Verwaltungsrecht

Zweitantrag nur bei feststehendem Abschluss des Asylverfahrens im Drittstaat

Aktenzeichen  M 21 S 17.47365

Datum:
26.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 34
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1
VwVfG VwVfG § 51 Abs. 1 – 3

 

Leitsatz

1 Der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat als Voraussetzung eines Zweitantrages (§ 71a AsylG) setzt voraus, dass der negative Ausgang des Asylverfahrens in dem Mitgliedstaat sicher feststeht; bloße Mutmaßungen reichen nicht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Prüfung der Wiederaufnahmegründe beim Zweitantrag bedarf es der Entscheidungsgründe des ersten Asylverfahrens nicht, wenn der Antragsteller keine Änderung der Sachlage vorträgt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der nicht ausgewiesene Antragsteller ist nach eigenen Angaben nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 22. April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 9. September 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
Im Rahmen seines persönlichen Gesprächs zu Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates erklärte der Antragsteller, er habe 2012 in der Schweiz bereits internationalen Schutz beantragt. Zudem seien ihm in Spanien Fingerabdrücke genommen worden. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 9. Dezember 2016 führte der Antragsteller ergänzend aus, er habe zunächst in Spanien gelebt. Dann sei er in die Schweiz gegangen und habe dort Asyl beantragt. Er sei dann wieder nach Spanien zurückgeschickt worden, wo er schließlich im April 2013 einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei nach sechs Monaten abgelehnt worden. Aus humanitären Gründen sei sein Aufenthalt nochmals um sechs Monate verlängert worden. Nach deren Ablauf habe er einen Bus nach Deutschland genommen.
Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Bundesamtes wandte sich die Schweizerische Eidgenossenschaft mit Schreiben vom 15. Juni 2017 an das Bundesamt und erklärte, die spanischen Behörden hätten am 21. Januar 2013 dem Übernahmeersuchen zugestimmt. Mit Entscheid vom 22. Januar 2013 sei dann eine materielle Prüfung des Asylgesuchs unterblieben und die Wegweisung nach Spanien verfügt worden. Der Antragsteller sei am 25. März 2013 kontrolliert nach Spanien überstellt worden. Das spanische Ministero del interior erklärte mit Schreiben vom 24. Juli 2017, der Antragsteller habe am 4. April 2013 Asyl beantragt. Sein Gesuch sei am 17. September 2013 zurückgewiesen worden, was dem Antragsteller am 3. Oktober 2013 bekannt gegeben worden sei.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21. August 2017 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Nigeria wurde angedroht. Schließlich wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG, da der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat gemäß § 26 a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe. Wiederaufgreifensgründe habe der Antragsteller weder dargelegt noch seien sie sonst ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Hiergegen hat der Antragsteller am 30. August 2017 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben (M 21 K 17.47364), mit der er beantragt, den Bescheid vom 21. August 2017 aufzuheben und sowie hilfsweise die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Zugleich beantragt er, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führt er aus, das Bundesamt habe keine Kenntnis der Begründung des Ablehnungsbescheides der spanischen Behörden gehabt. Dies sei aber erforderlich, um Wiederaufnahmegründe beurteilen zu können.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 22. Juni 2017 die Behördenakten vorgelegt. Eine Äußerung erfolgte weder zum Klagenoch zum Eilverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowohl in diesem als auch im Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Gemäß §§ 71a Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung im Falle eines Zweitantrages, in dem ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Dies ist hier im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) nicht der Fall.
Nach § 71a Abs. 1 AsylG ist dann, wenn ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG.
§ 71a AsylG setzt damit den erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 22ff; BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 – juris Rn. 24ff). Hierbei muss der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen; bloße Mutmaßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N.). Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen.
Dies ist vorliegend der Fall. Auf ein Informationsersuchen nach Art. 34 VO 604/2013 hat der Mitgliedstaat Spanien die erbetenen Informationen übermittelt. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Amtsermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Dass das Asylverfahren in Spanien rechtskräftig abgeschlossen ist, steht danach zur Überzeugung des Gerichts fest. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es für die Prüfung von Wiederaufnahmegründen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Vorlage der vollständigen Entscheidungsgründe jedenfalls dann nicht, wenn der Antragsteller – wie hier – weder eine Änderung der Sach- und Rechtslage noch neue Beweismittel zur Untermauerung seiner Verfolgungsgeschichte vorträgt.
Überdies hat das Gericht auch keinen Anlass an der Rechtmäßigkeit des Asylverfahrens in Spanien zu zweifeln, zumal der Antragsteller hierzu weder etwas vorgetragen noch dem Gericht sonst ersichtlich ist, an welchen Mängeln das spanische Asylverfahren des Antragstellers gelitten haben soll.
Damit ist der Antrag zu Recht als unzulässig abgelehnt worden.
Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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