht darauf an, dass sie bisher gegen keine schriftliche Ordnungsverfügung des Antragsgegners verstoßen hätten. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht – ohne dass sich die Beschwerde hiermit auseinandersetzt – zutreffend ausgeführt:
„Nach summarischer Prüfung bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine (förmliche) Verfügung, mit der die Antragsteller zur Duldung der Fortnahme verpflichtet worden wären, selbst bei Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung des unmittelbaren Zwangs, von den Antragstellern nicht eingehalten worden wäre. Diese Annahme rechtfertigen insbesondere die in der Vergangenheit festgestellten und monierten Haltungsbedingungen. Den Antragstellern wurden ausweislich des entsprechenden Protokolls des Antragsgegners vom 15.05.2020 bereits insgesamt 20 Hunde aufgrund unzumutbarer Haltungsbedingungen fortgenommen. Nachdem den Antragstellern 6 dieser Hunde im Juni 2020 zurückgegeben worden waren und mit der Antragstellerin zu 1. einvernehmlich vereinbart worden war, dass sie nicht mehr als 8 Hunde halten dürfe, wurden im Rahmen einer veterinäramtlichen Kontrolle vom 25.08.2021 indes 11 sowie am 24.09.2021 insgesamt 19 von den Antragstellern gehaltene Hunde vorgefunden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ergibt sich die Notwendigkeit des Sofortvollzuges zudem daraus, dass andernfalls die von der Amtstierärztin am 20.02.2022 festgestellten Haltungsverstöße und das damit verbundene vermeidbare Gesundheitsrisiko für die Hunde fortdauern würden. Der aus Art. 20a GG ableitbare Auftrag des Staates zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Tieren gebietet es, dass derjenige, der ein Tier hält oder betreut, die Folgen tierschutzrechtlicher Maßnahmen im Sinne von § 16a TierSchG hinzunehmen hat, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus der weiteren Haltung oder Betreuung von Tieren durch den Betroffenen eine Gefahr für deren angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung resultiert (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 03.02.2010 – OVG 5 S 28.09 -, juris). Dies gilt auch im Fall der Antragsteller, zu deren Lasten wiederholt Haltungsmängel festgestellt worden waren, und die bis zum Zeitpunkt der Fortnahme nicht aufgezeigt haben, dass sie in der Lage wären, die Haltungsbedingungen der Hunde nachhaltig zu verbessern.“
Weshalb die Antragsteller entgegen ihres bisherigen Umgangs mit behördlich attestierten Mängeln einer schriftlichen Ordnungsverfügung Folge geleistet hätten, zeigt die Beschwerde indes nicht auf. Zudem führt der Antragsgegner unwidersprochen aus, dass die Antragstellerin zu 1. während der amtlichen Kontrolle am 24. September 2021 auf den Hinweis, dass sie nicht mehr als acht Hunde halten dürfe, geantwortet habe, dass es ihr egal sei. Dass den Antragstellern in Kenntnis der örtlichen Umstände nach der Fortnahme von 20 Hunden im Jahr 2020 sechs Hunde zurückgegeben worden seien, führt in diesem Zusammenhang ebenfalls zu keiner anderen Bewertung. Die Beschwerde behauptet schon nicht, dass unmittelbar nach der Rückgabe der Hunde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch die Antragsteller nicht stattgefunden habe. Dessen ungeachtet bedingt bereits die sukzessive Aufnahme von weiteren Hunden veränderte Haltungsanforderungen, die die Antragsteller offenkundig nicht beachtet haben, obgleich ihnen dies aufgrund der vormaligen Fortnahme von Hunden im Jahr 2020 bekannt war.
