Verwaltungsrecht

Zur Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts

Aktenzeichen  M 4 S 17.33956

Datum:
23.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 60 Abs. 1
ZPO ZPO § 222 Abs. 1
BGB BGB § 188 Abs. 2, § 222 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Rechtsanwalt, der auf dem Gebiet des Asylrechts mit seinen kurzen Fristen tätig ist, muss damit rechnen, dass auch in Zeiten seiner Abwesenheit ein belastender Bescheid mit einer Wochenfrist ergeht, und entsprechend Sorge tragen, dass ihn derartige Benachrichtigungen erreichen oder für eine Vertretung sorgen.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde.
Der Antragsteller, ein am … Juni 1985 geborener senegalesischer Staatsangehöriger, beantragte am 22. Oktober 2014 als „Th.o M., geboren … Oktober 1996, mauretanischer Staatsangehöriger“ in Deutschland Asyl. In seiner Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am 22. Oktober 2014 gab er an, er könne keine Personalpapiere vorlegen. Von der Französischen Botschaft in Gabun habe er im Oktober 2014 ein Visum für die Bundesrepublik Deutschland erhalten. Er habe sein Herkunftsland im August 2014 mit dem Flugzeug Richtung Gabun verlassen und sei dann über Frankreich (Transit) und Belgien nach Hamburg eingereist, wo er am 12. Oktober 2014 angekommen sei.
Bereits unter dem 17. Oktober 2014 erging vom Landesbetrieb Erziehung und Beratung der Hansestadt H. ein Bescheid gegen den Antragsteller, wonach der Antragsteller am 12. Oktober 2014 vorläufig in Obhut genommen worden sei, um Ermittlungen zu seiner Altersangabe zu ermöglichen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei seine Altersangabe unrichtig, eine ärztliche Untersuchung am 17. Oktober 2014 habe ergeben, dass er nach ärztlicher Feststellung über 18 Jahre alt sei. Die Inobhutnahme wurde abgelehnt. Der Antragsteller musste die Unterbringungseinrichtung umgehend verlassen.
Ausweislich einer Auskunft aus dem Europäischen Visainformationssystem (VIS) auf Grundlage der VIS-Verordnung wurde dem Antragsteller unter seinen im Rubrum angegebenen Personalien von der Belgischen Botschaft in Gabun ein Kurzaufenthaltsvisum für die Schengenstaaten, gültig vom 2. bis zum 30. Oktober 2014 erteilt. Der Antragsteller wies sich dabei mit einem bis 2018 gültigen senegalesischen Reisepass aus, die Auskunft datiert vom 23. Oktober 2014.
Am 1. April 2015 übersandt die Regierung von Oberbayern/Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern/Zentrale Passbeschaffung Bayern dem Bundesamt den senegalesischen Personalausweis des Antragstellers, sowie ein belgisches Laissez Passer ausgestellt am 10. März 2015. Der Antragsteller wurde ausweislich eines Überstellungsdatenblattes (Bl. 50 der Behördenakte) am 23. März 2015 kontrolliert auf dem Luftweg von Brüssel nach München überstellt und von der Bundespolizeiinspektion Flughafen M. der Aufnahmeeinrichtung in der B1. Straße … in M. zugewiesen. Am 18. Mai 2015 wurde der Antragsteller einer Unterkunft in Markt I. zugewiesen, ab 22. Juni 2015 lautete seine Adresse auf Schmarnzell 11 in Altomünster.
In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 30. März 2016 gab der Antragsteller an, seinen Personalausweis habe er verloren, er habe zuletzt in der Casamance im Senegal gewohnt. Am 8. März 2013 habe er sein Heimatland verlassen und sei am 10. Oktober 2014 nach Deutschland eingereist. Er sei vom Senegal nach Mali, dann nach Burkina Faso und Benin, sowie mit dem Flugzeug nach Gabun geflogen, wo er sich zehn Monate aufgehalten habe, dann auf dem Luftweg nach Frankreich, mit dem Zug nach Belgien und mit dem Auto nach Deutschland. Seine Mutter stamme aus Mauretanien. Er habe sechs Jahre die Schule besucht und keinen Abschluss gemacht, eine Ausbildung habe er auch nicht absolviert, habe aber gelegentlich als Maurer gearbeitet. Er sei dann 2003 beim Militär gewesen und habe ein Jahr die Ausbildung gemacht.
