Verwaltungsrecht

Zurückstellung einer „Regelbeförderung“, Zweifel an der gesundheitlichen Eignung, Erhebliche Fehlzeiten

Aktenzeichen  3 ZB 21.290

Datum:
31.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13318
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 1 K 20.522 2020-12-08 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 14.223,27 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Der Kläger rügt, die tatsächlichen Annahmen, die dem angefochtenen Urteil zugrunde lägen, seien unvollständig und vor allem unzutreffend, weil sich aus dem polizeiärztlichen Gutachten vom 14. Februar 2020 (Untersuchungstag 12.2.2020) keine hinreichend nachvollziehbaren Erkenntnisse ergäben, die grundsätzliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers begründeten. Die (näher geschilderten) Feststellungen im Gutachten stünden im krassen Widerspruch zur nicht näher begründeten Diagnose einer beginnenden dementiellen Entwicklung, die allein auf Verdachtsäußerungen aus dem Kreis der Vorgesetzten des Klägers beruhe und die wegen der bestehenden „Verstimmungen“ ärztlicherseits hätte hinterfragt werden müssen. Da das polizeiärztliche Gutachten in der Zusammenfassung davon ausgehe, dass im Hinblick auf die depressive Episode des Klägers eine weitgehende bis vollständige Remission eingetreten sei, fehlten Anhaltspunkte, weshalb beim Kläger gesundheitliche Umstände vorliegen könnten, wonach die gesundheitliche Eignung für eine Ernennung zweifelhaft sei oder gar fehle. Auch die Feststellung auf Seite 17 des Gutachtens („neue Probleme“), die auf dem Abschneiden des Klägers bei einem Test beruhe, machten die Beurteilung nicht nachvollziehbar, weil der Kläger während der gesamten polizeiärztlichen Untersuchung im Hinblick auf sein Verhalten unauffällig gewesen sei. Widersprüchliche Testergebnisse hätten allenfalls die Schlussfolgerung erlaubt, dass Bedarf für eine weitere Aufklärung durch ein weiteres Fachgutachten bestehe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, das das polizeiärztliche Gutachten für nachvollziehbar und schlüssig erachte, könne eine nachvollziehbare Begründung für die dort gestellten Diagnosen nicht gefunden werden.
Damit kann der Kläger nicht durchdringen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Beförderung zurückgestellt werden darf, wenn im Auswahlzeitpunkt nachvollziehbare und begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Beamten bestehen (BVerwG, U. v. 29.8.1996 – 2 C 23.95 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 17.12.2013 – 3 CE 13.2171 – juris Rn. 25; B.v. 24.3.2021 – 3 ZB 19.2541 – juris Rn. 5; SächsOVG, B.v. 15.3.2010 – 2 B 516/09 – juris Rn. 13). Des Nachweises einer bestimmten Krankheit bedarf es insoweit nicht (OVG NW, B.v. 10.10.2018 – 6 B 988/18 – juris Rn. 19), zumal die Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers sich aufgrund seiner erheblichen Fehlzeiten (vgl. dazu BayVGH, B.v. 12.4.2022 – 6 CE 22.428 – Rn. 16) geradezu aufdrängten. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Kläger im Jahr 2019 an 278 Tagen dienstunfähig erkrankt war. Dessen Einwand, der Amtsarzt hätte allenfalls Anlass gehabt, weitere Aufklärung zu betreiben, ist unverständlich, denn gerade dies ist durch den Amtsarzt veranlasst worden. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung bestanden Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Klägers. Diese wurden anschließend durch den Krankheitszeitraum vom 17. Februar 2020 bis zur Arbeitsaufnahme am 1. Juni 2021 bestätigt; dass das in Auftrag gegebene Fachgutachten des Klinikums N. zu dem Ergebnis kommt, es bestehe (nur) eine „akzentuierte Persönlichkeit“ bzw. eine „akzentuierte Persönlichkeitsstruktur“ (zitiert nach Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei vom 25. Mai 2021), ändert daran nichts.