3. Auch der Einwand der Beschwerde, die Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG für die (fiktive) Fortnahme seien nicht gegeben, weil den Antragstellern keine Frist gesetzt worden sei, eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung sicherzustellen, rechtfertigt die Abänderung des Beschlusses nicht.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist nach der gesetzlichen Regelung für die Fortnahme und damit im Zusammenhang stehende behördlich veranlasste Unterbringung eine ausdrückliche Fristsetzung nicht zwingend erforderlich. Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG kann die zuständige Behörde insbesondere ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Literatur ausgeführt, dass es unschädlich ist, dass den Antragstellern nicht aufgegeben worden ist, innerhalb einer bestimmten Frist den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltungsbedingungen sicherzustellen. Ein solcher Ausspruch soll lediglich „in der Regel“ erfolgen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 16a TierSchG, Rn. 26). Die Verpflichtungen des Tierhalters und -betreuers ergeben sich im vorliegenden Fall schon aus den allgemeinen Tierhalterpflichten nach dem Tierschutzgesetz sowie im Besonderen aus der Tierschutzhundeverordnung (vgl. Beschlussabdruck S. 12 [2. Absatz]). Darüber hinaus führt das Verwaltungsgericht aus, dass den Antragstellern bereits im Rahmen der Kontrolle vom 20. Januar 2022 ausführlich sowie hinreichend konkret aufgezeigt worden sei, welche Haltungsbedingungen aus Sicht des Antragsgegners tierschutzwidrig, mithin zu ändern seien (vgl. Beschlussabdruck S. 12 [2. Absatz]). Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.
Abgesehen davon ist die Fristsetzung der Gesetzessystematik folgend zuvorderst Voraussetzung für die Veräußerung der Tiere. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [2. Teilsatz] TierSchG bestimmt, dass die Behörde das Tier veräußern kann, wenn eine anderweitige Unterbringung des Tiers nicht möglich ist oder nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen ist. Eine Fristsetzung ist nach der Rechtsprechung und Literatur dann entbehrlich, wenn eine anderweitige Unterbringung nicht möglich ist, gegen den Halter nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG bzw. § 20 TierSchG vorher/gleichzeitig ein vollziehbares Tierhaltungsverbot ergangen ist oder es unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen erscheint, dass er die nötigen Haltungsbedingungen zeitnah wird sicherstellen können (vgl. vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 16a TierSchG Rn. 26, 33 m.w.N.). Vorliegend dürfte insbesondere die letzte Alternative einschlägig sein, weil der Antragsgegner unwidersprochen im Beschwerdeverfahren vorträgt, dass aufgrund der zahlreichen schwerwiegenden – mit der Beschwerde nicht weiter angegriffenen – Verfehlungen und der fehlenden Einsicht der Antragsteller eine Herstellung artgerechter Haltungsbedingungen durch die Antragsteller nicht für realisierbar gehalten werde. Dementsprechend hat der Antragsgegner ausweislich des Kontrollberichts zur amtlichen Kontrolle nach Veterinärrecht vom 20. Januar 2022 die Prüfung eines Haltungs- und Betreuungsverbots für Hunde in Aussicht gestellt, die Antragsteller zur beabsichtigten Verhängung eines Haltungs- und Betreuungsverbots für Hunde bzw. zur beabsichtigten Veräußerung mit Schreiben vom 29. März 2022 angehört und mittlerweile mit Bescheid vom 24. Mai 2022 ein Haltungs- und Betreuungsverbot für Hunde gegenüber den Antragstellern erlassen.