Als Grund für seinen Asylantrag gab er an, er sei vom 20. Januar bis zum 15. Februar 2013 von einer Rebellengruppe in der Casamance gezwungen worden zu arbeiten, er habe große Fallgruben ausheben müssen. Am 15. Februar 2013 sei er in einem Dorf zurückgelassen worden, weil er krank gewesen sei und Blut verloren habe. Wegen dieser Hernie (Bauchwandbruch) sei er später in Gabun auch operiert worden. Er habe immer viele schwere Sachen tragen müssen. Bei dieser Gelegenheit habe er die Flucht ergriffen und sei in das Dorf seiner Schwester gekommen, bei der er sich zwei Wochen versteckt habe. Seine Halbgeschwister (sein Vater habe zwei Frauen gehabt) seien seine Feinde gewesen und hätten ihn bei der Polizei als Rebell denunziert. Sie hätten gewusst, dass er seit 25 Tagen im Wald gewesen sei, am 4. März sei er dann von der Polizei abgeholt worden. Sie hätten ihm zehn Jahre Gefängnis und eine Strafzahlung von 5 Mio. Franc CFR angedroht, weil er das Militär ausspionieren würde, er sei der Spionage und versuchten Raubes beschuldigt worden. Sie hätten ihn gehen lassen, hätten ihm aber gesagt, er solle im Senegal bleiben. Er sei dann zu seiner Schwester und habe am 8. März den Senegal verlassen. Sein Schwager habe ihm geholfen, über die Grenze zu gehen. Am 1. Juni 2014 sei seine Schwester umgebracht worden. Ausweislich des Protokolls legte der Antragsteller vier Farbfotos einer ermordeten Frau mit abgetrenntem Kopf vor, die als Kopie zu den Akten genommen wurden. Er habe an diesem Tag drei SMS bekommen, in denen man ihm gedroht hätte. Ein Geschäftsmann habe ihm dann geholfen Gabun zu verlassen. Er habe ihm das Geld gegeben, das er zehn Monate lang im Gabun verdient habe. Wer seine Schwester umgebracht hätte, wisse er nicht, die Ermittlungen liefen noch. Es könne die Regierung oder die Rebellen gewesen sein. Die Bilder habe ihm ein guter Freund von ihm geschickt. Ihre Dörfer seien nicht weit voneinander entfernt. Bereits vor dem 20. Januar habe er innerhalb von zwei Wochen zwei Besuche von der Polizei bekommen, sie hätten die Information, dass er dabei gewesen sei, zu versuchen sich den Rebellen anzuschließen. Er sei nach seiner Flucht vor den Rebellen nicht zur Polizei gegangen, da sie bereits zweimal zu ihm gekommen seien. Die Polizei habe ihm befohlen, an seinen Heimatort zu bleiben.
Auf den Seiten 91 bis 94 der Bundesamtsakte befinden sich die vier Fotos, die einen weiblichen Leichnam mit abgetrenntem Kopf zeigen.
Der nunmehr Bevollmächtigte des Antragstellers teilte unter dem 15. April 2016 mit, dass sich der Antragsteller im Januar 2016 einer Knieoperation (Kreuzbandriss links) habe unterziehen müssen, dass wegen anhaltender Schmerzen am rechten Handgelenk aufgrund eines Unfalls im Wald bei der Flucht vor den Rebellen noch MRT-Untersuchungen ausstünden und dass am 13. April 2016 bei ihm eine Koloskopie durchgeführt worden sei. Gleichzeitig kündigte er ärztliche Atteste wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und wegen Hautproblemen im Gesicht an.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2016 (gemeint offensichtlich 2017) lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (1. und 2.). Auch der Antrag auf subsidiären Schutz wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller werde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Senegal abgeschoben. Er könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (7.).
Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen.
Der Bescheid wurde als Einschreiben am 15. Februar 2017 zur Post gegeben.
Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2017, am 2. März 2017 beim Verwaltungsgericht München eingegangen, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid (M 4 K 17.33951) und beantragte nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung-VwGO-,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Vorsorglich beantragte er die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wegen Versäumung der genannten Frist.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, wegen Abwesenheit des Bevollmächtigten bei der Auslieferung der Sendung am 16. Februar 2017 habe der Postzusteller den Bescheid in der Postfiliale hinterlegt und den Bevollmächtigten mit einer Benachrichtigungskarte (allerdings nur mit dem Hinweis „1 Brief, Einschreiben“ und ohne Absenderangabe benachrichtigt). Die Einschreibesendung sei dann vom Bevollmächtigten am 23. Februar 2017 abgeholt worden. Im Übrigen trug er hinsichtlich der vorgetragenen Verfolgungsgeschichte nunmehr vor, der Antragsteller sei, nachdem ihm die Flucht vor den Rebellen gelungen sei, in sein Dorf zurückgekehrt (nicht in das Dorf seiner Schwester) und habe den Vorfall der Polizei gemeldet. Diese habe ihn allerdings zwingen wollen, zu den Rebellen zurückzukehren, um dort versteckt als Polizeispitzel zu arbeiten. Er sei vor die Alternative gestellt worden, entweder eben als Agent für die Polizei zu arbeiten, oder als Rebell und wegen Spionage und versuchten Raubes strafrechtlich verfolgt zu werden. Da der Antragsteller beide Möglichkeiten nicht wollte, sei er zu seiner Schwester geflohen. Im Übrigen machte der Bevollmächtigte des Antragstellers systemische Mängel bei der Anhörung vor dem Bundesamt geltend. Außerdem habe der Antragsteller seit längerem eine Freundin, die am 13. Februar 2017 eine gemeinsame Tochter geboren habe, entsprechende Urkunden legte er vor. Diese neue Familie dürfe nicht auseinander gerissen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist bereits wegen Verfristung unzulässig.
Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG) sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen.
Vorliegend wurde der streitgegenständliche Bescheid, als Einschreiben am 15. Februar 2017 (Mittwoch) zur Post gegeben. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 gilt er damit am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, also am Samstag, den 18. Februar 2017, als zugestellt. Im Bescheid war auch eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt, § 58 Abs. 1 VwGO. Nach § 57 Abs. 1, 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB begann die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 AsylG somit am Sonntag, den 19. Februar 2017 und endete gemäß § 222 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO am Montag, den 27. Februar 2017. Der Eingang des Klage- und Antragschriftsatzes bei Gericht am 2. März 2017 war demzufolge verspätet.
Dem Antragsteller war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, weil sein Bevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die Wochenfrist einzuhalten.
Zwar braucht, wer eine ständige Wohnung hat und diese nur vorübergehend, also nicht länger als sechs Wochen, wegen Urlaubs- oder Geschäftsreise nicht benutzt, für die Zeit seiner Abwesenheit keine besonderen Vorkehrungen hinsichtlich möglicher Zustellungen zu treffen, selbst dann nicht, wenn er von einem anhängigen Verfahren Kenntnis hat (vgl. Harrer/Kugele, Verwaltungsrecht in Bayern, § 60 VwGO, Ziff. 3.5.2 m.w.N.). Einen Rechtsanwalt als Fachmann treffen allerdings besondere Sorgfaltspflichten, insbesondere bei fristgebundenen Schriftsätzen. Bei ihm sind grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen als beim juristischen Laien. Die Berücksichtigung persönlicher Besonderheiten ist nicht möglich. Allerdings dürfen die Anforderungen auch hier nicht überspannt werden. Es genügt die übliche, von einem Rechtsanwalt zur fordernde Sorgfalt, der sich gewissenhaft und sachgemäß über die Rechtslage unterrichtet hat (Harrer/Kugele, a.a.O., Ziff. 3.3.2 c m.w.N.). Erst recht ist dies zu fordern, wenn ein zugelassener Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Asylrechts mit seinen kurzen Fristen tätig ist und das Mandat, wie vorliegend geschehen, bereits im behördlichen Verfahren übernommen hat. In einer solchen Situation muss er damit rechnen, dass ein belastender Bescheid mit einer Wochenfrist auch in Zeiten seiner Abwesenheit ergeht und dem entsprechend Sorge tragen, dass ihn entsprechende Benachrichtigungen erreichen oder für eine Vertretung vorsorgen. Sollte das nicht möglich sein, verbieten es die anwaltlichen Sorgfaltspflichten, derartige Mandate zu übernehmen.
2. Im Übrigen wäre der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aber auch unbegründet.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ab-schiebungsandrohung ist zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigen-schaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 86 ff.). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des So-fortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Ein-schätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufenthG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, mit einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung von Entscheidungsgründen ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
a) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des An-tragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte. Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Der Vortrag des Antragstellers enthält keinerlei Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines im Sinne der §§ 3 ff. AsylG relevanten Verfolgungsschicksals. Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes im Sinne der §§ 4 ff. AsylG. Jedenfalls ist der Antragsteller auf einen Umzug innerhalb des Senegals zu verweisen (vgl. §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG).
Das Vorbringen des Antragstellers im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verstärkt die bereits vom Bundesamt festgestellte fehlende Glaubhaftigkeit seines Vortrags. Erstmals lässt er nun vortragen, die Polizei habe ihn zwingen wollen, als Polizeispitzel zu arbeiten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum er dies nicht bereits im behördlichen Verfahren hätte vorbringen können. Die Hinweise seines Bevollmächtigen auf angebliche systemische Mängel bei der Anhörung vor dem Bundesamt können derartige Lücken und Widersprüche im Vortrag, sollte es sich wirklich um selbst Erlebtes handeln, keinesfalls erklären.
b) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes vom 14.10.2016, dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d.h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20). Auch ist in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zudem mittlerweile ausdrücklich geregelt, dass nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein muss.
Die vom Antragsteller im behördlichen Verfahren vorgebrachten Erkrankungen sind nicht geeignet, eine derartige Gefahrenlage bei Rückkehr in den Senegal anzunehmen.
Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgebrachte Anerkennung der Vaterschaft zu einem Kind mit einer deutschen Staatsangehörigen ist im Asylverfahren nicht zu prüfen, da es sich hierbei um ein rein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis handeln würde, welches von der zuständigen Ausländerbehörde zu würdigen ist.
c) Damit ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59
AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung insgesamt nicht zu beanstan-den. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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