b) Des Weiteren kritisiert der Kläger, dass eine eigene Ermessensentscheidung des Dienstherrn im Zusammenhang mit der Zurückstellung der Beförderung des Klägers nicht erfolgt sei. Dem Schreiben des Dienstherrn vom 9. Dezember 2019 sei eine solche nicht zu entnehmen. Damit erweise sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Zurückstellung der Beförderung sei anhand der Faktenlage rechtmäßig, als unzutreffend. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Ernennung eines seit längerer Zeit dienstunfähig erkrankten Beamten verstößt gegen den Leistungsgrundsatz (BVerwG, U.v. 29.8.1996 – 2 C 23.95 – juris Rn. 22). Dies gilt nicht nur für die Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern um einen ausgeschriebenen Dienstposten. Auch die „Regelbeförderung“ eines Beamten setzt seine gesundheitliche Eignung für dieses Amt voraus (BVerfG, B.v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571/07 – juris Rn. 11). Bei der Regelbeförderung handelt es sich um eine echte Beförderung, bei der der Leistungsgrundsatz nicht außer Acht gelassen werden darf. Ein Dienstherr ist nicht berechtigt und kann erst recht nicht verpflichtet sein, unter Missachtung des öffentlichen Interesses an möglichst effektiver Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Besetzung der Beamtenstellen ein Beförderungsamt einem Beamten zu übertragen, der für das Amt gesundheitlich nicht geeignet ist (BVerwG, B.v. 28.7.1970 – II B 7.70 – juris; U.v. 12.5.1977 – II C 46.73 – juris; BayVGH, B.v. 17.12.2013 – 3 CE 13.2171 – juris Rn. 25). Gegebenheiten des Einzelfalls, die dafür sprechen könnten, dem Beamten trotz längerer Erkrankung ein Beförderungsamt zu übertragen, sind nicht ersichtlich.
c) In Bezug auf die soeben zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die der Kläger für sich in Anspruch nimmt, hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die zugrunde liegenden Fallkonstellationen erheblich unterscheiden. Während beim Kläger eine Klärung des Gesundheitszustands damals noch ausstand und es kaum mehr zu einer nennenswerten Arbeitsleistung kam, standen in der in Bezug genommenen Entscheidung die Einschränkungen der (wohl durchgängig) diensttuenden Beamtin fest. Der Fall, dass sich die Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Beamten darauf beziehen, dass auch geklärt werden muss, ob überhaupt noch mit einer Dienstleistung gerechnet werden kann, ist mit dem Fall eines dauerhaft nur eingeschränkt dienstlich verwendungsfähigen Beamten nicht vergleichbar.
2. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor. Die vom Kläger vorgetragenen tatsächlichen Schwierigkeiten haben sich für das Verwaltungsgericht nicht gestellt, da es das polizeiärztliche Gutachten für nachvollziehbar und überzeugend gehalten hat. Die vom Kläger angeführten „Widersprüche“ waren in Anbetracht seiner eigenen, von ihm aber ausgeblendeten Fehlzeiten, nicht von Belang. Rechtliche Schwierigkeiten bestehen ebenfalls nicht. Die berechtigten Zweifel des Dienstherrn, ob der seit längerer Zeit dienstunfähig erkrankte Kläger in dem angestrebten Amt auf Dauer verwendet werden könnte, wurden durch den polizeiärztlichen Dienst bestätigt, nicht aber ausgeräumt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG unter Berücksichtigung der jährlichen Sonderzahlung (Art. 82 ff. BayBesG) und folgt der Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 10.3). Im Jahr 2021, dem für die Wertberechnung maßgebenden Zeitpunkt (§ 40 GKG), betrug das Endgrundgehalt der angestrebten Besoldungsstufe (A 11) 4.479,77 Euro.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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