4. Soweit die Antragsteller vortragen, dass eine anderweitige Unterbringung der Tiere ausweislich des Kontrollberichts vom 20. Januar 2022 durch die Unterbringung bei dem SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. (in Bad W./Brandenburg) möglich gewesen sei, führt dies nicht weiter. Die Beschwerde behauptet weder, dass die anderweitige pflegliche Unterbringung der fortgenommenen Tiere (vgl. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG) im Tierheim S-Stadt nicht gewährleistet sei, noch ist Entsprechendes für den Senat ersichtlich. Vielmehr dürfte die dortige Unterbringung nach summarischer Prüfung auch als solche verhältnismäßig sein. Allein die objektive Möglichkeit, die fortgenommenen 23 Hunde bei dem von den Antragstellern präferierten SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. und damit in einem anderen Bundesland unterzubringen, zwingt die Behörde nicht, dem Halterwillen der Antragsteller zu entsprechen und mittels Ersuchens um Amtshilfe zu agieren, zumal aus behördlicher Sicht eine ortsnahe Unterbringung anzustreben sein dürfte. Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragsteller bei einer Unterbringung der Hunde bei dem SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. Zugriff auf die Tiere nehmen könnten. Die Antragstellerin zu 1. arbeitet nach eigenen Angaben mit dem Verein zusammen und unterhält in dem Vereinskomplex den Sitz ihres gewerblichen Transportunternehmens für Heimtiere. Dies versetzt die Antragsteller in die Lage, sich gleichwohl in die Betreuung der Hunde einzubringen, obgleich ausweislich des Kontrollberichts zur amtlichen Kontrolle nach Veterinärrecht vom 20. Januar 2022 die Überprüfung eines (Haltungs- und) Betreuungsverbots angestrebt wurde. Dies zugrunde gelegt begegnet es – jedenfalls bis zur abschließenden Klärung des Haltungs- und Betreuungsverbots für Hunde – keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, die Unterbringung bei dem SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. nicht zu befürworten. Dies gilt erst recht, weil die Antragsteller eigenen Angaben zufolge die Unterbringung bei dem SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. anstrebten, um ihre Hunde selbst versorgen zu können (vgl. erstinstanzlicher Vortrag im Schriftsatz vom 11. Februar 2022). Nach alledem führt auch der Einwand der Antragsteller nicht weiter, dass sie im Fall eines „gestreckten Verfahrens“ zur Herstellung der erforderlichen Haltungsbedingungen die Unterbringung der Hunde bei dem SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. veranlasst hätten und insoweit auch kooperativ gewesen seien. Die Auflösung des Tierbestands durch die Antragsteller zu verlangen, was die Antragsteller in die Lage versetzt hätte, die 23 Hunde an den SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. abzugeben, ist indes kein milderes Mittel, da dies den Eigentumsverlust an den Tieren vorausgesetzt hätte. Eine hierfür bestehende Bereitschaft behaupten weder die Antragsteller bezogen auf den SOS Hundehilfe P-Stadt e.V. noch sind die Eigentumsrechte in der Folge an diesen übertragen worden.
5. Die von den Antragstellern vorgenommene Übertragung der Eigentumsrechte an den Hunden an einen ihren Angaben nach ungarischen Tierschutzverein namens „Kelebia Kutyamentő Alapítvány“ mit Schutzvertrag vom 21. April 2022 rechtfertigt die Abänderung des Beschlusses ebenfalls nicht.
Die Beschwerde legt nicht hinreichend dar, dass in Entsprechung des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG durch die Übertragung der Eigentumsrechte auf den Verein artgerechte Haltungsbedingungen für die 23 Hunde hergestellt werden. Dass die Antragsteller einer etwaigen behördlichen Anordnung über die Auflösung des Tierbestands zuvorkommen, entpflichtet sie nicht, für die künftige artgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung der Hunde Sorge zu tragen und berechtigte – in ihrer Sphäre liegende – Zweifel an der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts auszuräumen (vgl. im Einzelnen zu Verfügungsoptionen beim behördlichen Anordnung zur Auflösung des Tierbestands: Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 16a TierSchG Rn. 52 m.w.N.). Bestehen insbesondere mit Blick auf die Anzahl der abzugebenden Hunde Anhaltspunkte dafür, dass ihre artgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung aus einer Hand nicht ohne Weiteres gewährleistet sein werden, scheidet die hier begehrte Herausgabe der Tiere aus. Das Gleiche gilt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um ein bloßes Scheingeschäft handeln könnte und der vormalige Tierhalter zur Aufklärung des Sachverhalts nicht beiträgt. Nur eine solche Betrachtungsweise trägt dem in Art. 20a GG verankerten Staatsziel des Tierschutzes hinreichend Rechnung.
Die Antragsteller beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass hinsichtlich des „Tierschutzvereins“ keinerlei Bedenken gegen eine Herausgabe der Hunde bestünden. Es sei nicht ersichtlich, dass dieser sich etwas habe zuschulden kommen lassen. Im Übrigen sei es Sache des (neuen) Tierhalters, eine den Anforderungen des § 2 TierSchG genügende Haltung der Tiere sicherzustellen. Diese Argumentation greift zu kurz.
Seitens der Antragsteller werden substantiierte und nachprüfbare Angaben zu dem Käufer, der sich lediglich per E-Mail an den Antragsgegner zwecks Abholung der 23 Hunde unter Vorlage des Schutzvertrags gewandt hat, nicht gemacht. Vielmehr wird pauschal behauptet, dass es sich hierbei um einen „ungarischen Tierschutzverein“ handele, der die Tierhaltungsbedingungen einhalten werde, ohne dies im Ansatz zu belegen. Ausweislich der im Internet zugänglichen – ausschließlich auf einem gleichnamigen Facebook-Account beruhenden – Informationen nimmt die in der ungarischen Gemeinde Kelebia ansässige Vereinigung „[…] Kutyamentő Alapítvány“ (wörtliche Übersetzung: Hunderettungsstiftung) streunende Hunde der unmittelbaren Umgebung auf, um sie (wohl) anschließend (u.a. in die Bundesrepublik Deutschland) zu vermitteln. Dass das Tätigkeitsfeld auch umfasst, eine Vielzahl von Hunden aus der Bundesrepublik Deutschland zur weiteren Vermittlung aufzunehmen, ist indes nicht erkennbar. Hiernach ist die Einschätzung des Antragsgegners, es handele sich um ein „Strohmanngeschäft“, jedenfalls nicht fernliegend, zumal sich die Antragsteller weiterer – zumutbarer – Angaben über den Erwerber enthalten. Zudem dürfte Einiges dafürsprechen, dass die Antragsteller, die nach eigenen Angaben sechs Hunde aus Serbien und Ungarn (vgl. Kontrollbericht zur amtlichen Kontrolle nach Veterinärrecht vom 24. September 2021) aufgenommen haben, um diese „zu retten“, und dortige Tierschutzorganisationen durch Sachspenden unterstützen, in diesem Zusammenhang mit dem „Tierschutzverein“ in Kontakt stehen, so dass die Ernsthaftigkeit einer Vermittlung, die im Regelfall den umgekehrten Verlauf nehmen dürfte, in Zweifel zu ziehen ist. Hinzu kommt, dass sich weder die Antragsteller zu den konkreten Haltungsbedingungen und Perspektiven der Tiere in Ungarn verhalten noch anhand von Angaben des Erwerbers oder aussagekräftiger anderer erreichbarer Informationen nachvollzogen werden kann, dass der „Tierschutzverein“ in der Lage sein wird, die 23 Hunde artgerecht zu versorgen und zu betreuen. Dies ist jedoch insbesondere mit Blick auf die Anzahl der Tiere und die unzureichenden Haltungsumstände bei den Antragstellern, denen die Tiere bereits ausgesetzt waren, zu fordern.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
III. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. Ziffer 35.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei bemisst der Senat die sich aus dem Antrag für die einzelnen Antragsteller ergebende Bedeutung der Sache mit jeweils 5.000,00 €. Eine Reduzierung des (jeweiligen) Wertes kommt mit Blick auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens nicht in Betracht, da das Verfahren in seiner Bedeutung einer Entscheidung in der Hauptsache gleichkommt.
IV. Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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